Kapitel 19

Schweigen herrschte in der Höhle. Destiny betrachtete die Kerzen, die überall brannten, Hunderte von kleinen Lichtpunkten, die wohltuende Düfte von heilenden Kräutern verströmten. In kleinen, flachen Schalen wurden aromatische Öle erwärmt. Diese Kerzen wurden extra von Karpatianern hergestellt, um bei komplizierten Heilungen angewendet zu werden.

Gregori wirkte noch eindrucksvoller als zuvor, als er sich neben Nicolae niederließ. Sein dunkles Haar schimmerte im flackernden Kerzenlicht, und seine Augen glitzerten wie geschmolzenes Silber. Nicolae lag neben Gregori in einer flachen Mulde, den Kopf in Destinys Schoß gelegt. Sanft strich sie ihm sein langes, weiches Haar aus dem Gesicht. Sein Blick ruhte unverwandt auf ihr.

Tief durchatmen, meine Kleine. Du siehst so verängstigt aus. Wenn du so weitermachst, lässt du mir keine andere Wahl, als diesen sorgenvollen Ausdruck von deinem Gesicht zu küssen. Gregori ist ein bedeutender Mann. Er hat dich nicht verdammt, wie du befürchtet hattest. Stattdessen haben er und seine Gefährtin dich, uns beide, willkommen geheißen und sich bereit erklärt, uns zu helfen. Du musst ihm vertrauen.

Destiny holte tief Luft und atmete die heilsamen Düfte ein. Ich vertraue nur dir, Nicolae, sonst keinem. Fast wünschte ich, sie hätten uns verdammt. Diese Frau ist die Tochter des Prinzen, und doch nimmt sie mich mit offenen Armen auf. Sie hat keine Ahnung, was sich in mir verbirgt. Ich fühle mich jedes Mal, wenn ich sie anschaue, schuldig, als versteckte ich ein schreckliches Geheimnis vor ihr.

Was Gregori weiß, weiß auch seine Gefährtin. Savannah ist Karpatianerin und typisch für unser Volk. Niemand wird dich verdammen. Alle werden dich willkommen heißen und versuchen, dir zu helfen. Du darfst dich nicht vor dem Gefühl der Zugehörigkeit fürchten,

Sie vergrab ihre Finger in seinem Haar und packte es mit beiden Fäusten, als könnte sie ihn so halten. Ihre Zunge befeuchtete ihre plötzlich trockenen Lippen, und sie hob das Kinn, um den eigenartigen schillernden Augen des Heilers zu begegnen. Sie hielt seinem gnadenlosen Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken, und versuchte, ihm mitzuteilen, was sie empfand. Destiny wagte nicht, es laut auszusprechen, weil Nicolae so überzeugt war, dass dieser Mann ihr helfen konnte. Sie hoffte, der Heiler würde in ihren Augen lesen, dass sie keine Angst vor dem Tod hatte. Aber falls er Nicolae auch nur ein Haar krümmte, würde sie ihm das Herz herausschneiden und es in Brand stecken, bevor sie ihrem eigenen Tod entgegensah.

Gregori zog seine Augenbrauen hoch, als hätte er tatsächlich Destinys Gedanken gelesen, und warf seiner Gefährtin einen kurzen Blick zu. Ich glaube nicht, dass mein unleugbarer Charme bei ihr gewirkt hat.

Savannah sah ihn liebevoll an und fuhr mit einer Hand durch sein Haar. »Ich weiß, dass du es schaffen kannst, Gregori.« Sie sagte es laut, um Destiny Mut zu machen. Gregori selbst brauchte keine Ermutigung. Du hast vergessen zu lächeln, ermahnte sie ihn. Ich habe mehr als einmal erwähnt, dass Lächeln im Umgang mit anderen sehr wichtig ist, aber ich fürchte, das wirst du dir wohl nie merken können.

Seine dunklen Augenbrauen hoben sich, wenn möglich, noch höher, und seine Augen wurden warm vor Liebe und unterdrücktem Lachen, ehe er wieder ernst wurde und sich Nicolae zuwandte.

Destiny beobachtete, wie sich der Mann seiner äußeren Hülle entledigte, sich von ihnen zurückzog und einfach zu Licht und Energie in ihrer reinsten, selbstlosesten Form wurde. Er trat in Nicolaes Körper ein, um den schwierigsten Kampf zu beginnen, den er je gekämpft hatte. Das verunreinigte Blut trennte sich von dem alten karpatianischen Blut und stürzte direkt auf Nicolaes Herz zu, als wollte es seinen Wirt angreifen.

Destiny, deren Bewusstsein untrennbar mit dem ihres Gefährten verbunden war, sah entsetzt zu, wie das widerwärtige Gebräu seinem Herzen immer näher rückte. Schlaf! Ohne Vorwarnung nutzte sie die starken Blutsbande, um Nicolaes Herz- und Lungenfunktion einzustellen und seine Blutzirkulation lahmzulegen und um zu verhindern, dass die giftige Substanz ihr Ziel erreichte. Sie blieb, wo sie war, und beobachtete, wie sich das fast gleißende Licht durch Nicolaes Körper bewegte und dabei eine ungeheure Wärme abgab. Gregori sprach weder einen Tadel aus, noch ließ er sich von ihrem Eingreifen ablenken.

Das Blut gelierte zu einer starren, pulsierenden Masse. Destiny konnte winzige Blutungen und Verletzungen des Gewebes erkennen. Die Innenorgane waren leicht deformiert, und ganze Armeen von toxischen Stoffen breiteten sich in Nicolaes Blutbannen aus. Ihr wurde bewusst, dass das unreine Blut gewillt war, um den Besitz von Nicolaes Körper zu kämpfen.

