9
Nach der Mahlzeit brachte Zena ihren Bruder in die Sauna, und sie saßen im Dampf, bis er mühelos atmen konnte. Als sie ihn im Ankleideraum abgetrocknet und in sein Nachthemd gesteckt hatte, schlief er beinahe auf einer Holzbank ein. Marina eilte zu ihr. »Madame, ich trage Bobby in sein Zimmer.«
»Nicht nötig. Sobald ich angezogen bin, gehe ich mit ihm nach oben.«
Mariana kicherte, wechselte einen unbehaglichen Blick mit einem Dienstmädchen, das einen Stapel frische Handtücher hereintrug, und rührte sich nicht von der Stelle.
Während Zena ihr Haar trockenrieb, blickte sie erstaunt auf. »Was gibt’s denn, Mariana?«
»Verzeihen Sie, Madame, aber ich soll Bobby auf Anweisung – Seiner Exzellenz ins Bett bringen.«
»Wie albern! Hier wird einem jeder Handgriff abgenommen. Aber Prinz Alex meint es sicher gut.«
»Ja, Madame«, bestätigte Mariana ausdruckslos und knickste. Dann hob sie Bobby hoch, wickelte ihn in eine Pelzdecke, und die beiden Dienerinnen verschwanden in der kalten Nacht.
Als die Tür zufiel, wehte ein eisiger Windstoß herein.
In ein großes, weiches Badetuch gehüllt, streckte sich Zena auf einer Holzbank aus. Nach einem Dampfbad war sie immer müde, und sie beschloß, ein paar Minuten auszuruhen, ehe sie sich anzog. Aber in der angenehmen Atmosphäre des heißen Raums dauerte es eine ganze Weile, bis sie sich aufraffen konnte, um zur Datscha zurückzukehren. Sie wischte den Dunst von einem großen Spiegel und begann ihre zerzausten Locken zu bürsten.
In der feuchten Luft hatte sich ihr Haar stark gekräuselt, und die Bürste blieb immer wieder hängen. »Verdammt!« flüsterte Zena.
»Darf ich dir helfen?« fragte eine vertraute Stimme.
Erschrocken drehte sich Zena um, sah Alex an der geschlossenen Tür lehnen und griff hastig nach ihrem Kleid.
»Du erlaubst doch?« Langsam durchquerte er den kleinen Raum, der nur vom rosigen Widerschein des Ofens und einer Wandlampe erhellt wurde. Er trat hinter Zena und half ihr in einen Morgenmantel aus weicher azurblauer Wolle. Dabei berührte er wie unabsichtlich ihre Brüste, und sie zuckte zusammen, als hätte er sie verbrannt.
Mit bebenden Fingern verknotete sie den Gürtel. Dann wandte sie sich zögernd zu Alex. In der Stille waren nur ihre und seine Atemzüge zu hören. Er betrachtete ihre Gestalt, um die sich der weiche blaue Wollstoff schmiegte. Vorhin hatte er den Inhalt des Kleiderschranks für seine ›Gäste‹ inspiziert und diese Farbe mit Bedacht gewählt, weil sie so gut zu Zenas leuchtenden Augen paßte.
O Gott, was für Augen … Dieser mitternachtsblaue Glanz bewog ihn beinahe, das Mädchen ungeduldig in seine Arme zu reißen. Aber er beherrschte sich und erklärte höflich: »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Nun schläft Bobby schon seit zwanzig Minuten … Stimmt was nicht?«
»Alles in Ordnung, aber … Hier ist es so angenehm warm, und in der Sauna werde ich immer müde. Deshalb habe ich mich hingelegt. Wirklich, deine Sorge war überflüssig. Du bist so gut zu Bobby und mir.« Unsicher sah sie ihn an, und was sie in den goldbraunen Tiefen seiner Augen las, ließ sie erschauern.
