Ray Vera

alias Lil Mosco

29. APRIL 1992

 

19:12 UHR

1 Scheiße, Mann, ich weiß echt nicht, was Fate für ’n Problem hat. Ich hab bloß getan, was er auch getan hätte. So hat er sich damals ’nen Namen gemacht, und mit noch viel Schlimmerem. Er will mich nur bestrafen wegen der Scheiße vor dem Club, wo ich rumgeballert hab, und jetzt will er mich an die Leine nehmen oder so was und lässt mich seine Touren fahren.

Ich überwache den Vertrieb jetzt seit über einem Jahr. Über so ’nen Scheiß bin ich doch raus. Echt jetzt, solche Touren sind für Penner und Anfänger wie Oso. Und Oso hat sie ja auch gemacht, bevor Big Fate meinte, dass ich wieder dran bin. Heute sieht er die Randale im Fernsehen und beschließt aus heiterem Himmel, mich aus der Stadt zu schicken, um Ware abzuholen. Klar, er hat den richtigen Spruch parat, so «Wir schicken dich dahin, weil die Bullen überall sonst sind», aber dafür kennt er mich zu gut. Meine Augen haben ihm verraten, wie sehr ich mitmischen wollte. Ich meine, einen neuen Fernseher kann doch jeder gebrauchen, oder?

Das einzig Gute an der Tour ist, und ich meine wirklich das Einzige, dass ich Fates Schlitten fahren kann, so einen fetten alten Chevy aus den 70ern. Ich schwör euch, der Wagen hat einen Motor, der frisst die Meilen auf dem Freeway 10 einfach weg. Wir fliegen Richtung Osten. Ich bin durch Monterey Park, dann El Monte, dann West Covina, ehe ich überhaupt merke, dass ich den Fuß auf dem Gas hab.

Aber wisst ihr was? Ich soll mich jetzt an alle möglichen Regeln halten. Bloß weil Fate es will, der Arsch. Nummer eins, ich darf nichts Richtiges mehr rauchen. Ja klar. Nummer zwei, ich muss mich immer ans Tempolimit halten. Dazu sag ich, netter Versuch, Wichser. Nummer drei, ich darf niemanden auf die Touren mitnehmen, weil ich es besser hinkriegen soll, ganz allein zuverlässig zu sein.

Aber woher will er überhaupt wissen, was ich anstelle, solange alles erledigt wird? Außerdem bin ich ja nicht so dämlich, irgendeinen Scheiß zu bauen, nachdem ich die Ware geholt habe. Na ja, außer der Regel übers Mitnehmen, die muss ich brechen, aber das ist ja wohl nicht so schlimm. Immerhin kennt Fate meinen Homeboy Baseball, darum glaub ich, wenn er es rauskriegen würde, wär’s nicht so schlimm. Wird er natürlich nicht rauskriegen. Also, ich erzähl es ihm nicht. Und Baseball auch nicht.

Ist ja klar, wie er seinen Namen gekriegt hat. Sein Kopf sieht exakt wie ’n Baseball aus, so mit Nähten und allem, weil sein Vater ’nen schlimmen Autounfall hatte, als Baseball noch klein war, und er durch die Windschutzscheibe gerauscht ist. Im Krankenhaus mussten sie ihm den halben Skalp wieder festtackern, und um die Narbe rum wächst sein Haar ganz komisch. Er ist auch echt empfindlich deswegen. Trägt seine Los-Doyers-Cap immer ganz tief und nimmt sie nie ab.

Baseball steht total auf Geschichten. Immer wieder will er die Nummer von dem Club hören, immer noch ’ne Kleinigkeit, und wie ich mich dabei gefühlt habe und so ’ne Scheiße.

«Hat der Typ deine Schwester wirklich eine manflora genannt?», fragt er.

Ich will über den Scheiß nicht mehr reden, und das zeig ich ihm, indem ich tiefer in den Sitz rutsche und das Handgelenk oben aufs Lenkrad lege. Ich guck ihn nicht mal an, um ihm zu zeigen, dass ich drüberstehe, klar?