Der Heiler bewegte sich unbeirrt durch die dicken Knoten verseuchten Gewebes. Zu Destinys Entsetzen regte sich etwas wie dünne schwarze Fäden innerhalb der pulsierenden Masse, winzige Kreaturen, lebende Parasiten. Am liebsten hätte sie geschrien und nie wieder damit aufgehört. Das Bedürfnis war so stark, dass sie eine Hand auf ihren Mund pressen musste, um den Heiler nicht von seiner Aufgabe abzulenken. Diese abstoßenden Kreaturen lebten in ihr, das wusste sie, und sie hatte Nicolae infiziert. Der Gedanke war ekelerregend. Jahrelang hatte sie mit diesen Parasiten gelebt, ohne je richtig zu erkennen, wie abnorm sie waren, bis sie gesehen hatte, wie sie Nicolaes Körper befielen.

Nicolae rührte sich, und sein Herz schlug ein, zwei Mal. Die widerlichen zuckenden Kreaturen scharten sich zusammen, als warteten sie nur darauf, dass sich sein Blut neuerlich in Bewegung setzte.

Deine Verzweiflung ruft nach ihm. Beruhige dich. Gregori erreichte sie über die geistige Verbindung, die sie mit ihrem Gefährten hatte. Er kann nicht anders, als zu dir zu kommen, wenn du ihn brauchst. Du bist Karpatianerin und eine Frau, kein Vampir. Lass nicht zu, dass er wach wird.

Seine Stimme beruhigte sie mehr als alles andere. Sie zwang Luft in ihre Lunge und rang ihr Entsetzen und ihre Verzweiflung nieder, um Nicolae wieder in den tiefen Schlaf der Karpatianer gleiten zu lassen. Ihre Finger schlossen sich um sein Haar, als wäre es ihr Rettungsanker. Destiny ertrug es nicht, daran zu denken, was in ihr lebte ... und was sie an Nicolae weitergegeben hatte. Sie war unrein.

Du musst dich konzentrieren! Die Stimme war fest. Ich brauche deine Hilfe.

Destiny war bereit, alles zu tun, um Nicolae von dem verseuchten Blut zu befreien. Sie verdrängte ihren Ekel und ihre Schuldgefühle, so gut sie konnte, und konzentrierte sich auf das helle Licht. Gregori bewegte sich stetig auf die Ansammlung dicker Klumpen zu. Die hässliche Masse löste sich in winzige schwarze Parasiten auf, die in alle Richtungen ausschwärmten. Etliche von ihnen griffen an, indem sie ihre zuckenden Körper auf das Licht warfen, als wollten sie es aufsaugen. Sie prallten an eine unsichtbare Barriere und wurden sofort zerstört.

Die Hölle brach aus. Licht explodierte wie eine Lasershow in grellem Weiß, das alles in seinem Umkreis auslöschte. Dann begann der Heiler, die Parasiten zu jagen und zu zerstören, indem er sie unaufhaltsam zu dem alten Blut drängte, das in den Venen schlummerte. Er vernichtete dabei einen Stamm nach dem anderen.

Destiny konnte kaum glauben, wie lange er damit beschäftigt war, jeden Zentimeter von Nicolae sorgfältig zu untersuchen und von dem verseuchten Blut zu reinigen. Der Heiler musste jede Vene, jede Arterie und ganze Netzwerke von Blutgefäßen überprüfen.

Erst jetzt nahm Destiny den Klang vertrauter Worte wahr. Savannah und Vikirnoff hatten den alten Heilungsgesang angestimmt. Das weiße Licht verwischte an den Rändern und wurde beinahe durchsichtig.

Gregoris Geist verließ Nicolaes Körper. Der Heiler taumelte vor Erschöpfung und war so blass, dass seine Haut fast grau wirkte. Destiny biss sich auf die Unterlippe, als sie sah, wie Vikirnoff dem Heiler sein Handgelenk hinhielt. Er hatte keine Gefährtin, die ihn in dieser Welt hielt. Wenn er Gregori sein Blut gab, schuf er ein unlösbares Band zwischen ihnen. Gregori würde ihn jederzeit mühelos finden können. Es war eine selbstlose Tat, ein Opfer, das an ihr Herz rührte.

Sie blieb ruhig sitzen und wiegte Nicolae sanft hin und her. Sie konnte weder Gregori noch Savannah ins Gesicht sehen. Destiny hatte die hässliche Wahrheit über ihr Blut nicht gekannt. Nicolae war erst vor Kurzem infiziert worden, sie war es schon seit vielen Jahren. Ihr war nie klar gewesen, dass die Parasiten von dem Vampir stammten, der sie als Kind in seine Gewalt gebracht hatte.

Der Heiler war mit Nicolae noch nicht fertig, aber er schwankte schon jetzt vor Müdigkeit, und seine ungeheure Kraft erschöpfte sich allmählich. Destiny hielt es für ausgeschlossen, dass er imstande sein könnte, sie nach so vielen Jahren, die sie mit verseuchtem Blut gelebt hatte, zu heilen.

Gregori nahm so viel Blut, dass es Vikirnoff schwächte. Destiny fiel auf, dass der Krieger unsicher auf den Beinen war, als er sich abwandte.

»Du musst ausreichend Nahrung zu dir nehmen. Nicolae wird dein Blut brauchen«, schärfte Gregori ihm ein.

»Ich mache mich auf die Suche, aber vielleicht solltest du auf meine Rückkehr warten, ehe du weitermachst«, schlug Vikirnoff vor. »Ich will dich und die Frauen nicht schutzlos einem Angriff ausliefern.«

»Ich glaube nicht, dass ich warten kann. Nicolaes Gehirn und jedes Organ müssen gereinigt werden.« Gregori streute die reichhaltige karpatianische Erde über Nicolae, öffnete seine Hände und legte ein wenig Erde auf die Innenflächen. »Komm so schnell wie möglich zurück«, bat er.

