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»Der König hat ungeheure Pläne!« sagte Gafard aus dem Sattel seiner Sectrix. »Pläne, wie sie einem Gott zu Gesicht stehen!«
Ich war nicht so töricht, ihn darauf hinzuweisen, daß der König kein Gott war.
»Du kannst mir glauben, Gernu, daß ich alles tun werde, um dem König zu helfen«, sagte ich und musterte ihn im Reiten von der Seite; ein großer robuster Mann mit einem harten Profil, in dem vor allem Ehrgeiz zum Ausdruck kam. Ich beschloß, einen gewagten Vorstoß zu machen. »Ich werde alles tun, um dem König zu helfen, Gernu – aber nach dir.«
Da wandte er den Kopf in meine Richtung. Sein zairisches Gesicht wirkte düster. Dann brach seine gute Laune hervor. »Aye Gadak, ich weiß, was du meinst, und freue mich darüber, denn hier liegt der Grund, warum ich dich gewählt habe. Doch um unserer Gesundheit willen solltest du das nie wieder sagen.«
Wir ritten auf die Nordgebirge zu. Wir hatten einen Kampfauftrag. Die Leemköpfe hatten sich mit den Barbaren des Nordens verbündet, und König Genod hatte in seinem fürchterlichen Zorn seinen Lieblingsgeneral entsandt, um den Aufstand zu unterdrücken, die Barbaren von magdagschem Land zu vertreiben und alle Leemköpfe, derer er habhaft werden konnte, zu hängen.
Wenigstens forderte dieser erste Einsatz nicht von mir, daß ich gegen Zairer kämpfen mußte.
Eine eindrucksvolle kleine Streitmacht waren wir, gut zehntausend Mann, geführt von magdagschen Oberherren. Und das Oberkommando hatte ein Renegat, Gafard, der Kämpfer des Königs. Ich fragte mich, wann der Augenblick kommen mochte, da ich ihn niederschlagen mußte. Das schien mir nämlich letztlich der einzige Ausweg zu sein.
Die Gründe, die ihn für mich eingenommen hatten, die ihn bewogen hatten, mir zu helfen, mich zum Grodnim zu machen, lagen auf der Hand. Er hatte viele Feinde. So mancher stolze Oberherr Magdags haßte und verachtete diesen emporgekommenen Überläufer. Das war unvermeidlich. Folglich suchte er Freunde, Männer, denen er vertrauen konnte. Und von allen seinen Freunden, die er mit Geld und hohen Ämtern und mit dem Ohr des Königs gewinnen konnte, war ihm keiner treuer ergeben als Männer wie er selbst. Überläufer von Zair und jetzt Grodnim, Verräter, Abtrünnige.
Eine sehr einfache und wirksame Methode, sich der Loyalität solcher Männer zu versichern, hatte mir Gafard persönlich offenbart.
»Alle Zairer hassen meinen Namen. Sie kennen mich nur zu gut. Du kannst darauf vertrauen, Gadak, daß auch dein Name dem König und den Edelleuten von Sanurkazz zu Ohren kommt, außerdem den Krozairs. Für uns gibt es kein Zurück. Wir gehören ein für allemal den Grünen an. Ich glaube nicht, daß du mich verraten willst, denn ich bin dein Freund und Herr; doch bedenke, was aus dir würde, solltest du jemals nach Zairia zurückkehren.«
Und genau das war das Problem. Trotzdem forderte Zena Iztar von mir, daß ich eben jenen Weg beschritt. Wie arrogant sie mir ihre Macht gezeigt hatte, mitten im prachtvollen Audienzsaal König Genods! Sie hatte den richtigen Augenblick gewählt. Wie sehr hatte sie mir meine Winzigkeit und die Unwichtigkeit aller Menschen verdeutlicht!
Aber die Namen der Überläufer wurden nicht nur den Roten mitgeteilt. Sie wurden auch anhand von Listen überprüft, in denen alle Zairer enthalten waren, die in den Kämpfen Grodnim verwundet hatten. Zum Glück hatte sich in diesen Unterlagen ein Dak von Zullia nicht gefunden, was Gafard mit Erleichterung zur Kenntnis nahm.