»Nun, ich bin euer Gastgeber und verpflichtet, euch zu verwöhnen.« Mit einem warmherzigen Lächeln fügte er hinzu: »Natürlich finde ich diese Pflicht sehr angenehm.« Die Nähe des Prinzen und die Glut in seinem Blick verwirrten Zenas Sinne. Nervös wich sie zurück, als er eine Hand ausstreckte. »Gibst du mir die Bürste? Ich möchte dein Haar entwirren.«
»Oh, die – die Bürste …«, stammelte sie.
»Ja, allerdings. Ich werde dir nicht weh tun.« Nur mühsam verbarg er seine Begierde. Warum war er so dumm gewesen, ihr zu versprechen, er würde sie nicht anrühren? Warum hatte er ihre verzweifelte Lage nicht ausgenutzt? Wäre er nüchtern gewesen, hätte er die Situation sicher aus einer vernünftigeren Perspektive betrachtet, statt sich zu einer edlen Geste hinreißen zu lassen, die nun eine idiotische Farce erforderte. Fünf Minuten gedulde ich mich noch, beschloß er. Und wenn sie dann nicht in meine Arme sinkt – zum Teufel mit Anstand und Ehre, ich werde mir einfach nehmen, was ich haben will!
Gehorsam reichte sie ihm die Bürste. Er umfaßte ihre Schultern, drehte sie herum, so daß sie ihm den Rücken kehrte, und begann die Knoten in ihren Locken zu lösen.
Schickt sich das, überlegte sie. Darf ich dem Prinzen gestatten, mein Haar zu bürsten, während ich nur unzulänglich bekleidet bin? Aber er war nur aus Sorge wegen ihrer langen Abwesenheit hierhergekommen. Und vielleicht nahm es die Petersburger Gesellschaft nicht so genau. Jedenfalls fühlten sich die sanften Bürstenstriche sehr angenehm an.
Zufrieden senkte sie die langen dunklen Wimpern, was Alex volle Genugtuung beobachtete. »Verzeih mir, jetzt wird’s vielleicht ein bißchen weh tun – ein besonders hartnäckiger Knoten …« Als er die verschlungenen Strähnchen auseinanderzog, streichelte sein warmer Atem ihre Wange, seine Finger streiften ihren Nacken.
Die Berührung jagte heiße Wellen durch Zenas Körper. Allmählich erwachten ihre Sinne, und es drängte sie, der magischen Anziehungskraft des Prinzen zu erliegen. Danach hatte sie sich an diesem Tag schon hundertmal gesehnt. Alles in ihr fieberte ihm entgegen – und er bürstete gleichmütig ihr Haar. Das ärgerte sie. Begehrte er sie denn nicht? Fand er sie nicht so reizvoll wie mon ange? Hatte ihn die gemeinsame Nacht im Moskauer Zug enttäuscht? Vorhin war ihr sein Blick so leidenschaftlich erschienen. Oder hatte sie sich geirrt?
Halb instinktiv, halb mutwillig hob sie den Kopf und schaute ihn im Spiegel an. »Ist es wirklich nur das Pflichtgefühl des Gastgebers, das deine freundliche Fürsorge bewirkt?«
»Würde dir ein anderer Beweggrund besser gefallen?«
Wie ihr heftiges Erröten bekundete, verstanden sie einander sehr gut. Erleichtert atmete er auf. Gott sei Dank, sie tat den ersten Schritt. Viel länger hätte er sich in der intimen Atmosphäre der schwach beleuchteten Sauna, die spärlich bekleidete Schönheit greifbar nahe, nicht mehr beherrschen können. Er ließ die Bürste fallen, drehte Zena sanft zu sich herum und legte ihre widerstandslosen Arme um seinen Hals. Die Finger in ihr seidiges Haar geschlungen, küßte er ihre weichen, warmen, leicht geöffneten Lippen. Während sein Mund über ihren Hals wanderte, löste er ihren Gürtel, streifte den Morgenmantel von ihren Schultern und warf ihn zu Boden.
Er umfaßte eine nackte Brust und kostete eine rosige Knospe. Die Lider gesenkt, genoß Zena ein heißes, prickelndes Entzücken. Behutsam saugte er an beiden Brustwarzen, bis sie sich aufrichteten. Zena glaubte dahinzuschmelzen und strich selbstvergessen über Alex’ dichtes schwarzes Haar. Nach einer Weile glitt seine Hand an ihrem Bauch hinab, zwischen ihre Schenkel, spielte aufreizend mit der feuchten Hitze.
