Dreizehn
 
 
 
 
 
Kaum hatten wir das Belladonna-System erreicht, bekamen wir auch schon Gesellschaft. Ein waffenstarrendes Raumschiff kam herangesaust und flog neben uns her. Es war die Blaue Adonis, eine Warzenkröte von einem Raumschiff, die einem Splitterling namens Betonie gehörte. Von Anfang an ließ es äußerste Vorsicht walten, scannte mein Schiff mit Tiefensensoren und beharrte auf einer mehrstufigen Identifizierungsprozedur, eher er anerkannte, dass ich nicht unbedingt in feindlicher Absicht gekommen sei.
»Versteh mich nicht falsch, Campion«, sagte Betonies Imago, »aber wir müssen auf Nummer sicher gehen.« Er musterte mich mit durchdringendem Blick, als wollte er in meinem Gesicht einen verräterischen Zug aufspüren. »Du bist es«, sagte er und nickte bedächtig. »Also hast du es doch geschafft. Das andere Schiff – das ist bestimmt Portula, nicht wahr? Die Silberschwingen des Morgens. Ihr seid wie zwei Seiten einer Münze, die immer gemeinsam auftauchen.« Ehe ich in seiner Bemerkung eine Spitze entdecken konnte, setzte er hinzu: »Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, euch zu sehen.«
»Wir haben beide überlebt. Aber es kommt noch besser. Wir haben fünf Überlebende an Bord: Akonit, Mezereum, Luzerne, Melilo und Valeria. Sie befinden sich noch in Stasis, doch ansonsten sind sie wohlauf.«
»Sieben Personen?« Betonie hätte beinahe vor Freude aufgelacht. »Das sind wundervolle Neuigkeiten – es ist so lange her, dass hier jemand aufgetaucht ist, dass wir beinahe schon die Hoffnung aufgegeben hätten. Gibt es noch weitere Überlebende?«
»Das weiß ich nicht, aber so wie es im Reunionssystem aussah, ist das eher unwahrscheinlich.« Plötzlich wurde ich von Gefühlen überwältigt. Betonie hatte ich eigentlich nie besonders gemocht. Mehr als einmal war er mir wie ein zweiter Schwingel vorgekommen, der mit lauteren und unlauteren Methoden seinen Einfluss zu mehren suchte. Aber wenn ich mich in Schwingel getäuscht hatte, dann vielleicht auch in Betonie. Die alten Kümmernisse und Zweifel erschienen mir nun als Bürde, die länger mit mir herumzuschleppen ich mir nicht leisten konnte. »Ich freue mich, dich zu sehen, Betonie!«, rief ich aus. »Ich wage kaum zu fragen, wie viele von uns bei dir sind.«
»Insgesamt sind wir fünfundvierzig. Mit euch sieben macht das zweiundfünfzig. Es sind vielleicht noch ein paar Splitterlinge hierher unterwegs, aber ich mache mir keine allzu großen Hoffnungen.«
»Zweiundfünfzig.« Ich fühlte mich furchtbar niedergeschlagen. Eigentlich hatte ich mir noch schlimmere Szenarien ausgemalt, bis hin zu der Möglichkeit, dass insgesamt nur wir sieben überlebt hätten. Insgeheim aber hatte ich gehofft, es wären mehr als hundert übrig geblieben.
»Ich weiß«, sagte Betonie, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Das sind nicht viele. Aber wir können uns glücklich schätzen, dass überhaupt jemand entkommen konnte. Außerdem sind wir über fünfzig, was bedeutet, dass wir beschlussfähig sind. Natürlich hätten wir uns auch unter anderen Umständen nicht davon abhalten lassen, Entscheidungen zu treffen, aber es ist gut zu wissen, dass wir die alten Regeln noch immer einhalten können.«
Abigail hatte sich nicht dazu geäußert, wie zu verfahren sei, wenn die Gesamtzahl der Familienmitglieder unter fünfzig sinken sollte; offenbar hatte sie dies für ebenso unwahrscheinlich gehalten, wie dass das Universum zusammenbrechen oder die Früheren von den Toten auferstehen und die Galaxis für sich reklamieren könnten, so dass sie keine Vorkehrungen für diesen Fall getroffen hatte.