»Wärst du in den Rollen verzeichnet gewesen, Gadak, hättest du dich für dein Verbrechen gegenüber Grodno verantworten müssen, auch nachdem du Zair entsagt und das Grün angenommen hast. Die weltlichen und göttlichen Gesetze können manchmal eine unangenehme Klemme bilden, wie Tyr Nath und sein Hammer!«
Bei dieser Gelegenheit vertraute er mir auch mit seltsamem Tonfall an, daß auf der Verbrecherliste kein Name eine längere Aufzählung von Untaten aufwies als der von Pur Dray, Krozair von Zy, Lord von Strombor.
Gafards Verhalten verwirrte mich. Es wollte mir scheinen, als bewundere er diesen Pur Dray und versuche ihn von der Grünen Seite des Binnenmeeres her nachzuahmen. Mehr als einmal gebrauchte er Formulierungen, die ich nur als Neid auf Ruhm und Fähigkeiten jenes führenden Korsaren am Auge der Welt interpretieren konnte. »Aber er ist seit vielen Jahren tot«, fügte Gafard dann hinzu, als hätte ich Widerspruch angemeldet.
Wir ritten ziemlich weit vorn in der Armee. Kundschafterabteilungen waren vorausgeritten, außerdem hatten wir Flankenschutz durch etliche Abteilungen Sectrixreiter. Die grünen Banner wehten über uns, und immer wieder ertönten die Trompeten und übermittelten neue Befehle. Die Infanterie wälzte sich in einer langen Kolonne über die Straße, Männer aus zahlreichen Rassen. Dazwischen war die Varter-Artillerie verteilt, und die Nachhut bildeten die Calsanys, die so schwer beladen waren, daß es dem Auge scheinen wollte, als könnten sie sich gar nicht mehr bewegen. Wagen rumpelten, gezogen von stillen, zerzausten Krahniks, einer besonders kleinen Abart des Chunkrah, und ganz zum Schluß folgte der Troß.
Die Kavallerie ritt die vierbeinigen Hebra, ein Satteltier, erst vor kurzem von den Barbaren übernommen, gegen die wir jetzt zogen. Nicht so schwer und störrisch wie eine Sectrix, waren die Hebras schneller und mutiger. Die sechsbeinigen Reittiere Kregens, die auf die Silbe trix enden, lagen mir nicht besonders: die Sectrix des Binnenmeeres, die Nactrix der Unwirtlichen Gebiete, die Totrix Vallias und Pandahems und Havilfars. Mir war die Zorca lieber ein hervorragendes vierbeiniges Geschöpf, in dem sich Temperament und Mut mit einer unglaublichen Ausdauer paarten.
Trotzdem waren die Hebrareiter sehr wendig; sie galoppierten flott herum und erkundeten jede aufsteigende Rauch- oder Staubwolke und ließen keine Schlucht oder Senke an unserem Weg unerforscht.
Das Binnenmeer lag bereits weit hinter uns auf unserem Marsch nach Nordnordost. Den Dag-Fluß, der sich hier, von den Stratemsk kommend, in mächtigen Windungen durch die Landschaft zog, hatten wir bereits zweimal überquert. Der breite Fluß trennte auf sehr wirksame Weise das unmittelbare Hinterland im Norden des Binnenmeeres.
Unser Marsch sollte über eine Strecke von fast hundertundvierzig Dwaburs führen. Später wollten wir den Daphig-Fluß überqueren, der in südwestlicher Richtung von den Daphig-Bergen herabströmt und hundert Dwaburs entfernt, fast nördlich von Magdag, in den Dag mündet. An dieser Mündung befindet sich die wichtige Handelsstadt Phangursh. Je nach Schwierigkeit des Weges und nach der Ausdauer unserer Swods mochte das Unternehmen einen ganzen Monat der Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln in Anspruch nehmen.
Der Troß hatte keinen Einfluß auf unsere Geschwindigkeit; wenn er nicht mithalten konnte, war das ein Problem.
An führender Stelle in der Gruppe dieses Gefolges bewegte sich eine riesige prunkvolle Palankeen, ein wahres Häuschen, das von zweiunddreißig Preysanys getragen wurde. Goldbestickte und grüne Seide verdeckte die Sicht auf das Innere; die Vorhänge wurden nie geöffnet. Schöne Apim- und Fristle-Sklavinnen versorgten die Insassin der Palankeen. Kein lüsternes Soldatenauge sollte jemals die Schönheit der Frau in der Sänfte schauen. Jeden Abend wurde an einer reservierten Stelle ein wunderschönes und verschwenderisch großes Zelt errichtet, bewacht von Gafards persönlicher Garde. Und jeden Abend nahm er ein Bad, zog frische Kleidung an, übersät von Edelsteinen, rieb sich mit Duftwässern ein und suchte das herrliche Zelt auf. Der Zelteingang wurde hinter ihm geschlossen, und bis zum Morgen sah ihn niemand mehr.
