Kapitel 13

Wie viel Zeit bleibt dir? Es war Vikirnoff, ruhig und unbewegt wie immer. Er war weit entfernt, bewegte sich aber schnell und unaufhaltsam auf seinen Bruder zu. Ihr Blut lockt die Untoten an wie ein Leuchtfeuer. Du wirst sie nicht vor ihnen verstecken können.

Ich habe nicht die Absicht, mich zu verstecken. Nicolae klang grimmig, entschlossen und gnadenlos. Er klang genau wie der Bruder, den Vikirnoff seit Jahrhunderten kannte. Seine Macht zeigte sich am Himmel, wo sie Blitze schleuderte, die sich im Zickzack über dem Horizont verästelten. Nicolae ging in die Offensive. Die Himmelsschleusen öffneten sich und schütteten Regenschauer auf die Erde. Lass sie nur kommen.

In der Ferne hörte Nicolae das Echo eines hasserfüllten Wutschreis. Ein zweiter und dritter Aufschrei folgten, als seine Waffen ihre Ziele fanden. Der Himmel loderte in hellen Flammen auf, und Donnerschläge erschütterten die Erde. Der Boden schwankte und bebte. Unter ihm bäumte sich in einem kleinen See eine gewaltige Woge auf und raste schäumend über die Wasseroberfläche. Rings um ihn schienen Sterne zu explodieren - die Antwort des Vampirs auf Nicolaes Kriegsruf.

Nicolae peitschte mit einer Handbewegung den Wind auf, sodass der Sturm wütend die glühend heißen Lichtfunken attackierte und sie von der Frau in Nicolaes Armen wegtrieb. Er hielt direkt auf die Berge zu, weg von den Menschen und Orten, wo andere in den bevorstehenden Kampf hineingezogen werden konnten. Nicolae hielt sich bewusst von der unterirdischen Kammer mit den warmen Quellen fern, um zu verhindern, dass der Vampir ihren Ruheplatz fand. Tief unter die Erde flog er, wo sich eine ganze Reihe von Höhlen befand. Dampf strömte aus den Abzügen, und ein starker Schwefelgeruch machte sich bemerkbar, aber die Mineralien im Boden waren genau das, was er suchte.

Hastig traf Nicolae seine Sicherheitsvorkehrungen, reine Verzögerungstaktiken, um sich die Zeit zu verschaffen, die er brauchte, um Destinys Körper von dem Gift zu befreien. Die winzigen Bisswunden eiterten bereits und wurden zu dunklen, bösartigen Flecken, zu Malen des Bösen. Nicolae brachte Destiny tief unter die Erde in eine der kleinsten Höhlen, eine Kammer mit so engen Wänden, dass kaum genug Platz für sie beide war. Es war kein Ort zum Kämpfen, aber viel leichter zu verteidigen als eine der größeren Höhlen. Er öffnete mit einer Handbewegung die reichhaltige Erde und ließ Destiny in den kühlen Boden gleiten. Sie fühlte sich erhitzt an, und auf ihrer Haut bildeten sich Blasen.

Ihr bleibt kaum noch Zeit. Ich kenne dieses Gift nicht, doch es wirkt sehr schnell. Sie sind fast bei uns. Nicolae ließ sich durch die näher rückenden Vampire nicht aus der Ruhe bringen. Er spürte das Ausmaß ihres Zorns und ihrer Entschlossenheit. Sie wähnten ihn hier in den Bergen in der Falle, bewegungsunfähig durch die Frau, über die erwachen musste, aber sie kannten seine Destiny noch nicht. Und sie wussten auch nicht, dass Vikirnoff unterwegs war, um sich am Kampf zu beteiligen.

Hastig trug Nicolae eine Mischung aus Speichel und Erde auf jede einzelne Bisswunde auf. Die winzigen, messerscharfen Zähne hatten tiefe Wunden geschlagen, um Destinys Adern zu finden und ihrem Opfer Gift zuzuführen. Er arbeitete schnell, aber methodisch, und übersah nichts. Der Vampir, der den Angriff geleitet hatte, war schnell und gerissen gewesen, indem er den Nebel als Deckung benutzt und auf den Augenblick gewartet hatte, in dem Destiny abgelenkt und daher unaufmerksam war. Keinen Moment lang hatte sich der Vampir selbst einer Gefahr ausgesetzt. Es war ein kluger Schachzug gewesen, und Nicolae musste sich eingestehen, dass er es mit einem gefährlichen Gegner zu tun hatte.

Das Gift, das durch Destinys Körper floss, beunruhigte ihn am meisten. »Wach auf, mein Liebes. Wach auf und denke an den bevorstehenden Kampf.«

Destiny gehorchte seinem Befehl mit einem gequälten Laut. Ihr Blick, der sich vor Schmerz verdunkelte, begegnete seinem. »Sie suchen dich, Nicolae. Sie sind hinter dir her.«

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie sollen ruhig kommen. Sie haben dich unterschätzt und rennen in ihr Verderben. Ich muss das Gift so schnell wie möglich aus deinem Körper entfernen, und dazu brauche ich deine Hilfe.«

Destiny nickte und sah ihn vertrauensvoll an. »Du musst mir nur sagen, was ich zu tun habe.«

Nicolae zwang sich, sein Inneres vor dem absoluten Vertrauen in ihrem Blick und in ihren Worten zu verschließen. Davor, wie viel es ihm bedeutete. Wie viel sie ihm bedeutete. Er verlangsamte seinen Herzschlag auf einen starken, stetigen Rhythmus, der die rasante Ausbreitung des Giftes bremsen sollte. Aus demselben Grund hatte er Destiny für kurze Zeit in Schlaf versetzt.

Nicolae nahm ihre Hand und legte sie auf sein Herz. »Zum Beispiel das, Destiny. Stimm deinen Herzschlag genau auf diesen Rhythmus ab.« Sein Daumen strich über ihren Handrücken, während sein Herz direkt in die Innenfläche ihrer Hand schlug.

Ihr wurde bewusst, wie schnell und laut ihr Herz klopfte. Es erfüllte die Kammer mit Donnerschlägen wie eine gewaltige Trommel, die im Rhythmus des Todes schlug. Destiny übernahm sofort die Kontrolle über ihren Körper, indem sie ihren Herzschlag verlangsamte und Nicolaes stetigem Rhythmus anpasste. Sie fühlte sich zerschlagen, ausgelaugt und müde wie nie zuvor, als ihr Herz allmählich ruhiger schlug.