»Ist es denn überhaupt möglich, ihn zu heilen?«, fragte Destiny. »Hast du gewusst, dass diese Dinger in seinem Blut sein würden? Hast du so etwas schon einmal erlebt?« Sie wollte einfach nicht, dass sie die Einzige mit verseuchtem Blut war. »Wenn Nicolae bereits so stark davon befallen ist, wie muss es dann bei mir ausschauen?«

Gregoris Blick wanderte über ihr Gesicht und hinterließ eine seltsam tröstliche Wärme. »Nein, ich hatte keine Ahnung, was ich vorfinden würde. Alexandria hatte mit Sicherheit nichts dergleichen in ihrem Blut, als Aidan an ihr das Heilungsritual vollzog. Das hier ist etwas ganz anderes, aber ich weiß nicht, warum. Ich werde Nicolae heilen, Destiny, und dich auch. Der Vampir wird hier nicht den Sieg davontragen.« Er sprach mit absoluter Gewissheit. Destiny konnte nicht beurteilen, ob er glaubte, was er sagte, doch seine Worte gaben ihr einen Funken Hoffnung.

Ohne zu zögern, verließ Gregori erneut seinen Körper, um zum heilenden Licht der Karpatianer zu werden.

Destiny nahm vage wahr, dass Vikirnoff die Höhle verließ, aber ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf Gregoris umfassende Vernichtung des Vampirblutes. Nicolaes Organe beherbergten einige winzige unausgereifte Parasiten. Sie schienen in der Lage zu sein, verheerende Schäden anzurichten, indem sie in die Organe eindrangen und sie zersetzten.

Der Heiler vernichtete sie, wo er nur konnte, reinigte die Organe und formte sie neu. Destiny beobachtete ihn wie gebannt, wobei ihre Achtung vor dem Mann zusehends stieg. Ihr war bewusst, wie schwierig seine Aufgabe war, wie viel Kraft es ihn kostete, sich außerhalb seines eigenen Körpers aufzuhalten. Allmählich wurde ihr klar, dass die Form von Energie, die er zum Heilen benutzte, fast unmöglich über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechtzuerhalten war. Sie wurde Zeugin eines Wunders.

Sie war so fasziniert von seiner Arbeit, dass ihr beinahe die plötzliche Unruhe unter den verbliebenen Parasiten in Nicolaes Blut entgangen wäre. Sie sprangen hin und her und krümmten sich wie Maden. Ein dunkler Schatten legte sich auf Destinys Seele.

Die Vampire sind hier bei uns, teilte sie Gregori mit. Ohne Nicolae konnte sie Vikirnoff nicht erreichen. Ihr Gefährte lag wie tot da, und selbst wenn sie ihn weckte, würde er all seiner Kraft beraubt und völlig wehrlos sein. Gregori war noch damit beschäftigt, die Schäden an seinem Gehirn zu reparieren.

Ich wage es nicht aufzuhören. Er würde es nicht überleben.

Ich kann sie aufhalten. Sie sagte es mit absoluter Überzeugung. Du kümmerst dich um meinen Gefährten, während ich auf Savannah aufpasse. Es war ebenso ein Versprechen wie eine Drohung. Wenn Gregori sich zurückzog, bevor er fertig war, würde Nicolae an einer Hirnblutung sterben.

Obwohl Gregoris Instinkt ihn drängte, vor allem seine Gefährtin vor den Vampiren zu retten, wollte er Destiny die Chance geben, sie alle zu verteidigen. Er war tief in Nicolaes Gedankenwelt eingedrungen, hatte Einblick in die Erinnerungen an seine vielen Kämpfe und brillanten Strategien genommen und wusste, dass Nicolae seine Kenntnisse an Destiny weitergegeben hatte. Ebenso sah er die Kämpfe vor sich, die Destiny ausgefochten hatte. Er war bereit, ihr die Gelegenheit zu geben, ihren Gefährten zu retten, indem sie Savannah beschützte. Sollte Savannah in unmittelbare Gefahr geraten, konnte er nicht anders, als ihr zu helfen, aber er war gewillt, Destiny tun zu lassen, was sie am besten konnte: Vampire zur Strecke bringen.

Destiny begriff seinen Gedankengang und akzeptierte ihn ebenso, wie er ihre Entschlossenheit, Nicolae zu retten, akzeptierte.

Savannah schob bereits ihre zierliche Gestalt zwischen ihren Gefährten und seinen Patienten und die drohende Gefahr.

Destiny sprang zu ihr, schlang einen Arm um ihren Hals und bohrte ihre zu langen Krallen ausgefahrenen Fingernägel in Savannahs zarte Haut. »Vertrau mir.« Sie hauchte die Worte an Savannahs Hals und betete inständig, der Heiler möge erkennen, dass sie nur Zeit schinden wollte. Vikirnoff musste jetzt noch in der Stadt sein, um dringend benötigtes Blut zu sich zu nehmen. Er würde so schnell wie möglich zurückkommen.

»Brüder!«, rief einer der Vampire. »Kommt schnell zu mir! Ich habe die Tochter des Prinzen! Sie wird uns den Weg zu dem Bündnis erkaufen. Kommt schnell, bevor der Jäger zurückkehrt und dieser hier seine Kraft wiederfindet. Er befindet sich im Körper des anderen. Unser Blut ist stark und hält ihn dort fest.«

Savannah tat so, als wehrte sie sich nach Leibeskräften. Sie bemühte sich, dabei möglichst hilflos auszusehen. Destiny bog Savannahs Arm auf den Rücken und ließ einen Dolch in ihre Hand gleiten, wobei sie so stand, dass beide Frauen mit ihren Körpern die Waffe verdeckten.

