16 Nadja
Im Schatten des Baums

Darby O’Gill bettete sie auf seidenen Polstern, unter den breiten, knorrigen Ästen des alten Eibenbaumes. Wo auch immer er sie küsste, hinterließ er feurige Hitze. Seine breiten Hände fuhren mit erstaunlicher Zärtlichkeit an ihr herab. Er murmelte ein paar keltische Worte; sie klangen wie ein Schwur oder wie ein altes Gedicht.

Verwirrung kämpfte gegen Vernunft. Wie konnte sich Nadja bloß so gehen lassen? Was wusste sie denn über diesen Mann? Er hatte ihre journalistische Neugierde mit gezielten Häppchen angefacht, hatte ihren Widerstand mit ein paar schönen Worten gebrochen, sie über seine wahren Absichten angelogen und war überfallartig über sie gekommen.

Und dennoch: Es war wunderschön. In Nadja meldeten sich Lust, Sehnsucht und die Suche nach Geborgenheit. Das Verlangen, zu spielen. Zu besitzen und besessen zu werden. Den uralten Regeln des Menschengeschlechts folgend.

Machen es die Elfen genauso wie wir?, fragte sich Nadja und erschrak im selben Moment über den völlig unpassenden Gedanken. Und: Ist David ein guter Liebhaber?

»Hab keine Angst«, flüsterte ihr Darby ins Ohr. »Konzentriere dich auf mich, gib dich mir einfach hin.«

Er musste ihre Unsicherheit gespürt haben und reagierte augenblicklich darauf, indem er seine Bemühungen um sie verstärkte. Nadja schloss die Augen und beschränkte sich aufs Fühlen. Darbys Hände schienen überall zu sein. Sie drückten, massierten, streichelten ihre erregbarsten Stellen; gaben ihrem Körper mit unendlicher Zärtlichkeit das, was sie vermisste. Er spielte auf ihr wie auf einem Musikinstrument, und er tat dies mit der Virtuosität eines Meisters seines Fachs.

Längst war sie nackt. Wie er dies bewerkstelligt hatte, blieb ihr unklar. Es war einerlei. Darby wälzte sich auf sie, massierte sie mit seinem gesamten Körper.

Er war ein Gott. Eine Sonne, in deren Hitze man zu verbrennen drohte, wenn man ihr zu nahe kam. Er forderte sie auf, seinem Rhythmus zu folgen, völlig mit ihm eins zu werden.

Er gab keine Nadja mehr, und es gab keinen Darby mehr. Sie waren untrennbar miteinander verbunden. Ihr Herz schlug rasend schnell, im Takt einer Nähmaschine. Bäche von Schweiß rannen ihren Körper hinab. Kleine Teiche bildeten sich an den Halsfalten und am Nabel.

Unter ihren Händen spürte sie die Früchte des Eibenbaumes. Nadja öffnete die Augen. Zu Mus hatte sie sie zermatscht. Roter Saft, so dunkel wie Blut, troff an ihren Unterarmen zu Boden.

Nadja erschrak. War dies etwa wirklich Blut? Liebte er sie zu Tode, trieb er sie in einen Liebesrausch, in dem alles endete? Nicht in den petit mort, wie die Franzosen zum Orgasmus sagten, sondern in die endlose Schwärze?

Darby durchdrang sie mit all seinen Sinnen. Sein Gesicht lächelte auf Nadja herab. Er genoss die Leidenschaft, und er gab seinen Genuss weiter.

Nadja zog die Beine hoch, wollte ihn noch enger und noch intensiver in sich spüren; jetzt, da sie sich dem Höhepunkt ihrer Erregung näherte. Sie presste ihm ihr Becken entgegen, ließ seine gewaltigen Kräfte über sich ergehen. Sein rotes Haar fiel ihr ins Gesicht. Gier, wie sie sie niemals zuvor in den Augen eines Menschen bemerkt hatte, blitzte für einen Augenblick auf. Das Licht- und Schattenspiel zwischen den Ästen der Eibe zeichnete Darby einen Moment lang ein mächtiges Geweih an den Kopf, verwandelte ihn in ein diabolisches Mischwesen.

Dann überkam es ihn. Gleichzeitig mit ihr.

Unglaublich. Niemals zuvor hatte sie diesen Gleichklang der Gefühle beim ersten Sex mit einem Mann erlebt. Punktgenau, als wüsste er alles über sie – wie sie funktionierte, dachte, fühlte –, schenkte er ihr dieses Erlebnis.

Nadja schrie ihre Lust hinaus. So laut, dass man sie womöglich am Fuß der Eiche, im Eborachonn, hörte. Es war ihr egal. Die ganze Welt durfte wissen, was ihr soeben widerfuhr.

Darby antwortete. Es war ein röhrender Ruf, fröhlich, erschöpft und kräftig, wie von einem Berg hinab, den er soeben bezwungen hatte.

Nadja lächelte schwach. Es schmeichelte ihrer Eitelkeit, dass auch er in eine Ekstase der Geilheit gefunden hatte. Dass sie ihm zurückgeben konnte, was er für sie getan hatte.

Krämpfe meldeten sich in Ober- und Unterschenkeln. Völlig verdreht lag sie zwischen mehreren Polstern auf bloßem Steinboden. Irgendetwas Spitzes drückte in ihre rechte Pobacke. Aus ihrem Mund fühlte sie dünne Fäden von Speichel tropfen, und ihre Handgelenke schmerzten.

Darby ließ seinen Kopf auf ihren Hals hinabsinken, immer noch leicht zitternd. Er hatte sich verausgabt, wie man es von einem Mann nur erwarten konnte.

Sie ließ ihn trotz der Schmerzen gewähren. Er hatte sich diesen Moment der Schwäche mehr als redlich verdient. Nadja fuhr ihm mit den Händen durchs rote, ungebändigte Haar, streichelte sanft seine kratzigen Wangen. Ein Blatt fiel im Zeitlupentempo von der Eibe herab, dann noch eins. Sie landeten auf Darby, ohne dass er es bemerkte.

Nadja schloss die Augen und versuchte, den Film, durch den sie sich derzeit bewegte, ein Stückchen zurückzudrehen. Sie wollte ihre Gefühle nochmals einfangen, diese lustvollen Augenblicke ein weiteres Mal durchleben. Tiefe Befriedigung packte sie wie in einen Wattebausch ein. Sie fühlte sich toll, einmalig, wie das wichtigste Lebewesen des Universums.

Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Cara. Zwei, drei Handspannen oberhalb von ihr. Der Hund betrachtete sie interessiert und hechelte leise.