Unterwegs gewöhnte er es sich an, mich immer öfter an seiner Seite reiten zu lassen. Das erfüllte mich mit Unbehagen. Seine offen zur Schau gestellte Gunst mochte mir in der Gefolgschaft Schwierigkeiten bereiten. Duhrra war ständig bei mir, und abends schliefen wir in unserem kleinen Zweimannzelt, wenn wir nicht zum Wachdienst eingeteilt waren.
Gafard faßte es in einem Satz zusammen. »Ich brauche Männer wie mich selbst, Männer, denen ich vertrauen kann. In dir, Gadak, sehe ich einen Mann, der es weit bringen kann. Ich erbitte deine Loyalität.«
Ich gebrauchte die üblichen Worte der Zustimmung. Doch ich wußte, daß sich in seinem Gefolge andere Männer befanden, die mich rücksichtslos beseitigen würden, wollte ich seinen Zorn erregen. Ich wußte, wie absolute Macht auf einen Menschen wirken kann.
Es war mir womöglich gar nicht schlecht bekommen, daß meine eigenen Perioden absoluter Macht auf Kregen immer wieder durch Zeiten unterbrochen worden waren, da ich das Opfer solcher Macht war, auf die ich mit heftiger Ablehnung reagierte, wenn sie offensichtlich ungerecht ausgeübt wurde.
Endlich überquerten wir den Daphig, einen bräunlichen Strom mit vielen Schnellen und unebenen Ufern, und erreichten damit das umstrittene Gebiet. Die bebauten Ländereien lagen längst hinter uns, die gewaltigen Fabrikfarmen Magdags, die riesigen Weidegebiete, die endlosen Flächen fast mannshoch wachsenden Grases. Jetzt erreichten wir eine kargere Zone, in der Wasser kostbar war. Unser Ziel war ein Vorposten, von dem aus wir auf die Leemköpfe Jagd machen konnten, nachdem wir uns ausgeruht und neu formiert hatten.
An diesem Abend sagte Gafard zu mir: »Ich gehe morgen auf die Jagd, Gadak. Du begleitest mich.«
»Wie du befiehlst, so gehorche ich, Gernu.«
So ritten wir denn am nächsten Morgen aus. Fünf geschätzte Offiziere begleiteten ihn, außerdem zwei Frauen und ich, Gadak.
Die Treiber, einfache Swods, die sich ein paar Obs dazuverdienten, liefen voraus, um sich zu formieren, und wir ritten langsam hinterher, bewaffnet mit dem einfachen kurzen Bogen des Binnenmeeres. Mir war bereits aufgefallen, daß zu den Söldnern unserer Armee keine Bogenschützen aus Loh gehörten, die einen besonderen Ruf genossen. Und noch etwas hatte ich registriert – unsere Expedition bestand aus kommandierenden Oberherren und aus verschiedenen Söldner-Swods, die beritten oder zu Fuß waren. Doch von jener hervorragenden kampferprobten Armee, die Genod Gannius nach dem Vorbild der Sklavenphalanx von Magdag gebildet hatte, war nichts zu bemerken.
Mit schimmernden Rüstungen ritten wir durch das Licht der Sonnen von Scorpio. Ich hielt nach jagdbarem Wild Ausschau. Dabei kam ich in einer Felssenke etwas von der Hauptgruppe ab. Ein Ruf von hinten machte mich darauf aufmerksam.
Gafard ritt mir mit einer der Frauen nach; sie saß geschickt auf ihrer Sectrix, was mir anzeigte, daß sie sich aufs Reiten verstand. Ansonsten war nicht viel von ihr zu sehen; sie trug ein weites grünes Gewand und einen grünen Schleier, was in Turismond sehr ungewöhnlich war.