Außerdem hat er schon tausendmal gehört, wie der Typ gesagt hat, er würde meine Schwester Payasa ficken, würde ihr ein Messer in die Muschi stecken, und als er dann meine Adresse gesagt hat, also meine richtige Adresse, mit ZIP-Code und allem, da bin ich einfach durchgedreht, Mann. Bin raus zum Auto und hab gewartet, bis er mit seiner Braut rauskam, und dann hab ich einfach draufgehalten. Sie hat’s abgekriegt. Er nicht.

Was soll’s. Man kann nicht immer ins Schwarze treffen. In diesem irren Leben gibt’s keine Reue. Aber ich wusste, von denen würde ich noch hören.

Danach habe ich angefangen, Knarren bei uns zu Hause zu lagern. In jedem Zimmer, Mann. Solche Sachen muss man einfach ernst nehmen. Im Bad hab ich sogar zwei. Eine im Medizinschrank, eine unterm Waschbecken. Wenn Lu irgendwas zustößt, dann werd ich zum Rambo. Das weiß jeder. Tust du meiner Familie was, bist du erledigt. Dann knalle ich dich auch in der Kirche ab. Oder deine Mutter im Schlaf. Mir scheißegal. Auf der Straße wissen alle Bescheid. Mit Lil Mosco legt man sich nicht an. Woher krieg ich auch sonst Respekt? Wer bloß den ganzen Scheißtag zu Hause hockt und Konsole spielt, macht sich bestimmt keinen Namen.

Baseball versucht das Gespräch wieder in Gang zu bringen. «Hey, hast du gehört, dass die großen Jungs Manny Sanchez zum Abschuss freigegeben haben, wegen der Sache drüben in Norwalk?»

«Wie, Elenas Bruder Manny?» Ich weiß von ihm, aber ich kenne ihn nicht. «Mann, mit dem Mädchen bin ich zur Grundschule gegangen. Wie heißt der jetzt noch?»

«Lil Man.»

Da klingelt nichts bei mir. Ich schwör, Baseball redet ohne Ende von den großen Nummern. Verehrt sie. Was sagt das über ihn? Wie geht noch der Spruch, den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen oder so? Das ist Baseball. Keinen Schimmer vom Großen und Ganzen.

Ich sag also: «Tja, dann geht’s bei dem ganzen Gerede von Friedensabkommen wohl vor allem ums Geld, was?»

«Es geht um die raza, Mann», sagt er. «Um Einigkeit. Eine verdammte Armee bilden.»

Ich nehm die Hand vom Lenkrad und steuere zwei Sekunden mit den Knien. So kann ich seinem Baseballschädel einen Klaps verpassen.

Er guckt ganz sauer, und ich lache.

«Weißt du eigentlich, wie bescheuert du dich anhörst, Alter? Echte Gangster interessiert die raza einen Scheiß. Denen geht es nur ums Geld. Würde mir genauso gehen, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Dir auch. Du sagst, was du musst, um deine Interessen durchzusetzen. Das ist alles. Du bringst einen Typen dazu, weit in die Ferne zu gucken, und dann steckst du ihm die Hand in die verfickte Hosentasche. Das ist genial, vato

«Ja, vielleicht, kann sein.» Baseball reibt sich den Hinterkopf. «Aber wenn man zum Abschuss freigegeben wird, das ist kein Spaß, Bro. Manchmal setzen sie ganze varrios auf jemanden an.»

«Wieso erzählst du mir nicht endlich, was mit Manny los ist? Scheiße, Mann. So viel Gequatsche, und nie kommst du zur Sache.»

«Okay, er wollte also jemanden aus dem Auto erledigen und hat aus Versehen eine Oma auf ihrer Veranda abgeknallt. Oh Mann, wie kannst du davon nichts gehört haben?»

Ich starre ihn böse an. «Scheiße, Alter, wieso hast du denn davon gehört? Du bist nicht mal richtig drin, erzählst aber mehr Kriegsgeschichten als ein veterano

«Ich hab Ohren.» Jetzt schmollt er richtig. «Davon weiß jeder.»

Danach wird er still und sagt nichts mehr, bis wir zum Stadtrand von Riverside kommen. Dann sagt er: «Hast du keinen Schiss, dass sie dich wegen diesem Mädchen auch zum Abschuss freigeben?»

«Wird nicht passieren, du Idiot.» Aber dann denk ich drüber nach. Ob sie das wohl machen würden. «War ja nicht mal im Vorbeifahren. Bin direkt auf sie zugegangen.»

