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Mein Langschwert fuhr dem Ungeheuer über das rechte Vorderbein und trennte es beinahe ab. Geschickt sprang ich zurück, und der Schwanz zischte mir dicht über den Kopf hinweg. Wieder griff ich an, und als der scheußliche Kopf vorstieß, ging ich zu Boden, rollte ab, zuckte hoch und stieß dem Wesen die Schwertspitze in das andere Auge. Im selben Augenblick erhielt ich einen Hieb in die Seite, der mich Opaz danken ließ, daß ich an dem Tag ein Kettenhemd trug, obwohl wir nur auf die Jagd gegangen waren.

Ich wirbelte durch die Luft und landete in einer großen Staubwolke. Ich hörte aus weiter Ferne Gafards Schrei.

Irgendwie brachte ich es fertig, das Schwert zu heben und damit zuzustechen, und der Lairgodont wich fauchend zurück. Blut bedeckte sein Maul. Ich atmete tief ein, stand auf und hob die Klinge. Dann griff ich erneut an.

Das Geräusch löste einen blindwütigen Prankenhieb aus. Das andere Bein des Tiers, von meiner Klinge getroffen, vermochte das Gewicht nicht mehr zu halten. Ich hob das Schwert, spreizte die Beine und führte einen Schlag mit voller Kraft ...

Der Lairgodont stieß ein Zischen aus. Aus der klaffenden Wunde an seinem beweglichen Hals spritzte Blut. Ich fand es unglaublich, doch das Wesen versuchte sich weiter zu wehren, so zäh sind Lairgodonts. Wieder hieb ich zu. Das Ungeheuer rollte zur Seite und erschlaffte.

Gafard stand hinter mir. Er sah fürchterlich aus.

»Mein Liebstes!« Er blickte hinter der Sectrix her, die in Riesensätzen sein Mädchen davontrug. »Die Perle meiner Tage! Sie ist des Todes!«

Ich erkannte, daß der Lairgodont ein Weibchen gehabt hatte. Zischend und kreischend machte das Weibchen Jagd auf die Frau.

Wortlos sprang ich auf den Rücken meiner Sectrix, riß die Zügel frei, spornte das Tier energisch an und galoppierte hinter dem Mädchen her.

Im Vorbeireiten hörte ich Gafard unverständliche Worte schreien, vermutlich nannte er die Frau aus dem Zelt bei ihren Kosenamen. Er schien sie innig zu lieben, und so war mir klar, daß ich nie in das Gefolge Gafards zurückkehren konnte, sollte es mir nicht gelingen, sie vor einem schlimmen Schicksal zu bewahren.

Ich trieb meine mutige Sectrix mit der Breitseite des Schwertes an. Wir flogen förmlich über den Boden.

Langsam holte ich den Risslaca ein, der seinerseits den Abstand zum Mädchen verkürzte. Immer wieder schlug ich die arme Sectrix. Ein spitzer Schrei des Mädchens, der erste seit ihrem anfänglichen Erschrecken, zeigte mir den Zusammenbruch ihrer Sectrix an. In einem Gewirr aus sechs Beinen ging das Tier zu Boden, Staub wirbelte auf, das Mädchen flog durch die Luft und prallte gegen einige Felsen. Ich fluchte, richtete mich in den Steigbügeln auf und schwang das Langschwert über dem Kopf. Ich konnte vermutlich nur einmal zuschlagen. So galoppierten wir auf den Lairgodont zu, der nur noch ein halbes Dutzend Schritte von der reglosen Gestalt des Mädchens entfernt war. Dann befanden wir uns Seite an Seite, und im nächsten Moment senkte ich das Langschwert mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte.

Ich hatte mir das Ziel klug ausgesucht, unmittelbar hinter dem Kopf am beweglichen Hals.

Der schrille Schrei des Lairgodont ließ die Berge erzittern.

Mit kraftvoller Bewegung zog ich die Waffe zurück, bereit, von neuem zuzuschlagen. Dann erkannte ich, daß das nicht mehr nötig war.