Langsam hob er den Kopf und schaute in Zenas ver-schieierte blaue Augen. »Sag mir, daß du mich begehrst.«
Sie hörte ihren eigenen stockenden Atem, klammerte sich stöhnend an seine Schultern.
»Sag es mir!« beharrte er, um seine Ehre zu retten.
Im Aufruhr ihrer Emotionen zögerte sie. Die Leidenschaft drohte die Vernunft zu besiegen. Als er seine Lippen auf ihre preßte und seine Zunge in ihren zitternden Mund schob, war es endgültig um sie geschehen. Hilflos grub sie ihre Fingernägel in sein Fleisch. Er richtete sich auf, sah sie abwartend an, und sie hob ihm das Gesicht entgegen, voller Sehnsucht nach neuen Küssen.
Aber er wich ein wenig zurück. »Sag es mir!«
»Liebe mich …«, hauchte sie.
Ah, die inständig erhofften Worte! »Mit dem größten Vergnügen«, flüsterte er in ihr Ohr, sank mit ihr auf den weichen Fellteppich und bedeckte ihren ganzen Körper mit Küssen – die Brüste, den flachen Bauch, die Innenseiten der Schenkel. Verführerisch streichelte er sie und schwelgte in allen Gefühlsnuancen, die er hervorrief. Seine intimen Liebkosungen weckten in ihr fieberheißes Verlangen. Einen Arm unter ihrer schmalen Taille, hob er sie ein wenig hoch, und seine Lippen setzten fort, was die Finger begonnen hatten. Atemlos wand sie sich umher und zuckte krampfhaft, von seiner flatternden Zunge an den Rand der Ekstase getrieben.
»Bitte!« flehte sie. »Laß mich nicht warten!«
Er hob den Kopf und lachte leise. »Nur Geduld, mein lieber Schatz. Erst einmal mußt du mich entkleiden.«
Gehorsam setzte sie sich auf, öffnete die Knöpfe seines Seidenhemds und zog es über die muskulösen Schultern nach unten. Als sie seine breite Brust berührte, hielt er den Atem an.
»Braves Mädchen …«, lobte er sie heiser und strich mit einer Fingerspitze über ihre feuchten Lippen. »Jetzt die Stiefel«, befahl er und streckte die langen Beine aus. Während sie vor ihm kniete, befreite sie ihn von den braunen Reitstiefeln. Wie brennend sie sich nach ihm sehnte … Der Anblick ihrer wippenden Brüste schürte auch sein Verlangen. »Bevor du mir die Hose ausziehst, bekommst du eine Belohnung.«
Sein Finger schob sich in die süße Öffnung zwischen ihren Schenkeln, und sie zitterte am ganzen Körper. »Hast du den Gipfel fast erreicht?« murmelte er triumphierend. »Sobald ich meine Hose losgeworden bin, will ich die Pflichten des Gastgebers nur zu gern erfüllen und deine Lust befriedigen.«
Hastig knöpfte sie seine engen ledernen Breeches auf und streifte sie mit einiger Mühe nach unten. Sein erigierter Penis lag pulsierend an seinem Bauch. »Liebe mich – bitte …«, stöhnte sie.
»So kühn?« neckte er sie.
Als sie das Zeichen seines Verlangens berührte, stöhnte er, und das Lächeln in seinen Goldaugen wich einer verzehrenden Glut. Er umfaßte Zenas Schultern und drückte sie ins weiche Fell hinab. Mit einem Knie schob er ihre Beine auseinander und verschmolz mit ihr. Schreiend bäumte sie sich auf, von einem überwältigenden Höhepunkt erschüttert.
Nachdem die Wellen verebbt waren, begann er sich behutsam zu bewegen. »Gieriges kleines Kätzchen!