»Es wird ein Schock für dich sein, wenn wir in deinem Inneren sind. Gerate nicht in Panik, und hab keine Angst um mich. Ich kenne mich mit Giften aus. Konzentriere dich auf das, was getan werden muss. Furcht ist unser größter Feind.«

Destiny nickte. »Ich werde dich nicht im Stich lassen.« Sie war sich der Gefahr, in der sie schwebten, durchaus bewusst. Sie war mit Nicolae verbunden und konnte sogar Vikirnoffs Nähe spüren, der sich nicht länger die Mühe machte, seine Anwesenheit vor ihr'zü verbergen. Destiny wusste, dass er sich beeilte, ihnen zu Hilfe zu kommen.

Nicolae löste sich von seiner äußeren Gestalt und wurde zu Licht und Energie, um in Destinys Körper eindringen zu können und den Schaden zu besichtigen. Kostbare Minuten vergingen damit, die chemische Zusammensetzung des Giftes zu untersuchen, das seiner Gefährtin verabreicht worden war. Es vermehrte sich rasant und veränderte sich, während es durch Destinys Blutbahnen jagte. Die mutierte Form schien ihn wahrzunehmen und wie eine feindliche Armee sein Licht anzugreifen.

Raus! Destiny wartete nicht ab, ob er ihrem Befehl folgte. Mit all ihrer verbliebenen Kraft drängte sie ihn aus ihrem Körper.

Ihr Eingreifen kam so unerwartet und heftig, dass Nicolae überrumpelt war. Unvermutet fand er sich in seinem eigenen Körper wieder und blinzelte mehrmals.

Wenn ich Sinn für Humor hätte, würde ich jetzt schallend lachen. Vikirnoff klang wie immer: ruhig und völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass ihnen eine unbekannte Anzahl von Vampiren auf den Fersen war und demnächst ein blutiger Kampf stattfinden würde.

Nicolae seufzte. »Das hättest du nicht tun sollen, Destiny«, tadelte er sie. »Das Gift ist äußerst aggressiv und muss sofort aus deinem Körper entfernt werden; wir haben keine andere Wahl. Zum Streiten haben wir keine Zeit.«

»Die haben wir wirklich nicht«, stimmte sie ihm zu. Schweißperlen standen auf ihrer Haut, einige von ihnen waren rosig verfärbt und enthielten erste Spuren von Blut. »Du wirst sie aufhalten und uns verteidigen müssen, während ich das hier selbst übernehme. Das Gift ist darauf angelegt, den Heiler anzugreifen. Wir können uns nicht beide infizieren lassen.« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Du weißt, dass ich recht habe, Nicolae.«

Was sie sagt, ist ausnahmsweise vernünftig.

»Das habe ich gehört«, meinte Destiny. »Nicolae, wir haben keine Zeit für lange Diskussionen. Sogar dein Bruder gibt mir recht, und du weißt, dass er total mittelalterlich denkt, was Frauen angeht.«

Nicolae fluchte ausgiebig in seiner uralten Muttersprache. Auch Vikirnoff bekam seinen Anteil der Schimpftirade ab. Dann beugte Nicolae sich vor und legte seine Stirn an die ihre. »Dein Gefährte zu sein ist nicht ganz leicht für das männliche Ego.«

Sie streichelte über seine Wange und fuhr mit ihrem Daumen zärtlich über seine Lippen. »Der Wolf steht vor der Tür.«

Sein Mund strich leicht über ihren. »Pass gut auf, Destiny. Dir darf jetzt kein Fehler unterlaufen. Du hast nicht viel Zeit. Ich brauche dich gesund und einsatzbereit. Sie müssen von dieser Kammer nach Möglichkeit ferngehalten werden. Ich werde ihnen oben entgegentreten.«

»Geh schon!« Sie drückte kurz seine Finger und ließ dann ihre Hand sinken. Nicolaes Gestalt löste sich bereits in luftige Moleküle auf und glitt von ihr fort und durch den Kamin in den Nachthimmel. Er würde gegen ihre Feinde antreten. Das Blut seiner Gefährtin war ein helles Leuchtfeuer, das die Untoten direkt zu ihrem Aufenthaltsort führte. Seine Aufgabe war es, ihre Feinde in Schach zu halten, bis Destiny wieder auf den Beinen war und selbst auf die Jagd gehen konnte.

Sie verschwendete keine Zeit, und er konnte auch keine Furcht in ihr entdecken, als sie sich von ihrem Körper löste. Sie wurde Licht und Energie und konzentrierte ihre schwindende Kraft darauf, die Armee von Mikroben abzuwehren, die in ihren Blutkreislauf eindrangen. Nicolae blieb wie ein zweiter Schatten bei ihr, um ihr Rückhalt zu geben und ihr zu helfen, so gut er konnte.

Er stieg hoch in den Himmel auf und überprüfte seine Umgebung. Nicolae hoffte, dass die Vampire nachlässig in ihrem Angriff sein würden, weil sie davon ausgingen, dass er zu sehr mit Destiny beschäftigt sein würde, um in die Offensive zu gehen. Dieser Kampf war sorgfältig geplant worden, und Nicolae war überzeugt, dass Pater dahintersteckte. Pater war entschlossen, die Vampire in ihrem Kampf gegen die Jäger zu vereinen.

Es könnte sogar funktionieren, wenn sie darauf verzichten, sich gegenseitig umzubringen, bemerkte Nicolae.

Vikirnoff dachte darüber nach. Ich hätte nicht gedacht, dass es einen Vampir gibt, nicht einmal einen von den uralten, der mächtig genug ist, um es zu schaffen, Vampire für ein gemeinsames Ziel zusammenzuschließen. Aber unserem Gegner scheint genau das gelungen zu sein.

Es ist schon früher vorgekommen, jedoch nicht mit denen vom alten Stamm. Es hat immer einen gegeben, der die Macht hatte, während die anderen nur ersetzbare Handlanger waren. Das verheißt nichts Gutes für unser Volk. Nicolae verbarg sich in einem winzigen Molekül und jagte durch die wirbelnden Wolkenmassen am Himmel. Vikirnoff war geistig ebenso mit ihm verbunden wie mit Destiny und wartete darauf, dort einzuspringen, wo seine Hilfe am nötigsten gebraucht wurde.

