Hin und her gerissen
Hatte er das wirklich gerade gesagt? Ja, er hatte.
Ich strahlte. „Aber warum? Ich dachte, du bist noch nicht soweit“,
fragte ich. „Ja, so ist es auch. Aber das ist der einzig
vernünftige Weg. Ich kriege von Achille Druck. Tara, hör mir jetzt
gut zu.“ Er schaute mir tief in die Augen, doch dann stand er auf.
Er nahm mich bei der Hand und ging mit mir in sein Schlafzimmer.
„Also. Ich habe einen Plan. Auch wenn ich damit viele Leute
verletze.“ „Dann mach es nicht“, sagte ich. „Ich muss, sonst kann
ich deinen Bruder nicht retten.“ Ich saß in der Zwickmühle. Was
sollte ich jetzt tun? Meinetwegen würde er Leuten wehtun? Nein, das
konnte ich nicht so auf mir sitzen lassen. Aaron stand auf, zog die
Vorhänge zu und schloss die Tür ab. „Ich werde meinem Vater sagen,
dass ich einen Brief von Achille bekommen habe, in dem steht, dass
ich um Anastasias Hand anhalten muss. Dann ist er beruhigt. Wir
gehen gemeinsam in das Schloss. Du wirst mich, verkleidet als
Dienerin, begleiten. Wenn wir dort sind, werde ich die Verlobung
hinauszögern. Dann haben wir Zeit, deinen Bruder zu retten, und du
kannst mit ihm verschwinden.“ „Nein!“ Ich schrie schon wieder.
„Was passt denn jetzt schon wieder nicht? Ich versuche dir alles
recht zu machen und du bist dagegen!?“ Aaron sah mich
verständnislos an. „Dein Vater wird merken, dass du ihn angelogen
hast. Spätestens, wenn wir Cedric gerettet haben, wird es im
Schloss Aufruhr geben, verstehst du?“, sagte ich. „Das weiß ich
doch. Außerdem wird Achille mir dann Anastasia nicht zur Frau
geben. Er wird mich noch mehr hassen. Und dann gehe ich zurück ins
Schloss.“ Es klang alles so einfach. „Aber dein Vater …“ „Lass das
meine Sorge sein. Ich werde alle Ärzte beauftragen, sich um ihn zu
kümmern“, fuhr Aaron fort. „Das kann ich nicht. Du hast doch
gehört, wenn du Anastasia nicht heiratest, wird dein Vater an
gebrochenem Herzen sterben! Ich kann nicht das Leben deines Vaters
auf dem Gewissen haben! Heirate sie, -heirate Anastasia!“ Nie im
Leben hätte ich mir träumen lassen, dass ich Aaron darum bitten
würde, Anastasia zu heiraten. „Tara, ich kann sie nicht heiraten.
Ich wäre das ganze Leben unglücklich.“ Aaron schaute weg. Was
sollte ich jetzt nur tun? „Du hast keine Wahl. Ich werde es tun
müssen und du gehst mit mir. Wenn ich mich nicht bald bei Achille
melde, setzt er mir und somit dem ganzen Volk das Messer an den
Hals.“
Ich wollte nicht mehr zuhören. Nun war auch ich
verzweifelt. Aaron sah meine Verzweiflung und nahm mich in den Arm.
Ich weinte. Ich weinte an seiner Schulter. Lange saßen wir so da.
Aber ich konnte nicht anders. Ich musste mich ausweinen. Ich war
Cedric so nah, doch nun schien mir alles so weit weg. Ich löste
mich von Aaron und wischte mir die Tränen weg. Ich wusste, dass
meine Augen gerötet waren. „So werden wir es machen.“ Aaron war
überzeugt. Wieder hatte er seinen Dickschädel und ich wusste, dass
ich nicht dagegen ankommen konnte. „Warum heiratest … du sie nicht
einfach? Das würde so viel ersparen“, schniefte ich. „Tara, ich
liebe sie nicht. Ganz im Gegenteil, ich hasse sie so sehr. Ihre
Familie hat uns so viel angetan.“ „Aber vielleicht ist sie gar
nicht so übel“, versuchte ich ihn zu überzeugen. „Du willst mich
wohl mit ihr verkuppeln?“ Aaron lächelte. „Ich heirate nur, wenn
ich die betreffende Person wirklich liebe.“
Warum machte es Aaron so kompliziert? Es gäbe doch
einen leichteren Weg. „Warum weinst du?“, fragte er mich. Das
fragte er noch? „Weil ich verzweifelt bin.“ „Das musst du aber
nicht. Ich habe alles im Griff.“ Mir wurde übel. „Wirst du
Anastasia vorspielen, dass du sie liebst?“, fragte ich. „Ja, das
werde ich tun. Auch wenn Achille verwundert sein wird. Ich werde
alles tun, um deinen Bruder zu retten.“ „Aaron, du läufst dabei in
dein eigenes Unglück“, erwiderte ich. „Ich weiß. Tiefer als du
glaubst. Aber ich mache es für dich, damit du glücklich bist.“ „Ich
möchte aber nicht glücklich sein. Kann nicht alles so bleiben, wie
es ist?“ „Offenbar nicht“, murmelte Aaron. Ich war erschöpft und
wollte nur noch schlafen. „Geht es dir jetzt besser?“, fragte er.
Der Prinz sah besorgt aus. „Ein bisschen“, antwortete ich
wahrheitsgemäß. Aaron half mir auf und legte mich in sein Bett. Ich
fühlte mich zwar nicht sehr wohl dort, trotzdem fiel ich in einen
tiefen, traumlosen Schlaf.