5

Als der Prinz mit seinen Leuten am Schauplatz des Überfalls eintraf, fluchte er in wildem Zorn. Das tote Pony, die Blutflecken, die Spuren der Querschläger an den Felswänden der Schlucht, Zenas zerrissenes Reitkostüm und die zerfetzte Bluse bezeugten eine grausame Attacke. Entschlossen folgten sie der Fährte der Entführer, und Alex malte sich aus, wie er jeden einzelnen ganz langsam und qualvoll töten würde.

Ein heftiges Gewitter mit sturzbachartigen Regenfällen verwischte die Spur, und sie verloren fast einen ganzen Tag. Auf Alex’ Befehl schwärmten die Männer aus, um festzustellen, welche Richtung die Banditen mit ihrer Gefangenen eingeschlagen hatten. Gegen Abend verkündeten endlich zwei Gewehrschüsse den Erfolg eines Fährtenlesers. Die Schurken schienen das Terrain gut zu kennen. Abseits von den üblichen Routen, gelang es ihnen immer wieder, ihren Fluchtweg zu verschleiern. Aber die erfahrenen Begleiter des Prinzen ließen sich nicht in die Irre führen.

Am nächsten Tag entdeckten sie deutliche Sohlenabdrücke zwischen den Hufspuren. Offenbar hatten Zena und die Banditen die Pferde am Zügel durch ein schlammiges, mit dichtem Gestrüpp bewachsenes Tal geführt. Von den Berghängen war Schiefergeröll herabgerutscht, hatte sich zersetzt und eine scheinbar feste bläuliche Masse gebildet. Doch der Eindruck täuschte, denn darunter lag weicher Boden. Sogar die reiterlosen Pferde waren bei jedem Schritt tief eingesunken. Auch Zenas zierliche Stiefel hatten sich merklich eingegraben. Nachdem Alex und seine Männer die Pferde durch das Tal geführt hatten, stiegen sie wieder auf. Der Prinz war ungewöhnlich still. Neben Ivan ritt er an der Spitze des Trupps. In ihren Lederhosen und Schafspelzmänteln sahen sie wie Einheimische aus.

Immer wieder musterte Ivan die gerunzelte Stirn seines Herrn, und schließlich brach er das Schweigen. »Haben Sie die Fußspuren der Mademoiselle gesehen, Sasha?«

Alex nickte wortlos.

»Ist es nicht offensichtlich?«

»Allerdings.«

»Haben Sie’s gewußt, Sasha?«

»Nein.«

»Um Himmels willen, wieso hat sie’s Ihnen verheimlicht?«

»Warum tun die Frauen dies oder jenes?« erwiderte Alex bitter. »Großer Gott, wie soll ich dieses Rätsel lösen?«

»Bei dem mörderischen Tempo, das die Banditen anschlagen, könnte sie das Kind verlieren. Sie waren der erste Mann in ihrem Leben, nicht wahr, Sasha?«

Sekundenlang schloß der Prinz die Augen. »Ja.«

»Also ist sie seit höchstens zwei Monaten schwanger.«

»Heute abend reiten wir weiter, bis wir die Spur nicht mehr sehen.« Ich hätte es merken müssen, dachte Alex. All die Tränen, die Launen, die Wutanfälle – jetzt kenne ich den Grund …

Mit schwangeren Frauen hatte er nur geringe Erfahrungen gesammelt. Nach den zumeist kurzfristigen Affären war der Kontakt zu seinen ehemaligen Geliebten abgebrochen. Wenn ihn einige in tränenverschmierten billets doux über die Konsequenzen der Liaison informiert hatten, waren sie mit unpersönlichen Bankschecks abgespeist worden. Sein Gewissen hatte er mit der Zusicherung beruhigt, seine illegitimen Sprößlinge würden eine lebenslange Apanage erhalten.

Bald nachdem sich Khazi und seine Männer verabschiedet hatten, stiegen Mulloh Shouaib und zwei enge Mitarbeiter die Treppe hinauf, um die neue Ware zu inspizieren und eventuell ihre Reize zu genießen.

Inzwischen gebadet, in saubere Kleider gehüllt und verköstigt, hatte Zena ihre Schwäche überwunden und bereitete dem Hausherrn eine unangenehme Überraschung. »Wenn Sie mich anrühren«, zischte sie und richtete sich auf den Seidenkissen auf, »wird mein Großvater Iskender-Khan an Ihrer Familie grausame Rache üben, bis zur dritten Generation!«

Ohne Scharfsinn und ungewöhnliche Klugheit wäre Mulloh Shouaib in der gefährlichen Sklavenhandelsbranche niemals steinreich geworden. Sobald der Name Iskender-Khan erwähnt wurde, erkannte er, daß er das Geschäft rückgängig machen mußte. Seine Angst vor der Rache des mächtigen Clan-Führers besiegte die Habgier.