«Raza ist raza, Mann. Ob sie voll drin war oder nicht, das war sie jedenfalls. Eine von unsern Leuten.»

Und ich so: «Scheiße, die war doch keine von uns. Sei nicht bescheuert.»

Aber dann überlege ich: war sie doch? Ich hab keine Lust mehr zu reden, also schalte ich das Radio an, damit er nicht mehr antworten kann, aber so weit draußen kriegt man von Art Laboe bloß noch Rauschen. Schade eigentlich. Diese Tour ist perfekt zum Oldieshören, aber stattdessen schiebe ich die neue Kid Frost ins Tapedeck. Ist erst letzte Woche rausgekommen, ich weiß also nicht, ob sie so gut ist wie Hispanic Causing Panic, aber gut ist sie. «Mi Vida Loca» auf Seite zwei höre ich eigentlich ununterbrochen, seit sie draußen ist.

Mann, das hab ich noch niemandem erzählt, aber ich liebe die Wüste bei Nacht. Ich kurbel das Fenster runter, damit ich die Sterne sehen und den Wind spüren kann, aber ein fetter Sattelschlepper rauscht vorbei, da muss ich wieder zumachen. An der übernächsten Ausfahrt biege ich vom Freeway ab, und wir fahren im Zickzack einen Hügel rauf und durch eine riesige Reihensiedlung, alle Häuser an den Hang gebaut, alle zwei oder drei Stockwerke hoch. Das sind Häuser mit Dachboden, klar? Alle in den gleichen Farben, wie Sand oder Holz oder so was, sonst nichts. Mehr oder weniger der amerikanische Traum, wenn man nicht jeden Tag eine Stunde hin und eine Stunde zurück pendeln müsste.

«Arbeiten in L.A.», sage ich, «wohnen am Arsch der Welt.»

«La neta.» Baseball stimmt mir zu, weil er weiß, dass ich recht habe, und schon sind wir wieder Freunde.

Das bleiben wir auch, als wir ins Haus gehen, vorbei an den künstlichen Pflanzen und ins Wohnzimmer. Gleich daneben ist die offene Küche, nur durch eine kleine Mauer mit Hockern davor abgetrennt. Meine Kontaktperson steht in der Küche, mixt sich einen Drink und sieht richtig sexy aus.

Durch den dünnen Seidenmantel sieht man ihren Bikini mit grünblauem Blumenmuster. Sie ist weiß, so um die vierzig, sonnengebräunt und ein bisschen hippiemäßig mit ’ner roten Blume im Haar, aber echt gut gebaut. Gute Schenkel. Guter Arsch. Und die Titten dazu. Saubere Figur.

Ich hab’s zuerst nicht geglaubt, als sie es mir erzählt hat, aber sie ist echt Sozialarbeiterin. Kein Scheiß, das ist ihr Job. Kommt sie wahrscheinlich mit den richtigen Leuten in Kontakt. Ihr Alter sitzt in L.A. im Men’s Central Jail, aber sie hält draußen sein Geschäft am Laufen. Weiß gar nicht, wie sie richtig heißt. Hinter ihrem Rücken nennen alle sie Scarlet. Ich bin sicher, sie weiß das und macht sich nichts draus.

Der Fernseher läuft laut, und ihr Sohn sitzt davor, ganz dicht an den Bildschirm gebeugt. Eine Sekunde ist Basketball an, dann Nachrichten, und ich kneife die Augen zusammen und versuch zu erkennen, was da jetzt brennt, aber schon läuft wieder Basketball. Er ist in meinem Alter, vielleicht älter. Weiß nicht genau. Er ist so weiß wie T-Shirts und Tischdecken, so als ob er nie rausgeht. Unter den Augen ist die Haut ganz blau geädert.

«Hey», sage ich zu ihm.

«Hey», antwortet er, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.

Ich drehe mich wieder zu Scarlet um und sage: «Das ist mein Freund Baseball.»

Sie nimmt einen Schluck und nickt in seine Richtung. «Wieso nennen sie dich so?»

Ich antworte für ihn. «Weil seine huevos größer als Baseballs sind.»

Ihr Blick sagt «Was redest du für einen Mist», aber ich zucke bloß die Achseln, und sie wird neugierig. Scarlet fickt jeden. Sie ist nicht wählerisch. Und genau deshalb hab ich Baseball mitgebracht.