Nun aber überstieg unsere Zahl das Minimum gerade mal um zwei Personen. Betonie, der sich immer dafür ausgesprochen hatte, uns von Abigails heiligen Regeln loszusagen, stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
»Die anderen werdet ihr bald treffen«, sagte er. »Sie befinden sich alle auf Neume, abgesehen von denen, die für Patrouillenflüge eingeteilt wurden. Jedes Schiff, das ins System einfliegt, wird mit äußerstem Misstrauen betrachtet – ich muss euch leider sagen, dass wir bereits drei hereinkommende Raumfahrzeuge zerstören mussten, da sie sich nicht identifizieren konnten. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Forschungssonden lokaler Schwellenzivilisationen, aber unsere Nervosität ist wohl nachvollziehbar.«
»Ich glaube nicht, dass uns jemand gefolgt ist«, sagte ich. »Wir haben die Verfolger abgeschüttelt. Betonie – es gibt noch etwas, das du wissen solltest. Wir haben Gefangene an Bord. Akonit und die anderen haben sie um die Zeit herum festgenommen, als Schwingel gestorben ist.«
»Ja, von Schwingel haben wir gehört. Furchtbare Neuigkeiten. Aber er hatte einen ehrenvollen Tod, nicht wahr? Am Ende hat er der Familie doch noch zur Ehre gereicht.« Er nickte und schwieg einen Moment lang gedankenversunken, als wäre dies das erste Mal, dass er des Toten gedachte. Dann sagte er: »Erzähl mir von den Gefangenen.«
»Es sind vier. Nur von einem kennen wir den Namen: Grilse, ein Splitterling der Marcellin-Familie.« Seine Reaktion vorwegnehmend, fuhr ich fort: »Ich weiß – bis jetzt hatten wir nie Schwierigkeiten mit den Marcellins. Vielleicht hat Grilse ja auf eigene Faust gehandelt. Angeblich ist er vor zehn oder elf Umläufen auf der Strecke geblieben.«
»Habt ihr ihn schon verhört?«
»Akonit und Mezereum haben ihn so gut es ging befragt, wollten ihn aber nicht umbringen. Sie hielten es für geraten, sich härtere Verhörmethoden für die Zeit nach der Landung auf Neume aufzusparen.«
»Das war eine kluge Entscheidung. Wenn die Gefangenen die einzige Verbindung zu den Angreifern darstellen, müssen wir sie so vorsichtig behandeln wie den größten Schatz des Universums. Vielleicht sind sie das sogar. Aber eine Landung kommt nicht in Frage, tut mir leid.«
»Warum nicht?«
»Lokale Sitte. Unsere Daten waren ein wenig veraltet; auf Neume ist eine neue Zivilisation entstanden.«
»Und die Einheimischen wollen nicht, dass wir landen?«
»Ach, die hätten bestimmt keine Einwände. Sie haben keine Vorbehalte gegenüber den Familien oder unseren Raumschiffen. Der Empfang war sogar ausgesprochen freundlich. Das Problem ist die Frakto-Koagulation, die auch als Luftgeist bezeichnet wird.«
»Diese posthumane Intelligenz?«, fragte ich und musste an die Zusammenfassung denken, die uns der Datenspeicher gegeben hatte, nachdem wir den Belladonna-Rückzugsplaneten identifiziert hatten.