»Reitet Khazi nach und bringt ihn hierher«, befahl er seinen beiden Männern, und sie eilten beflissen davon.

Abschätzend musterte er die Frau, die in einer Zimmerecke saß und ihn wütend anstarrte. Unter der dünnen Haremskleidung, einer weiten Seidenhose und einem knappen ärmellosen Jäckchen, zeichnete sich ihr wohlgeformter Körper ab. »Leider muß ich auf das Vergnügen Ihrer Gesellschaft verzichten, Mademoiselle«, seufzte er. »Bereiten Sie sich auf eine weitere Reise vor.«

Wenig später flog die Tür auf. Khazi stürmte ins Zimmer und warf ihr eine Burka zu. »Mit den Frauen hat man immer nur Ärger. Mulloh will Sie nicht behalten. Also reiten wir weiter nach Süden. Am liebsten würde ich Ihnen die Kehle durchschneiden und das Geschäft verlorengeben. Kommen Sie!« befahl er, zog sie auf die Beine und zerrte sie die Treppe hinab.

Als sie alle wieder auf den Pferden saßen, teilte er seinen Gefährten mit, sie würden südwärts zu Ibrahim Beys Lager reiten. Mulloh Shouaib hatte ihm vorgeschlagen, Zena dorthin zu bringen. Sollten sie Ibrahim Bey nicht antreffen – er reiste gerade nordwärts, um neue Frauen für sein Serail zu beschaffen –, würden sie Gori aufsuchen. In diesen Ort wollte Mulloh eine Nachricht schicken und einen seiner Agenten beauftragen, das Mädchen an einen persischen Gesandten zu verkaufen. Natürlich würde Mulloh einen entsprechenden Lohn für seine Dienste verlangen. Wenn er bei diesem Geschäft nur die Rolle des Vermittlers übernahm, riskierte er nicht viel.

Die Truppe des Prinzen erreichte das Dorf Simonethi, und die Männer trennten sich, um die Bewohner nach Zena zu befragen.

Nachdem Alex seinen rassigen Hengst Pasha vor einem Cafe festgebunden hatte, sank er müde auf eine Bank neben der Tür.

Er bestellte Tee und Cognac, stützte die Ellbogen auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen.

Während ein scheinbar endloser Tag in den anderen überging, wuchs seine Angst, Zena würde ihre erzwungene beschwerliche Reise nicht verkraften. Sie war so zart gebaut. An das Kind unter ihrem Herzen wagte er gar nicht zu denken.

Das Cognacglas leerte er in einem Zug, aber den süßen Tee trank er etwas langsamer, um sich eine Weile auszuruhen, ehe er seine Suche fortsetzte.

Mullohs Agent Abudullah bewunderte das edle Pferd mit dem reichverzierten russischen Sattel. Zweifellos war der Giaur, der im Cafe saß, ein reicher Mann. Vielleicht würde er sich für Khazis Gefangene interessieren. All diese barbarischen Giaurs neigten zu hemmungsloser Sinnenlust.

Gleichmütig hob Alex die Brauen, als sich der kleine Mann zu ihm setzte.

»Möchten Sie ein Mädchen kaufen?«

»Nein.«

»Sehr jung, höchstens siebzehn.«

»Kein Bedarf.«

»Einem so jungen Mädchen könnten Sie beibringen, alle Ihre Wünsche zu erfüllen. In diesem Alter sind die Frauen noch gelehrig. Und sie würde schon heute abend Ihr Bett wärmen. Wann haben Sie zum letztenmal einen weichen weiblichen Körper umarmt?«

Vor zehn Tagen, dachte Alex wehmütig. »Nein, ich bin nicht interessiert.«

»Das werden Sie sicher bereuen. Eine zauberhafte Frau mit leuchtendrotem Haar, tiefblauen Augen und weißer Haut. Und an einer Hüfte prangt eine entzückende blütenförmige Narbe …«

Alex beugte sich vor und starrte Abudullah so durchdringend an, daß das kriecherische Lächeln des Mannes erlosch. »Wo ist sie?«

»In Gori.«

»Bringen Sie mich hin!« stieß Alex hervor und sprang auf. Sein Herz schlug wie rasend. Zwei Frauen mit solchen Narben konnte es nicht geben – es mußte Zena sein.