Das Ungeheuer brach im Laufen zur Seite aus, sank in sich zusammen, überschlug sich mit schlaff pendelndem Kopf und zog eine lange Schleifspur in den Staub, bis es mit ausgebreiteten Beinen tot zum Stillstand kam.

Ich zügelte die Sectrix, sprang aus dem Sattel, behielt die Zügel in der Hand, rammte mein blutiges Langschwert in den Boden und kniete neben dem Mädchen nieder.

Im Vorbeirutschen hatte der Risslaca das Mädchen mit Blut bespritzt und ihr den purpurnen Schleier vom Gesicht gerissen.

So sah ich die Schönheit ihrer Gestalt unter dem grünen Reitgewand. Ich sah auch die Schönheit ihres Gesichts, eine makellose Schönheit, eine Vollkommenheit der Züge, wie sie selten zu sehen ist – aber ich durfte nicht schwärmen. Sie öffnete die Augen, während ich sie noch anstarrte, und versuchte zu lächeln.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, die weichen, süßen, vollkommenen Lippen.

»Das Ungeheuer ...«

»Der Lairgodont ist tot. Du hast nichts mehr zu befürchten.«

»Du hast also ...« Und sie richtete sich auf, wandte den Kopf und erblickte den Lairgodont. Ihr Haar war tiefschwarz, frisiert nach der Mode des Binnenmeeres. Ein Schatten ging über ihr Gesicht, und eine kleine, feste weiße Hand legte sich um meinen Arm.

»Mein Lord Gafard? Er ist ... er ist ...?«

»Ihm ist nichts geschehen«, sagte ich. Ich fühlte mich ungewöhnlich zu dem Mädchen hingezogen.

Sie bedachte mich mit einem langen, zerstreuten Blick. »Ja. Ja – ich habe dich im Lager gesehen. Ich glaube, ich kann dir vertrauen. Du bist Gadak, von dem er mir erzählt hat?«

»Ich heiße Gadak.«

»Und du bist ... wie er ...?«

»Jawohl, meine Dame. Wir sind beide Abtrünnige. Aber darauf kommt es jetzt nicht an – du bist gerettet.«

Ich hob sie hoch und spürte sie fest und warm in meinen Armen. So trug ich sie zu meiner Sectrix. Sie war von hoher Geburt, das ahnte ich. Um so schlimmer für sie, wenn sie Gafard wirklich liebte. Ich kannte ihre Vergangenheit nicht, doch wenn sie eine geborene Grodnim war, dann mochte die Liebe zu einem Renegaten sie in den Augen ihrer Familie herabsetzen. War sie dagegen Zairerin und gefangen und vielleicht versklavt worden, mußte es noch viel schmerzlicher für sie sein, Reichtum und Ansehen und Liebe von einem Mann zu empfangen, der sich von Zair abgewendet hatte.

Ich schob das blutige Langschwert durch eine Schlinge am Sattel und ließ es herabhängen. Ohne es zu säubern, wollte ich es nicht in die Scheide zurückstecken, und wenn es der Sectrix beim Trab ein wenig gegen die Flanke schlug, um so besser. Das Tier hatte sich jedenfalls gut gehalten; vielleicht mußte ich meine Meinung über Sectrixes noch revidieren. Das Tier hieß Blaue Wolke und war ein teures Geschenk Gafards.

Mit dem Mädchen im Arm stieg ich in den Sattel, ein Trick, den ich aus der Zeit meines Zusammenseins mit Delia kannte. Ich drückte das Mädchen an meine Brust und stützte sie, und sie legte mir die schlanken Arme um den Nacken. So ritten wir zu Gafard zurück.

Unterwegs sprachen wir nur wenig – über unwichtige Dinge, denn sie war eine große Dame, die noch unter dem Schock des Ereignisses litt. Während wir durch den Staub ritten und das tote Ungeheuer hinter uns zurückließen, dachte ich an die vielen Frauen, denen ich auf Kregen begegnet war. Von ihnen allen – selbst Mayfwy und ein paar andere gehörten dazu – wäre mir keine gefährlich geworden, hätte ich Delia nicht gekannt. Bei diesem Mädchen jedoch war das etwas anderes ... Wäre ich Delia nicht begegnet, hätte dieses Mädchen vielleicht ihren Platz einnehmen können. Als ich die Zügel anzog, wies ich diese Gedanken entschieden von mir.

