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Die beiden Ruderer verengten den letzten Streifen Wasser; sie sprangen wie Meeres-Leems aufeinander los.

Die Antwort auf die Frage, die ich mir gestellt hatte, lautete: Natürlich konnte ich es! Ich war ein alter Söldner, ein alter Pirat. Wenn mich jemand zu töten versuchte, egal, wer es war, wollte ich zuerst zuschlagen, beim Schwarzen Chunkrah! Außerdem mußte ich an die grüne Standarte meiner Frau der Sterne denken. War das Leben eines Krozairbruders von Zy mehr oder weniger wert als ein Stück grüne Seide, das mir von einem Mädchen anvertraut worden war? Wie kam ich überhaupt auf solche idiotischen und hartherzigen Gedanken? Hatte mir dieses Mädchen, die Geliebte Gafards, die Frau der Sterne, den Verstand verwirrt?

Es mußte einen Ausweg geben – einen ehrenvollen Ausweg.

Die Pfeile regneten ringsum herab, und ich verfluchte die Männer des Binnenmeeres und auch die Vallianer und Segesther, die den Schild als Waffe des Feiglings verachteten. In diesem Augenblick hätte ich Turko den Schildträger hinter mir gebrauchen können.

Ich schlug zwei Pfeile zur Seite.

Der Offizier neben mir, ein Chuliksöldner, der die Bugvarters befehligte, zog sich einen Pfeil aus dem Arm und brach ihn wütend durch.

Ich starrte hungrig auf den roten Ruderer. Er verfügte über zwei Ruderbänke, die dicht übereinander angebracht waren. Der Bug schien breiter zu sein, als ich für nötig gehalten hätte. Ich sah die Köpfe der Männer, die sich hinter der vorderen Brustwehr drängten. Der Enterbaum blieb oben und konnte jederzeit herabgelassen werden. Wir waren auf das gleiche Manöver vorbereitet. Beide Kapitäne rechneten mit einer Rammaktion.

Wie schnell würde Gafard reagieren?

Er war ein großartiger Rudererkapitän – das mußte er bei seinem Ruf auch sein. Nicht umsonst wurde er Meeres-Zhantil genannt, ein Name, der sich von dem berüchtigten Krozair, dem Lord von Strombor, herleitete. Er maß sich an dem längst gestorbenen Krozair. Was immer Pur Dray getan hatte, Gafard, der Kämpfer des Königs, wollte mehr leisten oder bei dem Versuch umkommen.

Der Ruf von achtern klang schwach an meine Ohren. Die Brise war nach dem Rashoon schnell erstorben. Das Kommando von dem roten Ruderer schallte ebenso deutlich herüber.

Beide Ruderer wendeten auf der Stelle. Ich hatte damit gerechnet, daß der angreifende Ruderer im letzten Augenblick herumzucken und uns von schräg vorn rammen würde, gegen die ersten Ruder und die vordere Seite des Mittelschiffs. Aber das war ein riskantes Manöver. Bei einem Angriff Ramme gegen Ramme würde der mit dem stärkeren Rammsporn Sieger bleiben, vorausgesetzt, der Angreifer vermochte sein Ruder rechtzeitig aus dem Weg zu heben, was doch einigermaßen schwierig war.

Außerdem vermutete ich, daß ein Zweiruderer sich nicht auf einen direkten Zusammenstoß mit einem Dreiruderer einlassen würde.

Damit behielt ich recht, irrte mich aber hinsichtlich des anderen Manövers. Gafard hatte etwas Ähnliches vermutet und sein Schiff herumziehen wollen, um auf Angriffsrichtung zu bleiben.

Aber der Zairer setzte die Drehung fort. Er drehte sich über neunzig Grad hinaus, immer weiter, und dann senkten sich alle Ruder im Einklang, und das Schiff schoß davon, weg von uns. Wir drehten uns ebenfalls noch, das Wasser schäumte an den Flanken des Schiffes, das im Augenblick nicht auf den Gegner ausgerichtet war. Ich hörte Gafard tobend seine Befehle geben.

