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Der enge Hof des Jadepalasts hallte wider vom Kampfeslärm, von den schnellen Atemzügen der Kämpfenden, ihrem angestrengten Keuchen. Das zweifarbige Licht der Antares-Sonnen erleuchtete eine gelbe Steinmauer und die Ranken, die sich in herrlichen Farben an ihr emporwanden.
Ich riß das Kurzschwert hoch und spürte, wie Gafards Waffenspitze unmittelbar unter meinem Brustbein auftraf. Wir beide waren bis zur Hüfte nackt. Gafards muskulöser Körper schimmerte feucht.
»Schon wieder, du Fambly!« brüllte er. »Du hast keine lange Stahlstange in der Hand, sondern ein Kurzschwert, einen Genodder, nach dem persönlichen Entwurf des großen Königs Genod geschmiedet!« Er stampfte mit dem rechten Fuß auf und stürzte sich erneut auf mich. Ich schlug das Holzschwert zur Seite und vermochte die Attacke diesmal abzuwehren. Dabei mußte ich mich zurückhalten, um nicht meinem natürlichen Drang nachzugeben und meinen Gegner umzubringen.
Er hieb nach meinem Kopf, und ich duckte mich, er trat zur Seite, und ich ließ es zu, daß er mir das Holzschwert gegen die Rippen stieß. Es tat sehr weh.
Gafard wich zurück und bedachte mich mit einem ironischen Salut.
Sklaven nahmen ihm das Schwert ab, wuschen ihn mit duftendem Rosenwasser, drückten ihm ein Glas Parclear in die Hand und fächelten ihm Luft zu.
»Ich ziehe ja selbst das Langschwert vor«, sagte er und trank seinen Wein. Auch ich bekam einen Kelch gereicht, den ich dankbar leerte. Gafard warf das Glas achtlos über die Schulter. Ein wendiges Numim-Mädchen fing es auf, ehe es den Boden berührte. Ich fragte mich, was der Sklavenherr getan hätte, würde sie daneben gegriffen haben. Gafard, der Mann mit den vielen Titeln – der Überläufer – sah mich an und wiederholte: »Ich ziehe ja selbst das Langschwert vor. Doch ich erkenne die Kraft, die im Kurzschwert steckt. Der Genodder ist eine schreckliche Waffe.«
»Aye, Gernu«, sagte ich und rieb meinen schwitzenden Körper mit einem Handtuch ab.
Erst vor wenigen Tagen waren wir von Gafard und seinem Ruderer Volgodonts Klauen vor den Piraten gerettet worden. In dieser kurzen Zeit war viel geschehen, doch all das Treiben lief letztlich nur auf einen wichtigen Umstand hinaus. Duhrra und ich, die ehemaligen Anhänger der Roten, waren nun Gefolgsleute eines Oberherrn der Grünen.
Duhrra der Tage und ich, Dak, waren ebenfalls Abtrünnige geworden.
Es hatte mich viel Mühe gekostet, Duhrra von den Vorteilen dieser Handlungsweise zu überzeugen. Er wäre am liebsten kämpfend untergegangen. Doch unser jetziges Verhalten mochte uns nicht nur vor der Galeere bewahren und uns das Leben retten, sondern konnte uns auch eine Chance zur Flucht bieten.
So war ich denn nun ein Gast in Gafards Jadepalast und erwartete die Erlaubnis vom König, uns Asyl zu gewähren. Genod hieß alle Überläufer mit offenen Armen willkommen. Dies war ihm eine besondere Freude, die ich sogar verständlich fand.
Wir gingen ins Haus, und Gafard lud mich ein, ihm in seine Gemächer zu folgen, während er sich für eine spätere Verabredung umzog. Er wollte mit mir sprechen.
Ich folgte ihm.
Die Zimmer waren mit einem solchen Prunk und Luxus eingerichtet, daß die Kosten bei der Einrichtung sichtlich keine Rolle gespielt hatten. Alle Dinge waren von erlesenster Qualität. Ich folgte dem Mann nicht in den Schlafraum, sondern setzte mich davor in einen vergoldeten Polstersessel, während Gafard sich ankleidete. Seidenstoffe, Samt, Goldspitze, kunstvoll geraffte Bahnen aus Grün und Gold – sorgfältig legte er sein Gewand an. Ich bemerkte, daß er unter der grüngoldenen Tunika ein Kettenhemd trug. Ein solches Gewebe war nicht am Binnenmeer gefertigt worden, sondern mußte aus einem der uralten Länder an den Ufern des Nebelmeers in Süd-Havilfar stammen. Er bemerkte mein Interesse und setzte sein feines herablassendes Lächeln auf, das mir viel über ihn verriet.