Destiny nahm keinen von beiden wahr. Sie konzentrierte sich völlig auf ihren eigenen Kampf und vertraute darauf, dass Nicolae die Untoten abwehren würde, bis sie ihm beistehen konnte. Sie stellte fest, dass sie durch die Bisse zu viel Blut verloren hatte. Die giftige Substanz in ihrem Körper war eine verheerende Vernichtungswaffe, die rasend schnell ihre Zellen befiel. Wieder fielen ihr die winzigen Parasiten auf, die immer in ihrem Blutkreislauf vorhanden waren, vertraut und trotzdem abstoßend. Selbst sie versuchten, sich vor dem aggressiven Gift zu verbergen. Destiny durchsuchte rasch ihre Blutbahnen, fand natürliche Antikörper und begann, sie zu vervielfachen, um hastig den Mikroben ihre eigene Armee entgegenzustellen, ihren Vormarsch zu bremsen und sich selbst ein bisschen Zeit zu verschaffen, um etwas zu finden, was das Gift endgültig zerstören würde .Fast völlig von den ausschwärmenden Zellen verborgen, entdeckte sie so etwas wie eine Blase. Sie war rötlich schwarz, ein dicker Klecks, der im Kielwasser der Mikroben schwamm. Destiny konnte die mutierten Zellen bekämpfen, die darauf programmiert waren, die Energie anzugreifen, die sie selbst ausstrahlte, doch sie hatte das Gefühl, dass der wahre Feind diese unbekannte Masse war.

Sie ignorierte die Blutungen, die überall dort, wo das Gift sich ausbreitete, an ihren inneren Organen auftraten. Auch ignorierte sie ihr verunreinigtes Blut, das so sehr brannte, dass die Wände ihrer Adern dünn und schwach schienen und zu platzen drohten. An manchen Stellen beulten sie sich aus, ebenso wie einige ihrer Organe.

Welche Waffen hatte sie gegen eine derartige Bedrohung? Energie und Licht. Sie hörte auf, ihre Zeit mit der Herstellung von Antikörpern zu vergeuden, die das Vorrücken dieser Armee nur verlangsamen konnten, und wartete ab, um den wogenden Schwarm von Zellen zu beobachten, die ihre Lebensquelle zu ersticken drohten.

Destiny hielt die Stellung. Die Zeit schien stillzustehen. Sie fühlte niemanden in ihrer Nähe, hörte nichts, nicht einmal ihren eigenen Herzschlag. Ihre gesamte Konzentration richtete sich auf die Masse bösartiger Zellen. Noch immer wartete sie und sammelte ihre ganze Energie, bis sie zu einem glühend heißen, scharfen Laserstrahl wurde, der auf die tödlichen Mikroben zielte. Erst jetzt ließ sie ihrer Macht freien Lauf. Sie wurde zu einem tödlichen Energiestoß, so intensiv, dass Destiny wusste, diese Kraft kam nicht von ihr allein. Wieder einmal hatte Nicolae ihr geholfen.

Aber von dieser Erkenntnis durfte sie sich nicht ablenken lassen. Sie beobachtete, wie die Zellen schrumpften und abstarben, und konnte zum ersten Mal das Ding dahinter klar und deutlich sehen. Es war nicht größer als eine Walnuss und befand sich in ihrem Magen. Ihr Herzschlag stockte. Hier konnte sie weder Feuer noch Hitze einsetzen. Es war irgendeine explosive Chemikalie, die nur auf einen Zündfunken wartete. Die Chemikalien waren Bestandteil der ersten Substanz gewesen, die durch die Bisse der Würmer in ihren Körper gelangt war. Als die Zellen mutiert waren, waren die Chemikalien von allen Richtungen zusammengeströmt und hatten sich verbunden, wie es von vornherein geplant gewesen war.

Sie war zu einer lebenden Bombe geworden, die direkt auf Nicolae zielte, falls er versuchte, sie zu heilen.

Destiny zog scharf den Atem ein. Nicolae war jetzt bei ihr; er sah, was sie sah, das wusste sie. Er fürchtete, was sie fürchtete. Tu, was du zu tun hast, Nicolae. Ich finde schon eine Lösung.

Nicolae spürte, wie sein Herzschlag ins Stocken geriet. Du musst dich beeilen, Destiny. Die bösartigen Zellen schädigen deinen Körper. Du brauchst einen Heiler. Er vermittelte ihr ruhige Zuversicht und völliges Vertrauen in ihre Fähigkeiten, obwohl er innerlich tobte, weil er gegen den Feind kämpfen musste, obwohl er jetzt nur bei ihr sein wollte.

Der Himmel erstrahlte in grellem Licht, als Feuerbälle durch die Luft jagten: Geschosse aus züngelnden roten Flammen, die in der Dunkelheit nach Nicolae suchten. Während sie über den Himmel rasten, lösten sich glühende Fäden von ihnen und peitschten auf der Suche nach einem Ziel durch die Luft.

Nicolae lenkte den wilden Sturm, der auf ihn zuraste, mühelos um und schleuderte die brennenden Lanzen auf seinen Feind zurück, um seine Anwesenheit zu zeigen. Kommt her, ihr alle, um euch dem Gesetz des karpatianischen Volkes zu unterwerfen! Ich schicke euch in die nächste Welt, wo ihr schon lange sein solltet. Kommt zu mir. Ich habe eure kindischen Wutanfälle satt.

Schreie voller Hass und Wut gellten als Antwort über den Himmel. Nicolae, der wusste, dass die Vampire versuchen würden, seinen Standort aufgrund der Windrichtung zu lokalisieren, war bereits in Bewegung. Er hörte ein hohes, schrilles Schnattern, und im nächsten Moment schwärmte links von ihm, an der Stelle, wo er eben noch gewesen war, eine Armee von Fledermäusen aus. Wie viele Vampirfledermäuse waren auch diese großen Kreaturen mit ihren langen Reißzähnen Handlanger der Untoten und dürsteten nach seinem Blut. Sie flogen zu ihm, so viele, dass der Himmel von ihren pelzigen Körpern bedeckt war, und schnatterten und kreischten unentwegt, um ihrem Herrn mitzuteilen, wo der Karpatianer sich aufhielt.

Nicolae überzog das Gebiet mit grellen Blitzen und lud die Luft elektrisch auf, sodass feurige Peitschen im Zickzack über den Himmel zuckten und brennende Funken auf ihre Ziele schleuderten. Als die Kreaturen verbrannten, stieg ein fauliger Geruch auf, der Nicolae in den Augen brannte und ihn in Mund und Nase stach. Der Nachthimmel, düster und schwarz von bedrohlichen Wolkenmassen, wurde von einem Blitzlichtgewitter aufgerissen. Donnerschläge folgten, ein Getöse, das die Erde beben ließ und ohrenbetäubende Klangwellen, so laut wie ein Erdbeben, über den Himmel schickte und die Untoten auseinandersprengte.

