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In der nächsten Woche herrschte wieder Friede. Geduldig ertrug Alex die wechselhaften Stimmungen seiner Geliebten.

Einerseits wollte sie ihr Glück genießen, andererseits versank sie in düsterer Schwermut, wenn sie an die ungewisse Zukunft ihres ungeborenen Kindes dachte. Jetzt zweifelte sie nicht mehr an ihrer Schwangerschaft.

Alex verwöhnte sie – nicht nur mit seinen Liebeskünsten, sondern auch mit seiner amüsanten Gesellschaft. Bereitwillig erzählte er Anekdoten aus seinem ereignisreichen Leben. Und er ging auf alle ihre Bedürfnisse ein. Wenn sie sich spontan auf die Zehenspitzen stellte, um ihn zu küssen, fragte er nicht mehr: »Warum tust du das?« Statt dessen lächelte er nur. War es möglich, daß er ihre Liebe erwiderte? Sah er mehr in ihr als eine leidenschaftliche Bettgenossin? Diese Hoffnung half ihr immer wieder, die Angst zu überwinden.

Durfte sie es wagen, ihm zu gestehen, daß sie sein Kind unter dem Herzen trug? Davor schreckte sie zurück. Hätte er Erfahrungen mit schwangeren Frauen gesammelt, müßte er den Grund ihres emotionalen Wankelmuts erkennen. Aber er schien zu glauben, ihre Launen wären einfach nur auf ihr typisch weibliches Temperament zurückzuführen.

Seine Dienstboten nannten Bobby liebevoll den ›kleinen Prinzen‹. Da sie annahmen, Alex würde ihm nicht grundlos seine väterliche Zuneigung schenken, zogen sie ihre eigenen Schlüsse. Zena hatte erklärt, Bobby sei ihr Bruder, was sie höflich akzeptierten.

In ihrer Gegenwart verzichteten sie darauf, ihn als ›kleinen Prinzen‹ zu bezeichnen. Aber sie begegneten ihm mit jenem Respekt, der einem Sohn ihres Herrn gebührte, und Alex ließ sie belustigt gewähren. Da er die Unnachgiebigkeit der russischen Bauernseele kannte, wußte er, wie sinnlos es gewesen wäre, die Leute auf ihren Irrtum hinzuweisen. Selbst wenn er ihnen verboten hätte, Bobby für sein Fleisch und Blut zu halten, wären sie bei ihrer Überzeugung geblieben.

Auf subtile Weise nutzte er Bobbys privilegierte Position in seinem Haus, um sich an Zena für ihre Temperamentsausbrüche zu rächen.

Eines Abends saßen sie am Eßtisch und stritten wegen irgendwelcher belangsloser Dinge. Wütend meinte sie, vielleicht wäre es besser, wenn sie mit ihrem Bruder abreisen würde.

»Willst du mir den kleinen Bobby wegnehmen?« klagte Alex. Entsetzt hielt das Personal, das die Speisen servierte, den Atem an. Wie konnte die baryshna den Vater ihres Kindes so grausam behandeln?

Alex unterdrückte ein Lächeln, und Zena versank in eisigem Schweigen. Nach der Mahlzeit entschuldigte sie sich mit heftigen Kopfschmerzen und floh nach oben.

Geruhsam trank er seinen Kaffee, leerte eine Cognacflasche und fragte sich, warum Zena immer häufiger zu Wutanfällen neigte. Was mochte seine sanftmütige Geliebte dermaßen verändert haben?

Gegen Mitternacht stieg er die Treppe hinauf und betrat das Schlafzimmer. Er griff nach der Karaffe, die auf dem Nachttisch stand, und goß sich noch einen Cognac ein. Dann löschte er fast alle Lampen. Eine Zeitlang saß er neben dem Porzellanofen, nippte an seinem Glas und beobachtete Zena, die sich rastlos im Bett umherwarf. Offenbar schlief sie nicht so tief und fest, daß es rücksichtslos gewesen wäre, sie zu wecken. Er zog sich aus und kroch zu ihr unter die Decke.

Als er sie küßte, trat sie gegen sein Schienbein. »Faß mich nicht an!« zischte sie.

»Autsch!« jammerte er und rieb sein mißhandeltes Bein. »Was ist bloß in dich gefahren? In letzter Zeit finde ich dein Benehmen abscheulich.«

»Glaubst du, es interessiert mich, was du von mir hältst? Wenn du dir eine sanfte, nachgiebige Frau wünscht, geh doch zu dieser Hure Amalie!«

»Gib mir fünf Minuten Zeit, und du bist so sanft und nachgiebig, wie’s mir gefällt.«

»Oh, du arroganter Schuft! Niemals!«

»Niemals?« Er hob die dunklen Brauen. »Wollen wir wetten?« Grinsend erwiderte er ihren herausfordernden Blick. Dann betrachtete er die zerzausten kastanienroten Locken über den weißen Schultern, die halb entblößten Brüste im tiefen spitzenbesetzten Ausschnitt des elfenbeinfarbenen Nachthemds. Entschlossen warf er sich auf ihren schönen Körper. »Mach dich bereit, meine Liebe. Jetzt beginnt ›Niemals‹.«

Mit aller Kraft schlug sie in sein Gesicht. Aber er lachte nur und preßte seinen Mund auf ihren. In verzehrender Leidenschaft küßte er sie, bis ihr Widerstand erlahmte, bis ihre Leidenschaft alle klaren Gedanken verdrängte. Sobald er sein Verlangen gestillt hatte, glitt er von ihr hinab und drehte sich auf die andere Seite. Zufrieden schlief er ein.

Zena lag nun hellwach neben ihm. Nachdem ihr Verstand zurückgekehrt war, ärgerte sie sich maßlos über ihre eigene Schwäche. Warum mußte sie der Anziehungskraft dieses selbstherrlichen Mannes immer wieder zum Opfer fallen?

Am nächsten Morgen entschuldigte er sich, umarmte sie, nannte sie seine dushka und entlockte ihr mit gutmütigen Hänseleien ein Lächeln. »Von jetzt an werde ich mich untadelig benehmen«, versprach er zerknirscht, »und mein maskulines Ego im Zaum halten. Sind wir wieder Freunde?«

»O ja«, wisperte sie und verzieh ihm alles.

Was sie so unwiderstehlich zu ihm hinzog, konnte sie nicht genau erklären. Vielleicht hing es damit zusammen, daß er niemals irgendwelche Posen einnahm, sondern immer nur er selbst war – charmant und großzügig, sinnenfroh und stets bestrebt, das Leben in vollen Zügen zu genießen.