»Jawohl, Dak von Zullia. Nur vom besten.«
Mein Anspruch, ein Grodnim aus Goforeng, Dak ti Foreng zu sein, hatte nicht lange gewährt. Ich hatte mir den Namen eines anderen bekannten Ortes zugelegt, eines kleinen Ponsho-Bauerndorfes südlich von Sanurkazz, aus dem mein alter Ruderkamerad Nath stammte. Nath, Zolta und ich hatten dort einmal einen Besuch gemacht, so daß ich mir zutraute, einen Sohn dieses Ortes zu spielen. Sollte Gafard jemals durch das Dorf gekommen sein und sollte er sich, was noch unwahrscheinlicher war, daran erinnern, so hatte ich die richtigen Antworten parat.
Eine lange weiße Robe wurde angehoben und so ausgerichtet, daß die Schultern auf kleinen Flügeln zur Seite gespreizt waren. Edelsteinbesetzte Goldketten lagen auf seiner Brust. Sklaven legten ihm ein breites Gebinde aus Gold und Smaragden um die Hüfte, ein schimmerndes Gebilde, an dem die juwelenbesetzte Scheide eines funkelnden Genodder hing. Der Griff des Langschwerts bewegte sich über seiner rechten Schulter, die edelsteinstrahlende Scheide über der linken Schulter. Dann noch zwei Dinge: der eiserne Helm, in grünen Samt und grüne Seide gehüllt mit wehendem grünen und weißen Federbusch, und einige letzte Tropfen Duftwasser. Gafard, der Kämpfer des Königs, war zur Audienz bereit. Er würde sich in einer Preysany-Palankeen zum Palast tragen lassen, begleitet von Lampensklaven und Leibsklaven und einer starken Garde in seiner persönlichen Livree. Sein Hauszeichen war der goldene Zhantil. Ich seufzte.
»Der Meeres-Zhantil«, sagte ich.
»Aye. Ein stolzer Titel. Ihn mag ich von allen am liebsten. Es gab einmal am Auge der Welt einen Mann, der diesen Titel trug. Ein großer Korsar des Binnenmeeres. Ein Krozair – ein Krozair von Zy. Er war Lord von Strombor.«
»Ich habe von ihm gehört«, antwortete ich. Das Herz schlug mir bis in den Hals.
Wie den meisten Kregern war Gafard sein wahres Alter nicht anzusehen; er mochte dreißig oder hundertundfünfzig Jahre alt sein. Ich schätzte ihn auf weit unter hundert.
»Ja«, sagte er. »Er verschwand vom Binnenmeer, ehe du geboren wurdest, möchte ich meine. Ein großartiger Mann. Der größte Krozair seiner Zeit, dieser Dray Prescot, Lord von Strombor.«
»Davon hat man mir berichtet.«
Ich fügte nicht hinzu, daß ich den Titel »Meeres-Zhantil«, den mir König Zo von Sanurkazz verliehen hatte, praktisch niemals benutzte. Ich glaube, ich habe ihn auf den bisherigen Tonbändern nicht einmal erwähnt. Nun, wie dem auch sei, kein Titel konnte mir neben der einfachen, unsterblichen Bezeichnung Krozair von Zy wahrhaft etwas bedeuten.
»Du, ein Anhänger Grodnos, liebst also den Titel eines Krozairs von Zy?«
Er warf mir einen Seitenblick zu. Ich fragte mich, was ich tun würde, sollte er zu dem Schluß kommen, daß ich zu weit gegangen war. Doch er lachte dröhnend, umfaßte den schimmernden Langschwertgriff und schritt zur Tür.
»Den Zairern ein Titel verloren, den Grodnim einer gewonnen! Mir gefällt das. Und aus einem anderen Grund, einem viel zu wichtigen Grund ... Ich komme zu spät. Setze das Genoddertraining mit Galti fort. Er reagiert schnell und ist kräftig und wird dich gut auf die Probe stellen.«
»Wie du befiehlst, so gehorche ich, Gernu!« bellte ich, wie es in magdagschen Diensten üblich war. Wenn ich wollte, lernte ich schnell.
Er begab sich zu seinem Gespräch mit König Genod, während ich meine Waffenübungen mit Galti fortsetzte.
Der Mann war schnell und beweglich und vermochte sein Kurzschwert intelligent einzusetzen. Sein untersetzter Körper war für den schnellen Nahkampf wie geschaffen. Das Gesicht mit der zerbrochenen Nase und der Narbe über dem linken Auge tanzte vor mir, während ich parierte, die Stellung wechselte, zuschlug und mich zurückzog. Mir wurde klar, daß ich mit meiner verächtlichen Ablehnung des herausfordernden Titels Meeres-Zhantil meine alten Gefühle über die Krozairs von Zy hatte durchbrechen lassen. Die Krozairs von Zy hatten mich verstoßen und zum Apushniad erklärt. Gafard schien dies noch nicht zu wissen. Warum sollte ich ihn also verachten, nur weil er den Titel übernommen hatte, wenn er mir nichts bedeutete, wenn mir die Krozairs von Zy nichts mehr bedeuteten?