Gafard war rufend hinter uns hergeeilt. Er hatte den größten Teil der Ereignisse mitbekommen. Als Krieger hatte er sein Schwert nicht zurückgelassen. Er zitterte. Unter der Bronzebräune war sein Gesicht grau.

»Mein Liebling! Mein Liebling!« Verzweifelt humpelte er herbei.

Ich stellte das Mädchen auf dem Boden ab, und sie taumelte.

»Mein Geliebter!« rief sie.

Gafard ließ sein Langschwert fallen. Die schimmernde Klinge, der juwelenverkrustete Griff versanken im Staub. Er umarmte das Mädchen. Er preßte es an sich. Ich wandte mich ab.

Ja, dachte ich, die beiden empfanden wahre Liebe.

Ich, ein grimmiger alter Kämpfer, verstehe die Liebe.

Als ich mich schließlich wieder umdrehte, hatte Gafard dem Mädchen den Rest des grünen Schleiers wieder umgehängt. Er nannte sie seine Perle, sein Herz, die Geliebte seines Lebens. Ihren Namen sprach er dabei nicht aus.

Als uns nach einiger Zeit das Gefolge einholte, verwandelte er sich sofort in den rücksichtslosen Befehlshaber. Tobend beschwor er den Zorn Grotals des Töters auf die Treiber herauf. Leidenschaftlich brüllend forderte er seine Wächter auf, die führenden Treiber zu bestrafen. Sie sollten leiden dafür, daß sie seine göttliche Geliebte in Gefahr gebracht hatten. Vielleicht hätte er sie sogar töten lassen, wenn das Mädchen sich nicht für sie eingesetzt hätte. So blieb es beim Auspeitschen, bei der Jikhaiderstrafe, bei der die Schläge überkreuz gesetzt werden und somit besonders schmerzhaft sind.

Als wir jedoch am nächsten Morgen uns zum Weiterritt rüsteten, sagte ich mir, daß ich an Gafards Stelle vermutlich genauso gehandelt hätte. Zu groß war die Gefahr gewesen für seine Liebste, die er Frau der Sterne nannte.

In wenigen Tagen würden wir das Gebiet erreichen, in dem unser Feldzug durchgeführt werden sollte. Dann trat das Kriegerhandwerk wieder in den Vordergrund. Die Hebrareiter paßten auf ihren Kundschafterritten nun noch mehr auf, den die wilden Barbaren waren für ihre Schlauheit und ihre heimtückischen Hinterhalte bekannt. Weiter im Norden erstreckte sich das Land der großen Wälder bis in die Unendlichkeit, bis zum Land der ewigen Weiße. Ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, mich dorthin zu begeben.

Mein Ausflug in diese Gegend gehörte vielmehr zu dem Plan, den ich verfolgte. Duhrra hatte mich noch nicht verlassen, denn ich hatte ihm versichert, daß ich wisse, was ich tue; dafür hatte er schon den einen oder anderen Beweis erhalten.

»Wir übernehmen eine Zeitlang die Rolle von Grodnim, Duhrra der Tage. Wir kämpfen hier nicht gegen Zairer ...«

»Nein! Das möge die Gesegnete Mutter Zinzu verhüten!«

»Doch wenn wir ans Auge der Welt zurückkehren, haben wir uns als wahre Anhänger des Grünen erwiesen. Dann können wir fliehen.«

»Ja – aber vorher wollen wir noch ein paar Leute ordentlich mit den Schädeln zusammenschlagen, Dak!«

»Ich heiße jetzt Gadak.«

»Aye, mich nennen sie Duhrra, möge Zair ihre ...«

»Leise, leise, das Lager hat viele Ohren!«

Duhrra hatte sich im Lager umgetan und einige Gerüchte aufgeschnappt, wie sie unter Soldaten unweigerlich die Runde machten. Ich wollte mehr wissen über das Mädchen, über die Frau der Sterne. Aber es war kaum etwas zu erfahren. Natürlich machten sich die Männer Gedanken über das geheimnisvolle Mädchen in der Palankeen und äußerten sich in der wenig respektvollen Art von Kriegern. Am hartnäckigsten hielt sich das Gerücht, daß sie eine Zairerin aus Sanurkazz sei und an Bord eines Ruderers gefangengenommen worden war. Gafard, der Anführer der Angreifer, habe sie in der prunkvollen Achterkabine gefunden, und seither habe kein anderer Mann mehr ihr Gesicht schauen dürfen.