Betonie wirkte erfreut. »Du hast deine Hausaufgaben gemacht. Den Luftgeist gibt es schon seit Millionen Jahren – er ist älter als jede einheimische Zivilisation. Die Einheimischen fühlen sich als seine Beschützer – und das aus gutem Grund, denn er ist so ziemlich der einzige Anlass für Besuche von außerhalb. Sie erforschen und verehren ihn, wobei die Unterschiede verschwimmen. Allerdings lassen sie keinen Zweifel daran, dass sie auf keinen Fall zulassen wollen, dass jemand oder etwas ihn verstimmt – und das Eindringen eines fünfzig Kilometer langen Raumschiffs in die Atmosphäre fällt leider in diese Kategorie.«
»Dann können wir ja zur Oberfläche flitzen.«
»Dort gibt es keine Vakuumtürme, Campion. Ich fürchte, du wirst dich eines Shuttles bedienen müssen – ich hoffe, du wirst den Stilbruch verwinden.«
»Es wird schon gehen.«
»Bestimmt. Ist Portula ebenfalls wach?«
»Sie sollte jeden Moment auftauchen. Die Silberschwingen sind darauf programmiert, der Bummelant zu folgen, solange sie keine offensichtlichen Dummheiten begeht.«
»Dann folge mir, wir werden schon einen Parkplatz für dein Schiff finden. Eine Willkommensparty kann ich dir nicht versprechen – die kollektive Stimmung ist in letzter Zeit eher gedrückt. Aber wir werden unser Bestes tun.«
»Da bin ich mir sicher«, sagte ich.
Betonies grünes Krötenraumschiff schwenkte herum und schleuderte mir die Raumzeit ins Gesicht.
 
»Bist du sicher, dass er es war und dass du nicht einer Täuschung der Angreifer aufgesessen bist?«
»Ja«, sagte ich mit größter Geduld, denn sie hatte mir diese Frage seit Verlassen des Kryophags schon fünf- oder sechsmal gestellt, meiner Antwort jedes Mal aufmerksam gelauscht und sie als ausreichend eingestuft. »Wäre es jemand anders als Betonie, würde das bedeuten, dass jemand so tief in die Geheimnisse der Gentianer eingedrungen ist, dass wir ebenso gut aufgeben könnten.«
»Ja«, sagte sie. »Das klingt einleuchtend.«
Portula wirkte noch immer verschlafen; ihre Bewegungen waren steif, ihr Blick trüb. Kaum hatte der Kryophag sie freigegeben, war sie sogleich zur Bummelant herübergeflitzt. Nach einer Weile wurde ihr Blick schärfer und ihre geistigen Zahnräder griffen wieder ineinander. Als sie nicht mehr so benebelt war, berichtete ich ihr, was ich von Betonie erfahren hatte.
»Ich möchte Hesperus sehen«, sagte sie unvermittelt. »Ich will wissen, ob die Lichter noch leuchten.«
Die Lichter leuchteten noch, doch ich hätte schwören können, dass sie trüber geworden waren und langsamer pulsierten. Diese Beobachtung behielt ich jedoch für mich, denn ich wollte Portula nicht unnötig beunruhigen. Hinter den Gitterfenstern an seiner Schädelseite kreisten sie wie die Planeten und Monde eines Orrerys, das fast zum Stillstand gekommen war.
»Es ist noch Leben in ihm«, sagte ich, darum bemüht, den Mittelweg zwischen Zuversicht und Nüchternheit zu treffen. »Vielleicht nicht viel, aber …«
»Versuch nicht, mich aufzumuntern, Campion – ich weiß, dass sich sein Zustand verschlechtert hat. Aber er lebt noch. Das, was das Glas geritzt hat, ist noch immer vorhanden.«
Ich hatte ganz vergessen, Betonie zu fragen, ob die anderen Splitterlinge Gäste mitgebracht hatten und falls ja, ob Maschinenwesen darunter waren. Auf einmal kam mir das nicht sehr wahrscheinlich vor.