Gellende Schreie hallten in Nicolaes Ohren, als einer der Vampire abstürzte. Die widerwärtige Erscheinung schimmerte in einem fahlen Grau, als sie sich aus dem Nebel materialisierte, mitten in der Luft innehielt und rasch hinter die Wolken floh, um einem weiteren Angriff zu entgehen. Als der Vampir Speere reiner Elektrizität auf Nicolae schleuderte, kam Vikirnoff zum Vorschein.

Nicolae stieß seinen Bruder aus der Reichweite einer glühend heißen Lanze. Sie streifte seine eigene Schulter und brannte sich durch Gewebe und Muskeln, während sie an ihm vorbeisauste.

Du wirst allmählich alt. Die Reflexe lassen nach, zog Nicolae seinen Bruder auf, während er schon dabei war, dem Vampir nachzusetzen.

Wollte nur sichergehen, dass du hier in der Schlacht bist und nicht bei deiner Frau.

Nicolae knurrte und schoss durch die dünne Wolke direkt auf den Vampir zu. Sofort brachen auf drei Seiten monströse echsenartige Tiere aus dem Himmel, ganz ähnlich den Kreaturen in der Höhle, wo er Pater zum ersten Mal begegnet war. Offensichtlich hatte der Vampir auch diesen Kampf organisiert. Die widerwärtigen Geschöpfe griffen an, während der Vampir die gleiche Gestalt annahm, seinen gewaltigen Kopf in seine Richtung wandte und mit seinen bösartigen Klauen nach ihm ausholte.

Der ekelerregende Gestank von verrottetem Fleisch schlug ihm heiß ins Gesicht, aber Nicolae warf sich blitzschnell nach vorn und entging um Haaresbreite den scharfen Klauen. Er legte an Geschwindigkeit zu und schlug mit der Faust auf die schuppige Brust des Monsters. Im letzten Moment wirbelte der Vampir herum und schwang seinen mit Stacheln besetzten Schwanz, deren Spitzen mit einem Lähmungsgift versehen waren.

Die anderen drei Tiere stürzten sich auf Nicolae und schnappten mit ihren gewaltigen Kiefern nach ihm, während sie durch ihre heftigen Flügelschläge einen Sturm heraufbeschworen, der Staubmassen durch die Luft wirbeln ließ. Wolken kreisten und flammten auf, und geschwärzte Geröllstücke, die aus der Erde gerissen wurden, türmten sich zu einer Windhose auf. Die Gewalt dieses Windes schuf ein eigenes Wetter, einen Wirbelsturm, aus dessen Zentrum Splitter und Speere aus Eiskristallen geschleudert wurden, die ein Ziel suchten.

In dem Moment, als Nicolae sich in Luft auflösen und so dem zuckenden Schwanz und den mahlenden Kiefern der Riesenechse entgehen wollte, riss eines der Tiere sein widerwärtiges Maul auf, um seine Beute zu zeigen. Ein Mann wurde von ganzen Reihen von Zähnen an den Beinen festgehalten. Er schrie verzweifelt und ruderte wild mit den Armen. Sein entsetzter Blick fiel auf Nicolae, als die Fänge des gewaltigen Tieres zuschnappten.

Vikirnoff ließ sich aus den dunklen Wolkenmassen fallen und landete direkt auf dem Rücken der Riesenechse, in seiner erhobenen Hand einen glühend heißen Speer. Er rammte die Waffe tief in den Nacken des Reptils. Als es vor Schmerz und Hass brüllte, öffneten sich seine Kiefer und gaben den Menschen frei. Der Mann stürzte nach unten und stieß einen schwachen Schrei aus.

Nicolae folgte sofort dem Mann, der in das wirbelnde Zentrum des Tornados gezogen wurde. Die Splitter und Speere aus Eis zielten auf Nicolae und das Opfer des Untoten. Nicolae ließ unter dem Mann hastig ein Netz aus seidenen Strängen entstehen, während er gleichzeitig seine Hände in einem komplizierten Muster bewegte und Feuer vom Himmel holte, um die eisigen Waffen schmelzen zu lassen.

Das Opfer des Vampirs fiel in das Netz, wurde hin und her geschleudert und klammerte sich verzweifelt an die dünnen Seidenstränge. Er war sich der bizarren Geschehnisse völlig bewusst und kämpfte trotzdem um sein Leben. Da er ihn bei Bewusstsein brauchte, entschied sich Nicolae dafür, ihn nicht geistig abzuschirmen, als er ihn in die relative Sicherheit seiner Arme zog.

»Festhalten!«, befahl Nicolae. Er erkannte Martin Wright. Der Mann legte seine Hände um Nicolaes Hals, rutschte auf seinen Rücken und schloss die Augen vor dem Grauen ringsum. Blut tropfte unablässig aus den Wunden an seinen Beinen, wo das Reptil zugebissen hatte.

Lass nicht zu, dass ihm etwas passiert! Destinys Bitte war klar und deutlich.

Nicolae warf einen Blick auf die Berge, die unter ihm lagen. Schon nahmen die Echsen die Verfolgung auf und entfernten sich von ihrem gefallenen Gefährten. Die gewaltige Echse, auf der Vikirnoff gelandet war, stürzte unaufhaltsam vom Himmel. Sie überschlug sich mehrmals in der Luft, aber Vikirnoff hielt sich eisern auf ihrem Rücken. Der Vampir brüllte vor Wut und Entsetzen, doch die anderen kamen ihm nicht zu Hilfe, sondern folgten mit beängstigender Geschwindigkeit Nicolae und Martin.

Nicolae entkam ihnen mit atemberaubendem Tempo und hätte dabei fast den Schemen übersehen, der sich in der Nähe des Eingangs in den Berg befand. Eine dunkle Gestalt glitt lautlos über den Boden und bewegte sich von einem Schatten zum nächsten. Nicolae erhaschte gerade noch einen flüchtigen Blick auf eine Schwanzspitze, die weit unter ihm im Boden verschwand. Sein Herz schlug schneller. Der Untote wusste, dass er mindestens einen der Jäger endgültig vernichten würde, wenn es ihm gelang, Destiny zu töten. Ihr Gefährte würde ohne sie nicht mehr existieren können, und es war sogar möglich, dass beide Jäger ihr folgen oder auf die dunkle Seite wechseln würden.

Destiny!