»In einem Ruderer?« fragte ich. »Seltsam, daß sich eine Frau an Bord eines Ruderers aufhält, der in den Kampf zieht.«

»Ab und zu geschieht das schon.«

»Aye. Und das wäre alles?«

»Niemand kennt ihren Namen, niemand kennt ihr Gesicht. Vier Männer – enge Vertraute Gafards, sind ausgepeitscht worden, weil sie versucht haben, ihr Gesicht zu schauen.«

Schließlich kam der Augenblick, auf den ich gewartet hatte; vorsorglich hatte ich Blaue Wolke in bester Verfassung gehalten, hatte stets einen Beutel mit Vorräten am Sattel befestigt gehabt und nur ganz wenig geschlafen. Außerdem hatte ich darauf geachtet, daß meine Waffen stets geschärft und griffbereit waren.

Der Ruf erreichte mich in der Person eines Adjutanten von Gafard. Ich begleitete ihn zu dem Kommandozelt, in dem Gafard seine Befehle diktierte und seine militärischen Entscheidungen traf. Erst wenn er seinen Pflichten genügt hatte, kleidete er sich um und suchte das große Zelt auf, in dem die Frau der Sterne ihn erwartete.

In seinem Gefolge hatte ich mir bisher noch keinen Feind geschaffen, außer seinem Stellvertreter. Dieser Mann hieß Grogor und war ebenfalls ein Überläufer. Die Situation war klar. Grogor fürchtete, daß ich, der neue Freund Gafards, ihn aus seiner Position verdrängen könnte. Dabei hatte ich mir große Mühe gegeben, ihm klarzumachen, daß ich solche Pläne nicht verfolgte. Er hatte mir nicht geglaubt.

Grogor, ein stämmiger Mann, der ständig schwitzte, aber gut kämpfte, führte mich in das Kommandozelt. Gafard saß hinter einem Klapptisch und brachte unter Befehlen und Meldungen sein Siegel an. Er blickte auf und bedeutete mir, an der Seite zu warten.

Sein Schreiber, der schreiben und lesen konnte und daher Privilegien genoß, war wie allgemein üblich ein Relt. Der Relt raffte nun die Papiere und ihre Leinenumschläge zusammen, verneigte sich und verließ rückwärts gehend das Zelt. Die Zeltplane fiel herab. Gafard hob den Kopf und blickte mich an. Seit dem Zwischenfall mit dem Lairgodont hatte er mich nicht wieder an seiner Seite reiten lassen.

»Du hast dich gefragt, warum ich dich in den letzten Tagen so sehr vernachlässigt habe, Gadak?«

Man mußte keine Intelligenzbestie sein, um den Grund zu erkenne. »Jawohl, Gernu«, antwortete ich.

Er legte die Hände zusammen und musterte sie, während er weitersprach.

»Ich bin dir Dankbarkeit schuldig. Ich glaube nicht, daß ich ohne die Geliebte an meiner Seite noch hätte weiterleben wollen.«

»Das verstehe ich.«

Sein Kopf ruckte hoch wie der scheußliche Kopf eines angreifenden Lairgodont.

»Ah! Du bist also wie alle anderen ...«

Jetzt half nur noch Kühnheit.

»Ich habe das Gesicht der Frau der Sterne gesehen. Ja, es stimmt. Du hast Männer wegen geringerer Vergehen auspeitschen lassen. Aber wenn ein Lairgodont zuschlägt, bietet grüner Stoff keinen Widerstand – da bleibt einem keine andere Wahl.«

Er starrte mich unverwandt an. Langsam fragte er: »Hast du jemals eine Frau gesehen, die schöner ist als sie?«

Wie Sie wissen, ist mir diese Frage schon oft gestellt worden zumeist von eitlen Frauen, die mich irgendwie in ihre Gewalt bekommen wollten. Und jedesmal hatte ich, ohne zu zögern und ganz automatisch, geantwortet. Auf zwei Welten gibt es keine Frau, die so vollkommen ist wie meine Delia, meine Delia aus Delphond. Aber jetzt ...

