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HUTT-GERECHTIGKEIT UND REBELLEN-VERGELTUNG

 

 

»Tante«, rief Jabba und starrte auf den Bildschirm seines Datenblocks, »wenn das so weitergeht, sind die Desilijic in nur vierundvierzig Jahren bankrott!«

Jabba und Jiliac weilten in den Geschäftsräumen von Jiliacs Inselpalast auf Nal Hutta. Die Desilijic-Führerin hatte Luftschlangen aus leuchtender askajianischer Seide ausgerollt, um die Aufmerksamkeit ihres Babys zu fesseln, und der Kleine krabbelte munter darauf zu. Aber natürlich bekam der Baby-Hutt die bunten Luftschlangen nicht zu fassen – er besaß noch immer keine richtigen Arme, obwohl die Stummeln in den vergangenen drei Monaten ein Stück gewachsen waren. Mittlerweile konnte der Kleine zwei oder drei Stunden ohne Unterbrechung außerhalb des mütterlichen Beutels bleiben – sehr zu Jabbas Verdruß. Er vermochte Jiliacs ungeteilte Aufmerksamkeit nur noch dann auf sich zu ziehen, wenn das Baby im Leib der Mutter schlummerte.

Als die Führerin der Desilijic Jabbas Meldung vernahm, wandte sie sich vom Spiel mit ihrem Sprößling ab, um ihren Neffen milde überrascht zu betrachten. »Wirklich?« sagte Jiliac, und die breite Stirn legte sich in Falten. »So bald schon? Das hätte ich nicht gedacht. Trotzdem… vierundvierzig Jahre, Jabba. Wir sollten doch in der Lage sein, diese Entwicklung noch rechtzeitig umzukehren. Welche Berichte siehst du dir da an?«

»Alle, Tante. Ich habe einen Großteil der vergangenen Woche damit zugebracht, ein komplettes Wirtschaftsprofil der Desilijic-Finanzen zu erstellen.«

»Und wohin gehen die Credits?«

»Unter anderem habe ich hier die Rechnung von Shug Ninx’ Raumdepot«, berichtete Jabba und berührte eine Taste des Datenblocks, um das Dokument auf den Schirm zu laden. »Der Umbau der Hyperantriebe unserer Raumschiffe hat uns um fünfzigtausend Credits zurückgeworfen.«

»Das kommt mir ein wenig teuer vor«, meinte Jiliac. »War denn die Erneuerung sämtlicher Schiffe wirklich notwendig?«

Jabba seufzte so laut und verzweifelt, daß Spritzer grünen Sabbers vor ihm auf dem Boden landeten. »Shug Ninx ist eine Rarität unter den Bewohnern von Nar Shaddaa, Tante. Der Preis ist durchaus fair. Und wir haben, falls du dich erinnerst, während der letzten sechs Monate drei Schmuggelschiffe an imperiale Patrouillen verloren und einige weitere an Freibeuter. Die Sublichttriebwerke unserer Schiffe waren alt und technisch längst überholt und nicht mehr dazu in der Lage, imperialen Zollschiffen oder Piraten zu entkommen. Und die Hyperantriebe waren so langsam, daß wir uns Beschwerden über verspätete Lieferungen eingehandelt haben! Ja, um zu verhindern, daß wir noch mehr Raumschiffe verlieren, war diese Erneuerung absolut notwendig.«

»Oh ja, jetzt entsinne ich mich«, erwiderte Jiliac unbestimmt. »Nun, was sein muß, muß sein, Neffe. Ich vertraue auf dein Urteil.«

Mein Urteil sagt mir, daß ich die hiesigen Geschäfte nicht nur de facto, sondern auch nominell leiten sollte, dachte Jabba brummig. Laut sagte er: »Immerhin ist jetzt alles erledigt. Wenn wir Glück haben, können unsere Schiffe zukünftig in kürzerer Zeit mehr Gewürze verschiffen, dann gleichen wir unsere Verluste nach und nach aus. Wenn die Besadii dieses Mal ihre zuletzt angekündigten Preise für verarbeitete Gewürze halten. Das war jetzt schon die dritte Preiserhöhung in drei Monaten.«

Jiliac begann zu lachen, ein lautes, dröhnendes Geräusch, das durch das große, fast verwaiste Büro hallte. Seit der Geburt ihres Babys hatte die Hutt-Führerin zahlreiche ihrer früheren Hofschranzen und Speichellecker entlassen, da sie fürchtete, einer von ihnen könnte ihren Sprößling entführen, um ein gegen Lösegeld zu erpressen. Seit neustem beherbergte ihr prunkvoller Thronsaal im Vergleich zu den Tagen, als Jiliac noch ein männlicher, kinderloser Hutt war, nur mehr wenige ihrer vertrautesten Vasallen. Jabba hingegen liebte es natürlich nach wie vor, in seinen Palästen auf Nal Hutta und Tatooine ohne Unterlaß von einer lärmenden Menge, von Musik und Tänzerinnen umgeben zu sein.

Nachdem Jiliac zu lachen aufgehört hatte, rief sie: »Neffe, selbstverständlich werden die Besadii ihre Preise nicht halten! Ihre Strategie war in jüngster Zeit auf die Reduzierung der Gewürzmengen auf dem Schwarzmarkt gerichtet, um die Preise in die Höhe zu treiben. Simpelste Ökonomie. Und daher höchst erfolgreich!«

»Ich weiß«, stimmte Jabba ihr zu. »Aber ihre Preise müssen einfach ein gutes Stück nachgeben, Tante. Wenn sie noch viel mehr verlangen, werden sie dem imperialen Gewürzhandel Konkurrenz machen, und damit würden sie die ungebetene Aufmerksamkeit des Imperators auf sich ziehen.«

In Übereinstimmung mit einem imperialen Dekret gehörten sämtliche Gewürze, vor allem das besonders wertvolle Glitzerstim, dem Imperium. Doch die Preise für das legal über imperiale Kanäle vertriebene Gewürz waren so absurd hoch, daß abgesehen von den märchenhaft Reichen niemand sich diese Drogen leisten konnte. Da kamen die Schmuggler und ihre Nebengeschäfte auf Kessel und den übrigen Welten ins Spiel, die Gewürze produzierten.

»Wir hatten jedenfalls kaum eine andere Wahl, als unsere Schiffe instand zu setzen, Tante,« fügte Jabba hinzu. »Unsere Händler haben damit gedroht, in Zukunft direkt mit den Besadii zu verhandeln.«

»Aber die Besadii haben keine Schmuggelflotte, die es mit der unseren aufnehmen könnte«, stellte Jiliac wahrheitsgemäß fest.

»Nicht zur Zeit«, entgegnete Jabba. »Aber meine Quellen melden, daß Durga bereits ein paar Schiffe erworben hat und über den Ankauf weiterer Einheiten verhandelt. Er hat seine Absicht erklärt, eine Flotte zusammenzustellen, die unsere weit übertrifft. Ich glaube, er will den gesamten Gewürzhandel an sich reißen. Das dürfen wir nicht zulassen, Tante.«

»Da stimme ich dir zu, Neffe«, antwortete Jiliac und wedelte mit einer wasserblauen Luftschlange. »Aber was sollen wir dagegen unternehmen?«

»Ich denke, wir sollten unsere Anstrengungen verdoppeln und mehr Piloten einstellen, die unsere Gewürze transportieren, Tante«, erklärte Jabba. »Es muß da draußen Piloten geben, die ebenso gut sind wie Solo.«

»Ist er fort?« fragte Jiliac geistesabwesend, während sie ihrem Baby den Kopf streichelte.

Jabba verdrehte die Glubschaugen und langte in eine Schüssel, um sich einen jungen carnovianischen Aal zu nehmen, dann stopfte er sich den zappelnden, kreischenden Leckerbissen ins Maul. Der Baby-Hutt sah zu ihm hin und sonderte grünlich-braunen Schleim ab.

Jabba wandte schnell den Blick ab und schluckte vernehmlich. »Solo ist schon sein einigen Monaten fort, Tante. Wie man hört, ist er in den Korporationssektor geflogen. Sein Verlust macht sich bereits bemerkbar«, er schwenkte mit den Datenblock. »Solo war unser bester Pilot. Ich stelle fest, daß ich den Burschen sogar vermisse.«

Jiliac verdrehte den Körper, um ihren Neffen überrascht zu betrachten. »Jabba, du redest von einem Menschen. Und darüber hinaus von einem männlichen Menschen. Hat dein Geschmack sich geändert? Ich dachte immer, du hättest eine Schwäche für diese langweiligen, spärlich bekleideten Tänzerinnen. Ich kann mir Solo nur schwer in einem Tanztrikot vorstellen, wie er zusammen mit diesem großen haarigen Rüpel von Wookiee vor deinem Thron herumturnt.«

Jabba lachte bei dieser Vorstellung. »Ho-ho, Tante! Nein, meine Vorliebe für Solo resultiert allein aus der Tatsache, daß er uns auf schnellstem Weg Geld einbringt. Er würde es niemals zulassen, daß man ihn entert und sein Schiff samt Fracht beschlagnahmt. Solo ist ziemlich schlau und einfallsreich… für einen Menschen.«

»Die Präsenz des Imperiums hier in den Randregionen wird allmählich immer spürbarer«, sagte Jiliac. »Zuletzt gab es ein Massaker auf dieser von Menschen bewohnten Welt…«

»Mantooine im Atrivis-Sektor«, half Jabba aus. »Seitdem ist es längst zu einem neuen Blutbad gekommen, Tante. Vor zwei Wochen haben Bürger von Tyshapahl eine friedliche Demonstration gegen das Imperium und seine Steuerpolitik veranstaltet. Darauf entsandte der Mufti des Sektors Raumschiffe der nächsten imperialen Garnison. Die imperialen Schiffe schwebten auf ihren Repulsoren über der Menge, dann zündeten die Raumer die Triebwerke. Der größte Teil der Demonstranten wurde vollständig eingeäschert.«

Jiliac schüttelte den schweren Schädel. »Palpatines Streitkräfte könnten ein paar Lektionen in Raffinesse von unserem Volk vertragen, Neffe. Welch eine Verschwendung von Ressourcen! Es wäre doch viel besser gewesen, wenn sie gelandet wären und alle in die Schiffe getrieben hätten, um sie als Sklaven zu verkaufen. Auf diese Weise könnte sich das Imperium die Dissidenten vom Hals schaffen und gleichzeitig noch Profit machen.«

»Der Imperator sollte dich als Ratgeberin ins Imperiale Zentrum holen, Tante«, bemerkte Jabba halb im Scherz, denn er war überzeugt, daß er weit mehr erreichen würde, wenn er sich nicht jeden Tag mit Jiliac herumschlagen müßte. Der kleine Hutt kroch gerade vor ihm vorbei, und er starrte ihn finster an. Die geistlose kleine Kreatur gluckste, rülpste uns stieß auf.

Widerwärtig, dachte Jabba und wich vor der sich ausbreitenden übelriechenden Pfütze zurück. Jiliac rief einen Reinigungsdroiden und wischte dem Kleinen über das Maul.

