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»VON EINEM ENDE DER GALAXIS ZUM ANDEREN«
Während der folgenden fünf Monate erklommen Han Solo und sein Erster Maat den Zenit ihrer Schmugglerlaufbahn. Wie durch ein Wunder gelang es Han, einen Teil des Geldes, das er gewonnen hatte, lange genug zusammenzuhalten, um die meisten der Umbauten am ›Millennium Falcon‹, die er sich ausgemalt hatte, auch tatsächlich durchzuführen. Sein halbmenschlicher Meistermechaniker und Raumschiffingenieur Shug Ninx brachte die ›Falcon‹ in seinem Raumdepot unter. Shugs Depot war fast so etwas wie eine Legende im corellianischen Sektor von Nar Shaddaa. Im Innern der weiträumigen Anlage bastelten Händler, Freibeuter und Schmuggler gleichermaßen an ihren Raumschiffen und bauten sie um, damit sie das letzte bißchen Tempo und Feuerkraft aus ihnen herausholten. Denn je eher ein Schmuggler seine Fracht ablieferte, desto schneller konnte er (oder sie) mit einer neuen Ladung wieder abheben. Zeit war im Leben eines Schmugglers gleichbedeutend mit Credits.
Han, Jarik und Chewbacca erledigten den größten Teil der Arbeit selbst, wobei ihnen hin und wieder Salla, die ebenfalls eine ausgezeichnete Mechanikerin war, und Shug, der unumstrittene Meister, zur Hand gingen.
Als er erst einmal die Panzerung des Schiffs nach seinen Vorstellungen hergerichtet hatte – in Zukunft würde kein imperialer Glückstreffer die ›Falcon‹ auf die gleiche Weise zerstören können wie Hans vorigen Raumer, die ›Bria‹ –, machte er sich an die Maschinen und die Bewaffnung. Er fügte unterhalb des Bugs eine leichte Laserkanone hinzu, dann ordnete er die Vierlingslaser neu an, so daß die ›Falcon‹ nun Geschütztürme auf dem Rücken und am Bauch des Rumpfes besaß – also oben und unten. Anschließend installierten Han und Salla zwischen den beiden ›Zangen‹ am Bug zwei Vibroraketenwerfer.
Während der ganzen Zeit, als Han die neuen Waffen und die Panzerplatten einbaute, arbeiteten er selbst, Shug und Salla auch noch an den Triebwerken und anderen Systemen. Die ›Falcon‹ besaß bereits einen Hyperantrieb, der militärischen Standards entsprach. Gemeinsam bastelten Han und Shug gleichzeitig am Hyper- und Sublichtantrieb, bis beide noch mehr Leistung brachten und die ›Falcon‹ Hans Schmuggelfahrten schneller bewältigte.
Außerdem installierten sie neue Sensoren und Störanlagen. Das brandneue Störsystem erlebte allerdings eine nicht ganz erfolgversprechende Premiere: Als Han es aktivierte, erwies sich der Impuls als so stark, daß er sogar die internen Kommunikations-systeme der ›Falcon‹ lahmlegte und die Signale von der Pilotenkanzel zu den Schiffssystemen blockierte! Der Vorfall ereignete sich zudem zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – als sich das Schiff, um eine imperiale Fregatte loszuwerden, im Schwerkrafttrichter eines Planeten versteckte. Han und Chewie starrten voller Bestürzung auf die Instrumente, während ihr Schiff völlig außer Kontrolle steil nach unten raste und an den oberen Schichten der Lufthülle des Planeten kratzte. Allein der Umstand, daß der neue Störsender so stark war, daß er beinah auf der Stelle ausbrannte, rettete sie davor, in der Atmosphäre zu verglühen.
Dann kam der Tag, an dem Han die ›Falcon‹ mit Wohlgefallen betrachtete und Shug Ninx einen Arm um die Schultern legte. »Shug, alter Freund, du bist wirklich ein Meister deines Fachs. Ich glaube nicht, daß sich irgend jemand in der Galaxis besser mit Hyperantrieben auskennt als du. Das alte Mädchen schnurrt wie ein togorianisches Katzenkind, und wir haben die Geschwindigkeit um weitere zwei Prozent erhöht.«
Der halbmenschliche Meistermechaniker lächelte seinem Freund zu, doch dann schüttelte er den Kopf. »Danke, Han, aber so viel Lob kann ich nicht beanspruchen. Ich habe gehört, daß es im Korporationssektor einen Typen namens Doc gibt, der einen Hyperantrieb auch noch den Jizz-Jig tanzen lehrt, wenn man ihm eine Hand auf den Rücken bindet. Falls du dein Schiff noch schneller machen willst, mußt du ihn ausfindig machen.«
Han hörte ihm einigermaßen überrascht zu, speicherte die Information jedoch als möglicherweise nützlich ab. Er hatte schon immer mal Lust gehabt, den Korporationssektor zu besuchen, und jetzt gab es sogar einen Grund, dorthin zu fliegen.
»Danke, Shug«, sagte er. »Ich werde daran denken, mich mit diesem Burschen zu treffen, wenn ich jemals dorthin komme.«
»Nach allem, was ich über Doc gehört habe, trifft man ihn nicht einfach so. Er trifft dich, sofern er das für eine gute Idee hält. Frag Arly Bron nach ihm. Er war eine Weile im Korporationssektor und weiß vielleicht, wie du’s anstellen mußt, Doc kennenzulernen.«
»Vielen Dank für den Tip«, entgegnete Han. Er kannte Arly Bron, ebenso wie die meisten anderen Schmuggler, die im corellianischen Sektor von Nar Shaddaa herumhingen. Bron war ein stämmiger, in die Jahre gekommener Schmuggler von leutseliger Wesensart und mit einer spitzen Zunge. Er liebte es, Einfaltspinsel zu ärgern, trat jedoch stets schnell genug den Rückzug an, um noch immer unter den Lebenden zu weilen – was einiges über sein Tempo und seine Treffsicherheit aussagte. Er flog einen ramponierten alten Frachter namens ›Double Echo‹.
Nun, da Han die schnelle und (verhältnismäßig) verläßliche ›Millennium Falcon‹ besaß, konnte er die anspruchsvollsten Aufträge annehmen. Er arbeitete noch immer meistens für Jabba, der den Desilijic-Clan in jüngster Zeit praktisch leitete, doch daneben nahm er auch Aufträge von anderen Arbeitgebern an. Der Corellianer und sein Wookiee-Partner wurden auf Nar Shaddaa zu einer Art Legende, als sie sämtliche Geschwindigkeitsrekorde auf der Kessel-Route brachen und mit ihren Flugkünsten die imperialen Patrouillenschiffe zum Narren hielten.
Han war nie zuvor glücklicher gewesen. Er besaß ein schnelles Schiff, mit Chewie, Jarik und Lando gute Freunde und mit Salla eine attraktive und kluge Freundin. Außerdem füllten Credits seine Taschen. Es stimmte, das Geld rann ihm stets irgendwie durch die Finger, wie sehr er sich auch bemühte, es zusammenzuhalten, aber das bereitete Han nur geringe Sorgen. Was war schon dabei, daß er gern auf großem Fuß lebte, das Glücksspiel und teure Vergnügen liebte? Er konnte ja jederzeit mehr verdienen!
Aber obwohl Hans Leben in glänzenden Bahnen verlief, zogen am Horizont schon wieder dunkle Wolken auf. Der Imperator erhöhte den Druck immer weiter, sein langer Arm reichte mittlerweile bis zum Äußeren Rand.
Es kam zu einem Massaker auf Mantooine im Atrivis-Sektor, und die Rebellen, denen es zuvor gelungen war, eine imperiale Basis einzunehmen, wurden dabei nahezu bis auf den letzten Verteidiger ausgelöscht. Es gab weitere Massaker als Lehrstücke für die imperialen Zentralwelten. Waffenschmuggler mußten, um ihre Ladungen überhaupt noch abliefern zu können, mit jedem Tag vorsichtiger und schneller zu Werk gehen.