Schon nach kurzer Zeit traf er mit seinem Gefolge in dem kleinen Dorf ein, und der Agent führte sie in einen Hof. »Wenn Sie ein paar Minuten warten würden, Exzellenz …« Abudullah hatte gehört, daß der Giaur von seinen Begleitern mit ›Prinz‹ angeredet wurde. Unterwürfig verneigte er sich. »Nehmen Sie bitte Platz. Ein Diener wird Ihnen Erfrischungen bringen. Inzwischen hole ich die Frau.«

Er eilte ins Haus. Viel zu ungeduldig, um sich zu setzen, wanderte Alex umher. »Glaubst du, es ist Zena?« fragte er Ivan, der erschöpft an einer Mauer lehnte.

»Keine Ahnung, Sasha. Diesen gerissenen Mingrelien darf man nicht trauen. Die würden für dreißig Kopeken ihre eigenen Mütter verkaufen. Machen Sie sich keine zu großen Hoffnungen.«

Händeringend rannte der Agent in den Hof zurück.

»Exzellenz, zu meinem tiefsten Bedauern wurde die Frau schon vor drei Tagen verkauft. Aber wenn sie sich meine restliche reizvolle Ware ansehen möchten …«

Hätte Ivan ihn nicht zurückgehalten, wäre Alex in hellem Zorn über den kleinen Mann hergefallen. »Bedenken Sie doch, Sasha – als Toter kann er Ihnen nichts nützen. Er weiß, wer die Mademoiselle kaufte.«

Diesem Argument konnte sich der Prinz nicht verschließen. Er verschonte den zitternden kleinen Mann, schwang seine Reitpeitsche und zertrümmerte einen Fensterladen aus filigranem Elfenbein. »Sieh zu, daß du herausfindest, wer der Käufer ist, Ivan.«

Wenige Minuten später kehrt der Diener zu ihm zurück. »Ein Scheich namens Ibrahim Bey. Sehr einflußreich und eng mit dem Sultan von Stambul befreundet.«

»Welche Leute er kennt, kümmert mich nicht. Wo finden wir ihn? Reiten wir hin.«

»Seien Sie vernünftig, Sasha! Wir sind nur zu sechst, und wie mir der verängstigte Agent erklärt hat, halten sich über zweihundert Mann im Lager des Scheichs auf. Er verreist stets mit einem fürstlichen Gefolge und einem Harem.«

»Wie auch immer, ich werde eine Bewohnerin dieses Harems entführen.«

»Suchen wir erst einmal eine Unterkunft, machen wir uns frisch, und dann überlegen wir, wie wir Zena befreien können.«

Nachdem sie ein Quartier gefunden hatten, wuschen sie den Reisestaub von ihren müden Körpern.

»Am besten tragen Sie Ihre Uniform, Sasha«, empfahl Ivan. »Damit bekunden Sie die Macht des russischen Reichs. Und das ist sicher vorteilhaft, wenn man sich mit diesen perfiden Grenzstämmen auseinandersetzen muß, die ständig ihr Fähnchen nach dem Wind hängen.«

Sie entschieden, daß Hauptmann Prinz Alexander Nikolaevich Kuzan um eine Audienz bei Ibrahim Bey ansuchen würde, als diplomatischer Gesandter aus Petersburg. Alex ließ sich nicht dazu überreden, bis zum nächsten Morgen zu warten. »Verdammt, Ivan, ich befolge schon genug von deinen klugen Ratschlägen. Am liebsten würde ich dreihundert Krieger anheuern und das Lager des Scheichs dem Erdboden gleichmachen – wenn ich nicht befürchten müßte, Zena zu verletzen. Wir reiten noch heute nacht.« Keine Minute länger als unbedingt nötig dufte Zena in diesem Harem bleiben, wo sie den lüsternen Attacken eines anderen Mannes ausgeliefert war.

»Komm, meine Liebe, nimm noch einen Schluck und vielleicht ein Bonbon.«

Zena wandte sich zum Besitzer der schmeichelnden Stimme und schaute durch das schmale, dunkelhäutige Gesicht des Türken hindurch. Gehorsam hob sie den Kelch an die Lippen und nippte an dem duftenden, schweren Wein7. Dann ließ sie sich von langen, dünnen Fingern ein Konfekt aus Aprikosen und Mandeln in den Mund schieben.

»Bald wirst du dich besser fühlen, meine schöne Blume. Um gesund zu bleiben, muß man sich stärken.« Die braune Hand streichelte Zenas bleiche Wange. »Wie still und teilnahmslos du bist, meine Teure. Gleich wird sich dein Blut erwärmen und deine Sehnsucht wecken.« Die Kanthariden, die Ibrahim Bey dem Wein beigemischt hatte, würden nach spätestens vierzig Minuten in den Blutkreislauf des Mädchens gelangen und ihre Wirkung ausüben. Ungeduldig wandte er sich zu zwei Dienerinnen. »Hat sie genug gegessen?«

»O ja, ehrwürdiger Herr. Das Haschisch in den Bonbons regt den Appetit an.«

Und es führt zu einer angenehmen Lethargie, ergänzte er in Gedanken. Als er die Frau einigen Banditen aus dem Gebirge abgekauft hatte, war sie nicht so sanftmütig gewesen, sondern eine zornige, schreiende, fluchende Furie. Ein gewisses feuriges Temperament wußte er zwar zu schätzen, aber ein widerspenstiges Biest konnte er nicht in seinem Bett gebrauchen.