»Daran solltest du nicht einmal denken, Jabba«, sagte sie. Aus ihrer Stimme klang vages Entsetzen. »Du weißt doch, wie Palpatine mit Nichtmenschen verfährt. Seine Abneigung gegen Nichtmenschen ist so stark, daß er uns Hutts nicht einmal als überlegene Spezies anerkennt!«

»Richtig«, erwiderte Jabba. »Sehr kurzsichtig von ihm. Aber er ist eine Autorität, damit müssen wir uns irgendwie arrangieren. Bisher konnten wir uns die nötige Protektion vor allzu genauer Beobachtung durch das Imperium erkaufen. Ein teures Gut, aber es lohnt sich.«

»Stimmt«, sagte Jiliac. »Der einzige Grund, warum er uns nach der Schlacht von Nar Shaddaa in Ruhe gelassen hat, war, daß der Große Rat dafür gestimmt hat, die Abgaben, die wir an das Imperium zahlen, willkürlich zu verdoppeln. Nal Hutta ist fünfzigmal so wohlhabend wie die meisten anderen Planeten, und unser Wohlstand garantiert uns ein gewisses Maß an Protektion. Gar nicht zu reden von den Bestechungsgeldern, die wir an den neuen Mufti und eine Handvoll imperialer Senatoren und hochrangiger Offiziere entrichten.«

Der Reinigungsdroide hatte seine Bemühungen unterdessen abgeschlossen, und der Fußboden glänzte wieder. Die Hutts hielten ihre Fußböden gewissenhaft sauber und, sofern diese nicht mit Teppichen ausgelegt waren, spiegelglatt. Auf diese Weise konnten sie leichter auf ihnen herumkriechen.

»Es heißt, daß diese abtrünnige Senatorin, Mon Mothma, drei große Widerstandsgruppierungen dazu überredet hat, sich zusammenzuschließen. Sie haben ein Dokument unterzeichnet, das sie das Abkommen von Corellia nennen«, berichtete Jabba. »Es ist gut möglich, daß uns allen eine größere Rebellion ins Haus steht. Und, Tante…« Jabba schwenkte abermals den Datenblock. »…in Kriegszeiten kann man hohe Gewinne erzielen. Es könnte uns durchaus gelingen, unsere Verluste wieder wettzumachen.«

»Diese sogenannten Rebellen haben gegen die Macht des Imperiums keine Chance«, meinte Jiliac verächtlich. »Es wäre dumm von uns, uns auf ihre Seite zu schlagen.«

»Oh, das habe ich gar nicht vorgeschlagen, Tante«, warf Jabba, den die Vorstellung empörte, rasch ein. »Aber manchmal kann man davon profitieren, wenn man eine Seite gegen die andere ausspielt. Aber selbstverständlich nicht als permanente Verbündete.«

»Es ist immer besser, sich vollständig aus der galaktischen Politik herauszuhalten, merke dir meine Worte, Jabba.« Jiliac hielt ihr Baby und schaukelte es zärtlich. Eine gute Methode, es noch mal spucken zu lassen, dachte Jabba zynisch. Und tatsächlich, genau das tat der Kleine dann auch. Zum Glück befand sich der Reinigungsdroide noch in Rufweite.

»Tante«, sagte Jabba zögerlich, »da die Zeiten so… schwierig geworden sind, solltest du vielleicht mal darüber nachdenken, ob du das Baby nicht besser jeden Tag in den Gemeindehort bringst. Dann könnten wir uns leichter auf unsere geschäftlichen Angelegenheiten konzentrieren. Das Kind kann gut eine gewisse Zeit außerhalb des Beutels existieren. Davon abgesehen gibt es im Hort auch Leihmütter mit Tragebeuteln.«

Jiliac richtete sich steil auf, ihr Schwanz zuckte, und das Gesicht nahm den Ausdruck schockierter Entrüstung an. »Neffe! Ich bin überrascht, daß du so etwas auch nur vorzuschlagen wagst! In einem Jahr werde ich vielleicht darüber nachdenken, doch heute braucht mein Kleiner mich rund um die Uhr!«

»War ja nur eine Empfehlung«, sagte Jabba so beschwichtigend wie irgend möglich. »Um die Finanzen der Desilijic auf das Niveau zurückzuführen, das sie vor Mufti Shilds zerstörerischem Überfall auf Nar Shaddaa hatten, braucht es weitaus mehr Zeit und Mühe. Und ich investiere zur Zeit eine reichliche Menge Zeit.«

»Ho-ho!« dröhnte Jiliacs Gelächter. »Erst gestern hast du den halben Nachmittag damit zugebracht, diesem neuen Sklavenmädchen zuzusehen, wie es durch deinen Thronsaal tanzte, während deine neuen Jizzheuler für dich aufspielten.«

»Woher…?« setzte Jabba an, verfiel dann jedoch in brütendes Schweigen. Was war schon dabei, wenn er sich ein paar Stunden frei nahm, um sich zu amüsieren? Er war schließlich schon bei Morgengrauen aufgestanden, hatte mit den Kontordroiden und Schreibern über den Wirtschaftsberichten der Desilijic gebrütet und diese in Ordnung gebracht, um einen vollständigen Report über die Folgen der jüngsten Preiserhöhung durch die Besadii vorlegen zu können.

»Ich habe meine Wege, Neffe«, antwortete Jiliac. »Aber selbstverständlich mißgönne ich dir deine Mußestunden keineswegs. Bloß Arbeit ohne Unterhaltung – das läßt einen Hutt abstumpfen. Wie dem auch sein mag, im Gegenzug erwarte ich von dir, daß du mein Bedürfnis respektierst, bei meinem Baby zu sein.«

»Ja, Tante, das tue ich. Natürlich tue ich das«, versicherte Jabba, der innerlich kochte. Rasch wechselte er das Thema. »Ich finde, die Besadii sollten für die Erhöhung der Gewürzpreise zur Rechenschaft gezogen werden. Es könnte durchaus sein, daß es uns gelingt, die übrigen Clans gegen sie aufzubringen.«

»Und was soll dabei herauskommen?«

»Möglicherweise eine offizielle Rüge und ein Bußgeld. Mir ist genug Unmut von den übrigen Clans zu Ohren gekommen, um davon ausgehen zu können, daß sie unter dieser Preiserhöhung ebenso leiden wie die Desilijic. Es ist allemal einen Versuch wert. Tante, kannst du nicht verlangen, daß der Große Rat der Hutts ein Treffen der Kajidic-Führer einberuft?«

Jiliac nickte. Sie war offensichtlich nicht weniger um Versöhnung bemüht. »Also schön, Jabba, ich werde ein solches Treffen noch vor dem Ende der Woche fordern.«

 

Jiliac stand zu ihrem Wort, und drei Tage später schlängelte sich Jabba in Begleitung von Desilijic-Leibwächtern in die Große Ratshalle der Hutts. Sämtliche Repräsentanten und Führer der huttischen Kajidics passierten diverse Sicherheitsvorkehrungen, um die Halle betreten zu dürfen. Das gleiche galt auch für ihre Leibwächter. Absolut nichts, das auch nur von ferne an eine Waffe erinnerte, war im Innern des Saals erlaubt. Hutts waren keine besonders vertrauensseligen Wesen…

Jabba nahm seinen Platz in dem Bereich ein, der den Desilijic zugewiesen worden war, und ermahnte die übrigen Repräsentanten, daß sie das Reden ihm überlassen sollten. Als Jiliacs oberster Lieutenant besaß er dieses Recht, und alle erklärten sich bereitwillig damit einverstanden. Jabba registrierte, daß sogar sein Vater Zorba einen Vertreter entsandt hatte. Sie standen einander nicht sehr nahe, aber es war tröstlich zu wissen, daß die Desilijic gut vertreten waren und alle Clanfamilien Jiliacs Aufruf ernst genommen hatten.

Als alle Repräsentanten aller Kajidics anwesend waren, erklärte der Exekutivsekretär des Großen Rates, der erst kürzlich ernannt worden war und Grejic hieß, die Sitzung für eröffnet.

»Verbündete in der Macht, Brüder im Profit, ich habe euch heute zusammengerufen, um über Belange zu diskutieren, die von den Desilijic auf die Tagesordnung gesetzt wurden. Ich bitte Jabba, den Repräsentanten der Desilijic, das Wort zu ergreifen.«

Jabba glitt aus seiner Reihe und zu Grejics Rednerpodest, dann streckte er die Arme aus und bat um Ruhe. Als die anderen Hutts trotzdem fortfuhren, miteinander zu tuscheln, hob er den Schwanz und ließ ihn anschließend laut auf den Steinboden klatschen. Darauf folgte endlich Stille.

»Mithutts, es geht heute darum, gewisse Verfehlungen auf Seiten des Besadii-Kajidic zur Sprache zu bringen. Während des zurückliegenden Jahres haben ihre Handlungen immer verwerflicherer Züge angenommen. Angefangen hat alles mit der Schlacht von Nar Shaddaa. Wir alle haben unter diesem Angriff zu leiden gehabt – außer den Besadii. Wir haben Raumschiffe verloren, Piloten, Ladungen, einen Teil des Schutzschirms, der den Mond umgibt – von unseren Einbußen im Handel gar nicht erst zu reden! Und dann die Folgen der Schlacht: Der Verlust eines Teiles von Nar Shaddaas Schutzschirm hatte die Zerstörung einiger Straßenzüge durch den Absturz der ›Peacekeeper‹ zur Folge. Die Aufräumarbeiten und Wiederaufbaumaßnahmen sind noch immer in vollem Gang. Und wer hat dafür bezahlt? Jeder Clan hat Besitzstände und Credits verloren – außer den Besadii. Und sie allein – sie, die keine Verluste erlitten und sich diese am ehesten hätten leisten können – haben nichts bezahlt! Wir alle haben gelitten und verloren – außer den Besadii!«

Die übrigen Hutts tuschelten miteinander, als Jabba eine Pause einlegte. Er richtete den Blick auf den Bereich des Saals, der für die Besadii reserviert war, und sah, daß Durga sich nicht dazu herabgelassen hatte, zu erscheinen. Statt dessen hatte er Zier und eine Handvoll niederer Angehöriger des Kajidic als seine Vertreter geschickt.