Als Han begonnen hatte, die Kessel-Route zu fliegen, war es kaum einmal vorgekommen, daß die Sensoren ein imperiales Raumschiff erfaßten. Jetzt war es ungewöhnlich, wenn man keines sah. Um seine Flotten und Armeen auszurüsten, trieb Palpatine immer höhere Steuern ein, so daß die Bürger des Imperiums unter den finanziellen Belastungen stöhnten. In diesen Tagen mußte der durchschnittliche imperiale Bürger größte Anstrengungen unternehmen, um auch nur eine anständige Mahlzeit auf den Tisch zu bekommen. (Han und seine Freunde bezahlten natürlich keine Steuern. Auf dem Schmugglermond ließ sich kein Steuereintreiber blicken – bei der buntscheckigen Einwohnerschaft Nar Shaddaas Abgaben erheben zu wollen, war ein derart aussichtsloses Unterfangen, daß der Mond von der Steuerbehörde einfach ›übersehen‹ wurde.)
Han hatte in der Vergangenheit kaum auf die Vid-Nachrichten über den Kampf zwischen dem Imperium und den Rebellen im Untergrund geachtet. Neuerdings jedoch, da er wußte, daß Bria vielleicht in diese Auseinandersetzungen verwickelt war, ertappte er sich dabei, daß er die Nachrichten mit ungeteilter Aufmerksamkeit verfolgte. Palpatine muß verrückt sein, dachte Han bei mehr als einer dieser Gelegenheiten. Er fordert mit dieser Taktik einen umfassenden Aufstand geradezu heraus… Massaker, Morde, Bürger, die mitten in der Nacht aus ihren Häusern verschleppt werden und nie wieder auftauchen… Wenn man die Leute nur schlimm genug und lange genug schikaniert, provoziert man sie buchstäblich zur Revolte…
Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Imperialen Senats nahmen sprunghaft zu. Eine der prominenten Senatorinnen, Mon Mothma, war vor nicht allzu langer Zeit zur Flucht gezwungen gewesen, nachdem der Imperator unter dem Vorwurf des Hochverrats ihre Festnahme angeordnet hatte. Mon Mothma war ein angesehenes Mitglied des Senats, und das eigenmächtige Vorgehen des Imperators hatte auf ihrem Heimatplaneten Chandrila für Protestkundgebungen gesorgt – Demonstrationen, die schließlich zu einem weiteren grausamen Massaker an Bürgern des Imperiums geführt hatten.
Die Angriffe des Imperators auf den finanziellen Wohlstand und die persönliche Freiheit der imperialen Bürger hatten aber auch noch einen anderen Effekt, einen, den Han als besonders beunruhigend empfand. Immer mehr unterdrückte und von Armut geschlagene Lebewesen schmissen ihr altes Leben hin und gingen nach Ylesia, um dort Pilger, oder besser, wie Han sehr genau wußte, Sklaven zu werden.
Viele der neuen Pilger kamen von Sullust, Bothuwui und Corellia, alles Welten, die erst kürzlich unter Repressalien wegen zivilen Ungehorsams und Anti-Steuer-Demonstrationen zu leiden gehabt hatten. Han kam eines Tages von einer Schmuggelfahrt nach Hause und erfuhr, daß die T’landa Til zum ersten Mal eine Erweckung auf Nar Shaddaa abgehalten hatten. Das Ergebnis war, daß einige Corellianer aus dem corellianischen Sektor von Nar Shaddaa ihre Siebensachen packten und darauf warteten, an Bord eines Raumschiffs gehen zu können, das unter anderem auch nach Ylesia flog.
Als Han das hörte, sprang er sofort in eine Rohrbahn zum Anlegeplatz des Schiffs und eilte auf die Schlange der hohlwangigen, erschöpft aussehenden Corellianer zu, die auf ihren Abtransport warteten. »Was glaubt ihr eigentlich, was ihr hier macht?« rief er. »Ylesia ist eine Falle! Habt ihr denn die Berichte nicht gehört? Sie locken euch dorthin und machen euch anschließend zu Sklaven! Am Ende verreckt ihr in den Minen von Kessel. Geht nicht!«
Eine alte Frau beäugte ihn mißtrauisch. »Halt den Mund, Junge«, sagte sie. »Wir reisen an einen besseren Ort. Die ylesianischen Priester sagen, daß sie für uns sorgen werden, und wir werden ein besseres Leben haben… ein gesegnetes Leben. Ich hab’ es satt, weiter hier zu darben. Das verfluchte Imperium macht es uns heutzutage zu schwer, unseren unehrlichen Lebensunterhalt zu verdienen.«
Die anderen murmelten ähnliche Verwünschungen gegen Han, während er an der Schlange auf und ab lief und sich mit den Pilgern in spe herumstritt. Schließlich blieb er stehen, verharrte auf der Stelle und hätte am liebsten vor Wut geheult wie ein Wookiee. Chewie heulte tatsächlich vor Enttäuschung.
»Chewie, ich bin kurz davor, meinen Blaster auf Betäubung einzustellen und einfach auf alle hier zu schießen. Es gibt keine Möglichkeit, sie aufzuhalten«, stellte der Corellianer bitter fest.
Chewie stimmte ihm mit einem traurigen Knurren zu. Han bemühte sich in einem letzten halbherzig Versuch, mit den jüngeren Leuten zu sprechen. Er ging sogar so weit, daß er einem oder zwei von ihnen einen Job anbot. Doch niemand wollte ihm zuhören. Bald gab er es angewidert auf. So etwas war ihm schon einmal passiert, auf Aefao, einer abgelegenen Welt am anderen Ende der Galaxis. Es hatte auch dort eine ylesianische Erweckung gegeben, und Han hatte jene zu warnen versucht, die bereits auf dem Weg zu den Raumschiffen waren, aber er mußte erkennen, daß er es mit der fassungslosen Erinnerung der zukünftigen Pilger an die Erhöhung nicht aufnehmen konnte. Nur ein paar der kleinen orangeroten humanoiden Aefaner hatten ihm zugehört. Doch über einhundert von ihnen waren an Bord des ylesianischen Missionarsschiffs gegangen…
Han sah zu, wie die Schlange aus Corellianern in den wartenden Transporter schlurfte, und schüttelte den Kopf. »Manche Leute sind zu dämlich zum Leben, Chewie«, kommentierte er.
Oder zu verzweifelt, gab der Wookiee zurück.
»Ja, das erinnert mich einmal mehr daran, daß es immer eine gute Methode, ist, seinen Kopf zu verlieren, wenn man ihn für jemanden hinhält«, sagte Han voller Abscheu, als er den verdammten Corellianern den Rücken kehrte und langsam davonging. »Nächstes Mal, wenn ich daran denke, so etwas zu tun, Chewie, möchte ich daß du mir nach Wookiee-Art freundlich auf die Schulter klopfst, damit ich mich auf meinen Hosenboden setzte. Man sollte meinen, ich hätte nach all den Jahren gelernt…«
Chewie versprach es ihm, und sie marschierten gemeinsam davon.
Ungeachtet der Tatsache, daß er alle (zu klein geratenen) Hände voll damit zu tun hatte, die Besadii zu führen, weigerte sich Durga der Hutt, die Suche nach dem Mörder seines Vaters aufzugeben. Sechs Bedienstete seines Hauses waren unter den scharfen Verhören bereits gestorben, und doch gab es absolut keinen Hinweis darauf, daß einer von ihnen in die Sache verwickelt gewesen war.