Hast du noch nie vom besonderen Genuß der Vorfreude gehört? Halt dich an mir fest. Bald wirst du wieder schreien.« In Liebeskünsten erprobt, wußte er genau, wie er einer Frau das höchste Glück schenken konnte. Allmählich beschleunigte er seinen Rhythmus, und Zena schmiegte sich atemlos an ihn. Jeder einzelne Nerv in ihrem Körper schien ein heißes Entzücken zu spüren. Nun wuchs sein eigener Hunger schnell ins Unerträgliche, und gleichzeitig empfand er eine tiefe seltsame Zärtlichkeit, zum erstenmal in seinem Leben. Immer tiefer drang er in sie ein, in wilder Sehnsucht, und sie hob ihm mit gleicher Glut die Hüften entgegen. Gemeinsam schwebten sie dann in ein gleißendes Paradies.
Danach zog er sich nicht zurück. Er lag auf ihrem bebenden Körper und küßte sie sanft. Verwundert erkannte sie, wie rettungslos sie seiner betörenden Macht verfallen war. Sie strich über seinen Rücken, spürte die harten Muskeln, die glatte Haut. Als sie ihren Bauch an ihn preßte, fühlte sie seine neu erwachte Erregung, die bald auch ihre Leidenschaft entfachte. Geduldig ging er auf ihre Bedürfnisse ein, während sie all die noch unbekannten Regionen ihrer eigenen Sinnlichkeit erforschte. Wie eine Ertrinkende klammerte sie sich an ihn, zum zweitenmal von der betörenden Qual erlöst. »Oh, meine Süße …«, flüsterte er an ihren Lippen.
Zwanzig Minuten später trug er seine ermattete Geliebte in die Datscha.
Ein diskreter Diener öffnete und schloß lautlos die Tür, als der Prinz seinen Hausgast ins herrschaftliche Schlafzimmer brachte.
Bald danach lag Alex unter dem Baldachin seines breiten Betts, hielt Zena im Arm und küßte ihren Scheitel. Das sprichwörtliche Kuzan-Glück war ihm wieder einmal treu geblieben. Wer durfte schon erwarten, inmitten eines Schneetreibens auf den Stufen des Dolgorouky-Palastes eine so bezaubernde, heißblütige Unschuld anzutreffen?
Lächelnd streckte er den linken Arm aus und tastete im Dunkel nach seinem emaillierten goldenen Zigarettenetui, das auf dem Nachttisch lag. Er nahm eine der blauen, mit türkischem Tabak gefüllten Zigaretten heraus, die eigens für ihn angefertigt wurden, und griff nach den Streichhölzern.
»Stört’s dich, wenn ich rauche?« Ohne eine Antwort abzuwarten, riß er ein Hölzchen an. Zena richtete sich auf und betrachtete sein Gesicht im rötlichen Widerschein der Flamme. Nachdem er die Zigarette angezündet hatte, erwiderte er den neugierigen Blick seiner Geliebten, zwinkerte ihr zu und löschte das Streichholz. Ein tiefer Zug ließ das Ende der Zigarette aufglühen, das einzige Licht in der Finsternis. Genüßlich blies er den Rauch in die Luft und streichelte Zenas Schulter. »Hoffentlich habe ich dir in meiner zügellosen Leidenschaft nicht weh getan.«
»Nein, aber …«
»Ja? Du mußt nicht taktvoll sein. Was möchtest du mir sagen?«
»Nun, vielleicht glaubst du, ich hätte mich zu bereitwillig hingegeben. Das war keineswegs damenhaft.«
Lachend schüttelte er den Kopf. »In gewissen Situationen dürfen sogar die vornehmsten Damen ihre Manieren vergessen. Beruhige dich, mein Schatz, deine erstaunliche Glut hat mich entzückt. Hätte ich dich nicht entjungfert, müßte ich glauben, du wärst gar nicht unschuldig gewesen. Lesen die Mädchen in romantischen Liebesgeschichten, wie sie einen Mann beglücken können?« scherzte er. »Ich dachte, darin würde es nur um holde Seufzer, schmachtende Blicke und unerfüllte Sehnsucht gehen.«
»Ein paar solcher Romane habe ich gelesen und mich stets über die albernen, zimperlichen Heldinnen geärgert. Deshalb befaßte ich mich lieber mit den Klassikern und Geschichtsbüchern, die mein Vater bevorzugte.«
»Oh, du bist ein Blaustrumpf?« fragte er spöttisch.