»Und was haben die Besadii getan, während Nal Hutta in höchster Gefahr schwebte? Sie haben an dasselbe Imperium, das ihre Heimatwelt überfiel, Sklaven verkauft! Alle Clans haben sich zusammengetan, um das astronomische Bestechungsgeld für Admiral Greelanx aufzubringen – wie sich herausstellte, das einzige Mittel, unsere Welt vor einem verheerenden Embargo zu bewahren. Alle Clans – außer den Besadii.«

Die übrigen Hutts murmelten verhaltene Zustimmung. Jabba war stolz auf den Verlauf seiner Ansprache. Er fand, daß er den Gipfel der Beredsamkeit erklomm, und nicht einmal Jiliac, die allgemein anerkannte große Rednerin, hätte es besser machen können. Er war sogar froh darüber, daß Jiliac zu sehr mit ihrem Baby beschäftigt war, um heute hier zu erscheinen. Schließlich war sie in all diesen Dingen, die sie nicht mehr in der gleichen Weise wie früher berührten, nicht so bewandert wie er…

»Und was haben die Besadii in den Monaten, die seit dieser Schlacht vergangen sind, getan, Mithutts? Haben sie uns beim Aufräumen geholfen? Haben sie angeboten, die anderen Clans für deren Beteiligung an dem Bestechungsgeld zu entschädigen? Haben sie auch nur eine einzige Kolonne Sklavenarbeiter geschickt, um beim Wiederaufbau zu helfen?« Jabba schraubte die Stimme in die Höhe, bis er beinahe schrie. »Nein! Statt dessen haben sie die Preise für ihre Gewürze so lange erhöht, bis die Profite sämtlicher Kajidics in Gefahr gerieten – und das zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt! Einige mögen sagen, das sei lediglich gute Geschäftspolitik und gesundes Gewinnstreben. Ich jedoch sage: Nein! Die Besadii versuchen, alles an sich zu reißen und uns alle aus dem Geschäft zu drängen! Die Besadii wollen, daß es auf ganz Nal Hutta keinen Hutt-Clan mehr gibt – außer den Besadii!«

Jabbas Stimme war zu einem Donnergrollen angeschwollen. Harte Schläge seines Schwanzes unterstrichen seine Worte, deren Echo lang durch die Weite des Saals hallten. »Ich fordere, daß die Besadii bestraft werden! Ich fordere, daß der Große Rat darüber abstimmt, sie auf der Stelle zu bestrafen, und ein Bußgeld erhebt, das unter denen aufgeteilt wird, denen unrecht getan wurde. Ich fordere dies im Namen aller Hutts!«

Der Saal verwandelte sich in ein Tollhaus. Schwänze peitschten und empörte Stimmen schrien durcheinander. Einige Hutts wandten sich den Besadii mit drohenden Schwanzschlägen zu und brüllten Beleidigungen und Flüche. Zier blickte wild um sich und fand nirgendwo im Saal ein freundliches Gesicht. Er hob die Arme und die Stimme, brüllte zurück, doch seine Stimme ging in der geballten Wut der übrigen Hutts unter.

Doch dann ließ der allgemeine Aufstand allmählich nach. Grejic schlug mit dem Schwanz und verlangte Ruhe, die ihm schließlich gewährt wurde.

»Dem üblichen Verfahren gemäß hat Zier als ranghöchster Besadii das Recht, seinem Ankläger zu antworten. Was habt Ihr zu alledem zu sagen, Zier?«

Zier räusperte sich gewaltig und schluckte. »Mithutts, wie könnt ihr die Besadii verurteilen? Gewinn zu machen, verdient Lob und nicht Verunglimpfung! Jabba und Jiliac haben während des Angriffs auf Nar Shaddaa am meisten verloren, und nun versuchen sie, euch gegen die Besadii aufzubringen. In Wahrheit jedoch haben die Besadii nichts Verwerfliches getan. Wir haben nichts…«

»Ihr habt gar nichts getan!« warf der Führer des Trinivii-Kajidic lautstark ein. »Die Desilijic haben die Strategie vorgeschlagen, die uns gerettet hat. Die Besadii haben bloß auf unsere Kosten Gewinn gemacht!«

Zier schüttelte den Kopf. »Wir haben lediglich…«

»Wir sind Hutts!« polterte ein anderer Clanführer. »Wir sind stolz darauf, andere Spezies auszubeuten! Wir sind stolz darauf, Gewinn zu machen! Aber wir streben nicht nach der Vernichtung unserer eigenen Art! Konkurrenz? Ja. Vernichtung? Nein!«

Wieder brach das Chaos aus. Eine Kakophonie aus Schwanzhieben, Rufen, Verwünschungen, Gebrüll und aufbrausenden Schmähungen füllte den Saal.

Grejic mußte viele Male mit dem Schwanz trommeln, um die Ruhe wiederherzustellen. »Ich denke, es ist an der Zeit für eine Abstimmung«, rief er. »Alle Kajidic-Repräsentanten, die für oder gegen eine offizielle Bestrafung der Besadii und ein Bußgeld sind, stimmen jetzt über den Antrag ab.«

Alle Kajidic-Führer preßten den Daumen auf den Stimmenzähler vor ihnen. Kurz darauf hob Grejic eine Hand. »Die Stimmen sind ausgezählt. Siebenundvierzig zu eins für die Bestrafung der Besadii.«

Jubelschreie wurden laut.

»Zier von den Besadii…«

»Wartet!« mischte sich eine Stimme ein. Jabba erkannte diese Stimme sofort, drehte sich um und sah Jiliac durch den Saal kriechen. »Wartet! Ich habe meine Stimme noch nicht abgegeben!«

»Jabba hat für Euch gestimmt, Lady Jiliac. Warum diese Unterbrechung? Wünscht Ihr, daß wir die Abstimmung wiederholen?« Grejic gab sich respektvoll, doch er war offenbar voller Ungeduld, mit der Tagesordnung fortfahren zu können.

»Die Abstimmung wiederholen?« Jabba sah seine Tante an, und ihre Blicke trafen sich.

Im nächsten Augenblick schüttelte sie den Kopf. »Mein Neffe ist mein zulässiger Bevollmächtigter, Lord Grejic. Bitte, fahrt fort.«

Jabba stieß sehr langsam die Luft aus. Einen Moment lang hatte er gedacht, Jiliac würde vor allen anderen sein Urteilsvermögen und seine Autorität in Frage stellen.

Zahlreiche Hutts warfen ihm neugierige Blicke zu. Sie fragten sich offensichtlich, weshalb Jabba abgestimmt hatte, wenn Jiliac seine Position nicht uneingeschränkt unterstützte.

Jiliac glitt heran und streckte sich neben ihrem Neffen aus, doch Jabba ertappte sich bei dem Wunsch, seine Tante wäre lieber weggeblieben. Es war beschämend, daß sein Urteil vor seinen eigenen Leuten angezweifelt worden war. Er dachte abermals daran, wie es sein mochte, die Desilijic allein zu führen, ohne Einmischung – und vor allem ohne derart gedankenlose Einmischung.

»Zier von den Besadii«, sagte Grejic jetzt und machte da weiter, wo er zuvor aufgehört hatte, »es ist der erklärte Wille dieses Konzils, daß Ihr aller Ränge enthoben seid, bis Euer Clan eine Million Credits Schadenersatz entrichtet hat, der zu gleichen Teilen unter den übrigen Kajidics aufgeteilt wird. Ich möchte vorschlagen, daß Ihr Euch zukünftig darum bemüht, Euer eigenes Volk nicht in der gleichen Weise zu betrachten wie die Angehörigen anderer Spezies: als Tölpel, die es auszubeuten gilt.«

Der Exekutivsekretär winkte den Wachen und ranghöchsten Offizieren, die am Eingang standen. »Wachhabender, geleiten Sie die Besadii-Delegation aus der Halle!«

Während Zier und die übrigen Besadii sich in Richtung Ausgang schlängelten, bemerkte Jabba, daß sie allesamt versuchten, zuversichtlich und herablassend auszusehen und dabei vollkommen versagten. Das leise Murmeln der anderen Hutts schwoll zu einem Tumult aus dröhnendem Gelächter, heiserem Gebrüll und lautstarken Schmähungen, Hohn und Drohungen an.

Jabba lächelte innerlich. Kein übler Nachmittag, dachte er selbstgefällig. Ganz und gar nicht übel…

 

Bria Tharen marschierte mit energischen Schritten durch einen Korridor ihres Kommandoschiffs, des leichten Kreuzers ›Vergeltung‹. Sie war unterwegs, um vor dem geplanten Überfall auf das Sklavenschiff ›Joch des Heloten‹ ihre Truppe zu inspizieren. Bria war innerlich angespannt und voller Erwartung, doch ihre Züge waren gefaßt und die blaugrünen Augen so kalt und tief wie Gletschereis.

Sie ging im Geist ihren Schlachtplan noch einmal durch, untersuchte ihn auf Schwachpunkte und vergewisserte sich, daß sie jede Eventualität mit einer Ausweichoption bedacht hatte. Diese Operation sollte eigentlich ohne Zwischenfälle ablaufen, doch die ›Joch des Heloten‹ war immerhin eine mit schweren Waffen ausgestattete corellianische Korvette, ein mächtiges Raumschiff.

Die ›Vergeltung‹ war fast ebenso groß wie die ›Joch‹, die beiden Raumer sollten also etwa gleichwertig sein. Brias Schiff war eine Sienar-Korvette der Marauder-Klasse, geschmeidig, stromlinienförmig und in Raumschlachten ebenso verwendbar wie bei Kämpfen in der Atmosphäre. Die Marauder gehörten zu den am weitesten verbreiteten großen Kampfschiffen der Aufklärungsflotte des Korporationssektors. Der corellianische Untergrund hatte diesen Marauder aus zweiter Hand von der Korporationssektor-Verwaltung gekauft und ihn Bria als Flaggschiff überlassen.

Die corellianische Rebellenführerin hatte einen Agenten auf der Weltraumstation sitzen, die Ylesia umkreiste. Und dieser Agent hatte Bria vor ein paar Tagen einen Tip gegeben, daß die ylesianischen Priester planten, fast zweihundert von der Erhöhung abhängige und unterernährte Sklaven zu den Minen von Kessel zu verschiffen.

Einen Moment lang stellte sich Bria vor, daß sie ihren eigenen Wünschen nachgeben und das Schiff an der Seite ihrer Leute mit der ersten Angriffswelle verlassen könnte. Doch die Soldaten an Bord der drei Shuttles würden ein Höchstmaß an Kampfhandlungen erleben und die meisten Verluste verzeichnen.

Bria hegte einen persönlichen Groll gegen dieses spezielle Sklavenschiff. Vor nunmehr fast zehn Jahren war es der ›Joch des Heloten‹ nur knapp mißlungen, Bria, Han sowie Muuurgh und Mrrov, ihre togorianischen Freunde, nach ihrer Flucht von Ylesia wieder einzufangen.

Bria seufzte. Sie wußte, daß ihr Platz während der ersten Welle an Bord ihres Kommandoschiffs war, wo sie den Angriff koordinieren und Widerstandsnester ausmachen mußte, um ihre Truppe für die zweite Welle optimal einzuteilen.

Dies war bereits die fünfte Mission der Vergeltung im Auftrag des corellianischen Widerstands, und Bria war glücklich, wieder an Kampfhandlungen teilnehmen zu können. Während der acht Jahre, die sie dem Untergrund bereits angehörte, hatte sie stets zuverlässig ausgeführt, was man ihr auftrug, und sie machte ihre Sache gut. Doch die verdeckten Spionageeinsätze hatte sie gehaßt. Sie war glücklich, diese abschließen und zu den echten Kampfeinsätzen zurückkehren zu können.

Es war Mon Mothma gewesen, die es Bria ermöglicht hatte, wieder an richtigen Aktionen teilzunehmen. Die abtrünnige imperiale Senatorin verfügte sowohl über genügend Einfluß als auch über die notwendige Beredsamkeit, um einzelne Widerstandszellen davon zu überzeugen, daß eine Rebellenallianz eine absolute Notwendigkeit war. Die Senatorin war darin besser, als Bria es jemals gewesen war, und sie verwendete ihre gesamte Zeit auf Reisen von Welt zu Welt, wo sie sich mit den Führern des Untergrunds traf. Erst vor einem Monat hatte der Rest des corellianischen Widerstands die Unterzeichnung des Abkommens von Corellia gefeiert.

