Der leichte Läufer kommt eher ins Ziel. Prima. Aber wenn es doch so gut schmeckt? Neumodische Proteincocktails sind keine Alternative? Im Vergleich dazu mundet selbst Jugendherbergskost wie ein Vier-Sterne-Menü.
Etwas Furchtbares ist passiert. Mona hat mich erwischt. Sie hat breit gegrinst. Es ist eine Katastrophe. Sie wird mich auslachen. Für den Rest unseres Lebens hat sie tödliche Waffen gegen mich in der Hand. Ich überlege auszuwandern.
Alles begann damit, dass Karl sich den Magen verdorben hatte. Er war am Samstag bei einer Geburtstagsfeier und hatte alles in sich hineingestopft, was Deutschlands chemische Industrie zu bieten hat. Ich war währenddessen natürlich laufen, mit knurrendem Magen. So strikt, wie es mir möglich ist, halte ich mich an meine Diät, die Achim-Methode. Habe ich selbst entwickelt. Eines Tages werde ich sie mir patentieren lassen.
Grundlage ist die Erkenntnis, dass nicht Fett, sondern Kohlehydrate die wirklichen Dickmacher sind. Nudeln, Brot, Fanta, Reis – alles Gift. Sagt Mona. Und die weiß es aus Amerika. Auf der Liste der Top-Volksfeinde rangieren Kohlehydrate gleich hinter Terroristen und Investment-Bankern.
Die Achim-Methode vereint nun alle Erkenntnisse der modernen Ernährungswissenschaft: Kohlehydrate sind der Treibstoff für die Muskelmotoren. Nimmt der Ausdauersportler, ich zum Beispiel, trotz harten Trainings keine Kohlehydrate zu sich, lernt der Körper, sich die Energie woanders herzuholen. Direkt von der Hüfte zum Beispiel. Dazu noch einen guten Schluck Fitline®Aktivize® Oxyplus für bessere Sauerstoffaufnahme – und das Fett fliegt nur so weg.
Die Achim-Methode hat nur ein kleines Problem: Sie funktioniert nicht. Das muss am Fitline®Aktivize®Oxyplus liegen. Das Zeug ist eine Enttäuschung. Ich bin schon bei der dritten Dose, je 28 Euro für 175 Gramm. Nach 14 Tagen spüre man 10 Prozent mehr Leistung, im Durchschnitt. Das stand auf der Homepage von Guru Greif. Jemand anders muss mindestens 18 Prozent Zuwachs verspüren. Denn ich merke höchstens 2. Ich habe die Dose im Küchenschrank versteckt, ganz unten, ganz hinten, wo nie jemand hinkommt, noch hinter dem Zwieback.
Wenn man auf Kohlehydratentzug ist, wirkt Zwieback wie Heroin. Ich würde mir Zwieback sogar spritzen. Jedes Mal, wenn ich die Dose Fitline®Aktivize®Oxyplus hervorangele, fährt meine Hand in die Zwiebacktüte. Ich kann nicht anders. Vor ein paar Wochen war die Tüte voll. Jetzt finde ich kaum noch größere Krümel. Gut, dass neulich Nikolaus war. Karl hatte den Stutenkerl aus seinem Nikolausstiefel schnell vergessen. Ich legte ihn unauffällig auf den Küchenschrank. Dort konnte ich mir immer mal ein Stückchen abbrechen. Zwei Beine und einen Arm hatte ich schon amputiert. Der Teig war hart und trocken und staubig. Sie schmeckten göttlich, die bösen kleinen Kohlehydrate.
Als Karl vom Geburtstag zurückkam, klagte er über Magendrücken. Das sei Hunger, bestimmte Mona. Eine käsetriefende Tiefkühlpizza später war Karl dann richtig schlecht. In der Nacht hat er sich mehrfach übergeben. Morgens brachte Mona ihm Kamillentee. Ich lag noch im Bett und analysierte den stechenden Schmerz hinter der linken Kniescheibe. Bestimmt der Meniskus. Ein stählernes »Achim!« riss mich aus meinem stillen Leiden. Ich schlurfte in die Küche. O nein. Mona kniete vor dem Küchenschrank. Sie hielt die Dose Fitline®Aktivize®Oxyplus in der einen und die leere Tüte Zwieback in der anderen Hand. »Was ist das, Achim?«, fragte sie und schnüffelte an der Dose. Dazu muss man wissen, dass Fitline®Aktivize®Oxyplus ungefähr so riecht wie waffenfähiges Plutonium.
»Ist das Epo, Achim?« Ich lachte. Mona wusste gar nicht, was Epo ist. Sie hatte es mal aufgeschnappt, im Fernsehen. »Unsinn, Liebling, das ist völlig legal.« Mona glaubte kein Wort. »Ach ja? Und warum versteckst du es dann?« Ich wusste genau, dass ich rot wurde. »Ich habe es nicht versteckt, nur sicher aufbewahrt, wegen Karl.« Mona schwenkte die Zwiebacktüte, mit dem Blick der Mutter, deren hungerndem Kind von Barbaren das letzte Stück Brot weggefressen wurde. »Und wie erklärst du das hier?«, fragte sie. »Mein Magen«, stammelte ich, »das viele Training.«
Sie wusste, dass sie gewonnen hatte. Immer, wenn es ihr in den Kram passte, würde sie mich von nun an als Dopingsünder und Kohlehydrat-Junkie beschimpfen. Nur eine sofortige Demutsgeste konnte mich retten. Ich fuhr in die Laufklamotten. »Wo willst du hin?«, fragte Mona. »Zur Tanke, Zwieback holen, für Karl«, sagte ich. Mona nickte anerkennend. Sie ahnte nicht, dass ich mir heimlich ein Brötchen kaufen würde, mit schön viel Kohlehydraten drin.