Ich fühle die Nähe des Bösen. Ich kenne seinen Geruch. In ihrer Stimme lag eine Zuversicht, die Nicolae nicht teilte. Pater war ein mächtiger und gefährlicher Gegner, und Destiny war schwer verletzt und musste gegen das Gift in ihrem Körper kämpfen.

Lass den Mann los, Nicolae. Du brauchst deine ganze Kraft, um die Untoten zu besiegen. Vikirnoff war wie immer, und seine Stimme klang völlig unbewegt, obwohl er gerade einen Menschen praktisch zum Tode verurteilte.

Das wirst du nicht tun! Destiny war wütend auf Vikirnoff. Hör nicht auf ihn, Nicolae. Ich brau che für einen schleimigen Vampir keine Hilfe von dir.

Die brodelnden Chemikalien, die sich in ihrem Magen zu einer explosiven Mischung verbunden hatten, begannen sich durch ihr Inneres zu fressen, als gäben sie ein gefährliches Gas ab. Destiny untersuchte die Zusammensetzung und spürte, dass Nicolae und Vikirnoff dasselbe taten.

Das Erste ist Salpetersäure oder etwas Ähnliches, stellte Nicolae fest.

Und sie haben einen Weg gefunden, Glycerin beizugeben und die beiden Substanzen zu vermischen, fuhr Vikirnoff fort.

Destiny zuckte zusammen. Nitroglycerin. Instabil. Gefährlich .Dieses Zeug steckte in ihr und wartete nur auf einen Auslöser zum Explodieren. Selbst eine Veränderung ihrer Körpertemperatur könnte es hochgehen lassen. Falls das bösartige Virus in ihrem Inneren ihre Körpertemperatur ansteigen ließ, könnte es selbst die Zündkapsel sein. Destiny unterdrückte ihre Panik und dachte nach, entschlossen, ihren Verstand zu gebrauchen. Ihre Art existierte ausschließlich von Blut. Blut würde keine Wirkung auf diese aggressive Masse haben. Ein Laserstrahl reiner Energie würde eine Explosion auslösen. Der Vampir erwartete mit Sicherheit, dass sie wie ein Jäger dachte und nicht wie ein Mensch. Er würde nie damit rechnen, dass sie etwas anderes als Blut zu sich nehmen könnte.

Pater kam langsam näher. Lautlos schlich er durch die Höhlen zu der Kammer, in der sie lag. Destiny konnte spüren, wie sich seine bösartige Gegenwart im Berg ausbreitete; sie fühlte das leise Grollen der Erde, der Insekten und anderen Höhlenbewohner. Der Schatten wuchs ständig, und mit ihm kam ein Gefühl drohenden Unheils, das sich unaufhaltsam in Destinys Bewusstsein stahl und ihre Zuversicht erschütterte.

Das Gift überwand die Antikörper, die Destiny zu ihrer Verteidigung aktiviert hatte, und schwächte ihre Kampfkraft. Winzige Blutstropfen traten aus ihren Poren.

Destiny verschloss ihren Geist vor allem anderen und konzentrierte sich ausschließlich auf das Problem in ihrem Inneren. Nicolae musste um jeden Preis geschützt werden. Dieses Ding, diese Falle, die für ihn aufgestellt worden war, musste zerstört werden. Ihr fiel nur eine Möglichkeit ein, das zu tun. Indem sie all ihre Kräfte konzentrierte, rief sie nach den Mineralien der Erde, suchte nach dem, was sie brauchte. Natriumkarbonat oder, einfacher gesagt, Soda. Sehr viel Soda. Sie würde die Säure neutralisieren und das Glycerin auf natürliche Weise spalten. Keins von beidem war für sich allein genommen toxisch. Destiny bereitete ein Getränk, indem sie Mineralwasser verwendete und darauf achtete, dass es exakt ihre Körpertemperatur hatte.

Sie musste sich zwingen, es zu schlucken und in ihrem Körper zu behalten, obwohl alles in ihr dagegen rebellierte. Wieder begab sie sich in einen körperlosen Zustand, um das Natriumkarbonat dorthin zu lenken, wo sie es brauchte. Wie gebannt beobachtete sie, wie die Flüssigkeit, ihre einzige Hoffnung, sich beeilte, das zu tun, was sie verlangte. Falls es nicht funktionierte, würde sie warten, bis der Vampir über ihr war, ihre Körpertemperatur, so schnell sie konnte, ansteigen lassen und die Bombe zum Detonieren bringen und ihn mit sich nehmen. Sie würde nicht zulassen, dass er sie in die Hände bekam.

Die Chemikalien trafen aufeinander und vermischten sich. Destiny wusste genau, in welchem Moment sie gewonnen hatte.

Nicolae atmete erleichtert auf. Vikirnoff zog sich zurück.

Der Vampir war immer noch unterwegs zu ihr, und sie war nach wie vor geschwächt. Aber sie war eine Jägerin. Destiny behielt die Mischung möglichst lange bei sich und kroch dann, so schnell sie konnte, in eine Ecke, um sich heftig zu übergeben.

Sie wandte den Kopf, als ein leises Rascheln den Eindringling verriet. »Pater. Schön zu sehen, dass du deine wahre Gestalt gefunden hast. Die Schuppen stehen dir gut. Ich bin sehr beeindruckt von dem Reptilkopf. Der letzte Schrei, nehme ich an. Ich wette, du machst die Damen in dieser Aufmachung ganz wild.«

Es gab kaum Platz zum Manövrieren, und Destiny bezweifelte, ob sie die Kraft hatte, eine andere Gestalt anzunehmen. Sie lehnte sich zurück und sah das gewaltige Reptil an, das sie mit einem triumphierenden Blick in seinen kalten, toten Augen höhnisch angrinste. »Du glaubst, du hättest gewonnen, aber du kennst mich nicht. Und du kennst Nicolae nicht. Du wirst das hier nicht überleben.«

Der Vampir behielt den Tierkörper, aber der krokodilartige Kopf verzerrte und verformte sich, bis er zu einem Männerkopf wurde. Es war kein schöner Anblick, Paters Kopf auf dem Hals und dem Körper einer Riesenechse zu sehen. Er bleckte seine scharfen, verfärbten Zähne. Es lag ihm nichts mehr daran, den Anschein von Schönheit aufrechtzuerhalten. »Und du auch nicht, meine Liebe. Ich habe dir die Chance gegeben, dich uns anzuschließen. Mehr als einmal. Die Karpatianer werden eine wie dich nie akzeptieren. Niemals. Wenn der Jäger dein Blut nimmt, wird seine dunkle Seite stärker werden, ob ihr nun Gefährten seid oder nicht. Was hat es für einen Sinn zu leiden, um letztlich doch nur weggeworfen zu werden? Was, meinst du, wird der Prinz unternehmen, wenn er dich sieht ? Oder Gregori, ihr Heiler? Glaubst du, sie werden dich in ihre Gemeinschaft einbeziehen? Dir erlauben, mit ihren Frauen zu verkehren?«

Ihr Puls flatterte unruhig. Die Wahrheit seiner Worte bohrte sich scharf und tödlich wie ein Pfeil in ihr Herz. Sie würde immer eine Ausgestoßene bleiben. Immer. Selbst Nicolaes Bruder sah sie so. Beschämt wandte sie ihren Blick von den starren, ausdruckslosen Augen des Vampirs ab.