Der erste Eindringling brach durch den Boden und wirbelte eine dunkle Staubwolke auf, als er sich aufrichtete. Ein zweiter kroch wie eine menschliche Echse die Höhlenwand hinunter und klammerte sich an die Felsen über ihren Köpfen. Destiny beobachtete sie, schätzte die Bedrohung ein, die sie darstellten, und entschied rasch, welcher von den beiden der Erfahrenere und Gefährlichere war.

»Nimm sie!«, rief Destiny und stieß Savannah in die Richtung des weniger gefährlichen Vampirs. »Ich töte den Heiler!« Sie schlug einen Salto rückwärts und jagte die Wand hinauf zu der Kreatur, die über ihnen hing, voller Vertrauen darauf, dass Savannah ihren Gegner ausschalten würde.

Savannah hatte noch nie Untote gejagt. Gregori hatte unerbittlich darauf bestanden, dass sie niemals ihr Leben gefährden dürfe, aber sie war oft genug in seinem Bewusstsein gewesen, um zu wissen, was zu tun war. Sie handelte sofort und ohne zu zögern, indem sie sich nach vorn fallen ließ, als wäre sie nicht imstande, die Wucht des Stoßes abzufangen. Der faulige Atem des Vampirs streifte ihr Gesicht, und sie fühlte, wie er seine Hände auf ihre Schultern legte, um sie an zu sich zu reißen. Sie ließ es zu. Der Dolch blieb an ihrem Handgelenk verborgen, und erst in allerletzter Sekunde stieß sie die scharfe Waffe tief in seine Brust, direkt in sein Herz.

Dunkles Blut lief über ihre Hand und versengte ihr die Haut. Der Vampir stieß einen Schrei aus, taumelte zurück und tastete nach dem Dolch. Savannah sprang zurück und schob sich zwischen ihren Gefährten und den Untoten.

Destiny stürzte sich auf den anderen Vampir, der kurz innehielt, um die Ergreifung einer so wertvollen Geisel wie der Tochter des Prinzen mit anzusehen. Er sah sie zu spät kommen, um sich zu bewegen oder die Gestalt zu verändern, und setzte stattdessen auf Angriff. Er und Destiny prallten mit voller Wucht zusammen.

Sie stürzten beide auf den Boden der Höhle, nur wenige Zentimeter von dem verwundeten Vampir entfernt. Beide Vampire versuchten, sich wieder hinzustellen. Destiny warf ihre Beine wie eine Schere um den Vampir, stieß ihn zu Boden und nagelte ihn dort fest. Sofort trieb sie ihre Faust tief in seine Brust. Sie brauchte einen schnellen Sieg, da sie aus dem Augenwinkel sah, wie der verwundete Vampir das Messer aus seiner Brust zog. Schlimmer noch, sie konnte die Anwesenheit eines anderen, viel Mächtigeren spüren. Pater war eingetroffen.

»Verschwinde, Savannah!«, befahl Destiny schroff.

Savannah sprang über den sich windenden Vampir und versetzte ihm einen so harten Tritt an den Kopf, dass er wie ein Stein nach hinten sackte. Ihre Taktik verschaffte Destiny kostbare Zeit, die sie brauchte, um das Herz aus der Brust des Untoten zu reißen, den sie zu Fall gebracht hatte. Sie warf das verdorrte Organ zur Seite und saß schon im nächsten Moment rittlings auf dem verwundeten Vampir, um auch ihm sein Herz zu nehmen.

Savannah baute die nötige Energie auf, um das erste Herz in Brand zu setzen und damit das Schicksal des Untoten zu besiegeln. Als sie sich um wandte, sah sie einen schwarzen Schatten über Destiny schweben, in einer Hand den blutigen Dolch, den sie weggeworfen hatte.

»Achtung!« Sie schleuderte den orangeroten Feuerball nicht wie beabsichtigt auf das Herz des Vampirs, sondern auf den Schatten.

Destiny war es gelungen, ihre Hände um das Herz des verwundeten Vampirs zu schließen, und sie riss daran, während er sich aufbäumte und mit Zähnen und Klauen um sein Leben kämpfte. Bei Savannahs Warnung warf sie sich blitzschnell zur Seite, riss aber das Herz mit sich. Sie war sich der Gefahr durchaus bewusst, doch sie musste diesen Vampir endgültig erledigen, bevor er sich regenerieren oder davonmachen konnte.

Pater stieß gerade mit dem Dolch zu, als Destiny wegtauchte, aber der flammend rote und glühend heiße Feuerball versengte ihm die Schulter. Die Klinge verfehlte Destinys Rücken, schlitzte jedoch ihren Arm auf, sodass das Herz ihren plötzlich leblosen Fingern entglitt. Es rollte fast bis vor die Füße des uralten Meistervampirs.

Pater starrte das obszöne Organ an, bevor er seine Augen auf Destinys Gesicht heftete. Mit einem hasserfüllten Zischen verschwand er.

Destiny presste eine Hand auf die klaffende Wunde und sah Savannah an. »Du musst das Herz und den Vampir zerstören. Ich verfolge Pater. Vikirnoff muss jeden Moment hier sein, sonst wäre Pater nicht verschwunden. Denk dran, deine Hände zu reinigen, damit du keine Blasen oder Verbrennungen bekommst. Du willst sicher nicht das Risiko eingehen, dieses Blut in deinen Körper eindringen zu lassen.«

Bevor Savannah etwas erwidern konnte, hatte Destiny ihre Gestalt verändert und schoss durch das Labyrinth unterirdischer Gänge und Höhlen, um Pater zu folgen. Sie wusste, wohin er wollte und was er vorhatte. Nichts konnte sie aufhalten, nicht einmal das Echo von Nicolaes Protestschrei, das durch ihren Kopf hallte. Destiny hatte Schwächen, die der Vampir ausnutzen konnte: Er würde zu den Menschen in der Stadt gehen, mit denen sie Freundschaft geschlossen hatte.

