Kampf
Keiner sprach ein Wort. Ich stellte mich schützend
vor -Cedric. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. „Ihr habt wohl
wirklich geglaubt, dass ihr so einfach an uns vorbeikommen würdet,
was!?“, schrie Achille und trat näher. Ich sah seine Begleiter an.
Es waren Aarons Diener und viele von Achille. Ich erblickte auch
Anastasia, die in einem weißen Brautkleid neben ihrer Mutter stand.
Hatte sie wirklich geglaubt, dass Aaron sie heiraten würde? „Was
willst du, Achille?“, fragte Aaron und ging nach vorne. Ich wollte
ihn zurückhalten, doch ich konnte nicht. Ich stand da wie
versteinert und hörte Cedric neben mir leise weinen. „Was ich will?
Ich will meinen Gefangenen zurück und dich zum Kampf herausfordern,
Aaron!“ Anastasia stieß einen Schrei aus. „Das kannst du gerne
haben. Aber zuerst möchte ich wissen, woher du weißt, dass wir
fliehen wollten?“, sagte Aaron ruhig und höflich. Achille deutete
hinter sich. Ich sah Shania und Basko. Sie waren geknebelt. „Deine
Diener waren sehr ungeschickt. Außerdem habe ich dir noch nie
vertraut“, antwortete Achille. „Ach, so ist das.“ „Du kannst deine
Diener zurückhaben. Ich brauche sie nicht.“ Achille machte eine
Handbewegung und Aarons Diener liefen auf unsere Seite. Sancho
zerrte mich zu sich. Er nahm Cedric an die Hand und mich in den
Arm. „Alles wird gut“, sagte auch er. Doch an diese Worte glaube
ich nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Shania und Basko kamen auf
uns zugerannt. Meine Freundin nahm mich in den Arm, doch ich schob
sie weg. Ich wollte Aaron sehen. Ich wollte sehen, wie er Achille
schlug.
Mischa stand noch immer neben ihm. „Mischa, sei mir
nicht böse. Aber es wäre unfair, wenn du neben Aaron ständest, wenn
wir gleich einen Zweikampf machen“, sagte -Achille und zog sein
Schwert aus der Scheide. Aaron tat es ihm gleich. Mischa trat
einige Schritte zurück. „Vater! Bitte nicht!“ Es war Anastasia.
Warum wollte sie nicht, dass ihr Vater gegen Aaron kämpfte? Hatte
sie sich am Ende wirklich in ihn verliebt? „Du dummes Kind! Ich
höre nicht auf dich! Warum musstest du dich auch in diesen Mann
verlieben! Ich habe dich immer gewarnt! Aber nein, du musstest ihn
ja küssen und ihm die Gefangenen zeigen! Du hättest uns eine Menge
Ärger ersparen können. Aber sei’s drum. Er wird nicht mehr lange
leben“, brüllte Achille seiner Tochter zu. Ich schreckte bei seinen
Worten zusammen. Anastasia war wirklich verliebt in ihn! Mein Prinz
hatte recht gehabt. Wut kam in mir hoch. Sancho bemerkte es und
nahm meine Hand. „Also was ist, Prinz Aaron? Bist du bereit?“
„Immer, Achille. Der Gewinner bekommt den kleinen Cedric, ist es
richtig?“ „Korrekt“, antwortete Achille. Sie kämpften um das Leben
von meinem Bruder! Ich hatte solche Angst. Was würde passieren,
wenn Aaron verlieren sollte? Ich wollte es gar nicht wissen. Ich
verdrängte den Gedanken und schaute den beiden Männern zu.
Aaron sah sehr konzentriert aus. Sie starrten
einander an. Wie gern wäre ich zu Aaron gelaufen und hätte ihm
geholfen! Aber wie geholfen? Ich war doch sowieso nur ein Klotz am
Bein. Ich war gar nicht in der Lage zu helfen. Das Einzige, was ich
konnte, war, ihm Liebe schenken. Und diese Fähigkeit schätzte Aaron
sehr an mir, wie er mir damals am Meer erklärt hatte. Damals. Es
kam mir vor, als läge unser heimliches Treffen schon Monate zurück.
Als wäre die Zeit zu schnell vergangen. Als hätte jemand die
Sandkörner der Uhr schneller durchlaufen lassen.
Ich erschrak. Der Kampf ging los. Die beiden Männer
liefen im Kreis herum. Anastasia schrie und weinte. Ihre Mutter
versuchte sie zu beruhigen. Auch sie wäre am liebsten hingelaufen.
Zu Aaron, das wusste ich. Neben mir begann Shania zu zittern. Ich
weinte und richtete meine Augen auf den Kampf. Achille sah
aggressiv aus. Ich hätte Angst vor ihm bekommen, wenn ich Aaron
gewesen wäre. Doch dieser sah nicht ängstlich aus. Ganz im
Gegenteil. Er wirkte sehr entschlossen. Er hatte sich vorgenommen,
diesen Kampf zu gewinnen. Trotzdem merkte ich an seinen Gesten,
dass er nervös war.
Schließlich kam Achille auf ihn zugerannt. Aaron
wich elegant aus, sodass Achille hinfiel. Die Menschenmenge -lachte
und applaudierte. Ich atmete tief aus. Dieser Punkt ging an Aaron.
Achille hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet. Sein Gesicht war
rot und er sah verärgert aus. „Das machst du nicht noch einmal,
Bürschchen“, drohte der König und starrte Aaron böse an. Mein Prinz
zog nur eine Augenbraue hoch. Achille kam langsam
auf ihn zu. Und dann ging es richtig los. Ich hörte die Schwerter
klingen. Jedes Geräusch ließ mich zusammenzucken. Jeder Klang der
Schwerter war ein Stich in mein Herz. In mein schon blutendes Herz.
Es war schwer, den Kampf genau mitzuverfolgen. Die beiden Männer
bewegten sich zu schnell. Aaron drängte Achille auf die Menge zu.
Dieser lenkte ihn mit einer Geste ab, sodass er kurzfristig
woanders hinsah. Sie sprachen leise miteinander. Aber ich sah an
ihren Gesichtern, dass sie sich nur gegenseitig aufhetzten. Und
dann war der Kampf auch schon zu Ende. Ich hatte mich auf einen
sehr langen eingestellt. Mir blieb fast das Herz stehen, als
Achille sich auf Aaron stürzte. Ich wollte schon weg-sehen, doch
dann erkannte ich Mischa. Er lief auf die beiden Männer zu und warf
sich zwischen sie. Achilles Schwert traf und beide fielen zu Boden.
Es fuhr ein Blitz vom Himmel, als einer der jungen Männer für immer
die Augen schloss. Ich hörte noch seine letzten Worte, die ich in
der Aufregung nicht zuordnen konnte: „Tara! Ich liebe dich!“ Und
dann tönte ein Schreckensschrei durch die Luft. Doch es war nicht
irgendein Schreckensschrei, sondern es war meiner. Bitter-liche
Trauer und Angst schwangen in ihm mit.