In der Öffentlichkeit wurde Mon Mothma dafür gerühmt, das Abkommen eingefädelt zu haben, und sie hatte ohne Zweifel daran mitgewirkt. Doch Bria hatte ein Gerücht gehört, nach dem Garm bei Iblis, der Senator von Corellia, unter der Hand selbst einer der maßgeblichen Architekten des Vertrages war. Außer Corellia hatten auch noch Alderaan und Chandrila, der Heimatplanet Mon Mothmas, das Abkommen unterzeichnet.

Mon Mothma reiste von System zu System, von Planet zu Planet, nahm Kontakt mit Widerstandszellen auf, wo immer es solche gab, und gründete neue Gruppen, wo noch keine existierten. Die Berühmtheit der ehemaligen Senatorin war gleichermaßen Hilfe und Hindernis: Einerseits öffnete sie ihr die Türen zu wichtigen Würdenträgern und Industriellen, andererseits jedoch (zumal in der ersten Zeit ihrer neuen Funktion) brachten einige Gruppierungen die Befürchtung zum Ausdruck, sie könnte ein imperialer Spitzel sein, den Palpatine zu ihnen geschickt hatte, um ihre Loyalität auf die Probe zu stellen. Die abtrünnige Senatorin hatte schon viele Male dem Tod ins Auge geblickt, sowohl in Gestalt imperialer Truppen als auch in der mißtrauischer Widerstandsführer.

Bria war Mon Mothma kurz nach deren Flucht vor der Anklage des Imperators wegen Hochverrats begegnet, um sich mit ihr zu beraten. Mon Mothmas stille Würde, ihre unerschütterliche Entschlossenheit und überragende Intelligenz hatten sie sehr beeindruckt – ihr fast schon Ehrfurcht eingeflößt. Als Mon Mothma ihr die Hand schüttelte und ihr versicherte, daß sie, Bria Tharen, zu jenen gezählt habe, die dazu beigetragen hatten, daß Bail Organa seine Einstellung hinsichtlich des Pazifismus Alderaans schließlich geändert hatte, war dies einer der Höhepunkte in Brias Leben gewesen. Der Vizekönig setzte sich neuerdings für die Idee einer bewaffneten Revolution gegen das Imperium ein. Er mußte sich deshalb beträchtlichen Widerständen von seiten der Regierung stellen, und bislang waren die Anstrengungen Alderaans zur Aufrüstung nur gering und höchst geheim.

Das Abkommen von Corellia leitete die Gründung der Rebellenallianz ein, auf die Bria und die anderen Corellianer so lange hingearbeitet hatten. Die einzelnen Rebellengruppen würden einen beträchtlichen Teil ihrer Autonomie behalten, aber die strategische Befehlsgewalt der Allianz würde in Zukunft, zumindest in der Theorie, bei Mon Mothma liegen. Doch bis heute war die junge Rebellenallianz noch nicht in offener Schlacht erprobt worden. Bria hoffte, daß sich das bald ändern würde.

Sie bog um eine Ecke des Korridors der ›Vergeltung‹, als ihr medizinischer Offizier zu ihr stieß. Daino Hyx würde nach der Befreiung der Sklaven für deren Behandlung verantwortlich zeichnen. Hyx war ein kleiner bärtiger Mann mit den hellsten blauen Augen, die Bria jemals gesehen hatte, und einem schüchternen Lächeln, dem kaum jemand widerstehen konnte. Hyx war Student auf einer der führenden Universitäten Alderaans gewesen, wo er Medizin und Psychologie studiert hatte. Schließlich spezialisierte er sich auf die Behandlung von Suchtkranken. Seit er sich vor sechs Monaten dem corellianischen Widerstand angeschlossen hatte, widmete er seine enormen Fähigkeiten dem Problem der ylesianischen Pilger.

Bria war davon überzeugt, daß sich in den Reihen der unterernährten, überarbeiteten ylesianischen Pilger zahlreiche enttäuschte Idealisten finden würden. Seit ihrem ersten Überfall auf Ylesia vor beinahe zwei Jahren hatten sich sechzehn der damals von ihr befreiten Sklaven zu brillanten Kämpfern oder Agenten des corellianischen Widerstands entwickelt. Weitere zehn waren für ihre Tapferkeit dekoriert worden – nach ihrem Tod.

Bria hatte ihren befehlshabenden Offizieren auf Corellia auseinandergesetzt, daß Ylesia mit seinen Tausenden von Sklaven eine potentielle Goldmine für Rebellenrekruten war – wenn es gelang, ihre Abhängigkeit von der Erhöhung zu überwinden. Sicher, Bria hatte ihre Sucht hinter sich gelassen und war ein geschätztes Mitglied des Untergrunds geworden, doch sie hatte fast drei Jahre unausgesetzter Anstrengungen benötigt, um sich selbst zu heilen. Sie hatte alles versucht, von Meditation bis hin zu neuen Drogen, doch die Kraft, derer sie bedurfte, hatte sie erst gefunden, als sie beschloß, ihr Leben in den Dienst der Ausrottung der Sklaverei und des Imperiums zu stellen.

Aber sie hatten keine weiteren drei Jahre, um sich der Rekonvaleszenz der Pilger zu widmen. Sie mußten eine Heilmethode finden, die statt in Jahren binnen Wochen oder allenfalls Monaten anschlug. Da kam Daino Hyx ins Spiel. Nachdem er die physische, mentale und emotionale Wirkung der Erhöhung von Grund auf studiert hatte (einmal reiste er sogar nach Nal Hutta, um sich mit einer Handvoll männlicher T’landa Til zu treffen und zu untersuchen, wie sie den Effekt bewerkstelligten), glaubte Hyx nun, eine Heilmethode gefunden zu haben. Diese Methode bestand aus einer Kombination mentaler, emotionaler und physischer Behandlungsformen, die von Medikamenten gegen die Abhängigkeit bis zu Interaktions- und Gruppentherapie reichten.

Und heute würde Hyx, wenn alles gutging, die Chance erhalten, seine Behandlungsmethode ihrem ersten Test zu unterziehen.

Er blickte zu Bria auf. »Nervös, Commander?«

Sie lächelte vage. »Merkt man mir das an?«

»Nein. Die meisten würden wohl gar nichts bemerken, da bin ich ganz sicher. Aber ich bin nicht die meisten. Ich habe Sie recht gut kennengelernt, während wir uns daranmachten, die neue Therapie zu entwickeln. Außerdem ist die Beurteilung emotionaler Zustände bei Humanoiden mein Job, wissen sie noch?«

»Das stimmt«, gab Bria zu. »Ja, ich bin wirklich ein wenig nervös. Das hier ist etwas anderes, als eine Zollpatrouille aufzubringen oder einen einsamen imperialen Außenposten zu überfallen. Dieses Mal legen wir uns mit den Leuten an, die mich früher mal ausgebeutet haben, meinen Körper und meinen Geist. Ich habe jedesmal, wenn ich mit der Abhängigkeit der Pilger konfrontiert werde, ein bißchen Angst, daß meine eigene Sucht irgendwie zu mir zurückkehren könnte.«

Hyx nickte. »Für Sie hängst emotional sehr viel von diesem Angriff ab; dies ist nicht nur ein militärisches Ziel. Es ist vollkommen verständlich, daß Sie sich Sorgen machen.«

Bria warf ihm einen kurzen Blick zu. »Die mich nicht davon abhalten werden, meinen Job zu erledigen, Hyx.«

»Das weiß ich«, entgegnete er. »Das Geschwader Rote Hand ist, wie ich höre, sehr schlagkräftig. Nach allem, was ich von Ihren Leuten weiß, würden sie Ihnen in ein Schwarzes Loch folgen.«

Bria lachte darüber ein wenig. »Davon weiß ich nichts. Wenn ich verrückt genug wäre, mich mit Schwarzen Löchern einzulassen, hoffe ich doch, daß meine Truppen ausreichend Verstand besäßen, mich zurückzuhalten. Aber so viel weiß ich: Sie würden mir jederzeit in Palpatines Palast folgen.«

»Sie würden dort nicht sehr lange bleiben«, warf Hyx trocken ein.

Sie lächelte, doch keine Wärme stieg in ihre Augen. »Aber wir hätten eine Weile jede Menge Spaß. Ich würde mein Leben dafür geben, einen Schuß auf Palpatine abfeuern zu können.«

»Wann beginnt die erste Angriffswelle?«

Sie warf einen Blick auf den winzigen Chronoring, den sie trug. »Wir warten auf das Zeichen von meinem Agenten auf der Raumstation. Anschließend führen wir einen Mikrosprung zu unserer Angriffsposition aus. Der Agent wird uns mitteilen, wann die ›Joch des Heloten‹ von der ylesianischen Raumstation ablegt. Wir wollen die Sklavenhalter schließlich erwischen, bevor sie das System verlassen.«

»Natürlich.«

Bria wandte sich nach rechts und betrat den Turbolift. »Ich fahre nach unten, um ein letztes Mal meine Soldaten zu inspizieren, die an Bord der Shuttles gehen. Wollen Sie mich begleiten?«

»Klar.«

Sie nahmen den Lift, der sie abwärts zur Startrampe der Boote trug. Sie stiegen aus und betraten das kontrollierte Chaos, in dem die Mannschaften die letzten Überprüfungen ihrer Raumschiffe, Ausrüstungen und Waffen vornahmen. Einer der Soldaten steckte sich, als er Bria entdeckte, zwei Finger in den Mund und pfiff durchdringend. »Kommandant auf Deck!«

Bria sprach mit Jace Paol, ihrem Lieutenant, der die abschließenden Vorbereitungen des Kampfeinsatzes überwachte. »Rufen Sie bitte die Soldaten zusammen.«

Auf den Befehl des Offiziers hin nahmen die Landetruppen Aufstellung. Jedes Shuttle würde mit einer Einheit von je zehn Mann besetzt sein. Es würde zwei Wellen von je drei Shuttles geben. Die erste Welle würde dafür verantwortlich sein, die ›Joch des Heloten‹ zu entern und die Gegenwehr der Sklavenhalter auszuschalten. Die zweite Welle würde die erste unterstützen und beim Aufräumen helfen.

Bria ging langsam an den Reihen der Soldaten entlang, inspizierte sie, prüfte ihre Uniformen, die Waffen und ihre Verfassung. Einmal blieb sie vor einem jungen Mann stehen, dessen Augen mehr als erwartungsvoll funkelten.

Sie musterte seine erhitzten Wangen und die gerötete Nase und runzelte die Stirn. »Korporal Burrid…«

Er nahm Haltung an. »Ja, Commander?«

Sie streckte eine Hand aus und berührte ihn an der Wange, dann an der Stirn. »Wegtreten, Burrid. Sie haben Fieber.«

Sk’kot Burrid grüßte zackig. »Bei allem schuldigen Respekt, Commander, aber mir geht es gut.«

»Sicher«, nickte Bria, »und ich bin die Wookiee-Mätresse des Imperators. Hyx?«

Der medizinische Offizier entnahm seiner Gürteltasche eine Medsonde und berührte damit das Gesicht des jungen Mannes. »Körpertemperatur um zwei Grad erhöht, Commander. Die Anzahl der weißen Blutkörperchen deutet auf eine Infektion hin, wahrscheinlich ansteckend.«

»Melden Sie sich bei einem Medidroiden, Korporal«, befahl Bria.