Sie gab sich keine Mühe, ihre Verfolgung zu verheimlichen, in der Hoffnung, dass Pater umkehren und versuchen würde, sie in einen Hinterhalt zu locken. Dadurch wären zumindest ihre Freunde in Sicherheit. Es war drei Uhr morgens, und die meisten Leute würden friedlich in ihren Betten liegen und schlafen.

Destiny, komm sofort zu mir zurück!

Nicolae war sehr schwach. Gregori konnte ihm kein Blut geben. Destiny wusste nicht einmal, ob Gregori die Heilung abgeschlossen hatte. Wie auch immer, sie konnte ihre ahnungslosen Freunde nicht einem Vampir ausliefern.

Nicolae wusste es und seufzte. Vikirnoff gibt uns gerade Nahrung. Du wirst bald Unterstützung bekommen. Sei nicht leichtsinnig!

Bevor sie antworten konnte, hörte sie den Ruf. Die Macht dieser Stimme war beeindruckend. Pater war einer der Uralten, ein Vampir von ungeheurer Stärke, und jetzt rief er nach Destinys Freunden. Der Zwang, den seine Stimme ausübte, ließ sie erschauern.

Destiny unterdrückte ihre Nervosität. Woher kam das Echo seiner Stimme, seines Geruchs? Sie suchte in allen Himmelsrichtungen nach einem Hinweis auf Paters Aufenthaltsort, aber er verstand es sehr geschickt, sich vor ihr zu verstecken. Frustriert schlug sie die Richtung zu MaryAnns Haus ein. Die Eingangstür stand offen, und Destiny konnte ihre Freundin im Morgenmantel auf dem Bürgersteig gehen sehen. Als sie am Pfarrhaus vorbeikam, tauchte Vater Mulligan auf. Er trug Trainingshosen und hatte nicht wie sonst seine Brille auf der Nase.

Destiny schoss zu ihnen hinunter und nahm in dem Moment, als sie auf dem Gehsteig landete, menschliche Gestalt an. Sie packte jeden der beiden am Arm und zerrte sie zur Kirche. Es war sehr anstrengend, weil die zwei vergeblich versuchten, zu der goldenen Stimme zu kommen, die nach ihnen rief. Als Destiny die Tür aufsperrte, entwischte MaryAnn ihr und musste wieder eingefangen werden. Destiny schubste die beiden energisch in die sichere Kirche.

Sofort verwandelte sich der melodische Klang der Stimme in ein bösartiges Knurren. Vater Mulligan blinzelte und sah sich erstaunt in seiner Kirche um. »Ich habe wohl geträumt.«

MaryAnn ließ sich auf die nächste Kirchenbank fallen und sah Destiny erzürnt an. »Nicht schon wieder! Ich bin im Morgenmantel, um Himmels willen!«

»Bleibt hier! Geht ja nicht nach draußen!«, befahl Destiny. Ohne eine Erklärung abzugeben, lief sie hinaus und schloss die schweren Türflügel hinter sich.

Destiny rannte den Block hinunter, um in die Straße einzubiegen, wo sich die Bar »Tavern« befand. In diese Richtung waren der Priester und MaryAnn gegangen. Zu ihrem Entsetzen sah sie Tim und Martin die Feuerleiter an der Rückseite des Hauses hinuntersteigen. Sie lief die Straße hinauf, die zu dem Lokal und zu Velda und Inez’ Heim führte. Die beiden waren noch nicht draußen, aber Destiny war sicher, sie demnächst auf der Straße auftauchen zu sehen.

Tim sprang fast direkt vor ihr von der Leiter auf den Bürgersteig. Ohne ihr oder Martin einen Blick zu gönnen, ging er die Straße hinunter. Martin folgte ihm eilig.

Wirbelnde schwarze Wolken ballten sich am Himmel, und Blitze zuckten von einer Wolke zur anderen. Destiny starrte misstrauisch nach oben. Ein heftiger Wind brauste durch die Straße, warf Tim und Martin zu Boden und riss sie aus ihrem Bann. Die Wucht des Windes traf Destiny wie ein Fausthieb, ließ sie durch die Luft segeln und ein Stück von den beiden Männern entfernt landen.

Konzentriere dich auf den Kampf! Du kannst ihnen nicht helfen, wenn du tot bist! Nicolaes Stimme war ruhig, doch sie kannte ihn mittlerweile zu gut. Er war unterwegs, und er war zornig. Der Sturm, der sich über ihrem Kopf zusammenbraute, zeugte von einer ganz bestimmten, mühsam beherrschten Wut, die ihr sehr vertraut war.

Destiny rollte sich herum und löste sich in feinen Dunst auf. Im selben Moment spürte sie spitze Krallen an ihrer verletzten Schulter. Rote Tropfen spritzten auf den Boden und verrieten ihren Standort. Wieder wechselte sie im Laufen ihre Gestalt. Sie wollte den Vampir von den Menschen weglocken. Mit mehreren Sprüngen vergrößerte sie den Abstand, bevor sie landete und sich zum Angriff duckte.

Der Vampir tauchte direkt vor ihr auf, ein grausiger Anblick mit seinen spitzen Zähnen und flammenden Augen. Sein fauliger Atem stank nach Verwesung. Ihr blieb nur ein Herzschlag Zeit, ihn genauer anzuschauen. Das war nicht Pater. Wieder hatte der verschlagene Meister einen geringeren Vampir geschickt, um sie aufzuhalten, während er selbst Rache nahm.

Sie hörte Tim vor Angst schreien. Der Nebel dämpfte den Laut, sodass es klang, als käme er aus weiter Ferne. Martin war beklemmend ruhig. Destiny hatte keine Zeit, zu ihnen zu laufen. Sie spürte den Aufprall, als ihre Hand den Vampir traf und Muskeln und Gewebe zerriss. Sie starrte direkt in die blutunterlaufenen Augen. Ihre Faust war tief in seine Brust eingedrungen. Sie starrten einander an. Destiny beobachtete, wie sich sein Gesicht verzerrte, spürte, wie Macht durch sie hindurchfloss, und wusste, dass Nicolae sie benutzte, um ihren Feind zu zerstören. Der Vampir begann um Atem zu ringen.