»Auf Neume werden wir ihm helfen. Dort gibt es eine Zivilisation. Sie wissen viele Dinge, die uns unbekannt sind. Sie erforschen eine maschinenbasierte posthumane Intelligenz …«
»Das klingt so, als würde man sagen: Der Mann studiert Wasserlilien, da kann er auch mein gebrochenes Bein richten.«
»Ich sage bloß, wir haben noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.«
Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Hast du Neume schon gesehen?«
»Betonie hat uns in den Orbit geleitet. Ich wollte warten, bis du wieder wach bist, bevor ich mir den Planeten genauer anschaue.«
»Wir landen nicht?«
»Es gibt Einschränkungen. Wir sollten es uns mit den Einheimischen besser nicht verscherzen.«
»Mit Einheimischen habe ich nicht gerechnet.«
»Die Möglichkeit war nicht auszuschließen. Betonie meint, wenn wir uns brav an die Regeln halten, dürfte es keine Probleme geben.« Ich reichte ihr die Hand. »Sollen wir die Unterhaltung auf der Brücke fortsetzen?«
Als wir nach oben flitzten, eng umschlungen vor dem Display Aufstellung nahmen und Portula den Kopf an meine Schulter legte, als sei sie nur ein Gähnen vom Wiedereinschlafen entfernt, fühlte sie sich schon viel wärmer an. Ich war froh, dass ich gewartet hatte. Die Bummelant hätte mir schon vor Stunden eine Vergrößerung des Planeten anzeigen können, doch ich hatte warten wollen, bis wir nur noch wenige Lichtsekunden entfernt waren und verzögerten, um in einen polaren Orbit einzuschwenken. Als das Display sich einschaltete, schnitten wir gerade die Äquatorebene, und der Planet wurde zusehends größer. Betonies Schiff war ein grüner Fleck in der Mitte eines verschwommenen, ein paar tausend Kilometer entfernten Kreises.
Neume war eine trockene Welt; der Gegensatz zur Wasserwelt der Zentauren hätte kaum größer sein können. An den Polen gab es Eiskappen, doch der Rest war silbergrau gefärbt und so trocken wie Bimsstein. Das Sonnenlicht wurde funkelnd reflektiert, doch das kam lediglich von den kristallenen Dünen; dort unten herrschte staubtrockenes Wüstenklima. Die Atmosphäre aber war jetzt deutlich zu erkennen, ein dünner Halo um den Rand des Planeten. Es gab sogar Wolken – fiedrige Gebilde, wie die Gespenster von richtigen Wolken -, doch sie waren eindeutig vorhanden.
»Können wir dort unten leben?«, fragte Portula.
»Betonie zufolge leben dort schon Leute.«
»Es gibt Sauerstoff. Die Transformer müssen hier gewesen sein. Aber ich sehe keine Organismen, weder Vegetation noch tierisches Leben.«
»Vielleicht haben die letzten Bewohner die Atmosphäre verändert, und der Sauerstoffgehalt ist so hoch, dass er nicht ständig erneuert werden muss.«
Portula hob den Kopf von meiner Schulter – sie wurde von Minute zu Minute munterer. »Was ist das für eine Linie am Äquator? Ein Ringsystem?«
»Das sind keine Ringe«, sagte ich. »Ich glaube, das ist eine Orbitalkonstruktion.«
»Sieht verfallen aus«, meinte Portula, als der Beobachtungswinkel sich änderte und die Linie sich in ein unregelmäßiges, ausgefranstes Band verwandelte, das den ganzen Planeten umspannte. Man sah jetzt, dass es sich vor vielen Umläufen einmal um eine zusammenhängende Konstruktion gehandelt hatte. Irgendwann hatte es vielleicht ein Dutzend Aufzüge gegeben, die den Äquator des Planeten mit dem Weltraum verbunden und wie die Speichen eines Rades von Neume zu dem weltumspannenden Band geführt hatten, das zehn- oder elftausend Kilometer über der Planetenoberfläche schwebte. Obwohl inzwischen keiner der Aufzüge mehr zur Oberfläche hinabreichte, ragten einige in die Atmosphäre hinein oder in den Weltraum heraus. Die abgebrochenen Speichen wirkten pelzig, als wären sie mit fiedrigen Eiskristallen besetzt. Entweder waren sie im Laufe der Zeit von einem Korrosionsprozess befallen worden, oder sie waren von einer anderen Zivilisation erbaut worden.