Ich schulde ihm noch Geld, und er hat noch nie ’ne Frau gehabt, da dachte ich mir, das ist ein guter Deal. Ich bin nämlich schon dran gewesen bei ihr. War ganz okay. Wäre noch besser gewesen, wenn sie nicht die ganze Zeit dabei geraucht hätte. Das war eklig, Alter. Da hat sogar ihre Muschi irgendwie fies geschmeckt, wenn ich ehrlich bin.

Sie kommt mit Tüten aus der Speisekammer, und der Handel geht reibungslos über die Bühne, wir haben das schon ein paarmal gemacht.

Und schnell geht es auch. Ich gebe ihr den Umschlag. Sie gibt mir die beiden großen braunen Papiertüten, die sie schon fertig gepackt hat. Keine Ahnung, was alles drin ist. Ganz sicher PCP, Koks, Heroin. Was sonst noch, bin ich nicht sicher. Vielleicht Meth. Was Fate eben will. Ich bin heute nur der Kurier.

Ich sehe, dass Scarlet Baseball beäugt, also sage ich gar nicht erst danke. Ich weiß schon, was jetzt kommt. Ihr Sohn auch, schätze ich. Ich sehe schon, wie er sich auf der roten Couch so krümmt. Sie wirft ihm einen Blick zu, ehe sie den Mund aufmacht.

«Du hast doch gesagt, du wolltest den Müll raus–»

Sie kann den Satz nicht mal zu Ende sprechen, da läuft er schon knallrot an und brüllt: «Halt die Fresse, Mom! Verdammt, ich habe dich auch die ersten zweiunddreißigmal schon gehört.»

Dabei guckt er sie nicht mal an. Glotzt nur auf den Fernseher. Und ich? Ich sterbe inwendig. Bin total schockiert. So was würde ich nie zu meiner Mutter sagen! Diese verfickten Weißen sind doch alle irre, ich schwöre.

«Ich habe dir noch gar nicht das Haus gezeigt», sagt Scarlet zu Baseball, starrt dabei aber ihren Sohn an, stinksauer. Den Seidenmantel hat sie schon aufgeknotet. Ein Bikiniträger hängt runter. Sie nimmt eine Zigarette aus der Packung, dreht sich um und führt Baseball die Treppe rauf. Dauert ein oder zwei Minuten, bis sie stöhnt, aber dann gleich heftig. Das ist wohl ihr Tempo.

Im Fernsehen läuft jetzt wieder Basketball. Lakers gegen Portland, wie’s aussieht. Lautstärke voll aufgedreht. Kann ich nachvollziehen. Wenn meine Mutter so eine Hure wäre, würde ich es nicht mal im selben Bundesstaat aushalten, vom selben Haus ganz zu schweigen. Scheiße. Ihr wisst, das ist die Wahrheit.

Er tut mir leid. Echt. Aber als er ganz leise von der Couch aufsteht und zur Tür geht, die in die Garage führt, und da auf den Knopf fürs Garagentor drückt, und als das Tor langsam aufgeht, da denk ich so: Soll denn der Scheiß? Lässt er ’nen Hund rein oder was?

Ich frage mich immer noch, warum jemand so was macht, als sich durch genau die Tür zur Garage drei Cops reinschleichen. Große, kräftige Typen. Mit Schrotflinten. Mit Westen an, auf denen vorn groß LAPD steht.

Mann, ich kann echt überhaupt nichts machen! Die sind so schnell über mir, drücken mir das Gesicht in den Scheißteppich, legen mir Handschellen an und reißen mich wieder hoch auf die Knie. Aber dann frage ich mich, wieso sie sich eigentlich nicht als Cops zu erkennen gegeben haben. Wieso sie nicht gebrüllt haben.

Im Fernsehen schreit das Publikum. Die Uhr tickt runter.

In dem Augenblick geht Scarlets Sohn zur Speisekammer. Er macht sie auf und zeigt den Typen, wo der Scheiß versteckt ist. Und auf meine Tüten zeigt er auch. Und vor allem zeigt er nach oben und hält zwei Finger hoch. Da geht mir ein Licht auf.

Das ist ein verfickter Raubüberfall hier.

Hinter mir sagt jemand: «Du stehst auf der lista, Kleine Mücke.»