Der junge Mann klappte niedergeschlagen den Mund auf, um zu protestieren, doch dann überlegte er es sich anders und gehorchte. Ohne ein weiteres Wort nahm sein Reservemann seinen Platz in der Reihe ein.

Nachdem Bria die Inspektion beendet hatte, blieb sie einen Moment stehen und wandte sich dann wieder ihren Soldaten zu. »Alles klar, Leute, wir warten jetzt bloß noch auf das Zeichen zum Mikrosprung. Die Y-Flügler greifen zuerst an, um ihre Schilde zu knacken. Danach liegt es an euch. Ihr macht an ihren Luftschleusen fest, wo immer ihr welche findet, und schlagt euch ins Schiffsinnere durch. Wo ihr keine Luftschleusen findet, werdet ihr euch welche schaffen. Spezielle technische Teams werden auf zwei Shuttles mitfliegen. Diese Spezialeinheiten werden sich unmittelbar vor den Maschinensektionen durch den Rumpf schneiden.« Sie legte eine Pause ein. »Und denkt daran, ihr werdet auf Sklaven stoßen – verwirrte, ängstliche Sklaven, die wahrscheinlich bereits an Entzugserscheinungen leiden. Es kann sein, daß sie euch angreifen. Setzt euer Leben nicht unnötig aufs Spiel, aber unternehmt jeden denkbaren Versuch, sie nicht ernsthaft zu verletzen. Verwendet Lähmstrahlen gegen die Sklaven, verstanden?«

Darauf erhob sich ein allgemeines zustimmendes Murmeln.

»Gibt es dazu noch Fragen?«

Es gab keine. Die Truppen waren bereits von den Vorgesetzten ihrer jeweiligen Einheit oder Staffel eingewiesen worden, und sie hatten wiederholt Übungen absolviert.

Bria nickte den Soldaten zu. »Dies ist das bislang ambitionierteste Unternehmen der Roten Hand, Leute. Wenn wir das durchziehen, könnt ihr sicher sein, daß wir bald in weitere Kampfhandlungen verwickelt werden. Also, beeindrucken wir den Sektoren-Commander… okay?«

Die Zustimmung fiel einstimmig aus.

Als Bria sich abwandte, um sich mit den Führern ihrer Staffeln zu beraten, piepste unversehens ihr Komlink. Sie stellte eine Verbindung her. »Ja?«

»Commander, das Signal ist gerade reingekommen. Die ›Joch des Heloten‹ hat soeben von der ylesianischen Raumstation abgelegt.«

Bria nickte und wandte sich den Führern der Staffeln zu. »Erste Welle, gehen Sie an Bord Ihrer Shuttles. Zweite Welle… bereithalten!«

Das Deck vibrierte unter dem Dröhnen rennender Füße, als die dreißig Soldaten zu ihren Booten eilten. Bria wechselte auf ihre persönliche Frequenz. »Achtung, Crimson Fury, hier spricht der Führer der Roten Hand.«

»Sprechen Sie, Rote Hand.«

»Bereiten Sie Ihre Schiffe auf einen Mikrosprung in drei Minuten vor. Die ›Vergeltung‹ schließt sich Ihnen unmittelbar an.«

»Verstanden, Rote Hand, bereiten uns auf Mikrosprung vor.«

Bria und Daino Hyx verließen rasch den Fährenhangar, nahmen den Turbolift nach oben und liefen, bis sie die Brücke erreichten. Der Captain des Raumschiffs schaute auf, als sie eintraten, Bria glitt in einen Sitz hinter den taktischen Anzeigen. Von ihrem Platz aus hatte sie außerdem freie Sicht auf die Bildschirme. »Captain Bjalin«, sagte sie, »wir springen zehn Sekunden, nachdem der letzte Y-Flügler den Sprung ausgeführt hat.«

»Jawohl, Commander«, erwiderte Bjalin. Tedris Bjalin war ein hochgewachsener junger Mann, dessen Haaransatz ungeachtet seiner Jugend langsam zurückwich. Er hatte sich dem corellianischen Widerstand erst vor kurzem angeschlossen, nachdem seine gesamte Familie im Zuge des imperialen Massakers auf Tyshapahl umgebracht worden war. Davor war er Lieutenant im Dienst des Imperiums gewesen. Die imperiale Ausbildung hatte ihm gute Dienste geleistet und ihm eine rasche Beförderung in den Streitkräften der Rebellen eingebracht. Er war ein fähiger Offizier, ein anständiger Mann, der Bria erzählt hatte, daß er bereits daran dachte, aus der Imperialen Flotte zu desertieren, ehe seine Familie getötet worden war. Dieses Ereignis hatte für ihn den letzten Ausschlag gegeben.

Bria starrte gespannt auf die Anzeigen, während die Sekunden verrannen und die Y-Flügler, je zwei auf einmal, in den Hyperraum sprangen. Dann dehnten sich die Sterne vor ihnen zu Linien, und die ›Vergeltung‹ führte ihrerseits den Hypersprung aus.

Im selben Augenblick, als sie wieder in den Realraum eintraten, öffnete die ›Vergeltung‹ ihre Fährenhangars, und die erste Welle der Shuttles startete. Die Raumfahrzeuge näherten sich der ›Joch des Heloten‹ bei halber Kraft im Gefolge der Y-Flügler, die das Schiff bei voller Fahrt in die Zange nahmen.

Bria sah voller Befriedigung zu, wie das erste Paar Y-Flügler mit rasender Geschwindigkeit auf die corellianische Korvette zuflog und Salven von je zwei Protonentorpedos auf das Heck und das Zentrum des Schiffs abfeuerte. Ihr Ziel war es nicht, ein Loch in die ›Joch des Heloten‹ zu schießen, sie wollten lediglich die Schutzschilde ausschalten, ohne den Raumer übermäßig zu beschädigen. Bria hatte vor, die ›Joch‹ intakt zu übernehmen und sie der Rebellen-Flotte einzugliedern.

Eines der Boote der zweiten Welle würde ein Prisenkommando aus Computertechnikern, Ingenieuren, einem Piloten sowie einer Schadenskontroll- und Instandsetzungsmannschaft an Bord haben. Bria hätte nichts dagegen einzuwenden gehabt, die ›Joch des Heloten‹ unvorbereitet zu erwischen, doch sie rechnete damit – was nun bestätigt wurde –, daß die Korvette mit aktivierten Schilden flog. Und als die Y-Flügler heranrasten, eröffnete das große Schiff sofort das Feuer, doch die wendigen Jäger wichen den Schüssen ohne Mühe aus. Die ›Vergeltung‹ hielt sich mit Bedacht außer Reichweite der Geschütze.

Unter Brias Augen blitzten die vier Protonentorpedos, die die Y-Flügler abgefeuert hatten, blau und weiß auf, trafen auf die Schutzschilde; ihr Feuer tropfte gleichsam vom Rumpf des Sklavenschiffs ab, ohne die Verteidigung zu durchdringen. Das erste Paar Y-Flügler drehte ab und zog in einiger Entfernung seine Kreise, für den Fall; daß die Maschinen noch einmal gebraucht wurden.

Die ›Joch des Heloten‹ feuerte abermals, und dieses Mal streifte ein Schuß einen der Y-Flügler – nur ein unbedeutender Treffer, der indes genügte, um den Jäger aus der Schlacht zu werfen.

Bria hatte sich ausgerechnet, daß sie vier Protonentorpedos brauchen würden, um die Schilde der ›Joch‹ auszuschalten. Jetzt ging das zweite Paar Y-Flügler zum Angriff über, und der erste Jäger feuerte bereits. Diesmal breitete sich die blauweiße Detonation aus. Plötzlich gab es einen sichtbaren Einschlag in der Flanke des Schiffs, und ein dunkler Streifen zeichnete die Panzerung.

»Das war’s!« rief Bria, aktivierte die Kom-Einheit und wandte sich an den Führer der Y-Flügler-Staffel. »Gute Arbeit, Crimson Fury! Die Schilde sind unten! Setzen wir unsere Ionenkanonen ein, um sie zu erledigen! Warnen Sie Ihre Schiffe, Ausweichmanöver zu fliegen! Wir wollen keine weiteren Treffer riskieren!«

»Verstanden, Rote Hand! Wir zielen auf die Sensorenphalanx und die Solarflosse. Beginnen unseren Angriff – jetzt!«

Die paarweise fliegenden Y-Flügler nahmen die ›Joch des Heloten‹ unter Beschuß und feuerten ihre Ionenkanonen auf die vorgesehenen Ziele ab. Die Feuerstöße aus den Ionenkanonen sollten nicht den Rumpf des Feindschiffs beschädigen, sondern die gesamte Elektronik an Bord außer Kraft setzen – darunter natürlich auch die Triebwerke, die Zielerfassungscomputer sowie die Systeme der Kommandobrücke. Jedes einzelne elektronische System an Bord würde neu gestartet werden müssen, bevor die ›Joch‹ wieder einsatzfähig war.

Die ›Joch des Heloten‹ feuerte wieder und wieder, doch die Y-Flügler waren einfach zu schnell und wendig, um die Geschütze des großen Raumschiffs zu einem gezielten Treffer kommen zu lassen.

Wenige Minuten später trieb die ›Joch‹ bereits mit ausgeschalteter Elektronik hilflos im Raum. Bria sah auf ihr Chrono, als auch schon die erste Welle der Shuttles herankam. Gut. Genau zur rechten Zeit. Eines der Boote machte an der großen vorderen Luftschleuse fest, durch die sonst die aus Sklaven bestehende Fracht an Bord gebracht wurde. Die beiden übrigen Landungsboote enterten die Längsseiten des Schiffsrumpfs und machten sich daran, sich ihren Weg ins Innere zu schneiden.

Bria hörte den hereinkommenden Berichten ihrer Staffelführer zu: »Führer Rote Hand! Staffel Eins von der Frachtschleuse des vorderen Laderaums auf Deck vier. Wir sind drin, stoßen aber auf heftigen Widerstand. Die Besatzung war gerade dabei, die Sklaven rauszuschaffen, als wir durchbrachen, aber eine Handvoll ist noch immer hier drin. Die Pilger sind genau wie wir hinter Frachtkanistern in Deckung gegangen. Wir sind hier in ein heftiges Feuergefecht verwickelt. Wir werden sie zurückschlagen, damit wir uns zum Zugangsschacht der Turbolaser durchschlagen können.«

»Führer Rote Hand! Hier Staffel Zwei! Wir haben vor den Maschinen auf Deck vier ein Loch in die Hülle gesprengt und eine tragbare Luftschleuse eingesetzt. Meine Leute gehen jetzt rein…«

»Führer Rote Hand, die Panzerplatten in dieser Sektion an Steuerbord machen uns Ärger… Bleiben Sie dran…« Und eine Minute später: »Führer Rote Hand, wir sind durch!«

Bria beobachte, wie die Einheiten sich weiter durch das Raumschiff bewegten, und wägte ab, wann sie die zweite Welle in den Kampf werfen sollte. Die beiden Staffeln, die durch die Luftschleuse bis ins Schiffsinnere vorgedrungen waren, stießen, während sie sich den Weg zu den Turbolifts freikämpften, auf den erbitterten Widerstand der Sklaventreiber. Es war verständlich, daß die Sklavenhalter bis zum letzten Mann kämpfen würden. Der Roten Hand eilte ihr Ruf weit voraus, und die Besatzung der ›Joch‹ hatte das Zeichen der bluttriefenden Hand, das die Bugpartien der angreifenden Raumer zierte, ohne Zweifel sofort erkannt.