Aber wie war Aruk vergiftet worden, wenn das Dienstpersonal unschuldig war? Durga sprach noch einmal mit Myk Bidlor, der dieses Mal bestätigte, daß es Spuren von X-1 in Aruks Verdauungstrakt gab. Er hatte die tödliche Substanz also tatsächlich gegessen.
Durga beendete das Gespräch und kroch dann nachdenklich durch sämtliche Hallen seines Palastes. Sein Gesicht zeigte einen so düsteren, furchterregenden Ausdruck, daß seine Angestellten – die aus verständlichen Gründen ohnehin bereits äußerst nervös waren – vor ihm flohen, als wäre er ein böser Geist aus der Dunklen Zone.
In Gedanken ging der junge Besadii-Lord die letzten Monate im Leben seines Vaters durch und hakte im Geist jeden Augenblick jedes einzelnen Tages ab. Alles, was Aruk gegessen hatte, war aus ihren eigenen Küchen gekommen und von ihren Köchen zubereitet worden – darunter auch von jenen, die jüngst verschieden waren. Er machte sich eine gedankliche Notiz, zwei neue Köche einzustellen…
Durga hatte die ganze Küche und die Quartiere der Diener nach irgendwelchen Spuren von X-1 überprüfen lassen. Nichts. Die einzige Stelle, an der überhaupt ein Hinweis auf die Substanz entdeckt worden war, hatte sich nicht weit von dem üblichen Abstellplatz seiner Repulsorsänfte auf dem Boden von Aruks Büroraum gefunden. Und dabei handelte es sich nur um eine winzige Spur.
Durga runzelte die Stirn und verzog die von dem Geburtsmal verunstalteten Gesichtszüge zu etwas, das an eine Dämonenmaske erinnerte. Irgend etwas quälte ihn. Eine Erinnerung. Wand sich durch sein Hirn…
…sich winden… zappeln! Die Nalabaum-Frösche! Plötzlich war die Erinnerung da, deutlich und scharf: Aruk, der rülpsend nach dem nächsten lebenden Nalabaum-Frosch langte. Bis jetzt hatte Durga noch gar nicht an die Möglichkeit gedacht, daß das Gift auch mit einer lebenden Kreatur verabreicht worden sein könnte – schließlich lag es doch nahe, daß jede Kreatur bereits lange, bevor sie verzehrt wurde, selbst an dem Gift sterben mußte. Aber was, wenn Nalabaum-Frösche gegen die Wirkung von X-1 immun waren? Was, wenn ihr Gewebe mit zunehmenden Mengen von X-1 gleichsam überschwemmt worden war, ohne daß die Substanz ihnen etwas anhaben konnte?
Aruk hatte seine Nalafrösche geliebt. Er hatte sie täglich verspeist, manchmal jeden Tag ein Dutzend.
»Osman!« brüllte Durga. »Hol mir den Scanner! Bringe ihn ohne Verzug in Aruks Büro!«
Der Chevin erschien kurz, bestätigte den Befehl und verschwand wieder. Das trappelnde Geräusch seiner flinken Füße verklang in der Ferne, und Durga schlängelte in höchster Eile auf das Allerheiligste seines Vaters zu.
Er kam dort nur Sekunden vor seinem keuchenden Diener an, der den Scanner schleppte. Durga riß ihm den Apparat aus der Hand und glitt schnell in das Büro. Wo ist es? dachte er und blickte wild um sich.
Ja, dort! stellte er fest und kroch in die entsprechende Ecke. In dieser Ecke stand vergessen Aruks altes Snackquarium, das er benutzt hatte, um seine lebende Nahrung frisch zu halten. Und während der letzten Monate seines Lebens hatte diese lebende Nahrung vor allem aus Nalabaum-Fröschen bestanden!
Durga stieß die Sonde des Scanners in das Snackquarium und aktivierte das Instrument. Sekunden später hatte er die Antwort. Die mineralischen Ablagerungen an den gläsernen Wänden des kugelförmigen Gefäßes enthielten beträchtliche Mengen X-1!
Durga stieß einen Wutschrei aus, der das Inventar erzittern ließ, dann verlor er völlig die Beherrschung: Mit einem einzigen kraftvollen Hieb seines Schwanzes zerschlug er das Snackquarium, warf den mächtigen Leib gegen das Mobiliar und zerschmetterte und zerstörte alles, was ihm in die Quere kam. Schließlich lag er heiser und keuchend in den Überresten von Aruks Büro.
Teroenza. Teroenza hat die Frösche geliefert. Durga wollte in einem ersten Impuls sofort nach Ylesia fliegen und den T’landa Til höchstpersönlich in blutigen Brei verwandeln. Doch nachdem er einen Moment darüber nachgedacht hatte, wurde ihm klar, daß es unter seiner Würde war, sich Hände und Schweif an einem niederen Lebewesen schmutzig zu machen.
Außerdem konnte er den Hohepriester nicht einfach so umbringen. Teroenza war ein guter Hohenpriester, der nur schwer zu ersetzen sein würde. Der Besadii-Lord war sich der unerfreulichen Tatsache bewußt, daß sich die T’landa Til auf Ylesia wohl weigern würden, die Farce, während der Erhöhungen als Priester zu agieren, noch länger fortzusetzen, wenn er Teroenza töten ließ. Teroenza war bei jenen, die unter ihm dienten, durchaus wohlgelitten. Abgesehen davon war er ein fähiger Verwalter, der den Besadii ständig steigende Gewinne aus den Gewürzfabriken eingebracht hatte.
Ich werde schon einen gut vorbereiteten Ersatz vorweisen müssen, ehe ich etwas gegen ihn unternehmen kann, dachte Durga. Außerdem ruhte die Beweislast gegen den Hohepriester ausschließlich auf Indizien. Es bestand sogar die vage Möglichkeit, daß Teroenza unschuldig war. Durga hatte Teroenzas Ausgaben stets genau im Auge behalten, und von seinem Konto war keine größere Creditsumme abgehoben worden. Er konnte das Gift also unmöglich gekauft haben, es sei denn, er hatte dazu höchst geheime Wege beschritten… Darüber hinaus besaß er nicht genug Credits, um so große Mengen X-1 erwerben zu können.
Es sei denn, er hätte seine verfluchte Sammlung verkauft, dachte Durga jetzt, doch er wußte, daß dies nicht geschehen war. Er beobachtete die Schiffsladungen, die nach Ylesia kamen oder den Planeten verließen, ganz genau, und Teroenza hatte seine Sammlung in den letzten neun Monaten sogar noch vergrößert.
Der Besadii-Lord nahm sich dennoch vor, noch in dieser Woche einen neuen T’landa Til auszubilden. Er würde seine Nachforschungen fortsetzen, und sobald der neue Hohepriester soweit wäre, würde er einen Kopfgeldjäger anheuern, der ihm Teroenzas Horn bringen sollte. Durga stellte sich das Horn an der Wand seines Büros vor – unmittelbar neben Aruks Holoporträt.
Vielleicht war Teroenza jedoch nicht der einzige auf Ylesia, der den Tod verdiente. Irgendwer hatte die Nalabaum-Frösche ja auch einfangen, in Schiffscontainer packen und auf Raumschiffe verladen müssen. Durga beschloß, der Sache genau auf den Grund zu gehen, bevor er ein Kopfgeld aussetzte.
Natürlich war der eigentliche Mörder die Person, die das X-1 besorgt und sich die ganze Operation ausgedacht hatte. Und Jiliac war seine Hauptverdächtige. Sie besaß die Credits, und sie hatte ein Motiv.