»Hesperus kannte diesen Ort«, sagte Portula.
»Was?«
Ihr Händedruck verstärkte sich. »Siehst du das nicht?«
»Was soll ich sehen?«
»Seine Gravur – das Speichenrad. Jetzt sehen wir es vor uns. Das ist Neume, aus dem Weltraum betrachtet.«
Die Erkenntnis, dass sie Recht hatte, traf mich wie ein Blitzschlag, doch ich begriff noch immer nicht, was das bedeutete. »Weshalb gerade Neume?«, fragte ich.
»Weil er wusste, dass wir hierher kommen würden. Weil tief in seinem Gedächtnis Informationen über diese Welt vergraben sind. Weil die Zeit und seine Energie nur dafür ausgereicht haben, uns eine kurze Nachricht zu übermitteln, bevor er seine Funktionen abgeschaltet hat.«
»Ich verstehe das noch immer nicht. Warum hat er Neume gezeichnet? Wir wussten doch schon, dass wir hierher fliegen würden.«
»Das ist nicht bloß ein Bild. Das ist etwas anderes – eine Nachricht. Er möchte, dass wir etwas für ihn tun.«
Wir ließen unsere Schiffe in der polaren Umlaufbahn zurück. Mühelos erkannte ich ein paar Raumschiffe wieder: Gelber Spaßvogel, Königin der Nacht, Papierkurtisane, Stahlgewitter … jedes Schiff garantierte das Überleben eines Splitterlings. Ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich Mieres Feuerhexe sah. Ich hatte mir sehr gewünscht, dass sie zu den Überlebenden gehörte.
Wir flogen mit einem Shuttle zur Planetenoberfläche hinunter. Akonit und Mezereum waren inzwischen aufgewacht, und die anderen drei gentianischen Splitterlinge würden aufwachen, wenn wir auf Neume angelangt waren. Außerdem waren die vier in der Stasis befindlichen Gefangenen an Bord, untergebracht in einem Stauraum am Heck. Portula war dagegen gewesen, Hesperus mitzunehmen, denn sie fürchtete, wir könnten ihm unabsichtlich schaden. Wir folgten Betonies Schiff in die blaue Atmosphäre von Neume hinein. Es glich einer verchromten Träne, die sich am Heck zu einer unglaublich dünnen Spitze verjüngte.
Unser Shuttle, das Portula gehörte, hatte die Form eines Packens Spielkarten mit abgeschrägter Vorderseite, weshalb man von dort aus einen guten Ausblick hatte. Hinter dem Schrägfenster befand sich ein überhängender Aussichtsraum, der freie Sicht auf die Planetenoberfläche ermöglichte. Es gab Tische und Sofas, doch wir hatten keine Lust, uns zu setzen. Wir lehnten uns an das Geländer aus poliertem Holz und hielten Ausschau nach den ersten Hinweisen auf die einheimische Zivilisation.
»Ich sollte euch mal ins Bild setzen«, sagte Betonies Imago, das von der Träne übertragen wurde. Er trug ein langes grünes Gewand, purpurfarbene Hosen und schwere schwarze Stiefel, die an den Seiten mit Platin verbrämt waren. »Neume ist eine alte Welt mit einer langen Geschichte – wir sind gerade mal viertausend Lichtjahre vom Alten Ort entfernt. Als die Siedler hier ankamen, war das Raumfahrtzeitalter gerade mal zweiundzwanzig Kilojahre alt. Erinnert ihr euch an das Commonwealth der Strahlenexpansion?«
Portula nickte. »Undeutlich.«
»Irgendwas klingelt da bei mir«, sagte ich.