Die Klaue, die sich in ihr Fleisch bohrte, erschlaffte und sackte nach unten.

Destiny taumelte und zwang Energie in ihren Arm, der tief in der Brust des Vampirs steckte. Mühsam riss sie das Herz heraus und schaffte es, es ein Stück von sich wegzuwerfen. Schwankend setzte sie ihre wackeligen Beine in Bewegung, um Martin und Tim zu suchen.

Eine Hand schoss aus dem Nebel, packte sie am Hemd und schleuderte sie durch die Luft. Sie konnte den Vampir nicht sehen, nur seine Hand, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit aus den Dunstschwaden auftauchte. Destiny schlug an die Mauer von Velda und Inez’ Haus und sackte auf den Bürgersteig. Sie bekam kaum noch Luft. Ihr Gegner war beängstigend stark.

Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, mich zu retten. Destiny kam einfach nicht mehr auf die Beine. Sie konnte sich nur an die Wand lehnen und liegen bleiben.

Er kam aus dem Nebel. Pater. Sein Gesicht war eine hassverzerrte Maske.

Schau ihn an! Nicolae war jetzt noch näher bei ihr.

Destiny konnte ihren Blick nicht auf den Vampir fixieren. Immer wieder verschwamm sein Gesicht vor ihren Augen, sodass es Nicolae unmöglich war, etwas auszurichten.

Mach, dass du wegkommst, Destiny. Verschwinde! Nicolaes Stimme klang gereizt.

Sie konnte sich nicht rühren. Sie konnte nur zuschauen, wie das Wesen an Macht und Größe zunahm, je näher es kam. Sein behaarter Körper wuchs ständig, als er sich vor ihr aufbaute. Er gab ein wütendes Zischen von sich, eine Mischung aus dem Knurren eines Raubtiers und dem kalten Zischeln einer Schlange. Destiny spürte, wie sein Hass sie traf, noch bevor er bei ihr war.

»Du hast alles ruiniert, aber letzten Endes wirst du sterben, wie du es schon vor langer Zeit hättest tun sollen, als du dein Blut verraten hast«, knurrte er und streckte beide Arme nach ihr aus. Eine Hand, an deren Fingern lange, messerscharfe Krallen saßen, langte nach ihrem Hals.

Destiny starrte einfach die Klaue an, die sich bizarr verformte, und wartete darauf, von ihr zermalmt zu werden. Aber bevor Pater sie berühren konnte, schob sich jemand zwischen den Vampir und sein Opfer. Es war eine zierliche Frau mit rosa Strähnchen im Haar und farblich darauf abgestimmten Turnschuhen. Sie sah klein und zerbrechlich aus, wich aber keinen Zentimeter. »Du wirst sie nicht anfassen.«

Destiny blieb beinahe das Herz stehen. Sie konnte nicht zuschauen, wie diese mutige Frau, die hoch in den Siebzigern war, starb, um ihr einige wenige kostbare Minuten Leben zu schenken. »Velda«, flüsterte sie leise.

Die alte Dame starrte den Vampir unverwandt an. »Du wirst sie nicht anfassen«, wiederholte sie. Obwohl sie zu ihren quietschrosa Tennisschuhen eine weite Sweathose und ein Sweatshirt mit Glitzerherzen darauf trug, gelang es ihr, würdevoll und königlich zu klingen, ja, mit einer gewissen Autorität zu sprechen.

Destiny blinzelte Tränen der Bewunderung aus ihren Augen und rappelte sich mühsam hoch, wildentschlossen, Velda vor ihrer tapferen Wahnsinnstat zu bewahren.

Aber zu Destinys Erstaunen erstarrte Pater. Jeder Muskel in seinem Körper schien sich zu verkrampfen. Er war sichtlich blass geworden, und einen Moment lang huschte so etwas wie eine Gefühlsregung über sein Gesicht - eine Mischung aus Schuld, Reue und Kummer. Destiny konnte es nicht enträtseln.

Der Wind fegte durch die Straße, Blitze barsten am Himmel. Über ihnen grollte ein Donnerschlag, so laut, dass die Häuser bebten. Der Blitz erhellte das Gesicht des Vampirs, das früher einmal schön und sinnlich gewesen und jetzt völlig verwüstet war, die abgezehrte Parodie eines Mannes, mit blutbefleckten Zähnen und einem verdorrten schwarzen Herzen. Sein Gesichtsausdruck wechselte von flüchtigem Bedauern zu verschlagener Bosheit.

Pater stieß mit einem langsamen Zischen den Atem aus. »Versuch nicht, mich auszutricksen, Alte. Verschwinde von hier, wenn dir dein Leben lieb ist.«

»Das hier ist mein Zuhause, und du gehörst nicht mehr hierher. Geh, und lass das Mädchen in Ruhe!« Velda klang sehr entschieden und hielt seinem Blick nach wie vor ungerührt stand. Seine hypnotische Stimme funktionierte bei ihr ganz offensichtlich nicht, und der Zwang, der in seinen Befehl einfloss, verfehlte seine Wirkung.

Pater trat näher zu der alten Frau und beugte sich mit gebleckten Zähnen über ihren Hals. Statt wie erwartet zurückzuschrecken, trat Velda der großen, hageren Erscheinung entgegen, als wollte sie ihn umarmen.