Schau ihn an, sagte Nicolae. Es bedeutet mir sehr wenig, was der Prinz oder Gregori oder sonst jemand denkt. Und dir sollte es auch nichts ausmachen. Dieses Monster hier ist ein Vampir, und er lügt. Er gebraucht den ältesten Trick der Welt. Er untergräbt deinen Willen, ihn zu bekämpfen.

Es war ein scharfer Tadel, und Destiny nahm ihn sich zu Herzen. Das Scharren einer Kralle auf Stein warnte sie, und sie heftete ihren Blick wieder auf den Vampir. Sofort fühlte sie, wie Macht und Stärke sie durchströmten. Ungeheure Stärke und eine fast unvorstellbare Macht.

Pater stieß einen Schrei aus und wand sich bei dem Versuch, sich in dem engen Raum umzudrehen, aber seine massige Gestalt behinderte ihn. Sein stacheliger Schwanz zuckte, Flammen tanzten über die Schuppen seiner Haut und versengten ihn bis auf die Knochen. Feuer jagte über seinen Körper, schwärzte die Schuppen und verpestete die Luft mit einem grauenhaften Gestank. Die äußere Hülle barst und schleuderte den Vampir auf den Boden der Höhle. Zischend vor Wut, kroch er zu Destiny, die rot glühenden Augen waren hasserfüllt auf sie gerichtet.

Destiny versuchte, sich zu sammeln, um den Angriff abzufangen, aber ihr Körper ließ sie im Stich. Ihr fehlte Nahrung, und sie hatte ihre Kräfte verbraucht, als sie versucht hatte, das tödliche Virus aus ihrem Körper zu vertreiben.

Schau ihn einfach an. Nicolae war völlig von sich überzeugt. Seine Gewissheit brachte tief in ihrem Inneren eine Saite zum Klingen. Er focht selbst einen Kampf auf Leben und Tod aus, musste mit einem Menschen in seiner Obhut mordlustigen Vampiren ausweichen und gleichzeitig seiner Gefährtin beistehen. Trotzdem war er absolut überzeugt von seiner Fähigkeit, sie zu beschützen. Und sie glaubte an ihn.

Destiny wandte ihren Blick nicht von Pater. Ein kleines grimmiges Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Sie sah erschöpft und schwach aus, aber sie wirkte auch entspannt und sehr sicher.

Pater las ihren Gesichtsausdruck, sah ihre Augen und die Macht in den blaugrünen Tiefen, eine Macht, die nicht von ihr kam. Da wusste er, dass er gescheitert war. Seine Handlanger hatten den Karpatianer nicht aufhalten können. Er starrte in das Angesicht des Todes. In seiner Verzweiflung baute er blitzschnell eine unsichtbare Barriere auf und vergrub sich dabei im Boden. Wenige Zentimeter von Destiny entfernt wuchsen Schlingpflanzen aus dem Boden. Riesige Tentakel langten nach ihr; Blumenknospen öffneten sich und entblößten winzige scharfe Zähne, die nach ihren Beinen schnappten.

Mit letzter Kraft zog sie sich von den Pflanzen zurück. Noch während sie es tat, spürte sie die Macht, die sie durchströmte, sah die Ranken welken und als leblose schwarze Schnüre auf den Boden sinken und zu Staub zerfallen. Destiny ließ sich an die Wand der Höhle sinken und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Pater war ein zweites Mal entkommen, aber es war ihm nicht gelungen, sie zu benutzen, um Nicolae zu vernichten.

Der Kampf in der Luft brach ab, als die Vampire auf Befehl ihres Meisters den Rückzug antraten. Vikirnoff hatte einen der Untoten zerstört und lenkte gerade einen Blitz auf sein schwarzes Herz, um es in Flammen aufgehen zu lassen.

Nicolae war es gelungen, den anderen drei Angreifern zu entkommen und dabei auf Martin aufzupassen und Paters Angriff auf Destiny abzuwehren. Aber er machte sich trotzdem Sorgen. Er konnte spüren, wie schwach Destiny war.

Bring Martin für mich in die Stadt, damit ich mich um Destiny kümmern kann, sagte Nicolae zu seinem Bruder. Seine Wunden müssen versorgt und seine Erinnerungen gelöscht werden.

Er ist dein Mensch. Ich komme mit diesen Leuten nicht gut zurecht. Ich verstehe sie nicht. Ich muss Nahrung zu mir nehmen, wenn ich dir gehen soll, was du brauchst. Du solltest dir das, was du so nötig hast, von diesem Mann nehmen, bevor du zu deiner Gefährtin zurückkehrst. Aber du wirst es nicht tun, weil deine Gefährtin dann böse auf dich wäre. Es ergibt keinen Sinn. Beute ist Beute.

Nicolae warf seinem Bruder einen erzürnten Blick zu, doch die Geste prallte an Vikirnoff ab. Destiny! Ich muss mich darum kümmern, dass Martins Wunden versorgt werden und er heil und unversehrt nach Hause kommt.

Natürlich musst du das. Etwas Neues schwang in ihrer Stimme mit, eine weiche Note von Wärme und Liebe, die vorher nicht da gewesen war. Es war ihr bestimmt selbst nicht bewusst, aber in ihm entzündete es ein Feuer und ließ sein Herz vor Freude hüpfen. Ich bin ein bisschen müde, doch es geht mir gut. Tu, was du tun musst, und komm dann zu mir zurück. Heute lasse ich dich sogar den großen Helden spielen. Du darfst mich in die Arme nehmen und nach Hause tragen.

Nicolae ertappte sich bei einem Lächeln, als er Martin durch die Lüfte trug, zurück in die vergleichsweise sichere Großstadt. Du magst es, wenn ich dich trage. Ganz besonders, wenn du nichts anhast.