Khazi hatte Zena gewarnt, er würde ihr die Kehle durchschneiden, wenn sie in Gegenwart des Scheichs den Namen Iskender-Khan erwähnen würde. Da sie in seinen funkelnden dunklen Augen las, wie ernst er die Drohung meinte, begnügte sie sich damit, den Banditenführer und Ibrahim Bey wortreich zu beschimpfen.

Nach ihrer Ankunft im Lager des Scheichs hatte man ihr sofort eine Mahlzeit serviert, mit einer kleinen Menge Haschisch vermischt, und ihr Kampfgeist war verebbt. Nun erhielt sie die Droge regelmäßig, schon seit drei Tagen, und verwandelte sich in jene fügsame Gefährtin, die dem Scheich vorschwebte.

Für seinen Geschmack war sie viel zu dünn. Der Abreks Khazi hatte erklärt, sie hätten vor irgendwelchen Fährtenlesern fliehen müssen und unterwegs kaum Zeit gefunden, um zu essen. Aber nachdem die Frau drei Tage lang nahrhafte Speisen zu sich genommen hatte, begann sich ihr Körper zu runden.

»Zieht sie an und bringt sie in mein Zelt«, befahl er und entfernte sich. Diese Nacht wird sie mir gehören, dachte er auf dem Weg zum Hauptquartier. Jetzt wollte er sich nicht mehr gedulden und endlich die Freuden genießen, für die er einen so hohen Preis gezahlt hatte.

Widerstandslos ließ sich Zena von den beiden dunkelhäutigen Mädchen betreuen. Während sie ein Bad in einer großen Kupferwanne nahm, wurde ihr Haar gewaschen. Danach trockneten die Dienerinnen ihren Körper und die roten Locken, bürsteten sie und bestrichen sie mit einer Essenz, die nach Flieder duftete. Sie rasierten ihre Beine und Achselhöhlen, und als sie das Messer zwischen den Schenkeln spürte, protestierte sie nur wenige Sekunden lang, ehe sie wieder in ihrer angenehmen Trägheit versank. Eine weiche Wolke schien ihr Gehirn einzuhüllen. Wahrscheinlich ist das alles nicht so wichtig, dachte sie.

Nun wurde sie auf ein Leinensofa gelegt und mit einem warmen, parfümierten Öl eingerieben. Die kleinen Hände, die ihre Haut liebkosten, sandten betörende Wellen durch ihre Adern und entlockten ihr ein leises Stöhnen. Lächelnd nickten sich die beiden Mädchen zu. Die Kanthariden zeigten bereits den gewünschten Effekt. Bald würde die zarteste Berührung ein sinnliches Feuer entfachen.

Sie zogen Zena auf die Beine und streiften ihr ein Gewand aus feinen, silbern bestickten meergrünen Ziegenlederstreifen über, die von goldenen Ringen zusammengehalten wurden. Unter den Brüsten wurde ein Lederband befestigt, mit winzigen goldenen Perlen besetzt, Von dieser Stützte etwas angehoben, wirkte ihr Busen noch voller. Die Mädchen holten einen Kosmetikkoffer aus Elfenbein und färbten die Brustwarzen, die zwischen den Lederstreifen zu sehen waren, mit Karmin, so daß sie hellrot schimmerten. Als der Zobelpinsel über die zarten Knospen glitt, begann Zena zu kichern.

Schließlich legten ihr die Dienerinnen einen goldenen Gürtel um die Hüften. Daran hingen zwei grüne Schleier, an den unteren Enden von ringförmigen Stoffbändern zusammengefaßt. Schweigend bedeuteten ihr die jungen Frauen, die nackten Füße durch diese Öffnungen zu stecken. Der transparente Schleier bedeckte die Beine, ließ aber den Bauch und die Innenseiten der Schenkel frei.

Während sie zu Ibrahim Beys Hauptquartier geführt wurde, erfrischte der kalte Abendwind ihre heiße Haut, die zu vibrieren schien. In ihrem Unterleib spürte sie ein seltsames Pochen, das hin und wieder den Nebel ihres Nirwanas zerriß. Die Mädchen zogen einen schweren Vorhang beiseite und schoben sie in ein Zelt, das von zahllosen winzigen Lampen erhellt war. Geblendet blinzelte sie ins verwirrende Licht.