Ich zögerte.

Er dachte vielleicht, daß ich Angst hätte, die Wahrheit auszusprechen, daß ich aus einem ganz anderen Grunde verstummt war.

Obwohl meine eigenen Gefühle klar waren, hatte ich mich zuweilen gezwungen gesehen, diplomatisch zu antworten. Doch mein jetziges Zögern war in keiner Weise berechnend.

»Die Frau ist schöner als alle Frauen«, sagte ich. »Vielleicht mit einer Ausnahme.«

»Vielleicht?« fragte er.

»Aye. Aber Schönheit ist nicht alles. Ich weiß nichts von der Vollkommenheit der Dame – doch ich kenne eine Frau, deren Vollkommenheit unerreicht ist, in Schönheit, Geist, in ihrer Liebe zum Leben, in ihrem Mut, ihrer Weisheit, ihrer Kameradschaft, ihrer Liebe ...«

Gafard lehnte sich zurück. Auf seinen Lippen erschien ein ironisches Lächeln und verschwand wieder.

»Ich glaube nicht, daß du lügst! Dafür sprichst du zu sehr mit deinem Herzen.«

Ich brauchte nicht weiterzusprechen. Er würde entscheiden, was er mit mir tun wollte. Fiel sein Urteil gegen mich aus, mußte ich entscheiden, ob ich ihn sofort töten sollte oder ob ich es riskieren konnte, ihn lediglich zu gefesselt und geknebelt zurückzulassen.

Vielleicht zeigte sich eine Spur dieser wilden Leemgedanken auf meinem Gesicht, obwohl ich mir das eigentlich nicht vorstellen konnte. Vielleicht ahnte er mehr, als ich im Augenblick für möglich hielt.

»Du weißt wenig über meine Herkunft, Gadak.«

»Ja, ich weiß wenig, Gernu. Ich hörte, du seist einmal Jikaidast gewesen. Wenn das stimmt, ist es kein Wunder, daß du immer siegst.«

Sein Lächeln wurde breiter, gewann an Wärme. »Hätte ich nicht soviel zu tun, würde ich sofort ein Spielbrett kommen lassen. Ja, ich war in Sanurkazz als Jikaidast bekannt.«

Jikaidasten sind ein seltsamer Haufen, seltsam in den Augen normaler Männer, die das Jikaidaspiel mögen und es bei jeder Gelegenheit spielen. Ein Jikaidast dagegen lebt nur für das Spiel. Als Berufsspieler verdient er sein Geld damit. Solche Männer finden sich in allen Schichten der Bevölkerung überall auf Kregen. Die größten Spieler streben sogar nach dem Titel San, der nur großen Gelehrten, Weisen und Zauberern verliehen wird.

Über das Jikaida und die Jikaidasten gibt es viel zu berichten, wie Sie noch hören werden.

Gafard, der Kämpfer des Königs, sagte: »Ich war als ein Jikaidast bekannt, der noch gewinnen konnte, nachdem er seinen Pallan dem Ruf ›Reih die Deldars‹ geopfert hatte.«

Ich widerstand der gefährlichen Versuchung, über das Jikaida zu fachsimpeln. Auf diesem Wege kann so manche Bur aus dem Leben eines Mannes verlorengehen.

»Du warst ein Hyr-San, Gernu. Doch von anderen Dingen weiß ich wenig.«

Seine Freude war offenkundig. Zum erstenmal seit jenen traumatischen Augenblicken, da er das vor dem Lairgodont gerettete Mädchen an sich preßte, sah ich ihn als Mensch.