Von den Zairern keck getäuscht, sahen wir den Bug der anderen vorbeihuschen. Aus nächster Nähe hatte ich die Männer drüben gesehen. Ich hatte den Krozairbruder erkannt, der dort das Kommando führte, der Prijiker, der den Bugstoßtrupp befehligte. Die harten, bronzebraunen Gesichter unter den schimmernden Helmen drehten sich in unsere Richtung, Pfeile wurden auf beiden Seiten abgeschossen, doch niemand zuckte zusammen.

Pur Kardazh stand dort drüben, einer der fünf Krozairbrüder, die gemeinsam mit mir in den Schoß der Krozairs von Zy aufgenommen worden waren.

Nath, der Schiffs-Hikdar, kam brüllend nach vorn gelaufen. Mit der Leistung der Bugvarters war er nicht zufrieden. Daß der befehlshabende Chulik eine Armwunde erlitten hatte, galt ihm nichts.

»Dieser Cramph! Du siehst doch, was er vorhat!«

Ja, ich sah es und freute mich darüber.

Dem Zairer ging es nicht um einen Kampf mit den Magdagern. Er hatte es auf die fetten Breitschiffe des Konvois abgesehen. Mit nachlassendem Wind wurden diese Segler immer unbeweglicher, während die Ruderer geradezu ideale Verhältnisse vorfanden. Der rote Ruderer machte keinen Versuch, Schiffe zu erbeuten. Von Volgodonts Klauen verfolgt, blieb für diesen Luxus keine Zeit.

Zorngebrüll stieg von unserem Schiff auf. Die Männer waren aufgebracht, weil sie nicht eingreifen konnten. Lange Rauchgeschosse stiegen in hohen, anmutigen Bögen von dem roten Ruderer auf und landeten präzise gezielt in der Takelage und auf den Decks der Breitschiffe. Ein Schiff begann zu brennen, dann ein zweites. Wir fuhren, so schnell es ging, jeder einzelne Sklave mühte sich bis zum Umfallen an den Ruderbäumen. Aber der Rote Ruderer hielt seinen Abstand, und immer neue Feuergeschosse stiegen von seinen Decks empor. So hinterließ das Schiff im Konvoi eine lodernde Gasse der Vernichtung.

»Bei Grodno! Ich würde dem Kerl am liebsten den Enterbaum auf das Achterdeck knallen!«

»Das müßte interessant werden«, stellte ich fest.

Nath schüttelte die Faust zu dem Krozairruderer hinüber.

»Krozair! Der Fluch Grodnos! Sie sollen bis in alle Ewigkeit verdammt sein! Möge das Grün sie treffen!«

Ich sparte mir eine Antwort. Mir war inzwischen klargeworden, was mich beim ersten Anblick der Doppeldecker-Galeere gestört hatte. Die beiden Ruderreihen hatten sich relativ langsam gehoben und gesenkt. Ich hatte dahinter eine neu zusammengestellte, unerfahrene Mannschaft vermutet – gerade die Rudersklaven können entscheidend zu solchen Kämpfen beitragen.

Doch die Flügel des roten Ruderers bewegten sich nun in hektischem Tempo.

In etwa einer Bur würden Gafards Sklaven in ihrer Leistung nachlassen. Die Ersatzruderer, die er noch an die Bänke schicken konnte, würden nicht ausreichen, um das Tempo zu halten; außerdem würde die Zeit des Wechsels für weitere Verwirrung sorgen. Die Männer am Ruder des Roten aber waren noch frischer. Sie konnten der Volgodonts Klauen davonziehen, soviel war klar.

Der zairische Ruderer war nach dem Prinzip des langen Kiels gebaut; ich hatte zweiunddreißig Ruder gezählt. Langsam in der Wende, würde das Schiff in Geradeausfahrt besonders schnell vorankommen.

Unser Rudermeister brüllte etwas, und der Trommel-Deldar minderte das hektische Tempo, die Schlagzahl sank ab.

Jetzt zeigte Gafard sein wahres Können als Seemann.

