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Ein schreckliches Los – Zellulitis. Nur wohin mit der Orangenhaut? Da hilft nur Tarnung. Ach so: Deswegen laufen so viele eigentlich knackige Läufer nicht kurzbehost durch die Gegend.
Ich laufe ja nur in langen Hosen. Lang heißt: bis übers Knie. Farbe? Egal. Aber die eine oder andere geschwungene bunte Linie, die den idealen Schenkelverlauf nachmalt, die darf ruhig sein. Im Sommer gucken mich die anderen immer mitleidig an, als wollten sie sagen: Guck mal, der arme Kerl hat nur die eine Hose. Das stimmt nicht. Ich habe viele Hosen. Aber immer die gleiche Länge. Diese albernen Shorts, bei denen man immer Angst haben muss, dass was rausrutscht, die mögen an exhibitionistischen Jungspunden noch ganz scharf aussehen, findet jedenfalls meine liederliche Gattin. Herren in den besten Jahren aber, die im textilen Nichts durch sonntägliche Spaziergängerhorden huschen, am besten noch riechbar verschweißt, die sollte man zurechtweisen. Wo kommen wir denn da hin? Eines Tages werden die ersten Strippen-Tangas in unserem schönen ehrwürdigen Laufsport zu sehen sein, darüber ein Sechzehnender von Arschgeweih, das nahtlos ins Schulterblatt-Branding übergeht. Und dazu ein zünftiges Augapfel-Piercing.
Um ehrlich zu sein: Ein bisschen Bauernmalerei und ein Pfund Blech im Leib, das hat seine Vorzüge. Das lenkt nämlich ab vom Rest. Das wäre mir ganz recht, denn ich, also, ich sage das nicht gern, aber ich, tja, wie soll ich anfangen, es ist nämlich so, dass, weil: Ich habe ein Problem, eine schicksalhafte Frauenkrankheit, um genau zu sein. Und das schon seit Jahren. Wenn ich die Haut auf meinen Oberschenkeln vorsichtig zusammendrücke, erscheint plötzlich eine gruselige Kraterlandschaft. Canyons ziehen sich durch wellige Bergrücken, auf deren Kämmen einsame Haare vegetieren, eine Gegend, die aussieht wie aus Griebenschmalz gemeißelt. Dellen, soweit das Auge reicht, nicht tief, aber zäh. Nicht wegzukriegen.
Das ist kein feinmuskelig definiertes Athletenbein, das ist das Grauen: O-R-A-N-G-E-N-H-A-U-T. Und in Wahrheit nicht mal die, sondern was noch viel Schlimmeres. Gäbe es eine Interessenvertretung für die Rechte von Apfelsinen, Orange-Peace, dann würden die sich sofort an meinem Bein anketten. Und sie hätten Recht: Mein Bein sieht nicht nach Apfelsinenschale aus, sondern nach sehr, sehr altem Gürteltier.
Meine Laufbekanntschaft Klaus Heinrich sagt, ich soll einen Luffa-Schwamm nehmen und immer schön in eine Richtung bürsten. Hat er beim Orthopäden in der »Brigitte« gelesen. Unmöglich. Diese Schwämme sind nach 24 Stunden im Bad doch Pilz-Plantagen. Nach einer Woche laufen alle Luffas weg, um eine klebrige Affäre mit den Sporen in der Biomülltonne anzufangen. Und was soll mein Sohn Karl denken, wenn ich nackig im Bad mit einem Schwamm an meinen Oberschenkel rumbürste. Wahrscheinlich hat bei Michael Jackson alles mit einem Luffa-Schwamm angefangen. Weil Liz Taylor ihm gesagt hat, damit kriege er die Farbe ab.
Schneller laufen, empfiehlt Klaus Heinrich, das mache die Muskeln härter und exorziere die Beulenpest. Aber noch schneller laufen? Unmöglich. Das tut weh. Kieselsäure, sagt Mona. Sie bunkert eine weiße Plastikflasche mit einem Zeug im Kühlschrank, das aussieht, als könne man schwanger davon werden. Schmeckt auch so, soll aber gut fürs Bindegewebe sein.
Das Bindegewebe sei eine völlig zu Unrecht unterschätzte Körperschicht, sagt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dieser Bayern-Arzt mit dem kanzlerdunklen Mittelscheitel. Der betet vor jedem Spiel, dass sich ein Spieler verletzt, damit er vor den Augen der Weltfrauen unglaublich schnell auf den Platz rennen kann. Mona beugt sich 89 Minuten über ihre Handarbeiten, guckt aber genau in dem Moment auf, wenn MW zum Sprint ansetzt. »Wer ist denn das da mit dem Koffer?«, fragt sie jedes Mal. Und immer antworte ich: »Nur einer von den Scheiß-Bayern.«
Wenn MW nicht gerade mit Dr. Strunz zusammen unterm Solarium Jungbrunnenhormone einpfeift, dann trainiert er bestimmt Sprints mit Köfferchen, heimlich im Garten seiner Villa. Seine Frau muss ihn mit der Video-Kamera vom Dachfenster filmen. So hat er seinen Laufstil über die Jahre TV-gerecht perfektioniert, und den entschlossenen, besorgten, gleichwohl kompetenten Gesichtsausdruck. Der Frisör Meir hat seinen Mobilsalon auf der Terrasse aufgebaut, um den Mähnenflug zu optimieren. Das ist aber alles nur Ablenkung. Ist doch klar. Müller-Wohlfahrt hat immer lange Hosen an, wenn er auf den Platz läuft. Zufall? Niemals. Jede Wette: Der hat auch Orangenhaut.