Ich vermutete in der Frau Gafards Geliebte, das Mädchen aus der kostbaren Palankeen. Er machte keine Anstalten, mich vorzustellen, winkte mich aber an seine linke Seite. Die Verschleierte ritt zu seiner Rechten, ein Privileg, das nur wenigen gewährt wird.
Obwohl wir auf der Jagd waren, konnte Gadak nicht zu reden aufhören. »Die Pläne des Königs, Gadak! Ich sage dir, mit unserer Armee können wir die Südküste von den Roten befreien! Wir könnten das ganze Binnenmeer Grün machen!«
»Wenn es Grodnos Wille ist, wird es geschehen!«
»Du hast die Armee des Königs noch nicht gesehen. Dies hier ist ein elender kleiner Haufen, eine Söldnerbande, die Leemköpfe und Barbaren niederwerfen soll. Aber unten an der Südküste finden die wahren Schlachten statt!«
Ich riskierte eine Frage. »Und Shazmoz?«
Shazmoz, eine der letzten Hafenfestungen Zairs, war belagert. Pur Zenkiren, ein Krozairbruder, jetzt aber durch Krankheit und Verzweiflung behindert, hielt die Stadt gegen eine erdrückende Übermacht.
Gafard machte eine gereizte Handbewegung. »Ist noch nicht gefallen!« Die Frau schwieg, doch ich wußte, daß sie unser Gespräch verfolgte. »Der alte Pur Zenkiren hält die Stadt. Seine Tage sind gezählt. Prinz Glycas führt die Armee in Richtung Osten, zur Festung Zy und zum Heiligen Sanurkazz.«
Dort steckte der Teufel Glycas also ...
Ich verkniff mir die Frage, warum Gafard nicht jene großartige Armee im Süden führte, wenn er der Günstling des Königs war. Vielleicht zog es Genod vor, ihn in der Nähe zu haben.
Wir ließen die Sectrixes im Schritt gehen; rechts vor uns waren die Hornsignale und Rufe der Treiber zu hören. Im Augenblick waren wir allein.
»Der König«, fuhr Gafard fort, »hat eine Armee gebildet, wie es am Binnenmeer noch keine gegeben hat – abgesehen von einer lächerlichen Sklavenarmee, die Pur Dray zusammenstellte.« Vielleicht erhielt ich nun endlich eine Erklärung für seine Fixiertheit auf den Lord von Strombor. Gahan Gannius und Lady Valima, die ich am großen Kanal gerettet hatte und die den jetzigen König Genod zur Welt gebracht hatten, stammten aus Malig, einer mächtigen, aber kleinen Festungsstadt an der Nordküste.
Gahan war anscheinend in Magdag gewesen, als ich meine Sklavenphalanx der Voskschädel gegen die Oberherren ins Feld führte. Er hatte sich die Szene genau eingeprägt. Der alte König war außerordentlich dankbar gewesen, daß der gefährliche Aufstand unterdrückt worden war. Er vertraute nach wie vor auf Männer in Rüstungen auf Sectrixes, bewaffnet mit dem Langschwert.
Gahan hatte später Versuche angestellt und eine eigene Truppe gebildet. Doch erst sein Sohn Genod hatte mit dem Feuer eines jugendlichen Genies aus jener Truppe die bisher mächtigste Kampfmaschine Kregens gemacht. Mit dieser Armee hatte er Laggig-Laggu erobert, die Söldnertruppen Magdags für sich gewonnen, die Oberherren besiegt und sich schließlich zum König erhoben, zum Allmächtigen, zum Verehrten, dem Besitzer der Herzen seiner Untertanen.
Jene Kampfmaschinen kannte ich. Die festen Kolonnen der Lanzenträger in Rüstungen, der Hellebardiere und Schwertkämpfer in den vordersten Reihen, die Keile der Armbrustschützen, die in Sechsergruppen schossen. Und die Phalanx mit den hier in Turismond verachteten Schilden; sie vermochten zumeist einen überraschenden Angriff vorzutragen, indem sie losmarschierten und die Kavalleristen mit ihren schweren Rüstungen einfach aus dem Sattel drängten.