Meine Lunge hört auf zu arbeiten. Steht einfach still. Was?

Als einer der Typen vor mich tritt, sehe ich die Tattoos an seinem Hals und hinter seinen Ohren. Er hat ’ne Glatze und ’nen Schnauzer, so Charles-Bronson-mäßig. Da wird mir richtig schlecht, denn das sind keine Cops.

Das sind keine Cops.

Jetzt komme ich mir noch bescheuerter vor, weil ich doch in Riverside bin und die mich mit den LAPD-Westen trotzdem gelinkt haben. Die sind hier überhaupt nicht zuständig, Homies!

«Wir bezahlen euch», sage ich. «Was ihr wollt. Wir machen das klar.»

Das bringt sie zum Lachen, die Hände vorm Mund, absichtlich leise.

Über uns hört Scarlet gar nicht mehr auf zu stöhnen.

«Also dann, wer war es?» Ich versuche mir die Lippen zu befeuchten, aber ich bin ausgetrocknet und kriege keine Spucke zusammen. «Wer hat meinen Arsch reingeritten? Kommt schon, Leute! So viel müsst ihr mir sagen.»

Sieht ganz so aus, als ob es nicht Scarlet war, und auf keinen Fall ist ihr beschissener Sohn auf die Idee gekommen. Aber wenn nicht, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten, und eine davon ist Fate. Scheiße. Das tut zu weh. Aber vielleicht, denk ich, ist es auch Scarlets Alter. Macht auch Sinn. Vielleicht hat er einfach die Schnauze voll, dass sie in der Gegend rumvögelt, und vielleicht hat sie auch sein Geld verjubelt. Ich hab keine Ahnung, wie gut seine Verbindungen sind, was für eine große Nummer er ist. Ich hab bloß das dumme Gefühl, das ist so eine Zwei-Fliegen-mit-einer-Klappe-Scheiße.

Beim Spiel im Fernsehen versucht einer einen Wurf. Er geht daneben, aber ein Mitspieler holt sich den Rebound. Die Zuschauer ticken total aus, als er ihn versenkt. Gleich danach pfeift der Ref, das andere Team nimmt eine Auszeit.

«Du hast dich selbst reingeritten, pequeña mosca. Du bist ganz allein schuld. Hättest lieber mayates abknallen sollen, wenn du schon wen abknallen willst.»

Jetzt ist Scarlet kurz davor, sie schreit, als ob ihr gleich die Muschi explodiert. Aus dem Augenwinkel sehe ich einen Typen mit Schrotflinte nach oben schleichen. Verflucht, das ist echt eiskalte Scheiße. Sie hat keine Ahnung, was ihr blüht.

Ich sehe es immerhin kommen. Ich weiß immerhin, dass jetzt die Zeit für letzte Worte ist. Wenigstens so viel Respekt kriege ich.

«Sagt meiner Schwester, dass ich sie liebe. Meinem Bruder auch. Und meiner Mutter. Sagt es ihnen.»

«Klar», sagt die Stimme hinter mir, «werden wir sofort erledigen.»

Oben wird die Schrotflinte abgefeuert, einfach buumm. Klingt, als ob eine Rakete einschlägt. Da oben schreit Baseball rum und ruft meinen Namen. Aber ehe er noch was sagt, macht es noch mal buumm, und dann ist völlige Stille.

So bleibt es nur ein oder zwei Sekunden, bis das Spiel laut wieder angepfiffen wird und ich zusammenzucke, als die Zuschauer aufspringen und begeistert losjubeln. Als der Referee noch mal pfeift und der Ball eingeworfen wird und als irgendein Typ, von dem ich noch nie gehört habe, den Ball von weit hinter der Drei-Punkte-Linie auf den Korb wirft, halten sogar die Kommentatoren die Luft an.

Groß und rund und kalt, so fühlt sich der Kuss des Flintenlaufs in meinem Nacken an. Ich versuche ein Gebet zu sprechen. Ich versuche zu sagen: Vater unser der du bist im Himmel und so weiter, ich versuche geheiligt werde dein Name zu sagen, aber die Worte stecken in meiner Brust fest, ich kann sie nicht finden, also atme ich bloß aus, lasse alle Luft aus mir raus und schließe stattdessen die Augen.