Ihr Lachen sprudelte leise und melodisch empor und erfüllte ihn von Neuem mit Freude und Wärme. Aber er hörte auch, wie müde sie war, als sie mit ihm sprach. Du magst es, wenn ich nichts anhabe. Dein Geist ist ein Minenfeld erotischer Wunschbilder. Es stimmt schon, wenn die Leute sagen, dass Männer alle paar Sekunden an Sex denken.

Erzähl mir nichts, Destiny. Ich weiß auch, wie es in dir ausschaut.

Aber ich habe eine Entschuldigung. Du hast all diese Bilder im Kopf, und ich habe sie mir angeschaut. Um sie mir einzuprägen.

Ihre heitere Stimme streichelte seine Haut und fachte die Flammen seines Begehrens an, obwohl er wusste, dass Ruhe und die heilende Erde alles waren, was er seiner Gefährtin in dieser Nacht zugestehen würde. Ich bin stolz auf dich. Er musste es ihr sagen; er konnte seinen Stolz nicht für sich behalten. Die Intensität seiner Gefühle war so stark, dass er zu bersten glaubte. Sie hatte das Unmögliche vollbracht, das Undenkbare.

Du hast dich heute Nacht auch ganz gut geschlagen, obwohl dein Tempo besser sein könnte. Glaub nicht, ich hätte nicht bemerkt, dass du an der Schulter verletzt worden bist, als du deinen Idioten von Bruder ein bisschen zu langsam aus der Schusslinie gebracht hast.

Du kritisierst mich? Nicolae gab sich bewusst schockiert, um sie zum Lachen zu bringen. Er liebte ihr Lachen. Ich hielt das Grillen der Echse für eine ganz nette Idee.

Mein Lehrer war ein Meister seines Fachs. Ehrlich, du könntest ein paar Tipps gebrauchen. Das Lachen in ihrer Stimme wich Schläfrigkeit. Ich bin müde, Nicolae. Ich muss mich bis zu deiner Rückkehr ausruhen.

Er war im Geist bei ihr, als sie ihre Sicherheitsvorkehrungen traf; nun, da er die komplizierten Muster kannte, würde er sie mühelos aufheben können. Ich beeile mich.

Nicht nötig. Ich ruhe mich in der Erde aus.

Und schon war sie fort. Er wusste, dass sie in Sicherheit war und unter der Erde ruhte, dennoch wünschte er, er könnte sie im Arm halten und sich selbst vergewissern, dass ihr nichts zustoßen konnte. Nicolae wollte sie in die Höhle mit den warmen Quellen bringen, um das Heilungsritual an ihr zu vollziehen und ihr Blut zu geben, bevor er sie in die gehaltvolle Erde ihres Verstecks bettete.

Nicolae ging sanft nieder, um Martin nicht noch mehr zu erschrecken. Für seine Landung wählte er einen kleinen Park nicht weit vom Zuhause des Mannes.

Martin zitterte unkontrolliert. »Was waren das bloß für Dinger? Sie haben mir das Leben gerettet.«

Nicolae half ihm, sich auf eine Parkbank zu setzen. »Es ist nicht nötig, das zu erklären. Sie werden sich nicht an diese Wesen erinnern. Sie werden sich an gar nichts erinnern.«

Bei diesen Worten wich Martin vor ihm zurück. »So wie ich mich nicht erinnern kann, Vater Mulligan angegriffen zu haben? Haben Sie etwas damit zu tun? Oder etwa diese ... diese Dinger?«

»Ich weiß nicht, warum Sie sich nicht an das erinnern können, was passiert ist, Martin«, antwortete Nicolae ehrlich. »Ich finde keinen Beweis dafür, dass einer der Untoten Sie in irgendeiner Weise beeinflusst hat. Entweder ist ein Vampir mächtiger geworden, als ich mir je hätte träumen lassen, oder es war nicht das Werk eines Untoten. Ich weiß nicht, was mit Ihnen geschehen ist, doch ich versuche, es herauszufinden.« Er untersuchte die Wunden an Martins Beinen. »Jedenfalls sind Sie nicht vergiftet worden. Diesmal haben Sie Glück gehabt.«

»Glück?« Martin sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Dann fing er beinahe hysterisch an zu lachen. »Ich schätze, Sie haben recht. Wenn Sie nicht gewesen wären, hätte mich dieses Ding bei lebendigem Leib verschlungen. Was war das nur?«

»Martin? Nicolae?« Vater Mulligan tauchte hinter ihnen auf. Er schien sehr erstaunt zu sein, sie im Park anzutreffen. Erst vor wenigen Minuten war er direkt an dieser Bank vorbeigegangen und hatte niemanden in der Nähe gesehen.

Nicolae, der vor Martin kauerte, stieß einen Seufzer aus.

Anscheinend hatte sich alles gegen ihn verschworen. »Wie geht es Ihnen, Vater Mulligan?«

»Was ist denn mit Martins Beinen passiert?« Der Priester starrte betroffen auf die klaffenden, blutenden Bisswunden. »Soll ich einen Krankenwagen rufen?«

»Ich kümmere mich schon darum«, meinte Nicolae. »Was hat Sie denn noch so spät nach draußen geführt?«

»Das Unwetter in den Bergen hat mich unruhig gemacht.« Der Priester bedachte erst Nicolae und dann Martin mit einem langen, forschenden Blick. Die schwärzliche Wunde an Nicolaes Schulter und Martins zerfetzte Beine sagten ihm mehr, als die beiden mit Worten zugeben würden. »Das war kein normales Gewitter. Wer hat gewonnen?«

Nicolae fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Ich würde meinen, es steht unentschieden. Ich kann nicht lange bleiben. Destiny ist krank, und ich muss zu ihr.« Er fixierte den Priester scharf. »Sie haben nicht eine Art Zwang verspürt, hierherzukommen, oder?«

»Sie meinen, als hätte ich nicht anders gekonnt?«

Nicolae nickte. »Es gefällt mir gar nicht, dass Sie überfallen worden sind. Dass Martin benutzt worden ist, um Sie anzugreifen, und dass er heute Nacht draußen war. Und jetzt finde ich Sie hier vor.«

Vater Mulligan schüttelte entschieden den Kopf. »Ich bin aufgewacht, weil der Donner so laut war. Glauben Sie mir, ich war im Vollbesitz meiner geistigen Fälligkeiten. Ich wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, und habe mir Sorgen um meine Gemeindemitglieder gemacht.«

»Es ist wesentlich sicherer, drinnen zu bleiben, Vater Mulligan«, bemerkte Nicolae. Er wandte sich wieder Martins Bein zu. »Wie ist es denen gelungen, Hand an Sie zu legen?«