Durga hatte längst damit begonnen, nach Verbindungen zwischen Jiliac und den Malkite-Giftmischern zu suchen. Jetzt würde er auch noch nach Verbindungen zwischen dem Führer der Desilijic und Teroenza fahnden. Er würde bestimmt auf etwas stoßen… auf irgendwelche Aufzeichnungen: Schiffsprotokolle, Creditguthaben, Kontobewegungen, Kaufbestätigungen… irgendwo würde es Beweise geben, die sowohl Teroenza als auch Jiliac mit Aruks Tod in Zusammenhang brachten, und er, Durga, würde sie finden.
Credits… Er wußte, daß die Suche Zeit ebenso wie Credits erfordern würde. Seine eigenen unglücklicherweise. Durga würde es nicht wagen, seine zugegebenermaßen unsichere Stellung als Führer der Besadii zu gefährden, indem er riesige Summen von Geldern des Kajidic auf etwas verwendete, daß allgemein für eine ausschließlich persönliche Vendetta gehalten wurde. Zier und seine übrigen Kritiker beobachteten ihn bereits, jederzeit bereit, sich bei ungerechtfertigten Ausgaben auf ihn zu stürzen. Nein, er würde alles weitere aus der eigenen Tasche bezahlen müssen… und diese Aufwendungen würden seine persönlichen Rücklagen arg strapazieren.
Durga dachte einen Moment lang an die Schwarze Sonne. Ein Wort zu Prinz Xizor genügte, und er würde über die beeindruckenden Mittel der Schwarzen Sonne verfügen können und damit zugleich der Übernahme der Besadii – möglicherweise sogar von ganz Nal Hutta – durch die Schwarze Sonne Tür und Tor öffnen. Durga schüttelte den Kopf. Das konnte er nicht riskieren. Er wollte nicht als einer von Xizors Vasallen enden. Er war ein freier und unabhängiger Hutt, und kein Falleen-Prinz würde ihm seine Befehle erteilen.
Durga verließ Aruks zerstörtes Büro und suchte sein eigenes auf. Vor ihm lag eine lange Arbeitssitzung an seinem Datenblock. Er durfte die Arbeit für die Besadii nicht vernachlässigen, daher mußte er den größten Teil seiner persönlichen Nachforschungen nachts durchführen, wenn die meisten anderen Hutts längst schliefen. Durga griff grimmig nach seinem Datenblock und machte sich daran, Fragen nach bestimmten Informationen einzugeben.
Er hatte die Mörder seines Vaters aufgespürt, da war er ganz sicher. Er kannte jetzt das Wie und das Warum. Nun ging es darum, den Beweis zu erbringen, der es ihm erlaubte, Jiliac herauszufordern und persönliche Genugtuung für die Blutschuld von ihr zu verlangen.
Durgas winzige Finger rasten über den Datenblock, und die grünliche Zungenspitze lugte, als er sich konzentrierte, aus einem Winkel seines Mauls…
Teroenza stapfte gemächlich durch den Korridor des ylesianischen Verwaltungszentrums, um sich mit Kibbick zu treffen. Der Hutt-›Overlord‹ hatte vor nahezu zwanzig Minuten nach seiner Gegenwart verlangt, doch Teroenza war zu beschäftigt gewesen. In früheren Zeiten hätte er es niemals gewagt, einen Hutt-Lord warten zu lassen, doch langsam aber sicher änderten sich die Verhältnisse auf Ylesia.
Er, Teroenza, übernahm die Macht. Dieser Idiot Kibbick war bloß zu dumm, es zu bemerken. Jeden Tag machte er neue Pläne, heuerte die zusätzlichen Wachen an, die Durga genehmigt hatte, und baute den Planeten zur Festung aus. Anstatt überwiegend gamorreanische Wächter einzustellen, die stark waren, aber sogar noch dümmer als Kibbick – was schon etwas heißen wollte! –, wählte Teroenza sorgfältig gut trainierte Söldner aus. Die kosteten zwar mehr, würden sich jedoch in der Schlacht auszahlen.
Und Teroenza wußte, daß es zu einer Schlacht kommen würde. Der Tag würde kommen, wenn er offen seinen Bruch mit Nal Hutta erklärte. Die Besadii würden einen solchen Griff nach Unabhängigkeit niemals einfach hinnehmen, doch Teroenza schmiedete Pläne, um auf alles vorbereitet zu sein. Er würde seine Truppen in die Schlacht führen, und der Sieg würde ihnen gehören!
Der Hohepriester traf bereits Vorkehrungen, die Freundinnen der T’landa-Til-Priester nach Ylesia zu holen. Seine eigene Gefährtin, Tilenna, würde als eine der ersten ankommen. Kibbick war ein solcher Schwachkopf, daß er davon eine Zeitlang wahrscheinlich gar nichts mitbekommen würde. Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen T’landa Til waren für die T’landa Til selbst kaum zu übersehen, für die meisten anderen Spezies jedoch sahen die Angehörigen dieser Spezies, von dem Horn der Männer mal abgesehen, praktisch völlig identisch aus.
Teroenza plante außerdem, die Verteidigungsanlagen auszubauen, auch wenn er dafür einen Teil seiner Sammlung veräußern mußte. Er hatte sich nach den Kosten für einen bodengestützten Turbolaser erkundigt und war entsetzt zurückgezuckt, aber vielleicht würde Jiliac ihm ja mit den Credits aushelfen, die er dazu brauchte. Immerhin war er, Teroenza, der einzige, der Jiliac mit dem Mord an Aruk in Verbindung bringen konnte. Daher machte es durchaus Sinn, daß sie ihn unterstützte.
Als Teroenza Kibbicks Empfangsraum erreichte, blieb er zögernd vor dem Portal stehen und setzte mit Bedacht eine ausreichend unterwürfige Miene auf, um eintreten zu können. Er wollte nicht, daß Kibbick seine Geringschätzung bemerkte. Noch nicht. Aber bald…
Bald, tröstete sich Teroenza. Spiele deine Rolle. Hör dir sein Gestammel an. Stimme ihm zu. Schmeichle ihm. Bald wirst du all das nicht mehr tun müssen. Du mußt seine Dummheit nur noch ein paar Monate ertragen. Bald…
Zu den ersten Dingen, die Han tat, nachdem er die ›Millennium Falcon‹ gewonnen hatte, zählte, daß er seine Freundin Salla Zend zu einem Wettflug herausforderte. Mit der unzuverlässigen kleineren ›Bria‹ hätte er niemals darauf hoffen dürfen, ihre schnittige ›Rimrunner‹ zu besiegen, doch jetzt…
Wann immer es sich ergab, daß sie zur gleichen Zeit Ladungen für die Kessel-Route übernahmen, wagten die beiden Schmuggler ein Rennen durch diesen gefährlichen Teil des Weltalls. Sie schmuggelten gelegentlich Gewürze oder andere Konterbande in das Stenness-System, und die Kessel-Route war der schnellste Weg dorthin.
Das eine Mal gewann Han… beim nächsten Mal Salla. Ihre Raumschiffe waren so gut wie gleichwertig, und keiner der beiden Schmuggler zog gerne den kürzeren, so daß ihr freundschaftlicher Wettstreit mit der Zeit immer verbissener wurde. Sie fingen an, Risiken einzugehen… sehr gefährliche Risiken. Vor allem Salla. Als gewiefte Pilotin flog sie ihr Raumschiff allein und war stolz auf ihre Fähigkeit, auch noch die letzten Kraftreserven aus ihrer Maschine herauszuholen.
Eines Morgens verließen Han und Salla gemeinsam ihr Apartment, küßten sich zum Abschied und versprachen einander, sich auf Kamsul, einer der sieben bewohnten Welten des Stenness-Systems, zu treffen. Han grinste Salla an. »Der Verlierer bezahlt das Essen?«
Sie gab sein Lächeln zurück. »Ich werde mir das teuerste Gericht auf der Karte bestellen, bloß um dich zu ärgern, Han.«
Han lachte, winkte, dann trennten sie sich, um zu ihrem jeweiligen Schiff zu gehen.