»Pur Dray, der Lord von Strombor, stellte die erste Phalanx auf. Er wurde besiegt und getötet.«
»Aber wenn Dray Prescot nun nicht tot wäre?«
Er zügelte seine Sectrix. »Was soll das heißen?«
»Ich wollte nur fragen, Gernu, ob wirklich Gewißheit besteht, daß er tot ist.«
Er musterte mich und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Nein«, sagte er widerstrebend. »Nein, Gewißheit haben wir nicht.«
»Aber seither hat niemand von ihm gehört?«
Er setzte sein ironisches Lächeln auf. »Ich kann dir etwas weitergeben, das allgemein bekannt ist: es wird von zwei Krozairs von Zy berichtet, die behaupten, Dray Prescots Söhne zu sein.«
Mein Herz machte einen Sprung!
»Und ist das eine Lüge?«
Er spornte sein Reittier zum Weitergehen an. »Wer kann das wissen? Doch bei den Heiligen Knochen von Genodras, ich wünschte, es wäre wahr!«
»Aye«, sagte ich, »damit wir gegen den großen Krozair angehen und uns im Schwertkampf mit ihm messen können!«
»O nein, Gadak!« Seine Stimme klang überraschend heftig. Er bemerkte meinen Gesichtsausdruck, gab seiner Sectrix die Sporen und galoppierte davon. Die Frau ritt im gleichen Tempo hinter ihm her.
Ich war in diesem Augenblick sehr blind. Aber beim Großen und Herrlichen Djan-kadjiryon, wie hätte ich die Wahrheit sehen sollen?
Die Töne der Jagdhörner waren verstummt, die Rufe der Treiber hatten sich entfernt. Meine Sectrix trottete dahin. Plötzlich hörte ich einen Schrei. Ich galoppierte los und erreichte gleich darauf eine Szene, die mich erzürnte und mir, hätte ich mehr gewußt, kaltes Entsetzen eingeflößt hätte.
Gafard hatte einen guten Schuß plaziert und war abgestiegen, um seine Jagdbeute zu erledigen, einen kleinen sandfarbenen Ordel. Der Lairgodont hatte ihn dabei überrascht. Die Sectrix hatte sich losgerissen und war geflohen. Die Sectrix der Frau ließ sich von der Angst anstecken und wollte ebenfalls fliehen. Nach dem ersten Schrei des Mädchens, der ihr vermutlich beim Anblick des Lairgodonts entfahren war, bemühte sie sich nun stumm, das Tier zu beruhigen.
Gafard stand mit blankem Langschwert im Dreck. Staub wallte auf, als der Lairgodont angriff.
Der Lairgodont war weniger kräftig, als vielmehr heimtückisch und schnell und ausgesprochen schwierig zu töten. Mit Schuppen und Klauen versehen, wendig von Hals bis Schwanz, bewehrt mit gefährlichen Krallen und spitzen Reißzähnen im klaffenden Maul, bietet der Lairgodont einen abschreckenden Anblick.
Mit zurückgelegten Ohren und zischend rückte das Raubtier vor. Der lange gegabelte Schwanz zuckte hierhin und dorthin. Sobald sich der Schwanz in einer Linie versteifte ...
Ich spielte mit dem Gedanken, Gafard, den Überläufer, seinem Schicksal zu überlassen.
Meine Sectrix ließ sich nicht näher heranbringen. Sie tänzelte hin und her, warf den Kopf hoch und schrie vor Angst. Ich sprang aus dem Sattel und wickelte die Zügel um eine Felsnase. Sollte ich bei der bevorstehenden Auseinandersetzung umkommen würde das Tier dem Lairgodont eine hübsche zweite Mahlzeit bieten.
Der Bogen in meiner Hand schickte viermal seine Pfeile aus, so schnell ich die Sehne spannen konnte. Zwei Pfeile prallten von den Schuppen ab. Der dritte drang in ein weit geöffnetes Auge, der vierte traf den Lairgodont in den Bauch. Ich zog mein Langschwert und lief brüllend los.
»Hai! Lairgodont! Deine Mahlzeit steht hier!«
Das Tier fuhr herum, so daß sich Gafard auf seiner blinden Seite befand. Dann zuckte der gegabelte Schwanz zur Seite und hieb Gafard um. Von ihm konnte ich keine Hilfe mehr erwarten ...
Was für ein Onker ich doch war! Ich hatte mich in diesen Kampf gestürzt, doch besser wäre es gewesen, weiterzureiten und der Natur ihren Lauf zu lassen.
»Den Ardel sollst du nicht bekommen, mein Freund«, sagte ich und stürmte vorwärts.