»Komm zu mir, mein Täubchen«, lockte die vertraute Stimme.

Unsicher beobachtete sie die große, in eine lange Robe gehüllte Gestalt, die von einem Podest herabstieg. Dann ging sie auf die ausgestreckte Hand zu. Bei jedem Schritt wippten ihre wohlgeformten Brüste, vom engen Lederband hochgehoben.

Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis sie den Mann erreichte. Endlich berührte sie seine Finger, die sich kühl anfühlten – ah, so angenehm kühl. In ihrem Körper hatte sich eine verzehrende Hitze ausgebreitet. Ibrahim starrte sie lüstern an. Voller Stolz drehte er sie herum und präsentierte sie seinen Gästen. Ein Dutzend schwarze Augenpaare bewunderten die makellose Schönheit, ein kostbares neues Juwel im Harem des Scheichs.

»Wenn du müde bist, Ibrahim Bey, könntest du deinem Neffen einen Gefallen erweisen. Ich würde gut für sie bezahlen, und ich will mich in Geduld fassen.«

»Vielleicht, Abdulhamit«, erwiderte der Scheich lachend. »In meinem Alter wird man schnell von Langeweile heimgesucht. Vermutlich mußt du nicht allzulange warten.«

Auch die anderen warfen begehrliche Blicke auf das Mädchen, wagten aber keine Ansprüche anzumelden, nachdem Abdul sein Interesse bekundet hatte. Er war nicht nur der einflußreichste Berater seines Onkels, sondern auch für sein zügelloses Temperament bekannt, das ihn oft genug bewog, sein Schwert zu zücken. Den Zorn eines solchen Mannes durfte man sich nicht zuziehen.

»Setz dich zu mir, meine Süße.« Ibrahim Bey führte Zena die Stufen des Podests hinauf und sank mit ihr auf mehrere Seidenkissen. Dann klatschte er in die Hände, und das Essen wurde aufgetragen. Während er seine neue Haremsdame mit verschiedenen Köstlichkeiten fütterte, lauschten sie der Musik eines kleinen Orchesters. »Noch eine Zuckerpflaume, meine Liebe«, drängte er und steckte eine weitere, mit Haschisch angereicherte Süßigkeit in Zenas Mund. Die Wirkung der Kanthariden im Wein würde die ganze Nacht anhalten. Doch der Haschisch-Effekt mußte alle zwei bis drei Stunden erneuert werden.

Ein nervöser Diener unterbrach die beschauliche Mahlzeit und neigte sich zu Ibrahim Bey. »Verzeihen Sie die Störung, ehrwürdiger Herr, aber ein russischer Besucher wünscht Sie zu sprechen.«

Noch hatte der kluge, scharfsinnige Scheich nicht entschieden, auf welche Seite er sich im fortgesetzten Konflikt zwischen Rußland und der Türkei schlagen wollte. Er würde sich allerdings möglichst lange heraushalten und irgendwann hoffentlich die Gunst des Siegers genießen. Wie er sich als eingefleischter Pragmatiker eingestehen mußte (obwohl es den Traditionen seiner Ahnen widersprach), würde das riesige Heer des russischen Reichs die zahlreichen, wilden, unabhängigen Türkenstämme im Grenzgebiet mühelos unterwerfen. Wenn die schwache Türkei auch vom mächtigen England unterstützt wurde, konnte man einige kleinere Stämme an der Grenze vielleicht – im Interesse guter diplomatischer Beziehungen – mit dem kriegerischen Rußland versöhnen, ohne die weitreichenden englischen Pläne im Nahen Osten zu durchkreuzen.

Angesichts dieses Ziels beschloß der Scheich, den Gast freundlich zu empfangen.

In stolzer Haltung betrat der russische Offizier das Zelt. Als er Zena entdeckte, erstarrte er mitten in der Bewegung. Ibrahim ging lächelnd zu ihm. »Offenbar wissen Sie weibliche Schönheit zu würdigen, Hauptmann. Ein besonders exquisites Exemplar, nicht wahr?«

Mühsam riß Alex seinen Blick von der halbnackten Gestalt los, die sich träge auf den Seidenkissen räkelte und ins Leere schaute. »In der Tat, ein erstklassiges Juwel.«

Formvollendet verneigte er sich. »Hauptmann Prinz Alexander Nikolaevich Kuzan, mein Herr. Verzeihen Sie mir, daß ich Sie bei Ihrer Mahlzeit störe.«

»Oh, es ist mir ein Vergnügen. Leisten Sie uns doch Gesellschaft.«

»Es wäre mir eine Ehre, Ibrahim Bey«, erwiderte Alex und richtete seine Augen wieder auf Zena, die ihren halb bekleideten Körper vor all den Männern zur Schau stellte. Notgedrungen bezwang er seinen Zorn.