Bria stand auf und wandte sich an den Captain ihres Flaggschiffs. »Tedris, Sie übernehmen den Befehl über das Geschwader, bis ich von dem Einsatz mit der zweiten Welle zurückgekehrt bin. Seien Sie darauf gefaßt, mir Verstärkung zu schicken, wenn ich Sie kontaktiere, aber keinesfalls vorher. Sind die Patrouillen-Y-Flügler draußen auf ihren Positionen?«

»Jawohl, Commander. Wir haben mindestens fünfzehn Minuten Vorwarnzeit, falls irgendwer beschließt, unsere Party zu sprengen. Selbstverständlich gilt das nur für den Fall, daß die Sklaventreiber einen Notruf absetzen konnten, bevor wir ihren Funkverkehr gestört haben.«

»Gute Arbeit, Captain.«

Bjalin nickte, salutierte jedoch nicht. Die Disziplin an Bord der Rebellenschiffe war weit weniger streng als in der Imperialen Flotte. Bria hatte zwei Wochen gebraucht, um ihm die Angewohnheit auszutreiben, bei jedem hingeworfenen »Sir!« zackig zu salutieren. »Viel Glück, Commander«, sagte er nur.

»Danke, das kann ich gebrauchen. Meine Leute haben die Sklavenhalter aus dem vorderen Frachtraum geworfen, aber sie hatten Zeit genug, eine stabile Verteidigung aufzubauen. Ich wette, sie haben sich auf der Brücke und in den Zugangskorridoren verschanzt und arbeiten an der Elektronik. Ich schätze, ich werde ein wenig… improvisieren müssen.«

Bjalin lächelte. »Darin sind Sie besonders gut, Commander.«

Zehn Minuten später hatte Brias Shuttle bereits an der tragbaren Luftschleuse festgemacht und ihre Truppe trabte mit schußbereiten Blastergewehren hinter ihr den Hauptgang von Deck drei hinunter. In dem unheimlichen matten Licht, das die Notbeleuchtung spendete, schien die ›Joch‹ völlig verwaist. Doch Bria wußte, das dieser Eindruck täuschte. Von ferne, leise, hörte sie das Jammern eines Sklaven. Wahrscheinlich hatte man sie in den gesicherten Frachtraum auf Deck vier getrieben und dort eingesperrt.

Die Rebellenführerin hoffte inständig, daß keiner der Sklaventreiber auf die glänzende Idee verfallen war, die Leibeigenen in dem Versuch, die eindringenden Soldaten aufzuhalten, in das Feuer aus den Blastern der Rebellen zu treiben, während ihre Peiniger sich absetzten. Das war schon einmal geschehen, und Bria wurde deshalb noch immer von Alpträumen heimgesucht… die bleichen, entsetzten Gesichter der unbewaffneten Sklaven, die unter den Blasterblitzen erzitternde Luft, die Schreie, die zusammengekrümmten Gestalten, der Geruch verbrannten Fleisches…

Bria drängte ihre Staffeln weiter, in Richtung der Kabine des Masters im Bug des Raumschiffs, die direkt unterhalb der Brücke lag und der Schlüssel zu ihrem Plan war. Sie aktivierte ihr Komlink. »Prisenkommando… wie läuft es?«

»Die Schäden am Rumpf scheinen nur minimal zu sein, Commander. Unsere Y-Flügler haben gut gezielt. Unsere Leute sind schon bei den Reparaturen.«

»Was ist mit den elektronischen Systemen und Computern?«

»Das ist schon schwieriger. Wir können die Systeme erst hochfahren, wenn Sie die Brücke eingenommen haben. Wir wollen denen schließlich keine der Schiffskontrollen überlassen.«

»Die werden da oben wahrscheinlich selbst einen Neustart versuchen. Können Sie das verhindern?«

»Ich denke schon, Commander.«

»Gut. Dann konzentrieren Sie sich auf die Überprüfung der Systeme und des Antriebs. Warten Sie auf mein Zeichen zum Neustart!«

»Verstanden, Commander.«

Bria und die Einheiten in ihrem Gefolge stießen auf dem Weg zur Kabine des Masters nur auf ein Widerstandsnest. Etwa zehn Sklavenhändler sowie ein unglücklicher Sklave, den sie bewaffnet und dazu gezwungen hatten sie zu unterstützen, lagen hinter einer eilends aufgeschichteten Barrikade in einem Niedergang in Deckung.

Bria bedeutete den Soldaten, sich tiefer in den Korridor zurückzuziehen, und wandte sich anschließend im Flüsterton an sie. »Also gut, Leute, wir werden Sperrfeuer legen, während Larens hier…« Sie nickte einem kleinen, zierlichen und äußerst gelenkigen Soldaten zu. »…unter unserem Beschuß hindurchkriecht, bis er nah genug dran ist, um eine Lähmgranate mitten in die Schlangengrube werfen zu können. Alles klar?«

»Alles klar, Commander.« Larens ließ sich fallen. Er hielt die Granate zwischen den Zähnen und war bereit, im nächsten Moment durch den Gang zu robben.

»Bei drei also… Eins… zwei… drei!« Bria und die übrigen Rebellen warfen sich geduckt in den Niedergang und gaben Schüsse auf die Barrikade ab, wobei sie darauf achteten, hoch genug zu zielen, um Larens wackelndes Hinterteil nicht zu versengen.

Blasterblitze zuckten durch die stickige Luft. Bria erhaschte einen Blick auf einen Arm mit einem tätowierten Dolch, legte an und sah zu, wie der Arm (zusammen mit seinem Besitzer) hinter der Barrikade verschwand. Sie besann sich auf das erste Mal, als sie einen Blaster abgefeuert hatte, und wurde von einer kurzen Erinnerung an Han ereilt, die sie jedoch unterdrückte. Keine Zeit für Erinnerungen… Sie hatte nur Zeit für ihre gegenwärtige Aufgabe…

Wenige Sekunden darauf gab es ein lautes dumpfes Krachen, und das Feuer von der anderen Seite hörte unvermittelt auf. Bria forderte ihre Leute auf, ihr zu folgen. »Und denkt daran, der Pilger trägt eine braune Kutte!«

Sie rannte los und sah, daß die Sklaventreiber hinter der Barrikade über den Boden verstreut lagen. Drei von ihnen waren bereits tot, einer, weil ihm ein Arm abgerissen worden war. Der Pilger war betäubt und bewegte sich schwach.

Bria stand da, betrachtete das Blutbad zu ihren Füßen und fühlte, wie der Haß in ihr emporstieg. Sechs Sklavenhalter waren noch am Leben… der Finger am Abzug ihres Blastergewehrs zuckte.

»Soll ich eine Wache aufstellen, Commander?« Larens sah sie fragend an. Er war neu im Geschwader Rote Hand, und einige der Veteranen warfen ihm jetzt ungeduldige Blicke zu.

»Sie sind Abschaum, Larens«, entgegnete Bria. »Wir wollen nur sichergehen, daß sie in Zukunft keine Gefahr mehr darstellen. Mecht, Sie und Seaan stoßen wieder zu uns, sobald Sie hier fertig sind. Schaffen Sie den Pilger in irgendeinen Raum, damit er, wenn er wieder zu sich kommt, nicht zufällig in irgend etwas reingerät.«

Mecht nickte. Er war ein Mann in mittleren Jahren, der selbst einmal ein Sklave gewesen war, allerdings ein imperialer und kein ylesianischer Sklave. »Wir werden nicht lange brauchen, Commander.«

Larens wollte etwas sagen, doch dann änderte er offensichtlich seine Meinung. Bria winkte ihrer Truppe, und sie zogen weiter.

Fünf Minuten später befanden sich die Einheiten in der Unterkunft des Captains der Sklavenhalter. Bria versuchte, nicht auf das ›Spielzeug‹ des Kerls zu achten, das überall herumlag und offenbar dazu diente, sich mit einer Auswahl seiner Sklaven zu vergnügen. Sie trat in die Mitte der Kabine und deutet nach oben zur Decke.

»Die Brücke ist da oben, Leute.« Sie warf einem ihrer Staffelführer einen Blick zu. »Staffel Eins, ich will einen Scheinangriff in allen Gängen auf Deck zwei, die zur Brücke führen.«

Der Staffelführer nickte. »Halten Sie sich bereit. Auf mein Zeichen.«

»In Ordnung, Commander.« Er zog ab, und seine Soldaten folgten ihm nach.

Bria wandte sich den übrigen Soldaten zu. »Staffeln Vier und Fünf, Sie greifen mit mir die Brücke direkt an.«

Einige der neueren Rekruten warfen einander Blicke zu. Sie waren augenscheinlich verwirrt. Wie sollten sie von hier aus die Brücke angreifen?

»Wo ist Joaa’n?« wollte Bria wissen.

Eine untersetzte Soldatin trat vor, ihr Gesicht verschwand fast unter dem Helm. »Hier, Commander.«

Bria deutet nach oben. »Benutzen Sie Ihre Trickkiste, um uns da raufzubringen!«

»Verstanden, Commander.« Die Frau erklomm einen Sekretär, der zuvor an die richtige Stelle gerückt worden war, und setzte einen Laserbrenner ein. Die neuen Rekruten stießen einander an und kicherten, als ihnen aufging, was ihr Commander im Sinn hatte.

Drei Minuten später sah die Sprengstoffexpertin zu Bria hinunter und streckte den Daumen nach oben. »Ich habe eine Sprengladung angebracht, die ein hübsches kreisrundes Loch in die Decke reißen wird, Commander.«

Bria lächelte. »Gut.« Dann sprach sie in ihr Komlink. »Staffel Zwei… starten Sie Ihren Angriff auf die Brücke.« Die Rebellen hörten jetzt wieder das Geräusch von Blasterfeuer.

»Renna…« Bria nickte einer anderen untersetzten, muskulösen Frau zu. »…Sie haben einen guten Wurfarm. Sie bleiben mit ihren Lähmgranaten hier. Sobald die Lage gesichert ist, werfen sie die Granaten durch das Loch, um den größten Teil dieses Abschaums zu betäuben.« Sie sah die anderen Soldaten an. »Sobald Renna ihre Granaten durch das Loch geschleudert hat und das Blasterfeuer aufhört, gehen wir rein. Und denkt daran, Leute, das da oben ist die Kommandobrücke. Passen Sie also auf, worauf Sie schießen. Wenn Sie zuviel Schaden anrichten, wird das Prisenkommando monatelang mit keinem von uns ein Wort reden. Verstanden?«

Aus den Staffeln erhob sich leises Gelächter.