Sie legte eine runzlige Hand an seine Brust, und er hielt unwillkürlich inne. »Ich habe auf dich gewartet. Es gab in meinem Leben keinen anderen. Es konnte nie einen anderen geben. Ich werde um dich trauern und hoffen, dass Gott deiner Seele gnädig ist.« Sie hob die andere Hand, die in den Falten ihrer weiten Hosen steckte, und versuchte, einen Holzpfahl in Paters Brust zu rammen.

Er warf den Kopf zurück und heulte, während sich seine Klaue mit einem eisernen Griff um Veldas Handgelenk schloss. Destiny raffte alles, was ihr an Kraft geblieben war, zusammen, sprang auf und stieß Veldas Arm fest nach vorn, sodass der Pfahl, den sie hielt, Paters Brust durchbohrte. Dann riss sie die Frau von dem wild um sich schlagenden Vampir weg. Pater schrie und tobte und überschüttete die beiden Frauen mit Flüchen.

Veldas zierliche Gestalt zitterte von Kopf bis Fuß. Sie presste eine Hand an ihren Mund, ging einen Schritt auf den Vampir zu und streckte ihren Arm aus, als wollte sie ihn trösten. »Es tut mir leid, so leid. Du hast mir keine andere Wahl gelassen.«

»Die einzige Möglichkeit, ihm zu helfen, ist, ihm den Tod zu geben«, versuchte Destiny, Velda zu trösten, während sie die alte Frau schützend hinter sich zog.

Pater wirbelte herum und sah sich Gregori gegenüber. Als er sich zu den Frauen umdrehte, versperrte Nicolae ihm den Weg. Vikirnoff stand rechts von ihm.

Destiny legte einen Arm um Velda. »Wir sollten jetzt gehen.« Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, als sie versuchte, Velda zu ihrem Zuhause zu drängen. »Das wollen Sie bestimmt nicht sehen.«

Velda blieb stehen, um einen letzten Blick zurückzuwerfen. Paters Blick begegnete ihrem. Veldas Lippen bebten. Destiny zupfte sie am Ärmel, um die Frau auf sich aufmerksam zu machen. »Bitte, Velda, lassen Sie die drei ihre Arbeit verrichten.«

Velda brach in Tränen aus und schluchzte gequält auf, als sie fest die Tür ihres Hauses zuschlug und Wind und Regen und den Tod aussperrte. »Ich habe gefühlt, dass er ganz in der Nähe war. Er war für mich bestimmt. Das war er wirklich, Destiny. All die Jahre bin ich allein geblieben, weil ich auf ihn gewartet habe. Und er ist schlecht.«

Destiny, die sich nicht länger auf den Beinen halten konnte, ließ sich in einen Sessel sinken. »Es tut mir leid, Velda, schrecklich leid. Er war nicht immer schlecht. Es gab eine Zeit in seinem Leben, da war er ein bedeutender Mann. Davon bin ich überzeugt.«

Velda ließ den Kopf hängen. »Warum hat er mich nicht gefunden?«

»Ich weiß es nicht. Darauf habe ich keine Antwort.«

»Ich konnte das Böse in ihm sehen, als wäre er von innen heraus verrottet. Er hat das Böse an sich gerissen und es genossen. Ich suchte sein Herz, und es war schwarz. Ich suchte seine Seele und fand sie nicht.« Velda presste eine bebende Hand an ihren Mund. »All die Jahre war ich allein, und das nur seinetwegen. Einen Moment lang sah ich in seinen Augen, wie es hätte sein können, aber er wies es zurück. Ich konnte sehen, wie er es zurückwies.«

»Es tut mir so leid, Velda.« Destiny wusste nicht, wie sie die andere trösten sollte. »Aber danke, dass Sie den Mut hatten, mir das Leben zu retten.«

»Ich hätte auch ihn gerettet, wenn er es zugelassen hätte.« Velda vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte herzzerreißend.

»Es war zu spät«, sagte Destiny leise. »Er hat schon vor langer Zeit aufgegeben.«

Inez kam aus dem Schlafzimmer, runzelte die Stirn und zog sich Wattestöpsel aus den Ohren. »Was ist denn hier los ? Velda! Liebste Schwester! Warum weinst du denn so? Du wirst noch krank werden.« Sie legte einen Arm um Veldas Schultern und wandte sich Destiny zu. »Sie brauchen einen Krankenwagen. Sie sind ja über und über mit Blut beschmiert!«

Nicolae kam herein, ohne anzuklopfen. Destinys hungriger Blick wanderte sofort zu seinem Gesicht. Nicolae, ihr Halt, ihr strahlender Ritter. Mitgefühl für Velda erfüllte sie und drohte sie zu überwältigen. Wir können sie nicht so zuriicklassen.

Ich werde ihr helfen. Du bist völlig entkräftet und schwer verwundet.

Sie warf einen Blick auf das Blut, das ihr Hemd tränkte. Ein Schauer überlief sie. Sie verrottete von innen heraus, genau wie Velda es von Pater gesagt hatte.

Nein. Du hast nichts mit Pater gemeinsam. Du hast unermüdlich für deine Ehre und deine Integrität und das Wohl anderer gekämpft. Nicht dein Blut bestimmt, wer du bist, Destiny.

Ich kann es nicht ertragen, dass in meinen Adern Vampirblut fließt. Destiny senkte beschämt den Kopf, weil sie an ihre eigenen Sorgen dachte, während Velda immer noch leise weinte und Inez begütigend auf sie einredete. Velda hatte alles verloren, und Destiny hatte immer noch Nicolae. Sie würde ihn immer haben. Hilf ihr bitte, Nicolae.

Er wandte sich voller Respekt und Bewunderung an die alte Frau. »Ich danke Ihnen dafür, dass Sie ein so großes Risiko eingegangen sind, um meine Gefährtin zu retten. Ich mache Ihnen dafür das einzige Geschenk, das ich Ihnen geben kann: Abstand zu demjenigen, der zu Ihnen gehört hätte.« Er verneigte sich tief, eine Geste tiefster Hochachtung. Seine Macht reichte nicht aus, das furchtbare Leid auszulöschen - Velda würde immer um ihren Gefährten trauern aber er konnte es lindern und erträglich machen.