Martin runzelte die Stirn. »Ich hatte Streit mit Tim. Wir streiten sonst nie, aber dass ich unter Gedächtnisverlust leide und beinahe Vater Mulligan umgebracht hätte, zerstört unsere Beziehung. Ich glaube, Tim hat Angst vor mir. Ich sage ihm immer wieder, dass ich ihm nie etwas zuleide tun könnte, doch andererseits würde ich Ihnen auch nie etwas antun, Vater. Und doch habe ich es getan! Das hat also nicht viel zu sagen.«

»Sie kennen doch John Paul, Martin?«

»Sicher. Jeder kennt ihn. Ein Kerl wie ein Schrank, aber sanft wie ein Lämmchen. Er würde Ihnen sein letztes Hemd geben, wenn Sie es bräuchten.«

»Er hat Helena brutal zusammengeschlagen. Nicht einmal, sondern zweimal«, erklärte Nicolae, ohne Martin aus den Augen zu lassen.

Der Mann wurde sichtlich blass und sah ehrlich entsetzt aus. »Das kann ich nicht glauben. John Paul betet Helena an! Er würde jeden umbringen, der ihr auch nur ein Haar krümmt. Ich glaube Ihnen nicht.« Er sah den Priester hilfesuchend an. »Es muss jemand anders gewesen sein.«

»Er kann sich ebenfalls nicht an seine Taten erinnern, Martin«, erzählte Vater Mulligan leise.

Martin vergrub sein Gesicht in den Händen. »Ich verstehe das alles nicht. Was geht hiervor? Hat es irgendetwas mit diesen Kreaturen zu tun?« Er fuhr sich ein paarmal mit den Händen übers Gesicht, als wollte er die Erinnerung wegwischen. »Werde ich allmählich verrückt? Sagen Sie es mir, wenn es so ist. Ich schwöre, ich würde mich lieber von so einem Untier in Stücke reißen lassen, als einem Menschen, der mir etwas bedeutet, wehzutun.«

»Du bist ganz sicher nicht verrückt«, erwiderte Vater Mulligan und legte dem anderen tröstend eine Hand auf die Schulter. »Und John Paul ist es auch nicht.«

»Ich bin heute Abend spazieren gegangen. Ich wollte nicht, dass Tim mich weinen sieht. Ich habe dieses Ding nicht kommen gesehen. Einen Moment war ich noch allein, dann hatte es mich schon erwischt.« Er erschauerte bei der Erinnerung an die heißen Kiefer, die seine Beine zerquetschten. »Ein Tier, Vater - eine Mischung aus einem Komodo-Waran und einem Krokodil, aber mit Flügeln. Es klingt sogar für mich selbst verrückt.« Er ließ sich an die Rückenlehne der Holzbank sinken. »Ich weiß nicht, ob ich ins nächste Krankenhaus gehen oder mir eine Kugel in den Kopf jagen soll.«

Nicolae beugte sich vor und starrte direkt in Martins Augen. »Sie werden beides schön bleiben lassen. An die Kreaturen, die Sie heute Nacht gesehen haben, werden Sie sich nicht erinnern, weder an meine Anwesenheit noch an unseren Flug. Es gab keinen Kampf in der Luft. Sie haben hier im Park gesessen und mit Vater Mulligan gesprochen. Er hat Sie beruhigt und Ihnen geraten, Vertrauen zu haben und abzuwarten. Es gibt eine Antwort, und Sie werden rehabilitiert werden.«

Martin nickte. Seine Augen trübten sich leicht, als er unter Nicolaes Einfluss in eine tiefe Trance fiel. Der Karpatianer heilte die Wunden an seinen Beinen und achtete darauf, dass nicht der kleinste Kratzer blieb, der auf den Vorfall hingewiesen hätte. Er blickte zu dem Priester auf. »Von hier an übernehmen Sie, Vater Mulligan. Sorgen Sie dafür, dass er nach Hause kommt. Vielleicht sprechen Sie mit Tim und bitten ihn, nicht allzu beunruhigt zu sein. Martin ist nicht gefährlich.«

»John Paul auch nicht, und doch hat er Helena geschlagen«, sagte der Priester. »Ich habe gehört, dass er heute Abend in seinem Haus völlig durchgedreht ist und alles kurz und klein geschlagen hat. Ein Nachbar wollte die Polizei holen, hat aber stattdessen Velda angerufen. Sie sprach sich dagegen aus. Helena ist gut untergebracht, und John Paul kann im Moment nicht zu ihr. Wenn diese Vorfälle aktenkundig werden, hat er Vorstrafen bis an sein Lebensende.«

»Ich habe ihn vorhin gesehen; er war nicht er selbst, sondern wirkte eher wie ein Zombie, der auf Gewalt programmiert ist, aber ich konnte kein Anzeichen von den Untoten entdecken.«

»Sie sprechen von Vampiren, Geschöpfen, die das Blut anderer Lebewesen trinken und ihre Seelen für die Unsterblichkeit aufgegeben haben. Das sind die Kreaturen, die Sie jagen. Und Martin hat sie gesehen.« Ehrfurcht schwang in Vater Mulligans Stimme mit. »Es ist schwer zu glauben, dass solche Wesen tatsächlich existieren. Sind sie durch und durch schlecht? Jenseits jeder Vergebung? Steht das fest?«

Nicolae richtete sich auf und sah den Priester an. Seine Augen funkelten gefährlich. »Versuchen Sie nicht, sie zu retten, Vater. Die Untoten wären entzückt, Sie in die Finger zu bekommen. Ihr Metier ist es, Seelen zu retten, Vater Mulligan. Vampire haben jedoch keine Seelen. Sie sind imstande, Sie zu Handlungen zu verleiten, deren Schlechtigkeit Sie sich nicht einmal annähernd vorstellen können. Muss ich Ihnen einen Befehl geben, Vater?«

Vater Mulligan spähte zu Martin, der mit leerem Gesichtsausdruck in sich zusammengesackt auf der Bank saß. Er wich ein Stück vor Nicolae zurück. »Nicht nötig. Ich werde Abstand zu diesen Wesen wahren.«

»Bleiben Sie bei Ihrem Entschluss.« Nicolae unterlegte seine Stimme mit einem unterschwelligen Zwang, um sicherzugehen, dass sich der Priester tatsächlich von Vampiren fernhielt. Er schwenkte seine Hand, um Martin zu wecken, während er sich gleichzeitig in Luft auflöste und als feiner Nebelschleier davonschwebte.