»Also gut, alles bereit«, meldete Joaa’n. »Tretet einen Schritt zurück und bedeckt eure Augen, Freunde. Dreißig Sekunden.«

Brias Truppe zog sich eilig in die Winkel der Kabine zurück. Einige Soldaten stülpten sich ihre Schutzbrillen über, die anderen wandten einfach den Blick ab. Bria, Joaa’n und Renna nahmen hinter einem massiven Raumteiler Deckung.

Kurz darauf ertönte ein Zischen und dann ein dumpfer Schlag. Etwas Schweres krachte auf den Sekretär und schepperte auf das Deck. Der Gestank von Qualm stieg Bria in die Nasenlöcher. Sie nickte Joaa’n zu. »Sehr gute Arbeit.«

Die Sprengstoffspezialisten und Renna hatten sich bereits in Bewegung gesetzt und kletterten wieder auf den Sekretär. Renna schleuderte nacheinander drei Lähmgranaten in drei verschiedenen Richtungen durch das Loch in der Decke. Das Zischen und Krachen der Granaten und die darauf folgenden Schreie und dumpfen Schläge sagten der Rebellen-Führerin, daß sie ihren Zweck erfüllten.

Renna zog sich mit tatkräftiger Unterstützung durch Joaa’n nach oben und verschwand. Dann hörten sie ihren Blaster.

Bria enterte den Sekretär und war die nächste, die durch das Loch schlüpfte, als irgend jemand gegen ihr Hinterteil drückte und ihr einen unwürdigen, aber wirkungsvollen Stoß versetzte.

Die Angehörigen der Brückenbesatzung lagen bewußtlos am Boden, die meisten betäubt. Doch ein paar Sklaventreiber krochen soeben aus der Tür. Bria nahm einen riesigen Rodianer aufs Korn und streckte das Wesen mit einem Blasterschuß zwischen seine grünhäutigen Schulterblätter nieder. Ein weiterer Sklavenhändler, ein Bothan, drehte sich um und wollte auf sie schießen, doch sein nicht voll aufgeladener Blaster spuckte nur stotternd Feuer. Bria duckte sich, rollte sich ab, kam mit der Pistole im Anschlag wieder auf die Beine und schoß ihm mitten ins Gesicht. Er stand direkt vor dem Navcomputer, daher wollte sie nicht riskieren, ihn mit der größeren Durchschlagskraft ihres Blastergewehrs zu töten.

Im nächsten Augenblick war alles vorbei. Schweigen senkte sich über den Raum, das nur vom Stöhnen der Verwundeten unterbrochen wurde. Bria checkte rasch die Lage… sechs ihrer Leute waren verletzt, und einer würde es wohl nicht überstehen. Sie beauftragte ein Spezialteam damit, die Verwundeten zur Behandlung auf die ›Vergeltung‹ zu transportieren.

Ein paar Minuten später meldete das Prisenkommando, daß es für den Neustart der Systeme bereit sei. Bria blickte sich gespannt um, hörte ein Heulen, dann trat unvermittelt die volle Beleuchtung an die Stelle der Notbeleuchtung auf der Brücke. Die taktischen Schirme leuchteten auf, und der Navcomputer erwachte leise zirpend zu neuem Leben.

Bria überließ es ihren Soldaten, sich den Gefangenen auf der Brücke anzunehmen, und marschierte hinaus zum Turbolift. Dort aktivierte sie ihr Komlink. »Hyx… sind Sie da?«

»Ich bin an Bord der ›Vergeltung‹, Commander«, meldete sich der medizinische Offizier. »Die Verwundeten sind gerade angekommen. Es sieht alles ganz gut aus. Abgesehen von Caronil… er hat es nicht geschafft. Es tut mir leid, der Medidroide und ich, wir haben getan, was wir konnten…«

Bria schluckte. »Das weiß ich. Werden Sie dort noch gebraucht, Hyx?«

»Eigentlich nicht. Die Medidroiden haben alles unter Kontrolle. Ich nehme das Shuttle, das zur ›Joch‹ zurückfliegt.«

»Gut. Ich werde Sie hier bald brauchen. Kommen Sie direkt in den gesicherten Frachtraum. Da sind die Sklaven eingesperrt. Ich werde sie dort in Empfang nehmen.«

Bria fuhr im Turbolift zwei Decks nach unten und begab sich nach achtern. Sie hatte das verschlossene Schott fast erreicht, als das Schlurfen von Schritten in ihrem Rücken sie mit der Pistole in der Hand herumwirbeln ließ. Hinter ihr tauchte eine Sklavenhalterin auf, die sich der Gefangennahme irgendwie entzogen hatte und einen Blaster schwang. Die Augen der Frau glitzerten, ihre Pupillen waren geweitet, ihr Haar bildete einen fettigen Kranz um ihr Gesicht. »Bleiben Sie genau da stehen – oder ich schieße!« brüllte sie und hob mit zwei zitternden Händen den Blaster. Bria stoppte. Zittert sie vor Angst? Vielleicht… aber das ist es nicht allein…

»Lassen Sie die Waffe fallen!« heulte die Frau. »Oder ich mache Sie fertig!«

»Das glaube ich nicht«, sagte Bria ruhig und ließ die Waffe in ihrer Hand locker an der Seite baumeln. Die Mündung deutet auf das Deck. »Wenn ich tot bin, nütze ich ihnen nichts als Geisel.«

Die Frau runzelte die Stirn. Offensichtlich versuchte sie, den Sinn der Worte ihrer Gefangenen zu ergründen. Schließlich entschied sie sich dafür, sie einfach zu ignorieren. »Ich verlange eine Fähre!« schrie sie. »Eine Fähre, und eine Handvoll Sklaven, die ich mitnehme! Den Rest können Sie behalten! Ich will bloß meinen gerechten Anteil, das ist alles!«

»Keine Chance«, erwiderte Bria; ihre ruhige Stimme hatte einen stahlharten Unterton. »Ich bin keine Sklavenhändlerin. Ich bin hier, um diese Leute zu befreien.«

Die Frau schien dies vollkommen zu verblüffen. Sie reckte den Hals. »Sie wollen sie nicht verkaufen?« fragte sie mißtrauisch.

»Nein«, antwortete Bria. »Ich bin hier, um sie zu befreien.«

»Sie befreien?« Bria hätte ebensogut Huttisch sprechen können, um sich mit der Sklavenhändlerin zu verständigen. »Aber einige von denen sind pro Stück ein paar tausend Credits wert.«

»Das schert mich nicht«, sagte Bria.

Die Sklavenhändlerin legte abermals die Stirn in Falten. »Wieso nicht?«

»Weil die Sklaverei ein Verbrechen ist«, versetzte Bria. »Sie vergeuden meine Zeit. Töten Sie mich oder lassen Sie mich gehen – von mir bekommen Sie nichts!«

Die Frau dachte über Brias Worte nach. Die Reaktion der Rebellenführerin setzte sie augenscheinlich in Erstaunen. Bria konnte deutlich erkennen, daß die Sklavenhändlerin unter dem Einfluß irgendeiner starken Substanz stand. Wahrscheinlich Carsunum. Die Frau zitterte am ganzen Leib. Die Mündung ihrer Waffe tanzte praktisch in der Luft.

Brias Augen wurden schmal, während sie die Mündung des Blasters beobachtete, wie sie zitterte und zitterte… und dann ein wenig sank, als die Frau sich abmühte, ein Wesen zu begreifen, das offenbar nicht auf persönlichen Gewinn aus war.

Brias Hand mit der Waffe schoß in einer verwischten Bewegung nach oben, gleichzeitig warf sie sich zur Seite. Die Sklavenhändlerin feuerte, zitterte jedoch so unkontrolliert, daß der Blasterblitz Bria nicht einmal streifte. Der Schuß der Rebellenführerin indes traf die Frau unterhalb der Brust. Mit einem gurgelnden Schrei ging sie zu Boden.

Bria sprang zu ihr, kickte den Blaster von ihrem ausgestreckten Arm und den schlaffen Fingern weg und sah auf die Sklavenhändlerin hinab. In ihrem Unterleib klaffte ein großes gezacktes Loch. Die Frau sah zu Bria auf. Sie atmete flach. Bria richtete ihre Pistole auf die Stirn der Frau. »Soll ich?«

Die Frau bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte zu sprechen. »N-nein…«, keuchte sie in Todesqualen. »I-ich will… leben…«

Bria zuckte die Achseln. »Meinetwegen. Ich schätze, Sie haben noch ungefähr fünf Minuten.« Bria trat mit der gezückten Waffe über die Sklavenhändlerin hinweg und setzte ihren Weg zu dem gesicherten Frachtraum fort.

An dessen Schloß mußte sie den Blaster einsetzen. Von innen hörte sie panische Schreie. Dann glitt das Schott auf. Der Gestank überfiel die Corellianerin im gleichen Augenblick, als sie über die Schwelle trat. Menschliche und nichtmenschliche Ausdünstungen drangen fast sichtbar nach draußen.

Bria ließ den Blick über die Menge klagender und stöhnender erbärmlicher Pilger wandern, die ängstlich vor ihr zurückwichen, während sie gleichzeitig die dünnen, an Klauen erinnernden Hände ausstreckten. »Schicken Sie uns einen Priester! Wir brauchen einen Priester! Bringen Sie uns nach Hause!«

Die Rebellenführerin spürte, wie ihr die Galle hochkam, und sie brauchte einen Moment, um sich zusammenzureißen. Das könnte ich selbst sein… vor fast zehn Jahren hätte ich mich nicht anders verhalten… wenn Han nicht gewesen wäre…

Von hinten näherten sich Schritte. Bria fuhr mit schußbereiter Pistole herum und entspannte sich, als sie Daino Hyx erkannte. Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ein wenig schreckhaft, Commander?«

Bria lächelte verlegen. »Vielleicht ein bißchen.«

»Hat das irgend etwas mit der toten Frau draußen auf dem Gang zu tun?«

»Eigentlich nicht.« Bria schob den Blaster zurück ins Holster und stellte angewidert fest, daß sie nunmehr diejenige war, die unkontrolliert zitterte. »Eigentlich mehr mit denen.« Ihre Hand zuckte in Richtung der leidenden Pilger. »Die gehören jetzt alle Ihnen, Hyx. Sieht so aus, als hätten Sie alle Hände voll zu tun.«

Er nickte und betrachtete die Menge mit der freundlichen Distanz des Arztes. »Bis wann wird die ›Joch‹ für das Rendezvous mit dem Transporter bereit sein?«

Bria warf einen Blick auf ihr Chrono. »Ich habe fünfunddreißig Minuten für die Übernahme dieses Schiffs veranschlagt. Ich erwarte jeden…« Ihr Komlink meldete sich. Bria lächelte und antwortete. »Hier Führer Rote Hand.«

»Commander, hier spricht Jace Paol. Wir haben das Schiff gesichert, und das Prisenkommando meldet, daß wir bereit sind für den Hyperraum. Sollen wir jetzt zu den Rendezvous-Koordinaten aufbrechen?«

»Bestätigt, Jace. Ich verständige die ›Vergeltung‹. Weisen Sie Lieutenant Hethar an, ihr Schiff von hier wegzubringen, – und bereiten Sie das Rendezvous mit der ›Befreiung‹ bei den vorgesehenen Koordinaten vor.«

»Verstanden, Führer Rote Hand. Wir treffen Sie dann dort, und… Commander?«

»Ja, Tedris?«

»Meinen Glückwunsch zu der glatt verlaufenen Operation.«

»Danke, Tedris.«

Einen Monat später betrat Bria Tharen, die sich zu einem ihrer seltenen Besuche auf Corellia aufhielt, um ihren Führungsoffizier zu treffen, mit raschen Schritten dessen Büro. Pianat Torbul, ein kleiner, dunkelhaariger Mann mit durchdringenden Augen, blickte auf.