Durch solche Gedanken abgelenkt, merkte ich plötzlich, wie eine Holzklinge auf meinen Bauch zuzuckte. Ich reagierte ganz automatisch. Die Holzstäbe klapperten gegeneinander, mein Handgelenk drehte und versteifte sich, mein Arm wurde ausgestreckt, und Galti stolperte nach einem dumpfen Schlag aufschreiend zurück. Die abgerundete Spitze hatte ihn in den Unterleib getroffen.
»Bei Iangle, Herr! Das war ein raffinierter Schlag!«
Ich half ihm nicht hoch, wie ich es normalerweise getan hätte. Ich mußte wie ein Oberherr Magdags denken und handeln, wenn ich in die Reihen der Grünen aufgenommen werden wollte.
»Ich bin sicher ausgerutscht, Galti. Für heute ist es genug.«
»Jawohl, Gernu. Möge Grodno über dich wachen.«
»Und der Allgnädige ebenfalls.«
Er bedachte mich mit einem letzten zweifelnden Blick rieb sich den Magen und ging. Es war ein ziemlich kräftiger Schlag gewesen.
Nun blieb mir nichts anderes übrig, als ein Bad zu nehmen und zu Duhrra zu gehen, damit der Kerl nicht etwa zu viel trank und zuviel ausplauderte; im Suff saß ihm die Zairerzunge locker.
Mein Entschluß stand fest. Ich wollte mit dem Auge der Welt und der verwirrten Politik zwischen den Roten und Grünen nichts zu tun haben. Ich mußte einen Weg nach Valka finden. Schon war mir ein Dutzend nicht zu verwirklichender Pläne durch den Kopf gegangen. Ein Schiff des Binnenmeeres hätte die lange Seereise nach Haus niemals überstanden. Außerdem gab es hier keine Flugboote. Vermutlich würde der verrückte König Genod neue Flugboote aus Hamal importieren. Ich wollte mir eins davon stehlen; diesmal sollte mein Kopf die Oberhand über mein Herz behalten. Zair, die Roten, die Krozairs, das alles bedeutete mir nichts mehr.
Warum widerte er mich an, dieser Gafard, der sich freundlich gab und Duhrra und mir half, warum mißtraute ich seiner offensichtlichen Macht und Zielstrebigkeit, der erkennbaren Freundlichkeit unter der grimmigen Fassade der Autorität, die seine Position erforderte?
Er war nun mal ein Abtrünniger. Er hatte jede Glaubwürdigkeit verloren. Einst ein Anhänger der Roten, war er nun ein sich windender Gefolgsmann der Grünen Macht.
Ich fand Duhrra in unserem Zimmer vor einer geöffneten Flasche Chremson sitzen. Ich ließ mich in einen Stuhl fallen und streckte die Hand aus. Duhrra drückte mir die Flasche hinein. Der Chremson war kein Grodnim Wein, sondern stammte von einem erbeuteten Schiff. Trotz aller Glaubensbekenntnisse trank Gafard am liebsten den guten zairischen Wein.
»Gutes Zeug, Dak.«
»Trink lieber nicht soviel, Duhrra«, sagte ich und blickte ihn mürrisch an. »Dein Haken macht mir noch immer Sorgen. Wenn es von Akhram durchsickert, daß dort ein Mann mit einem Haken und einer Schnappklinge versorgt wurde, und wenn diese Information mit dem Bericht des jungen Todalpheme vom Damm der Tage in Verbindung gebracht wird ...«
»Dann hängt man uns Ketten um den Hals und zieht uns die Eingeweide aus dem Leib! Aye! Aber dann hätten wir vielleicht auch die Chance, es dem magdagschen Cramphs endlich einmal zu zeigen!«
»Dein weinseliger Mund redet zuviel.«
»Aye, Herr, du hast recht. Ich werde ein guter Grodnim sein.«
Ich lachte nicht, mußte in diesem Augenblick aber an den Ausspruch der Zairer denken, wonach der einzige gute Grodnim ein toter Grodnim ist. Dieser Spruch war auf Kregen wie auch auf der Erde bekannt.
Später rief mich ein Sklave in Gafards Gemächer.
»Ich verbringe die Nacht im Turm der Wahren Zufriedenheit«, sagte er und ließ sich von einem Sklaven entkleiden. »Zuvor wollte ich dir jedoch eine gute Nachricht übermitteln. Der König akzeptiert dich. Morgen früh bekommst du eine Audienz. Man wird dich mit Freuden aufnehmen.«
Ich nickte, ohne etwas zu sagen. Gafard nahm dies als Zeichen meiner inneren Beweglichkeit.
»Dir wird es so gehen wie mir. Früher ging ich als Fard von Nirgendwo durchs Leben. Jetzt bin ich Gafard, ein großer Ghittawrer, ein Rog, ein Prinz des Zentralen Meeres. Du wirst den Namen Gadak annehmen. Und als Gadak trittst du in die Reihen der Grünen ein, in den Dienst an Grodno!«