Der Flug nach Kessel verlief ohne Zwischenfälle. Es gelang Han, Salla um fast fünfzehn Minuten zu schlagen, doch dann kam es bei einem der seinem Schiff zugewiesenen Ladedroiden zu einer Fehlfunktion, wodurch sich das Beladen und Entladen der Fracht beträchtlich verzögerte. Sallas ›Rimrunner‹ setzte rasant zu einer tollkühnen Landung an, während er sein Schiff noch immer mit neuer Fracht ausstattete, und Han hatte nur mehr knapp fünf Minuten Vorsprung bis zum Abheben.
Er flog mit Chewie als Kopilot und Jarik im oberen Geschützturm. In der gesamten Kessel-Region nahmen die imperialen Patrouillen in letzter Zeit immer mehr zu. Als sie wie der Blitz auf die Kessel-Route einschwenkten, aktivierte Han sein Interkom. »Gut aufgepaßt, Kleiner«, ermahnte er Jarik. »Ich möchte nicht, daß wir von irgendwelchen imperialen Patrouillen überrascht werden.«
»Alles klar, Han. Behalte du nur deine frisierten Sensoren im Auge, dann werde ich sie schon vom Himmel holen, bevor sie mitkriegen, was sie erwischt hat!«
Das erste Hindernis, dem sie sich stellen mußten, nachdem sie Kessel verlassen hatten, war der Schlund, eine trügerische, annähernd kugelförmige Raumregion, die Schwarze Löcher, einige Neutronensterne sowie verstreute Hauptreihensterne enthielt. Aus großer Entfernung wirkte der Schlund am nächtlichen Himmel über Kessel wie ein verschwommenes, vielfarbiges kreisrundes Glühen, fast so wie ein Nebel. Aber sobald man näher kam, war die Kugelform immer deutlicher zu erkennen. Der Schlund glühte von dem Licht der Sonnen in seinem Innern; Schlieren aus ionisierten Gasen und Staubpartikeln bildeten gewundene farbige Bänder; und die Akkretionsscheiben der Schwarzen Löcher schienen Hans Blicke zu erwidern.
Die Akkretionsscheiben erinnerten vor dem Hintergrund der dunkleren Regionen des Schlunds an wachsame weiße Augen. Von der ›Falcon‹ aus betrachtet waren diese Augen (je nach Anflugwinkel) entweder geschlitzt, zusammengekniffen oder weit geöffnet. In der Mitte jedes Auges saß eine nadelspitze schwarze ›Pupille‹ – Schwarze Löcher, die Schleier aus Sternmaterie anzogen. Fast wie der Urwald auf Ylesia bei Nacht, dachte Han. Schwarze Nächte und wachsame Raubtieraugen…
Es war schon bei normaler Sublichtgeschwindigkeit eine heikle Angelegenheit, um die Randbezirke des Schlunds zu navigieren, und wenn man das Phänomen mit Höchstgeschwindigkeit umschiffte, forderte man die Katastrophe geradezu heraus. Han warf einen Blick auf die Sensoren und sah, daß Salla ihren Abstand zu ihnen verkürzte. Er beschleunigte, holte noch mehr aus dem Schiff heraus, bis er schneller war als jemals zuvor auf der Kessel-Route.
»So wird sie uns nie kriegen«, wandte er sich an Chewie. »Ich werde die Nase vorne behalten, bis wir in die Grube kommen, dann wird unser Vorsprung groß genug sein, um unseren Hypersprung mindestens zwanzig Minuten vor der ›Rimrunner‹ durchführen zu können.«
Die Grube war ein gefahrvolles Asteroidenfeld im Innern eines gasförmigen schmalen Ausläufers eines nahen Nebels. Gemeinsam machten der Schlund und die Grube die Kessel-Schmuggelroute zu dem höchst riskanten Unternehmen, das sie tatsächlich war. Als er Hans Prahlerei vernahm, ließ Chewie ein unglückliches Stöhnen hören und machte einen Vorschlag.
»Was soll das heißen, ich soll sie uns schlagen lassen?« verlangte Han empört zu wissen. Seine in Handschuhen steckenden Finger flogen über die Kontrollen, während sie an der ersten Ballung Schwarzer Löcher vorübersausten. Das Gas und der Staub der Sterne in der Nachbarschaft wurden in langen, sich verjüngenden blauweißen und rosenfarbenen Schlieren von den Akkretionsscheiben angezogen. »Bist du übergeschnappt? Ich werde das Essen nicht bezahlen! Schließlich gewinne ich ein Nerf-Lendenstück mit gegrilltem Ladnek-Schwanz à la Chef!«
Chewie blickte nervös auf die Geschwindigkeitsanzeige der ›Falcon‹ und machte einen neuen Vorschlag.
»Du bezahlst unser aller Essen, wenn ich mit dem Tempo runtergehe?« Han warf seinem Kopiloten einen skeptischen Blick zu. »He, Kumpel, deine Heirat scheint dich in letzter Zeit ein bißchen verweichlicht zu haben. Ich schaffe das schon. Die ›Falcon‹ schafft das. Wir werden diesmal gewinnen!«
Noch während er sprach, registrierten die Instrumente eine ungewöhnliche Sensorensignatur von der ohne jede Rücksicht beschleunigenden ›Rimrunner‹. Han starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seine Konsole. »Oh nein…«, flüsterte er. »Salla, bist du verrückt? Tu das nicht!«
Im nächsten Moment streckte sich der Rumpf der ›Rimrunner‹ und verschwand schlagartig aus dem Normalraum.
Chewie heulte.
»Salla!« brüllte Han vergeblich. »Du verdammte Närrin. In unmittelbarer Nähe des Schlunds einen Mikrosprung zu wagen, kann unmöglich gutgehen!«
Chewies Nervosität wuchs, als Han jetzt noch mehr Fahrt aufnahm und die Sensoren überprüfte, um die ›Rimrunner‹ aufzuspüren. »Wo ist sie hin? Das verrückte Weib! Wo ist sie hin?«
Zehn Minuten vergingen, fünfzehn, während die ›Falcon‹ weiter dicht am Rand des Schlunds entlangraste. Han dachte daran, selbst einen Mikrosprung zu versuchen, aber er besaß kein Mittel, den von Salla eingeschlagenen Kurs festzustellen. Er konnte lediglich mit Sicherheit sagen, daß sie nicht versucht hatte, direkt von einem Ende des Schlunds zum anderen zu springen. Die tiefen Gravitationsschächte der Schwarzen Löcher und Neutronen-Sterne hätten sie ohne Umschweife aus dem Hyperraum gerissen – und damit höchstwahrscheinlich in den Ereignishorizont eines der Schwarzen Löcher, aus dem es kein Entkommen mehr gab. Nein, sie mußte am Rand des Schlunds entlanggesprungen sein, um vielleicht auf direktem Wege in die Grube zu gelangen…
Chewie jaulte und tippte mit einem seiner pelzigen Finger auf die Sensoren. »Da ist sie!« rief Han und studierte die Anzeigen der ›Rimrunner‹. Salla war noch immer in Bewegung, aber sie flog nicht in Richtung Grube. Sie flog…
»Nein…«, sagte Han leise. Er spürte, wie der Horror ihn überwältigte. »Chewie, da muß irgendwas schiefgegangen sein. Sie fliegt in die falsche Richtung.«
Han überprüfte abermals die Instrumente. »Sie ist innerhalb des Magnetfelds dieses Neutronensterns da vorne aus dem Hyperraum gekommen!«
Die ›Rimrunner‹ flog unentwegt weiter, allerdings nicht länger auf geradem Kurs. Statt dessen hatte sich Sallas Raumer auf tausend Kilometer einem Neutronenstern genähert, den sie jetzt in einem weiten Orbit umkreiste. Hans Sensoren zeigten an, daß Jets aus tödlichem Plasma aus beiden Seiten der Akkretionsscheibe schossen, die die Position des Neutronensterns kennzeichnete.