In ihrer Naivität bemerkte sie die Ironie nicht und entgegnete ernsthaft: »Die Geschichte hat mich schon immer fasziniert. Und Papa förderte meine Interessen.«
»Da habe ich von meinem Vater und den übrigen verworfenen Kuzans, die zu meinen Vorfahren zählen, ganz andere Interessen geerbt. Du bist die erste Frau in meinem Leben, die freiwillig zugibt, sie würde gern lesen.« Bis jetzt hatte er gebildete Frauen immer langweilig gefunden. Wie so viele Männer in seinen Kreisen vertrat er die Meinung, es würde völlig genügen, wenn das weibliche Geschlecht schön und verführerisch war.
Erstaunt hob Zena die Brauen. »Wie seltsam, Alex …
Wenn ich mich in lehrreiche Bücher vertiefe, bin ich glücklich und zufrieden.«
»Meine Freunde und Verwandten nennen mich Sasha.«
»Soll ich dich auch so anreden?«
»Natürlich.« Inzwischen hatte er die Zigarette im Aschenbecher ausgedrückt und liebkoste Zena mit beiden Händen. Dabei berührte er eine blütenförmige Narbe an ihrer Hüfte.
»Ein Unfall in meiner Kindheit«, erklärte sie.
Genüßlich streichelte er ihre Brüste. »Wenn du auch ein Blaustrumpf bist – eine Frau kann andere Rollen übernehmen. Sicher möchtest du eines Tages Kinder bekommen.«
»O nein, ich will die Forschungsarbeit meines Vaters fortsetzen. Für Kinder habe ich keine Zeit.«
Verblüfft unterbrach er seine Zärtlichkeiten. Wußte sie nicht, daß die gemeinsamen Liebesfreuden vielleicht zu einer Schwangerschaft führen würden? Konnte sie wirklich so naiv sein? Nun, das war nicht sein Problem.
Aufreizend umkreiste seine Fingerspitze eine harte rosige Knospe, und Zena erschauerte wohlig. Um ihr seine wachsende Erregung zu zeigen, führte er ihre Hand zwischen seine Schenkel und küßte begierig ihre weichen Lippen.
Die ganze Nacht blieben sie wach und liebten sich, tranken Champagner und sprachen über alles, was ihnen in den Sinn kam. Einmal setzte er sie auf seine Hüften und überließ es ihr, den Rhythmus der lustvollen Aktivitäten zu bestimmen. Wenn sie sich unterhielten, wurde die Konversation immer wieder von heißen Küssen gestört, und später wußten sie nicht mehr, worüber sie geredet hatten.
Unzählige Male erreichte Zena den Gipfel der Ekstase. Der erotische Einfallsreichtum des Prinzen kannte keine Grenzen. Er nahm einen Schluck Champagner, füllte ihren Mund damit und mahnte: »Schluck bloß nicht alles! Die Hälfte gehört mir.«
Nicht nur der schäumende Wein berauschte ihre Sinne. Längst hatte sie ihre letzten Hemmungen verloren, öffnete dem charmanten, großzügigen Liebhaber ihr Herz und ihre Seele, und ihr Körper schenkte ihm alles, was er verlangte.
Als der Morgen graute, schlief sie erschöpft ein. Auf einen Ellbogen gestützt, betrachtete Alex ihr Gesicht, die Schatten ihrer langen dunklen Wimpern auf den rosigen Wangen, die wild zerzausten kastanienroten Locken. Blütenweiß schimmerte ihr Körper, den ihr sogar die göttliche Venus mißgönnen mochte, im ersten Tageslicht.