»Ihr hattet halt noch nie viel für alte Geschichte übrig – nicht mal für die, die ihr selbst durchlebt habt«, sagte Betonie. Hinter dem Fenster erstreckte sich ein endloses Meer silberner Dünen bis zum blassen Horizont, der aufgrund unserer Höhe noch immer gekrümmt war. »Aber das ist schließlich kein Verbrechen. Auch ich musste mich erst über das Commonwealth schlaumachen. Ungeachtet der Tatsache, dass es im dreizehnten Jahrtausend damit schon wieder vorbei war und dass es nicht über fünfzig bis sechzig besiedelte Systeme hinauskam, je nachdem, welcher Datenquelle man Glauben schenken will. Nach allem, was wir wissen, ist davor noch niemand hier gewesen – man hat in der Kometenwolke ein paar Artefakte der Früheren gefunden, aber das war’s auch schon.«
»Hat das Commonwealth den Planeten angepasst?«, fragte Portula. »Ich denke da speziell an die Atmosphäre.«
»Es hat es versucht, doch das Ökosystem ist kollabiert, ehe der Vorgang des Terraformens abgeschlossen war. Dann hat es weitere dreißigtausend Jahre gedauert, bis wieder jemand nach Neume kam. In der Zwischenzeit hatte sich der Planet erneut stabilisiert. Die Leuchtende Blüte stellte die nächsten Siedler – die packten ordentlich an. Diese Periode währte fünfundvierzigtausend Jahre. In der Zeit wurde nicht nur Neume transformiert, sondern auch vier oder fünf weitere Himmelskörper der Planetenklasse im System. Neume hat leider als Einziger überdauert. Hätten sie sich nicht einen Mikrokrieg mit dem Imperium Roter Stern geliefert, hätten sie eine Menge erreichen können.«
»Und wie ging es nach der Leuchtenden Blüte weiter?«, fragte ich.
»Wir überspringen eine weitere Viertelmillion Jahre, dann kommt die Hohe Güte.«
»Endlich eine galaktische Supermacht, von der ich schon gehört habe.«
»Alles andere würde mich auch wundern – die Güte hat nämlich fast elf Umläufe durchgehalten – mehr als zwei Millionen Jahre. Die Güte hat zahlreiche der technischen Grundprinzipien entwickelt, die heute noch von den Transformern angewendet werden: Transformationsmaschinen, Welt-zu-Welt-Atmosphärepumpen, solche Dinge. Eine Zeit lang herrschte auf Neume praktisch terrestrisches Klima. In dieser Zeit errichtete die Güte ihre großen Städte – deren Überreste sind die größten erhaltenen Strukturen auf dem Planeten.« Betonie kniff die Augen zusammen und musterte den Horizont. »Wir nähern uns gerade einer dieser Städte. Wenn man genau hinschaut, kann man sie auch aus dem Weltraum erkennen.«
Ein dunkler Finger mit quadratischem Querschnitt gelangte in Sicht. Es war ein Turm, so schlank wie ein Obelisk, mehrere Kilometer hoch und offenbar intakt, wenngleich er gefährlich geneigt war. Es sah so aus, als könnte er jeden Moment in die Dünen stürzen.
»Wurde der Turm in diesem Winkel errichtet?«, fragte Akonit.
»Nein«, antwortete Betonie, »aber er steht jetzt seit mindestens einer Million Jahre schief und dürfte wohl noch ein paar weitere Millionen Jahre durchhalten. Er bricht nicht entzwei und ist so tief in der Erdkruste verankert, dass er nicht umkippen kann.«
»Wir könnten ebenfalls solche Städte errichten, wenn wir wollten«, sagte Mezereum trotzig.