»Der Gravitationsschacht oder das Magnetfeld – eins von beiden muß ihren Navcomputer blockiert haben, so daß sie ihren Mikrosprung an der falschen Stelle beendet hat…« Han schnappte nach Luft. Es kam ihm vor, als würde seine Brust von einer riesigen unsichtbaren Hand zerquetscht. »Oh, Chewie… sie ist verloren…«
Binnen weniger Minuten würde Sallas Raumschiff das Apastron, den höchsten Punkt ihrer Umlaufbahn um den sterbenden Stern erreichen. Dann, wenige Augenblicke später, würde die ›Rimrunner‹ wieder in die Umlaufbahn stürzen und den Rand der Plasmajets berühren. Die absolut tödlichen Strahlendosen würden sie augenblicklich verbrennen.
Hundert Erinnerungen an Salla rasten zwischen zwei Herzschlägen durch Hans Gehirn. Salla, wie sie ihn morgens anlächelte… Salla, die in einem festlichen Abendkleid mit ihm ins Casino ging… Salla, die mit verschmiertem Gesicht einen Hyperantrieb herrichtete wie andere ihr Frühstück – bloß daß Salla niemals zu kochen gelernt hatte…
»Chewie«, flüsterte er heiser, »wir müssen versuchen, sie zu retten.«
Chewbacca schoß einen Blick auf ihn ab, deutete mit einem haarigen Finger auf die Anzeigen und knurrte.
»Ich weiß, ich weiß, die ›Rimrunner‹ ist schon furchtbar nah an diesem Plasmajet«, nickte Han. »Und wenn wir uns ihr nähern, riskieren wir, daß unser Schiff ebenfalls den Geist aufgibt und das Schicksal der ›Rimrunner‹ teilt. Aber, Chewie… wir müssen es wenigstens versuchen!«
Der Wookiee kniff entschlossen die blauen Augen zusammen und tat brüllend seine Zustimmung kund. Salla war schließlich eine Freundin. Sie konnten sie nicht einfach im Stich lassen.
Han öffnete eine Komfrequenz der ›Falcon‹, während er sich gleichzeitig daranmachte, Befehle in den Navcomputer einzutippen, damit dieser die notwendigen Berechnungen durchführte. »Salla? Salla? Hier spricht Han. Süße, hörst du mich? Wir versuchen, dich da rauszuholen… aber du mußt genau tun, was ich dir sage. Salla? Bitte melden! Ende!«
Er versuchte es noch zweimal, während der Navcomputer mögliche Annäherungsvektoren ausspuckte. Er wußte, daß die Magnetfelder, die ionisierten Gase und Plasmaschweife die Kommunikation stören würden, aber er hoffte, daß die leistungsfähigen Sensoren und Sender der ›Falcon‹ trotzdem durchkamen.
»Chewie, sag Jarik, er soll einen Vakuumanzug anziehen und mit dem Magnetgreifer und der Winde an der Luftschleuse warten. Ich werde Salla sagen, daß sie aussteigen soll, dann kreuzen wir ihre Flugbahn und nehmen sie an Bord.«
Chewie warf Han einen skeptischen Blick zu. »Sieh mich nicht so an«, schnappte Han. »Ich weiß selbst, daß es nicht leicht sein wird! Ich habe dafür gesorgt, daß der Navcomputer an einem Annäherungsvektor arbeitet, der uns von dem Magnetfeld der Wolke fernhält. Steh also nicht da rum und erzähl mir, was alles schiefgehen kann! Bewege dich lieber!«
Chewbacca stürzte darauf hinaus.
Han unternahm einen weiteren Versuch mit der Kom-Einheit. »Salla… Salla, hier ist die ›Falcon‹. Bitte melden.« Er fragte sich, ob Sallas überstürzter Wiedereintritt in den Normalraum sie möglicherweise gegen die Kontrollen geworfen hatte. Vielleicht war sie gestürzt, bewußtlos… oder sogar tot. »He, Baby, antworte! Melde dich, Salla!«
Er rief sie weiter, während sie auf die Koordinaten des Apastron zuhielten. Das Magnetfeld des Neutronensterns war so stark, daß es in dem Augenblick, als Salla aus dem Hyperraum gekommen war, jedes aktive System an Bord der ›Rimrunner‹ zum Versagen gebracht haben mußte. Das galt mit größter Sicherheit auch für die einzige Rettungskapsel des Raumschiffs, da dieses System üblicherweise in Betrieb blieb, um zu jedem Zeitpunkt auf einen Notausstieg vorbereitet zu sein.
Salla hatte immer noch Fahrt. Ihr Schiff trieb mit der gleichen Geschwindigkeit dahin, mit der sie in den Hyperraum gesprungen war, doch jetzt hatte sie keine Möglichkeit mehr, zu stoppen oder die Richtung zu ändern. Vor allem besaß sie nicht genug Energie, um sich aus dem Gravitationsschacht und in die Freiheit zu katapultieren. Sie würde in einem immer enger werdenden Orbit näher und näher an die Akkretionsscheibe herangezogen werden, bis ihr Schiff schließlich deren Rand berührte, und dann… Bum!
Wenn dies geschah, wäre Salla jedoch schon mindestens fünf Minuten tot, da sie dann bereits den Jet aus Plasmapartikeln durchquert hätte…
Nicht, wenn ich was dagegen unternehmen kann, dachte Han grimmig. »Salla? Salla? Kannst du mich hören? Bitte melden, Salla!«
Endlich hörte er ein statisches Krächzen, dann von weit her eine Antwort: »… Han… ›Rimrunner‹… Maschinen versagen… keine Energie… Reserven… am Ende… kann nicht… verloren, Lieber… wegbleiben von…«
Han fluchte lautstark. »Nein!« schrie er in das Kom. »Salla, hör mir jetzt gut zu und mach, was ich dir sage! Die ›Rimrunner‹ ist verloren, richtig, aber du nicht, Salla! Du mußt das Schiff verlassen, und dir bleiben nur noch ein paar Minuten. War deine Rettungskapsel in Ordnung, als es dich erwischt hat?«
»… positiv, Han… Rettungskapsel… tot… kann nicht aussteigen…«
Es stand, wie er vermutet hatte. Ihre Rettungskapsel war unbrauchbar, die elektronischen Systeme durchgebrannt. Er befeuchtete sich die Lippen. »Doch, du kannst aussteigen! Wir holen dich da raus. Salla, du schaffst jetzt deinen Hintern in deine Luftschleuse am Heck und steigst in einen Vakuumanzug. Nimm beide Schubpakete mit, hörst du! Wenn das erste aufgebraucht ist, aktivierst du Nummer zwei. Gib vollen Schub! Ich versuche deine Flugbahn zu schneiden, aber ich will, daß du dann so weit wie irgend möglich von der ›Rimrunner‹ und dem Plasmajet weg bist!«
»Das klappt nicht… springen?«
»Ja, verdammt, springen!« Han führte eine Kurskorrektur durch. »Ich kann in acht Minuten dort sein. Ich will, daß du dich mit vollem Schub in Richtung der folgenden Koordinaten von der ›Rimrunner‹ katapultierst…« Han warf einen Blick auf den Navcomputer und übermittelte Salla eine Reihe von Zahlen. »Verstanden?«
»Aber die ›Rimrunner‹…«, kam die ferne Entgegnung.