»Meine Freunde – Hauptmann Prinz Kuzan.« Der Scheich stellte ihm die Anwesenden vor, und Alex nickte jedem einzelnen Gast höflich zu. »Und nun müssen Sie das neue Mitglied meines Haushalts kennenlernen, das mich heute nacht zum erstenmal beglücken soll. Vor drei Tagen habe ich diese reizvolle Frau gekauft und seither mit gewissen Methoden gefügig gemacht. Mein Täubchen, erhebe deine mitternachtsblauen Augen zu unserem Besucher. Hauptmann Prinz Alexander Kuzan – Delilah, wie ich sie aus offensichtlichen Gründen genannt habe.«

Prinz Alexander Kuzan … Nur langsam durchdrang der Name den Nebel, der Zenas Gehirn umhüllte. Prinz Alexander Kuzan – wie vertraut das klang. Sie blickte auf, und ihr Verstand versuchte zu registrieren, was ihr Augen deutlich sahen. Alex, formten ihre Lippen. Aber sie brachte keinen Laut hervor. Dann nahm ihr Gesicht wieder jene ausdruckslose Miene an, die es schon den ganzen Abend zeigte.

»Seien Sie ihr nicht böse, Hauptmann«, bat Ibrahim Bey. »Manchmal verkriecht sie sich in ihrer eigenen Welt. Zum Glück kann man sie sehr schnell in die Wirklichkeit zurückholen. Delilah, meine Liebe!« Er eilte zu Zena und schnippte dicht vor ihrer Nase mit den Fingern. »Schau mich an!« Sofort gehorchte sie. »Wie brav und fügsam sie ist, nicht wahr, Prinz Alexander? Nehmen Sie doch Platz! Nun wird Delilah für uns tanzen.«

Er führte sie die Stufen des Podests hinab, nachdem sich sein Gast auf die Kissen gesetzt hatte, klatschte in die Hände, und das Orchester intonierte eine leise, monotone Melodie.

In Zenas Adern schienen die Drogen zu singen, und die Musik erregte sie noch mehr. Langsam begannen ihre Hüften zu kreisen. Sanfte Klänge liebkosten ihren Körper, die wohlgeformten schlanken Beine paßten sich dem sinnlichen Takt an. Rhythmisch hob und senkte sie die Arme, die vollen, von Lederstreifen umspannten Brüste bebten. An den Innenseiten ihrer Schenkel rannen schimmernde Tropfen hinab.

»Ah, die Liebessäfte fließen bereits«, murmelte der Scheich triumphierend. »Jetzt ist die hübsche Kleine in der richtigen Stimmung. Meint Ihr nicht auch, Prinz Alexander? Vielleicht lasse ich sie heute nacht mit allen meinen Gästen schlafen. Auch der vierzehnte Schwanz wird mühelos durch ihre feuchte Liebespforte gleiten.« Als er wieder in seine Hände klatschte, verstummte die Musik. »Komm zu mir, Delilah!«

Automatisch folgte sie seinem Befehl, und er ergriff eine Serviette, um ihre Schenkel abzuwischen. Dann streichelte er ihren glattrasierten Venusberg. Bei dieser Berührung erschauderte sie ekstatisch.

Alex unterdrückte einen Wutschrei. Schmerzhaft gruben sich seine Fingernägel in die Handflächen. Reiß dich zusammen, du Narr, ermahnte er sich. Nur wenn er seine Gefühle unter Kontrolle behielt, würde es ihm gelingen, Zena zu befreien. Aber wie sollte er es mit dreizehn Männern aufnehmen? Vor dem Zelt warteten Ivan und die vier Färtenleser – ein viel zu kleiner Trupp angesichts dieser Übermacht.

»Setz dich zwischen den Prinzen und mich, süße Delilah«, forderte der Scheich und zog Zena auf die Kissen hinab. So weit wie möglich spreizte er ihre Schenkel. »Ah, das Tor zum Paradies – so nahe …«

Lustvoll stöhnte sie, während er sie immer intimer liebkoste. Dann strich sein feuchter Finger über ihren Bauch und die Brüste, den Hals hinauf und in den Mund. »Koste deinen Liebessaft, meine Taube. Bald wird er noch reichlicher fließen, um mich zu erfreuen.«

Als seine beiden Daumen ihre Brustwarzen stimulierten, schrie sie auf.