Nicht einmal Prinz Alexander Nikolaevich Kuzan war so blasiert, daß ihn die Magie dieses Augenblicks kaltgelassen hätte. Er wußte, wieviel Zena ihm gegeben hatte – und was sie für ihn empfand. Dieses Mädchen durfte er nicht in die Reihe seiner anderen Gespielinnen einordnen …
Hastig verdrängte er den beunruhigenden Gedanken, stand auf und deckte Zena zu. Dann schlüpfte er in seinen grauseidenen, mit Eichhörnchenfell besetzten Morgenmantel und setzte sich vors Kaminfeuer.
Bis zum Nachmittag ließ er seine junge Geliebte schlafen. Im Gegensatz zu ihm war sie nicht an durchwachte Nächte voller erotischer Freuden und reichlichem Champagnergenuß gewöhnt. Am Vormittag vertrieb er sich die Zeit mit einem fröhlichen, redseligen Bobby.
Erst um zwei Uhr, als die bestellte Schneiderin eintraf, weckte er Zena. »Meine Süße, die Pflicht ruft«, flüsterte er in ihr Ohr. »Willst du dich mit Nadeln stechen lassen?«
Erschrocken öffnete sie die Augen. Hatte sich der rücksichtsvolle Liebhaber in einen Sadisten verwandelt? »Nadeln?« würgte sie gepreßt hervor und setzte sich auf.
»Keine Bange«, erwiderte er belustigt, »zu solchen Perversitäten neige ich nicht. Soeben ist eine Schneiderin eingetroffen.«
»Eine Schneiderin? O nein, Sasha, das würde mich in tödliche Verlegenheit stürzen.«
»Warum? Vor einer Frau, die dir ihre Dienste anbietet, brauchst du dich nicht zu schämen. Außerdem habe ich dieses aquamarinblaue Kleid satt.« Mit sanfter Gewalt zog er sie aus dem Bett, hüllte sie in eine seidene Decke und führte sie ins angrenzende Wohnzimmer.
»Wirklich, Sasha, das ist nicht nötig. Vielleicht kann ich mein Kleid ein bißchen ändern …«
Abrupt verstummte sie beim Anblick der eleganten Frau, die am Fenster stand. Dann wandte sie sich verwirrt zu Alex. Aber er übersah ihre flehende Miene, fest entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, so wie er es gewöhnt war.
»Darf ich dir Frau Mvaky vorstellen, meine Liebe? Freundlicherweise hat sie sich bereit erklärt, für deine neue Garderobe zu sorgen.«
Die beste Schneiderin von Moskau erfuhr nicht, wer die junge Dame war. Aber da der Prinz zu ihren besten Kunden zählte, bezähmte sie ihre Neugier. Im Lauf der Jahre hatte er sie schon oft beauftragt, seine diversen Gefährtinnen neu auszustaffieren. Niemals feilschte er um den Preis, sein Sekretär bezahlte prompt alle Rechnungen, und er gehörte zu den wenigen Männern, die genau wußten, was einer Frau stand.
Prüfend musterte Frau Mvaky das Mädchen. Nicht sein üblicher Typ, dachte sie. Fast noch ein Kind, scheu und unsicher – kein Vergleich zu den hochnäsigen Aristokratinnen, die er normalerweise bevorzugt … Vielleicht sogar noch unschuldig? Nein, wohl kaum – in der Gesellschaft eines notorischen Lebemanns. Außerdem scheint sie ihre Nacktheit nur mit dieser Decke zu verhüllen …
Dann unterbrach Alex ihre Gedanken, indem er die seidene Hülle kurzerhand von Zenas Körper zog, wie ein stolzer Pygmalion, der sein Meisterwerk präsentiert.
Unbehaglich stand das entblößte Mädchen auf dem antiken Teppich, und die prominenteste Moskauer Schneiderin verbarg nur mühsam ihre Überraschung. Also hatte sie richtig geraten – splitterfasernackt. Der Prinz betrachtete das Mädchen hingerissen, bis ihn Frau Mvakys diskretes Räuspern aus seinem Tagtraum riß.