»Vergiß die ›Rimrunner‹!« rief Han. »Sie ist nur ein Schiff – du kannst ein neues bekommen! Los jetzt, Salla! Das Ganze ist schon schwer genug, ohne daß ich mich mit dir herumstreiten muß! Du hast drei Minuten, um den Anzug anzulegen! Los!«
Er stellte sein Interkom jetzt auf die Frequenz von Jariks Raumanzug ein. »Jarik, bei dir alles bereit mit dem Magnetgreifer und der Winde?«
»Positiv, Han«, antwortete Jarik. »Sag mir bloß Bescheid, wenn Sichtkontakt besteht. Man kann in diesem Helm nicht gut sehen.«
»Sag ich dir, Kleiner«, entgegnete Han knapp. »Hier sind deine Koordinaten für den Greifer.« Er wiederholte die Zahlen. »Das Timing ist hier entscheidend, also sei bloß nicht zu langsam. Die geringste Abdrift, und wir streifen den Rand des Magnetfelds und sitzen in derselbe Patsche wie die ›Rimrunner‹. Wir haben im Grund nur eine einzige Chance, heil da rein- und wieder rauszukommen. Alles klar?«
»Verstanden, Han«, sagte Jarik angespannt.
Während Han das Schiff in Richtung des Rettungspunktes lenkte, sorgte er sich, daß Sallas Schubpakete nicht stark genug sein könnten, um sie weit genug weg von ihrem dem Untergang geweihten Raumschiff zu tragen. Er wollte nicht riskieren, mit der ›Rimrunner‹ zusammenzuprallen. Die ›Falcon‹ war ein Frachter, der nicht dafür gebaut worden war, enge, nadelspitze Flugmanöver wie dieses auszuführen. Sicher, Han konnte sein Schiff praktisch auf den Kopf stellen, aber einen winzigen Menschen in einem Raumanzug aufzunehmen, während er gleichzeitig versuchte, sich von dem Magnetfeld eines Plasmajets fernzuhalten, war schon ziemlich riskant, ohne sich noch zusätzlich Sorgen darum machen zu müssen, ob die ›Rimrunner‹ womöglich mit ihnen zusammenstieß.
Han prüfte und überprüfte sorgfältig seinen Kurs. Er mußte dieses Manöver beim ersten Versuch punktgenau ausführen. Er mußte Salla erwischen, ehe sie in den Wirkungsbereich des tödlichen Plasmas geriet. Ihn überkam eine kurze grauenhafte Vision, wie es sein würde, wenn sie eine verstrahlte Leiche an Bord holen würden, doch dann konzentrierte er sich auf die Steuerung. Dieses Manöver war wahrscheinlich das kniffligste Unternehmen, daß er als Pilot jemals versucht hatte…
Ein paar Minuten später machte sich Han schwitzend daran, die Kurskorrekturen einzugeben, die sie an den Schnittpunkt bringen würden. Er drosselte das Tempo… drosselte es noch weiter… und noch weiter. Er wagte es nicht, die Fahrt vollends zu stoppen, da er fürchtete, dann in das Magnetfeld zu treiben.
Er ließ die Sensoren nicht aus den Augen. Die ›Rimrunner‹ war jetzt nur noch ungefähr fünfzig Kilometer entfernt und wuchs auf seinen Bildschirmen weiter.
»Jarik, ich habe Sichtkontakt mit der ›Rimrunner‹. Bereithalten!«
»Verstanden, Han. Halte mich bereit.«
Hatte Salla das Schiff rechtzeitig verlassen? Han versuchte, sie zu rufen. Keine Antwort, aber es war gut möglich, daß das Interkom ihres Raumanzugs nicht stark genug war, durch die Interferenzen hindurch Kontakt mit ihm aufnehmen zu können.
Der zum Untergang verurteilte Frachter wurde auf den Bildschirmen und im Sichtfenster der Kanzel immer größer. Han ging noch weiter mit der Geschwindigkeit runter. Er wagte kaum zu blinzeln. Wo ist sie? Hatte sie den Mut, zu springen?
Es mangelte Salla keineswegs an Mut, das wußte Han. Aber ein Sprung in den leeren Raum, war ein ziemlich furchterregendes Unterfangen. Han biß sich auf die Lippen und stellte sich vor, wie sie sich von der Luftschleuse der ›Rimrunner‹ abstieß und das erste Schubpaket auslöste. Zwar hatte er selbst bereits einige Zeit in Raumanzügen verbracht, aber es hatte ihm nie sonderlich zugesagt, zwischen sich und der Unendlichkeit in sämtlichen Himmelsrichtungen ausschließlich luftlose Leere zu wissen. Und er hatte erst recht niemals versucht, Kilometer um Kilometer leeren Raum in nichts als einem Raumanzug zu durchqueren. Der Corellianer war sich nicht einmal sicher, ob er den Mut aufbringen würde, das was er von Salla verlangte, selbst zu tun.
Bevor sie Schmugglerin geworden war, hatte Salla eine Zeitlang als Bordingenieur auf einem Korporations-Transporter gearbeitet, und er hoffte darauf, daß sie ihre Fähigkeiten in der Handhabung eines Raumanzugs noch nicht verlernt hatte.
Han beobachtete die schematischen Darstellungen an seiner Navigationskonsole. Da war der Neutronenstern und die Darstellung der vorausberechneten Abwärtsspirale der ›Rimrunner‹. Sallas Raumschiff hatte unterdessen das Apastron erreicht, und der blinkende Leuchtpunkt, der die ›Falcon‹ repräsentierte, kam schnell näher. Noch dreißig Klicks…
Und da, in unheilvollem Grün, war die tödliche Plasmawolke – umgeben von dem violett dargestellten Magnetfeld.
Han schluckte. So nah…
Er war jetzt auf zwanzig Klicks herangekommen. Er schaute auf, aber durch das Sichtfenster konnte nur er die Mynockform der ›Rimrunner‹ erkennen. Wo ist sie? fragte er sich wieder und studierte abermals die schematischen Darstellungen. Wo ist…?
»Ich hab’ sie!« schrie Han plötzlich. »Jarik, ich sehe ihre Anzeige! Noch kein Sichtkontakt, aber halt jetzt die Augen offen!« Er führte ein paar kleinere Kurskorrekturen durch, um Sallas Flugbahn exakt zu kreuzen. Sie kam mit beachtlichem Tempo auf ihn zu, schnell genug, um eine gerade Linie beizubehalten, aber nicht so schnell, daß sie den Verlust der Kontrolle riskierte und ins Trudeln geriet. Han bewunderte ihre Geschicklichkeit in der Handhabung des Raumanzugs.
»Fertig, Han«, meldete der Junge und murmelte irgend etwas Unverständliches. Ein Stoßgebet? Han war viel zu beschäftigt, ihn danach zu fragen.
Er schaltete das Schiffskom ein. »Chewie, hältst du dich mit dem Mediset bereit?«
Chewie knurrte bejahend.
Han behielt Sallas Anzeige im Auge, blickte zwischendurch immer wieder auf und sah aus der Sichtluke, als plötzlich… »Ich habe sie! Sichtkontakt! Jarik, du schießt den Magnetgreifer erst auf meinen Befehl ab…«
Han zählte in Gedanken die Sekunden. Drei… zwei… eins…
»Und los!«
Eine weitere endlose Sekunde…
»Hab’ sie! Aktiviere die Winde!«
»Chewie, kannst du sie hören?«
Chewbacca brüllte. Nein, er konnte sie nicht hören, aber wenn er sie hörte, würde er es Han im selben Augenblick wissen lassen.
»Jarik? Jarik, ist sie okay?«
»Sie bewegt ihre Hand, Han!« Dann rief der Junge: »Alles klar, Han, sie ist drin! Ich schließe jetzt die Luftschleuse!«
In der nächsten Sekunde drang Chewbaccas Gebrüll aus dem Interkom. »Genau!« entgegnete Han. »Wir verschwinden von hier!«
Han änderte den Kurs und beschleunigte das Schiff, um den Gravitationsschacht des Neutronensterns hinter sich zu lassen. Er überprüfte die schematischen Darstellungen und sah, daß die ›Rimrunner‹ soeben den Plasmajet durchquerte und ihre spiralförmig nach unten führende Umlaufbahn fortsetzte. Das war knapp!