Der weitere Kampf zwischen den beiden Schiffen mochte ein Problem werden. Der Ruderer der Krozairs war in gerader Linie durch den Konvoi gefahren und begann jetzt zu wenden. Gafard folgte langsamer nach und löste sich von der Flanke des Konvois. Befehle wurden gegeben, Pfeifen schrillten, die Ruder wurden waagerecht angehoben und bewegten sich nicht mehr.

Wie ein getreuer Rark, der eine Herde Chunkrahs bewacht, lauerte der grüne Ruderer, bereit, nach Backbord oder Steuerbord auszubrechen, um die Flanke des Ruderers der Roten zu rammen.

Das Krozairschiff stellte ebenfalls die Ruder hoch.

Beide Schiffe trieben mit den Wellen.

Wenn sich nun ein Wartespiel entwickelte, lagen alle Trümpfe bei Gafard. Wie zur Bestätigung klang plötzlich ein Schrei auf, und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer an Bord.

»Ruderer! Nähern sich mit schneller Fahrt!« Und dann: »Grün!«

Der Krozairkapitän entdeckte die neuen Schiffe etwa um die gleiche Zeit. Sofort trat er in Aktion.

»Er reißt aus! Grotal der Töter möge ihm die Knochen zermahlen!«

Als uns die Grünen Ruderer erreichten, vier Einheiten aus der zerstreuten Schwadron, war der Angreifer nur noch ein roter Punkt am Horizont. Ich starrte hinter ihm her und fragte mich, wer der Kapitän sein mochte. Er hatte geschickt gekämpft. Er hatte wie ein Leem zugeschlagen und gegnerische Schiffe vernichtet und war in dem Augenblick verschwunden, da sich das Blatt zu seinen Ungunsten wendete. Er hatte wie ein richtiger kaltblütiger Schiffskapitän gehandelt und nicht, wie es die Krozairs oft taten, als hitzköpfige Kämpfer, die wegen jeder Kleinigkeit bereit sind, in den Tod zu gehen.

»Dieser Rast!« tobte Gafard. »Zwanzig gute Breitschiffe verbrannt! Und ich wette, er hat nicht mehr als zwanzig Ausfälle!«

Wir hatten dreißig Tote und Verwundete zu beklagen.

Als sich Gafard später beruhigt hatte – er war inzwischen eine Bur mit der Frau der Sterne beisammen gewesen – sagte ich vorsichtig zu ihm: »Ein interessantes Schiff, dieser Krozairruderer.«

»Du hast es ja gesehen. Die Schiffsbauer in Sanurkazz experimentieren mit der Grundform. Ich würde sagen, es war ein Sieben-sieben hundertvierundvierzig. Zwei Reihen, sehr flach angelegt, ziemlich breit, doch schnell und gefährlich.«

»Sieben-sieben, meinst du?«

»Nicht nebeneinander, sondern übereinander gestellt. Eine teuflische Konstruktion. Bei einer faireren Ausgangslage hätte die Volgodonts Klauen den Kerl aber erwischen können!«

Ja, sagte ich mir. Die Wendegeschwindigkeit ging auf ein günstiges Verhältnis von Breite und Länge zurück. Vielleicht gab es in Sanurkazz nicht mehr nur den Gegensatz zwischen den Anhängern des Kurzkiels und des Langkiels. Vielleicht hatten die Kurzkiel-Anhänger sich dem Argument der Langkiel-Freunde gebeugt, ihre Schiffe aber breiter gebaut und so doch den ursprünglichen Standpunkt beibehalten. Der grüne Ruderer hatte jedenfalls tief im Wasser gelegen, ein langes und gefährliches Schiff, ein genial konstruiertes Kampfinstrument. Vielleicht entwickelten sich die Ruderer auf dem Binnenmeer schneller weiter, als ich vermutet hatte.

»Der Goldene Chavonth«, sagte Gafard und zupfte an seinem schwarzen Bart. »Den werde ich mir merken!« Und dazu hatte er allen Grund – er war von dem roten Krozairkapitän tüchtig an der Nase herumgeführt worden.