Nun bedeutete er einem Diener, eine Schüssel mit Pflaumen zu bringen und suchte die größte Frucht heraus. »Schau doch, meine Liebe!« Lächelnd hielt er die Pflaume vor ihre halbgeschlossenen Augen. »Damit will ich den Eingang des Paradieses schmücken.«

Behutsam schob er die Frucht zwischen ihre Schamlippen, und sie erbebte lustvoll, völlig versunken in ihrer nebelhaften Welt, die nur noch aus animalischen Genüssen bestand. »Ist das nicht ein verlockender Leckerbissen, Prinz Alexander?«

»Gewiß«, würgte Alex hervor.

Begierig spreizte der Scheich Zenas Schamlippen und entblößte ihre Klitoris. »Sehen Sie, wie sich dieses winzige Organ vergrößert hat!« Eine zarte Berührung jagte heftige Wellen durch ihren Körper. »O ja, sie ist bereit, mein Prinz, und sie wartet sehnsüchtig auf die Erlösung von der süßen Qual. Bald, meine Liebe, bald!« Höflich wandte er sich zu seinem Ehrengast. »Nun, wie gefällt Ihnen das neueste Juwel in meiner Sammlung, Prinz Alexander? Möchten Sie diesen kostbaren Schatz genauer betrachten?«

»Sehr gern.« Alex beugte sich vor und schaute eindringlich in Zenas verschleierte Augen.

Doch sein Blick riß sie nur für wenige Sekunden aus ihrer erotischen Trance. »Alex«, hauchte sie plötzlich. »Alex …«

Dann wurde der kurze klare Gedanke wieder von ihrem pulsierenden Verlangen ausgelöscht.

»Ah, Delilah scheint Sie zu mögen, mein Prinz«, bemerkte Ibrahim Bey.

»Nun, solche Huren sind allen Männern zugetan. Aber wie ich gestehen muß, reizt sie mich. Ich würde Ihnen fünfzehn Pferde und fünftausend Rubel für Ihre Delilah geben.«

»Unmöglich, sie hat mich viel mehr gekostet.«

Das wußte Alex besser, denn man hatte ihm am vergangenen Tag zwei sehr schöne Jungfrauen für eine geringere Summe angeboten. Andererseits mochte Zenas weiße Haut den Preis erhöht haben. »Also gut, zwanzig Pferde und siebentausend Rubel.«

»Onkel«, mischte sich Abdul eifrig ein, »wenn sie zum Verkauf steht, laß mich mitbieten. Ihr Anblick bringt mein Blut in Wallung.«

»Willst du meinen Gast beleidigen, Abdul?«

»Keineswegs. Aber ich habe bereits vor seiner Ankunft mein Interesse bekundet.«

»Natürlich.« bestätigte Ibrahim Bey um des familiären Friedens willen, »du darfst mitbieten.« Über den immensen Reichtum der Kuzans informiert, wußte er, daß der Prinz ihm sein ganzes Land abkaufen konnte, von einer Frau ganz zu schweigen. Wenn er eine kleine Versteigerung organisierte, konnte er seinen Neffen besänftigen und gleichzeitig den Preis für Delilah in die Höhe treiben. »Meine Freunde, während wir feilschen, sollten wir das Täubchen ein wenig unterhalten.« Grinsend zog er einen Dildo aus rotem Leder unter dem Kissen hervor. »In meinem Harem ist dieses Gerät sehr beliebt.« Der naturgetreu nachgebildete Phallus hatte eine pilzförmige Spitze und war mit Daunen gefüllt. Am unteren Ende hingen zwei Hoden. »Abdul, möchtest du Delilah erfreuen? Ein paar Orgasmen werden sie auf eine lange Liebesnacht mit dem glücklichen Käufer einstimmen.«

Bereitwillig kniete er zwischen Zenas gespreizten Beinen nieder und tauchte eine Serviette in eine Fingerschale mit parfümiertem Wasser. Damit wusch er die Karminfarbe von Zenas Brustwarzen. Während er abwechselnd an beiden Knospen saugte, begann sie wieder zu stöhnen. In ihrem ganzen Körper breiteten sich immer heißere Wellen aus.

»Sind das nicht prächtige weiße Kugeln?« Abdul hob den Kopf und schaute seinen Onkel an. »Erstaunlich groß und fest für eine so schlanke Frau. Ich stelle mir vor, wie sie mein Kind stillen werden. Heute nacht werde ich meinen Samen in dich pflanzen, meine Süße«, flüsterte er Zena zu, die kein einziges Wort wahrnahm. »Aber zuvor mußt du dich mit diesem Gerät begnügen.«

Er entfernte die Pflaume aus ihrer Vagina und schob langsam den ledernen Dildo hinein. Dabei küßte er ihre sehnsüchtig geöffneten Lippen. Hungrig erforschte seine Zunge ihren Mund.