»Wie geht es ihr?« erkundigte sich Han über Kom. »Redet mit mir, Leute!«
Im nächsten Moment hörte er, heiser aber unverkennbar, Sallas Stimme: »Ich bin in Ordnung, Han. Bloß eine Schnittwunde am Kopf. Chewie flickt mich schon wieder zusammen.«
»Jarik, komm hier rauf und übernimm die Kontrollen«, sagte Han. »Ich will nach Salla sehen. Chewie, denk daran, sie auf Strahlenschäden zu untersuchen…«
Ein erbostes Heulen folgte auf dem Fuß.
»Ist ja gut!«
»Han«, meldete sich Jarik zu Wort, »sie kommt rauf. Bleibe, wo du bist.« Eine Minute später gesellten sich alle zu Han in die Kanzel.
Der Corellianer glitt aus dem Pilotensitz, und Chewie und Jarik nahmen die Plätze des Piloten und Kopiloten ein. Salla sackte mißmutig auf den Passagiersitz. Sie trug einen Verband um die Stirn, der von den widerborstigen Zotteln ihrer schwarzen Haare halb verdeckt war. Han beugte sich besorgt über sie. »He… Süße…«
Sie wich vor ihm zurück, und eine Sekunde lang glaubte er, sie würde ihm einen Schwinger verpassen. Ihre Augen funkelten vor lauter Wut auf das Universum im allgemeinen. Han verstand den Hinweis und zog sich zurück. »Han… diese Anzeige…« Sie deutete darauf. »Ist das die ›Rimrunner‹?«
Han drehte sich um, betrachtete zuerst die Graphik und sah dann aus dem Sichtfenster. Die ›Rimrunner‹ befand sich noch immer in dem Plasmajet und war nur noch als orangefarbenes Glühen zu erkennen. »Ja«, nickte er. »Das Schiff wird immer schneller…«
In der Kanzel herrschte Schweigen, während die vier Passagiere die blinkende Anzeige verfolgten, die Sallas ganzen Stolz und einzige Freude verkörperte. Das Raumschiff raste durch die letzten Ausläufer des Jets, sank immer schneller und schneller und hielt unweigerlich auf die Akkretionsscheibe zu, als die Anziehungskraft des Neutronensterns den Frachter in eine immer engere Umlaufbahn zog.
Wenige Minuten später loderte am Rand der Akkretionsscheibe eine Sekunde lang ein winziger Blitz auf.
Salla sprang auf. »Tja, das war’s«, kommentierte sie tonlos. »Wenn die Herrschaften mich entschuldigen wollen. Ich brauche dringend eine Erfrischung.«
Han trat zur Seite, als Salla sich ins Innere der ›Falcon‹ zurückzog. Er dachte daran, wie er sich fühlen würde, wenn sein Schiff gerade draufgegangen wäre, und konnte ihren aufgestauten Zorn nachempfinden, den sie kaum zu unterdrücken vermochte. Kurz darauf hörte er aus der kleinen Schiffslounge gedämpfte Schläge und Schreie. Han warf seinen Freunden einen Blick zu. »Ich schaue mal nach.«
Als er die Lounge betrat, sah er Salla mit den Fäusten auf die Spundwände der ›Falcon‹ einschlagen und über einen frischen Bluterguß fluchen.
»Salla…«, begann er.
Sie wirbelte zu ihm herum, ihre Bersteinaugen blitzten. »Han, wieso hast du mich nicht einfach sterben lassen?«
Eine Sekunde lang dachte er, sie würde ihn schlagen, und wollte sich ducken. Doch sie riß sich mit ersichtlicher Mühe zusammen. »Wieso, Han?«
»Salla, du weißt, daß ich das niemals hätte tun können«, erwiderte er und hob beschwichtigend die Hände.
Offenbar kurz davor, sich in eine Nova zu verwandeln, stapfte sie in der Lounge der ›Falcon‹ umher. »Ich kann nicht glauben, daß ich diesen Mikrosprung probiert habe! Ich kann nicht glauben, daß die ›Rimrunner‹ verloren ist! Wie konnte ich nur so dumm sein?«
»Wir sind schon vorher um die Wette geflogen, Salla«, sagte Han. »Dieses Mal haben wir bloß… Pech gehabt.«
Sie schmetterte die Faust gegen die Bordwand, fluchte abermals, hielt dann inne und drückte die malträtierte Hand an sich. »Dieses Raumschiff war mein Leben! Mein Lebensunterhalt! Und jetzt… einfach so verloren!« Sie schnippte mit den unversehrten Fingern.
»Ich weiß«, sagte Han. »Ich weiß.«
»Was soll ich jetzt anfangen? Ich kann meinen Lebensunterhalt nicht mehr verdienen. Ich habe so hart gearbeitet, um mir dieses Schiff leisten zu können!«
»Du kannst mit mir und Chewie fliegen«, versicherte Han. »Wir können immer ein zusätzliches Crewmitglied gebrauchen. Du bist eine heiße Pilotin, Salla. Du wirst Arbeit finden. Gute Piloten werden immer gesucht.«
»Mit dir fliegen?« gab sie düster zurück. »Ich brauche keine Almosen von dir oder irgend jemandem sonst, Han.«
»He!« entgegnete er mit verletzt klingender Stimme. »Ich verteile keine Almosen, Salla. Du kennst mich. Es ist nur… he, ich brauche die Hilfe!«
Sie starrte in an. »Du… brauchst… mich?«
Han zuckte die Achseln. »Na klar… sicher. Ohne dich würde ich es nicht schaffen. Ich riskiere mein Leben – oder mein Schiff – nicht für jeden, weißt du?«
»Das stimmt«, brummte sie und sah ihn unentwegt an. Han fragte sich, was ihr durch den Kopf gehen mochte, entschied jedoch, daß es ein schlechter Zeitpunkt wäre, sie in diesem Moment danach zu fragen. Statt dessen ging er vorsichtig auf sie zu, gespannt, ob sie ihn wohl wieder zurückstoßen würde, doch das tat sie nicht. Er legte die Arme um sie, zog ihre hagere Gestalt an sich und küßte sie auf die Wange.
»Ich weiß genau, wie du dich jetzt fühlen mußt, Salla. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit auch ein Schiff verloren, weißt du noch?«
»Ich erinnere mich«, flüsterte sie. »He, Han… ich habe vergessen, mich bei dir zu bedanken.«
»Wofür?«
»Dafür, daß du mein Leben gerettet hast. Was sonst?«
Er lachte. »Du hast meine Haut auch schon ein- oder zweimal gerettet, wenn es eng wurde, Salla, das darfst du nicht vergessen. Weißt du noch, als die Nessies uns auszutricksen versucht haben? Wenn du damals nicht diese falschen Datenkarten entdeckt hättest, wäre mir ein Haufen Geld durch die Lappen gegangen.«
Sie begann jetzt heftig zu zittern. Ihre Zähne schlugen hart aufeinander. »D-du s-s-olltest ni-nicht so ne-nett zu mi-mir sein, Hhhan«, brachte sie bebend heraus. »W-was ist je-jetzt lo-los mi-mit mir?«
Er streichelte ihr übers Haar. »Das Adrenalin läßt nach, Salla. Das passiert nach jeder Schlacht. Man kriegt das große Zittern und kommt sich einfach dämlich vor.«
Es gelang ihr zu nicken. »I-ich bi-bin eine so-solche Närrin!«
»Aber eine lebendige Närrin«, rief Han ihr ins Gedächtnis. »Das ist die beste Sorte.«
Salla lachte unsicher.