Er nahm Destiny in seine Arme. Es ist vorbei. Trotz seiner Verwundung war er ein gefährlicher Gegner. Velda von Angesicht zu Angesicht zu sehen, war ein Schock für ihn. Ich hoffe, ich konnte ihr so etwas wie inneren Frieden schenken.

»Bringen Sie Ihre Schwester zu Bett, Inez«, bat er laut. »Velda, Sie werden schlafen und im Schlaf Heilung finden.«

Nicolae trug Destiny in die kühle Nacht hinaus. Der Wind hatte den Geruch des Vampirs mitgenommen und zur See hinausgetragen. Die Luft war klar und frisch und voller Verheißungen. Nicolae schwebte mit Destiny in den Armen durch die dunkle Nacht, um sie in die Höhle zurückzubringen. Leiser Zorn schwelte in ihm, vermischt mit Angst und Erleichterung. »Du bist ein schreckliches Risiko eingegangen, Destiny.« Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar.

»Konnte Gregori dich vollständig heilen? Ist er sicher?«

»Er hat es geschafft, aber es hat ihn viel Kraft gekostet. Trotzdem kann er es kaum erwarten, dich zu behandeln.«

Sie strich mit einer Hand über sein Gesicht und verharrte kurz auf seinen Lippen, die zu einer schmalen Linie zusammengepresst waren. »Er glaubt nicht wirklich daran, dass er mich heilen kann, nicht wahr?« Ihre Stimme kippte bedrohlich.

»Er wird dich heilen. Doch es wird eine Weile dauern. Vielleicht brauchst du mehr als eine Behandlung, aber er wird es schaffen.« Nicolae strich ihr mit sanften Fingern zärtlich das Haar aus dem Gesicht, als er mit ihr in die dunkle Höhle glitt. Mit einer Handbewegung entzündete er die Kerzen.

»Arme Velda. Sie erkannte in Pater ihren wahren Gefährten. Was für eine furchtbare Tragödie! Eine Verschwendung für sie beide. Einen Moment lang wusste er, wer sie war. Ich konnte es in seinen Augen sehen. Er fühlte etwas. Als sie ihn anschaute und mit ihm sprach, konnte er fühlen.«

Erwischte die Tränen von ihrem Gesicht. »Sie hat unglaublichen Mut bewiesen. Er hätte dich getötet.« Er zog ihre Hände an seine warmen Lippen und küsste sie liebevoll. »Wenn ein Karpatianer auf die dunkle Seite übergeht, ist ein Teil der Tragödie, dass irgendwo an einem anderen Ort oder in einer anderen Zeit eine Frau auf ihn wartet. Pater hätte an seiner Ehre festhalten müssen. Velda ist eine außergewöhnliche Frau. Letzten Endes hat sie ihr Bestes gegeben, um ihn zu befreien.«

»Er hätte auch sie getötet«, sagte Destiny traurig.

»Er hätte keine andere Wahl gehabt. Die Untoten können ihren eigenen Anblick nicht ertragen. Ihr Spiegelbild gibt zu viel von der Wahrheit preis, und die Augen eines Gefährten enthüllen ein unerträgliches Wissen.«

Gregori und Savannah stießen zu ihnen. »Eure Freunde sind sicher und wohlbehalten in ihren Häusern und haben keine Erinnerungen an die Ereignisse der heutigen Nacht«, berichtete Gregori. »Die Gefährtin des Vampirs wird es natürlich wissen, und ich habe weder das Gedächtnis des Priesters noch das von MaryAnn Delaney manipuliert. MaryAnn hat übersinnliche Fähigkeiten und sollte überredet werden, als Gast unseres Prinzen die Karpaten zu besuchen. Ich hoffe, ihr ladet sie zu einem gegebenen Zeitpunkt ein.«

Destiny wusste, dass Gregori dabei an männliche Karpatianer dachte, die durch eine Gefährtin gerettet werden könnten. Sie klammerte sich an Nicolae, ohne sich dessen zu schämen. Sie war müde und zittrig und fühlte sich sehr verletzlich. Der Gedanke an ihr verseuchtes Blut bereitete ihr Übelkeit. »Kannst du das Vampirblut beseitigen?«

»Ich bin sicher, dass ich es kann, aber ich möchte dich bitten, erst eine Blutprobe abzugeben, damit wir es untersuchen können. Es könnte von großem Nutzen für uns sein. Die Bakterienstämme scheinen die Verseuchung zu erzeugen. Werweiß, was dagegen unternommen werden kann, wenn wir erst einmal begreifen, was vorgeht?«

»Nimm, so viel du willst«, bot Destiny an. »Ich bin müde und will nur noch schlafen.« Es war das Einzige, was sie unbeschadet tun konnte. Das Wissen, dass diese widerwärtigen Wesen in ihr lebten, belastete sie stärker als alles andere. Sie fühlte sich unrein, und nichts, was Nicolae oder Gregori sagten, würde daran etwas ändern. »Wenn du mich nicht heilen kannst, Gregori, lass mich nicht am Leben. Ich glaube nicht, dass ich es mit dem Wissen, was in meinem Körper existiert, ertragen könnte.«

»Karpatianer halten durch«, meinte Gregori leise. »So wie dein Gefährte all die Jahrhunderte der Dunkelheit durchgehalten hat. Du wirst es auch schaffen.«

Destiny streckte ihre Arme nach Nicolae aus und nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Du hast mir Hoffnung und Träume und alles an Gutem gegeben, was ich je erlebt habe. Dafür danke ich dir.«

Nicolae küsste sie so zärtlich, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie glitzerten an ihren Wimpern, als er sie in Schlaf versetzte.