»Willkommen zu Hause«, sagte er. »Sie kommen spät. Ich habe Sie bereits vor zwei Tagen erwartet.«

»Tut mit leid, Sir«, gab Bria zurück. »Ich habe in letzter Sekun-de einen Notruf aufgefangen und der ›Stolz der Randzonen‹ gegen eine Handvoll imperialer Aufklärungsschiffe geholfen. Die ›Vergeltung‹ hat dabei einen Treffer erhalten, der die Sublichttriebwerke beschädigte, so daß wir einen Tag ins Dock mußten.«

»Ich weiß«, sagte Torbul und lächelte – sein typisches unwiderstehliches Grinsen. »Ich habe den Bericht der ›Stolz‹ bekommen. Sie müssen sich nicht verteidigen, Tharen.«

Sie erwiderte das Lächeln und ließ sich auf seinen Wink in einen Sessel plumpsen. »Und haben Sie meinen Bericht auch erhalten, Sir?«

»Habe ich«, antwortete er. »So wie es aussieht, meldet Ihr Freund Hyx große Fortschritte bei der Rückverwandlung dieser Pilger, die sie von der ›Joch des Heloten‹ gerettet haben, in normale, brauchbare Bürger. Glückwunsch. Ihr Glaube an ihn und an seine neue Behandlungsmethode scheint sich auszuzahlen.«

Bria nickte, und ihre Augen strahlten. »Es bedeutet mir sehr viel, diesen Leuten ihr Leben zurückzugeben. Ihre Familien werden froh sein, sie wiederzusehen… sie werden in Würde und komfortabel leben können…«

»Es sei denn, sie entscheiden sich dafür, sich uns anzuschließen, natürlich«, stellte Torbul fest. »Was anscheinend einige von ihnen bereits für den Zeitpunkt ihrer völligen Genesung in Erwägung gezogen haben. Das wird allerdings noch ein paar Monate dauern. Ich schätze, die Unterernährung hat einen beträchtlichen Anteil an der Gehirnwäsche, der sie auf Ylesia unterzogen wurden.«

Bria nickte. »Ich weiß noch, daß mein Zahnfleisch ständig zu bluten anfing. Es bedurfte zwei Monate anständiger Nahrung, um die schlimmsten Folgen zu überwinden.«

Torbul warf wieder einen Blick auf seinen Datenblock. »Der Umbau der ›Joch des Heloten‹ in einen Kampfraumer ist nahezu abgeschlossen. Wir können dieses Schiff wirklich gut gebrauchen, Tharen. Danke, daß sie es für uns beschlagnahmt haben. Da wir gerade davon sprechen… Wollen Sie die Ehre haben, dem Schiff einen neuen Namen zu geben?«

Bria dachte einen Moment darüber nach. »Nennen sie es ›Emancipator‹«, sagte sie dann.

»Ein guter Name«, nickte Torbul. »Also ›Emancipator‹.«

Er schaltete den Datenblock aus, stützte die Ellbogen auf die Schreibtischplatte und beugte sich vor. »Bria«, begann er dann, »da wir den offiziellen Teil hinter uns haben, muß ich Ihnen sagen, daß ich über gewisse Abschnitte Ihrer Akte besorgt bin.«

Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung. »Aber, Sir…«

»Oh, verstehen Sie mich nicht falsch, Tharen. Sie sind eine gute Kämpferin und eine fähige militärische Führerin. Niemand bestreitet das. Doch sehen Sie sich nur einmal den Namen an, den die Sklavenhändler Ihnen gegeben haben und den ihr Geschwader begeistert übernommen hat. Rote Hand – ein weithin berüchtigtes Symbol. Sehen Sie sich nur mal den Bericht von der Übernahme der ›Joch des Heloten‹ an: Keine Gefangenen. Nicht ein einziger.«

Bria versteifte sich. »Sir, das waren Sklaventreiber. Die wissen genau, was die zivilisierte Welt von ihnen hält. Sie haben heftigen Widerstand geleistet, und keiner von denen hat uns die Kapitulation angeboten. Sie haben bis zum letzten Mann gekämpft.«

»Ich verstehe…«, sagte Torbul. Sie wechselten einen langen Blick, und es war der vorgesetzte Offizier, der zuerst die Augen niederschlug.

Es folgte lastendes Schweigen, bis Torbul sich räusperte. »Die Dinge im Äußeren Rand drohen überzukochen«, verkündete er dann. »Die Rebellengruppen da draußen sind chronisch unterbesetzt. Ich möchte, daß die Rote Hand eine Weile da draußen mitmischt.«

»Jawohl, Sir«, sagte Bria. »Sir…«

»Ja?«

»Ich glaube, ich kenne eine Möglichkeit, mehr Rekruten anzuwerben.«

»Und die wäre?«

»Nun, unser bestes Ergebnis bei der Heilung der ylesianischen Pilger lag, wie Sie vielleicht wissen, bisher bei etwa fünfzig Prozent.«

Er nickte.

»Doch jetzt, mit der neuen Methode, die Daino einsetzt um den Pilgern zu helfen, die wir zur Grenna-Basis gebracht haben, glaubt er, eine Erfolgsquote von über neunzig Prozent erreichen zu können.«

»Das klingt sehr ermutigend. Aber was hat das mit dem Anwerben von mehr Rekruten zu tun?«

Bria beugte sich vor, ihre blaugrünen Augen hielten seinen Blick fest. »Sir… es gibt über achttausend Pilger auf Ylesia.« Torbul lehnte sich zurück. »Worauf wollen Sie hinaus, Tharen?«

»Ich benötige nur ein wenig Unterstützung Ihrerseits: einen alten Truppentransporter, ein paar zusätzliche Kreuzer, mehr Soldaten – und ich kann diesen Planeten einnehmen. Ich kann die ylesianische Operation ein für allemal beenden. Wir nehmen jede einzelne Kolonie ein und befreien jeden einzelnen Sklaven dort. Hunderte von ihnen werden sich uns anschließen, wenn die bisherigen Prozentzahlen eine verläßliche Prognose erlauben.«

»Das ist ein sehr großes Wenn«, warf Turbol ein.

»Das weiß ich, Sir. Aber ich denke, das Risiko würde sich lohnen.«

»Uns fehlen die nötigen Truppen. Nicht mal der gesamte corellianische Widerstand würde ausreichen, um einen ganzen Planeten einzunehmen, Tharen!«

»Wir bekommen jeden Tag neue Rekruten von Alderaan«, stellte Bria wahrheitsgemäß fest. »Und es gibt auf Ylesia zahlreiche Pilger von Bothan und Sullust – diese Welten würden uns wahrscheinlich auch Soldaten und Schiffe zur Verfügung stellen. Es lohnt sich auf jeden Fall, sie darum zu bitten. Und was ist mit Chandrila? Der Planet gehört doch der neuen Rebellen-Allianz an – sie haben geschworen, uns zu helfen!«

»Rekruten… eine wirklich verlockende Vorstellung.«

Bria nickte energisch. »Sir, es könnte funktionieren. Wir könnten diese Sklaven befreien. Und wenn wir schon dabei sind, könnten wir auch die Gewürze an uns bringen und auf dem offenen Markt verkaufen. Wir sind doch ständig knapp bei Kasse. Denken Sie doch nur daran, wie viele Turbolaser oder Protonentorpedos uns diese Menge an Gewürzen einbringen würde! Wir könnten die Lagerhallen und Fabriken nach ihrer Räumung bombardieren. Die Ylesianer und ihr schäbiger Handel würden endlich der Vergangenheit angehören.« Bria kam zu Bewußtsein, daß sie die Beherrschung verloren hatte, doch in ihrer Leidenschaft scherte sie sich nicht darum. Ihre Hände bebten, also packte sie den Rand von Torbuls Schreibtisch, damit er das verräterische Zittern nicht bemerkte.

»Ich glaube nicht, daß die Rebellenallianz viel davon halten würde, zur Finanzierung der Rebellion Drogen zu verkaufen«, bemerkte Torbul.

»Dann – bei allem schuldigen Respekt, Sir – sagen Sie Ihnen nicht, woher die Credits kommen!« Brias Grinsen war mehr als bloß ein bißchen verwegen. »Sie wissen ebensogut wie ich, daß sie einem geschenkten Traladon nicht ins Maul schauen werden. Sie werden statt dessen die Credits nehmen und ausgeben. Wir brauchen Waffen, medizinische Ausrüstung, Uniformen, Munition… was immer Sie wollen!«

»Richtig«, entgegnete Torbul. »Eine Rebellion durchzuführen, ist ein kostspieliges Unternehmen.«

»Denken Sie darüber nach«, drängte Bria. »Ich weiß, daß die Rote Hand es schaffen könnte. Und denken Sie nur daran, wer heutzutage nach Ylesia geht. Junge Leute, die mit ihrem Leben unzufrieden sind und die horrenden Steuern nicht aufbringen können, die mehr wollen, ein besseres Leben. Das sind genau die Leute, die wir hier brauchen.«

»Richtig«, sagte Torbul wieder. »Aber was ist mit der ylesianischen Atmosphäre? Bei Ihrem Überfall auf Kolonie Drei vor zweieinhalb Jahren haben Sie hundert Sklaven befreit – aber wir haben dabei in dieser verdammten Lufthülle ein Schiff verloren. Die heimtückische ylesianische Atmosphäre ist eine ihrer besten Verteidigungseinrichtungen.«

Brias Gesichtsmuskeln zuckten angesichts der qualvollen Erinnerung. »Ich hatte sie noch gewarnt, aber… die Sturmböe erwischte das Schiff trotzdem…«

»Tharen… das war nicht Ihr Fehler. Aber wir müssen das berücksichtigen. Das Oberkommando wird bestimmt diesen Einwand erheben.«

Sie nickte. »Ich arbeite daran, Sir. Es muß eine Möglichkeit geben, mit der Atmosphäre fertig zu werden. Bessere Piloten zum Beispiel. Unsere Leute sind mit ganzem Herzen dabei, Sir, aber seien wir ehrlich… die meisten von ihnen haben nicht viel Erfahrung. Unsere Trainingsprogramme müssen dringend überarbeitet werden…«

»Ich stimme Ihnen zu. Wir arbeiten an Methoden zur Verbesserung unserer Simulationen, um die Erfahrung der Piloten zu vertiefen, ehe wir sie losschicken.«

Bria erhob sich und beugte sich über den Schreibtisch. »Sir, versprechen Sie mir nur, daß Sie darüber nachdenken werden. Ich kann es schaffen. Ich habe sogar ein paar Ideen, wie ich den Überfall finanzieren kann. Überlegen Sie es sich, okay?«

Er schenkte ihr einen langen, gelassenen Blick. »In Ordnung, Tharen. Ich verspreche Ihnen, darüber nachzudenken.«

»Danke, Sir.«