»Als Zairer gibt es wenig zu berichten. Mein Zuhause war zu klein, das Volk war zu klein, meine Chancen waren zu gering. Wenn ich für Zair kämpfte, lächelten die Männer. Ich wurde von den Grodnim gefangen. Ich tat, was du auch getan hast. Ich glaube, die Entscheidung hat mich härter gemacht, hat einen anderen aus mir gemacht. Ich bin nun ein Kämpfer unter Kämpfern, als Kämpfer des Königs erhalte ich mir das Vertrauen meines Herrschers.«

»Und Meeres-Zhantil«, sagte ich.

Diesen kleinen Stich konnte ich nicht zurückhalten. Er nickte. »Aye. Das bedeutet mir etwas, und das weißt du auch. Der Titel wurde von einem Mann getragen, der ...« Plötzlich warf er mir einen scharfen Blick zu, und ich spürte, daß er sich selbst überrascht hatte.

»Du bist geholt worden, damit du mir zuhörst, Gadak. Ich erzähle dir das alles, weil ich Zuneigung zu dir gefaßt habe. Doch Verrat wird mit einem Messer in den Rücken belohnt, unmittelbar unter den Rippen.«

»Aye. Vielleicht ist ein Verrat auch nicht mehr wert.«

Wieder der kritische Blick. Wenn ich ihn ernst nehmen wollte – immerhin war er ein mächtiger Mann in seiner gewohnten Umgebung –, hätte ich mir sagen müssen, daß ihn mein Benehmen verwirrte. Er schien sich klarzumachen, daß er hier mit einem Mann sprach, der ihm nützlicher werden konnte, als er es sich bisher vorgestellt hatte.

»Das ist so.« Er griff nach einem Dolch, dessen Edelsteine blitzten. Wenn in dieser Geste eine Bedeutung lag, so war sie etwas zu kraß demonstriert. »Ich bin der Kämpfer des Königs. König Genod ist ein wunderbarer Mann, ein Genie im Kampf, allgegenwärtig, mächtig – er hat das Yrium. Ich vergesse das nicht. Aber ...« Wieder unterbrach er sich und warf den Dolch zu Boden. Die scharfe Klinge blieb stecken, und der Juwelengriff vibrierte eben stark genug, um das Zelt mit zuckenden Farben zu erfüllen. »Aber er verlangt Frauen. Er nimmt Frauen, gebraucht sie und wirft sie fort. Es ist seine einzige Schwäche – und für einen Mann wie ihn ist es keine Schwäche.«

»Das verstehe ich. Aber was ist mit Prinzessin Shusheeng?«

»Sie spielt eine wichtige Rolle bei König Genods Kampf gegen die Oberherren Magdags, der zu seiner Thronbesteigung führte. Sie unterstützte ihn und wurde zum Lohn seine offizielle Königin – obwohl, nun ja, man kann das sehen, wie man will. Ich kann dir eins sagen, Gadak ...« Wieder unterbrach er sich, stand auf und marschierte nachdenklich im Zelt herum. »Wahrscheinlich ist es längst überall bekannt. Shusheeng hat ihre eigenen Kräfte. Sie muß Genods Kapriolen dulden ... Daß du mir das nicht weiterträgst, sonst könntest du eines Morgens ohne Kopf aufwachen.«

»Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Der Schleier, damit kein Mann ihr Gesicht sieht – ja, ich verstehe das.«

»Und wenn du das verstehst, solltest du dafür sorgen, daß du niemandem davon erzählst.«

Ich fand, es war an der Zeit, daß er sich aus seiner verkrampften Erregung löste. Außerdem konnten solche Vertraulichkeiten gefährlich werden.

»Wie du befiehlst, so will ich gehorchen, Gernu!« brüllte ich, um ihn abzulenken.

Er drehte sich um, sah mich strammstehen, nahm sich zusammen und senkte die Hand.

»Ja, ja, du hast ja recht, Gernu. So muß es sein. Die Vorschriften. Denk daran. Ich lasse dich weiterleben, obwohl du das Gesicht der Frau der Sterne gesehen hast.«

»Ich werde dich nicht enttäuschen.«

»Das nehme ich auch nicht an. Sonst hätte ich dich sofort getötet, das weißt du. Und das hätte mir leid getan.«

Als ich das Zelt verließ, sagte ich leise vor mich hin: »Aber viel mehr hätte es mir leid getan, Dom!«