Nach ein paar Minuten ergriff er Zenas Hände, legte sie um die weichen ledernen Testikel und zeigte ihr, wie sie mit den Fingerspitzen darauf drücken mußte. »Siehst du, meine Taube, damit kannst du deine Lust noch steigern.«

Atemlos warf sie den Kopf in den Nacken. Ein schwindelerregender Nebel hatte die letzten klaren Gedanken verscheucht, und sie empfand nichts anderes mehr, als das qualvolle heiße Verlangen zwischen ihren Schenkeln. In ihrem Inneren spürte sie das warme, glatte Leder, das einen betörenden Reiz ausübte. Träumerisch spielte sie mit den Testikeln.

Als Abdul den Dildo noch tiefer in ihre Vagina schob, explodierte die Welt auf einem Gipfel wilder Ekstase.

Zena begann gellend zu schreien, von einem heftigen Orgasmus überwältigt, den das Haschisch um mehrere Sekunden verlängerte.

»Ah, der erste Höhepunkt in dieser Nacht!« rief Ibrahim Bey. »Noch einmal, Abdul! Zeig ihr, was auf sie wartet!« Immer wieder stieß Abdul den Dildo in Zenas zuckenden Körper. »Jetzt gönnen wir ihr ein paar Minuten Ruhe, Hauptmann«, entschied der Scheich. »Und dann entführen wir sie erneut ins Paradies.«

Die Versteigerung begann, und der Preis wurde sehr schnell in die Höhe getrieben. Bei fünfzig Pferden und fünfundsechzigtausend Rubel gab ein sichtlich enttäuschter Abdul den Kampf auf.

Erschöpft lag Zena auf den bunten Seidenkissen, ohne zu ahnen, daß ihre weitere Zukunft auf dem Spiel stand.

»Im Augenblick habe ich nur zwanzig Pferde bei mir«, erklärte Alex. »Das Geld kann ich Euch sofort geben. Morgen schicke ich ein Telegramm nach Hause und lasse mir die restlichen Pferde aus dem Kuzan-Gestüt schicken.«

»In welchem Zustand werde ich die Tiere erhalten?« fragte Ibrahim Bey. »Immerhin liegt das Kuzan-Gestüt einige tausend Meilen entfernt, und deshalb könnte ich ein schlechtes Geschäft machen.«

»Sorgen Sie sich nicht, Ibrahim Bey, alle Pferde werden unbeschadet hier eintreffen. In meinem Spezialwaggon kann man zwanzig Tiere unterbringen. Jedes wird von einem eigenen Stallknecht betreut. Nach zwei Bahnfahrten werdet Ihr alle restlichen Vollblüter besitzen. Die ganze Transaktion wird höchstens einen Monat dauern. Wenn Ihr jetzt so freundlich wärt und mir einen Mantel für die Frau geben würdet – ich möchte mich mit meiner Beute verabschieden.«

»Gut, mein Prinz. Ich hoffe, Sie werden bei Ihrer Regierung ein gutes Wort für mich einlegen – falls es sich irgendwann ergeben sollte.«

»Darauf können Sie sich verlassen.« Alex hüllte die halbbenommene Zena in einen Umhang und nahm sie auf die Arme. Dann nickte er den Türken zu und eilte in die Nacht hinaus.

Am Eingang des Zelts, vor dem seine Männer warteten, brannten Fackeln. Als er das willenlose Mädchen zu den Pferden trug, rief Ivan aufgeregt: »Oh, Mademoiselle Zena!«

Hastig schwang sich Alex in den Sattel und setzte das Mädchen zwischen seine Schenkel.

Die Wachtposten vor dem Zelt schauten sich verwundert an. »Mademoiselle Zena?«

Jetzt stiegen auch Ivan und die Fährtenleser auf.

»Mademoiselle Zena!« wiederholten die beiden Wächter, die innerhalb des Zelts am Eingang standen.

Blitzschnell schwenkten die sechs Reiter ihre Pferde herum und galoppierten aus dem Lager, in die nächtliche Wüste.

Alle Dienstboten raunten einander den Namen zu, bis er dem Scheich zu Ohren kam.

Lachend warf er seinen Kopf in den Nacken. »Zena? Bei allen Heiligen, Abdul, er hat sie gekannt! Die Enkelin des alten Iskender-Khan, nach der so eifrig gesucht wird! Und wenn mich nicht alles täuscht, ist sie die Geliebte des jungen Prinzen. O Abdul, bei Allahs Bart – wir hätten ihn um eine viel höhere Summe erleichtern können!«