»Eine komplette Garderobe, Madame, mit allem Drum und Dran. Ich vermute, Sie haben die Anweisung meines Sekretärs befolgt und mehrere Kleider mitgebracht?«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Frau Mvaky von ihrem Schock erholte (nackte Mädchen am hellichten Tag gehörten nicht einmal zum unkonventionellen Repertoire des Prinzen). Dann packte sie hastig ein marineblaues seidenes Vormittagskostüm aus. Ohne ihre moralische Entrüstung zu zeigen, ignorierte sie den verlegenen Blick der jungen Frau, streifte ihr den weiten Rock über den Kopf und half ihr in die Jacke. Nachdem sie die Knöpfe geschlossen hatte, verkündete sie in geschäftsmäßigem Ton: »Offenbar muß man das Oberteil etwas enger machen.«
»Marineblau ist viel zu streng für die junge Dame«, bemerkte Alex. »Ändern Sie das Kostüm aber trotzdem. Bis passende Kleider fertig werden, braucht sie einige Sachen. Was haben Sie denn sonst noch mitgebracht?«
Ohne Zenas unglückliche Miene zu beachten, inspizierte er verschiedene Modelle und bewies eine Fachkenntnis, die ihr nicht entging. Da sie vor der Schneiderin keine Szene machen wollte, fügte sie sich in ihr Schicksal.
Und Alex beschloß, ihr zu schmeicheln, sobald Frau Mvaky gegangen war, und ihr klarzumachen, sie müsse die neue Garderobe unbedingt annehmen. Was noch wichtiger war – damit würde sie auch die künftige Position an seiner Seite akzeptieren.
In seiner eleganten aristokratischen Welt war es selbstverständlich, daß ein reicher Mann seine Geliebte mit kostbaren Geschenken verwöhnte. Zweifellos würde es einige Zeit dauern, bis sich die unerfahrene Zena an dieses Milieu gewöhnte. Sie entstammte einer anderen Sphäre, in der ein rechtschaffener Mann nur mit seiner Ehefrau zusammenlebte und junge Mädchen ihre Tugend wahren mußten. Aber in seiner Obhut würde Zena ihre albernen moralischen Skrupel sicher überwinden.
Mit einer lässigen Geste entließ er die Schneiderin. Dann küßte er Zenas schmale Hände.
»In diesem cremefarbenen Teekleid siehst du zauberhaft aus, meine Liebe. Mach dir keine Sorgen, Frau Mvaky ist sehr diskret, und sie wird niemandem von dir erzählen.« Natürlich würde noch am selben Tag ganz Moskau von seiner neuen Geliebten erfahren. Als ob das eine Rolle spielte … Wer würde es schon wagen, seine Affären zu kritisieren? Außerdem war ihm die Meinung anderer Leute egal. »Wenn es dir schwerfällt, die neue Garderobe anzunehmen, betrachte sie als Leihgabe, die du mir später zurückzahlen kannst.«
»Mein Großvater würde die Schulden begleichen«, schlug sie zögernd vor.
»Gewiß, wenn das dein Wunsch ist …«
Nachdem dieses Problem gelöst war, lächelte sie erleichtert.
Welche Frau vermochte so herrlichen Kleidern zu widerstehen? Und wäre es nicht wundervoll, möglichst hübsch auszusehen und von Sasha bewundert zu werden?
Als er sie umarmte und zärtlich an ihrem Ohrläppchen knabberte, schmolz sie wieder einmal dahin. Sie wußte, daß sie sich falsch verhielt und ihre Tugend zu leichtfertig geopfert hatte. Aber seine heißen Küsse besiegten alle Bedenken. Glücklicherweise ahnte sie nicht, wie viele Frauen seinem Charme schon erlegen waren.
»Stellen wir das Grammophon in meiner Bibliothek an, und tanzen wir zu den neuesten Wiener Walzerklängen!« rief er. »Wie gut dir dieses Kleid steht! Wahrscheinlich werde ich’s dir bald ausziehen.«
Lachend küßte er ihre errötenden Wangen, schob sie zur Tür hinaus und führte sie die Treppe hinab.