»Aber wir haben es nicht getan, sondern die Güte, und sie wird dauerhafte Spuren hinterlassen – während wir schon von Glück sagen können, wenn man uns noch einen weiteren Umlauf lang in Erinnerung behalten wird.«
Unsere Shuttle senkten sich weiter ab, bis wir in wenigen Kilometern Höhe über die Dünen hinwegflogen – so tief, dass wir Menschen hätten erkennen können, wenn sich denn jemand im Freien aufgehalten hätte. Auf den endlosen silbernen Dünen zeigte sich jedoch kein Leben. Betonie steuerte sein Shuttle unter dem Überhang des schiefen Obelisken hindurch; als forderte er uns heraus, es ihm nachzutun. Portula wies ihr Shuttle an, sich auf den Rücken zu drehen, so dass unsere Köpfe nun nach unten wiesen. Der Turm der Hohen Güte war einheitlich schwarz. Es gab weder Fenster noch Eingänge oder Landedecks. Die Oberfläche war nicht vollkommen glatt: Es gab große, an Plaque erinnernde Muster, deren Ränder blau-schwarz den Himmel widerspiegelten. Ich hatte keine Ahnung, ob die Muster abstrakte Ornamente waren, ob sie eine geheimnisvolle Funktion erfüllt hatten oder ob es sich einfach nur um Parolen in der untergegangenen Sprache der Güte handelte.
»Weshalb sind sie ausgestorben?«, fragte ich, denn ich sagte mir, es sei sinnlos, mein Unwissen verbergen zu wollen.
»Jeder stirbt mal aus«, erwiderte Betonie. »Das nennt man Wandel.«
»Uns gibt es noch.«
»Aber nur deshalb, weil wir den unvermeidlichen Prozess über sechs Millionen Jahre gestreckt haben. Nur weil wir unseren Untergang hinausgeschoben haben, heißt das nicht, dass wir dagegen gefeit wären.«
»Du hast ja richtig gute Laune«, meinte Portula.
»Wenn man kurz vor dem Aussterben steht, ergibt sich das von selbst.«
Wir flogen noch eine halbe Stunde weiter und kamen an mehreren Gebäuden der Güte vorbei – dunkle Türme, die in beunruhigenden Winkeln aus dem Boden aufragten, vereinzelt oder in unregelmäßigen, kaktusartigen Häufungen. Dann flogen wir durch die Augenhöhlen eines berghohen Menschenschädels mit schneebedeckter Hirnschale. Nach weiteren zwanzig Minuten gelangte eine der großen Städte der einheimischen Zivilisation in Sicht. Die Sonne Neumes senkte sich allmählich gen Westen und warf tiefe, geschwungene Schatten über die Dünen. Die Stadt hob sich als dunkle Silhouette gegen den rotstreifigen Himmel ab.
»Das ist Ymir«, erklärte Betonie. »Nicht die größte Stadt auf Neume, aber die, welche für unsere Zwecke am besten geeignet ist – wir dürfen uns in weiten Teilen frei bewegen, also sollten wir uns besser nicht beklagen.«
»Sind dort die Überlebenden?«, fragte Akonit.
»Die meisten. Hin und wieder sind ein, zwei Splitterlinge unterwegs – sie halten im Sonnensystem nach eintreffenden Raumschiffen Ausschau, besuchen andere Städte oder kehren zeitweise in den Orbit zurück, um in Stasis zu gehen oder sich zu verjüngen – die meisten aber fühlen sich in Ymir ganz wohl. Hier gibt es alles, was wir brauchen, auch Abgeschiedenheit.«
»Wird der ganze Planet zentral verwaltet?«, fragte ich.
»Nein – es gibt mindestens drei Großmächte und etwa ein Dutzend Staaten der zweiten Riege. Sie sprechen auch verschiedene Sprachen. Aber deswegen brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Neume legt Wert darauf, uns gegenüber als Monokultur aufzutreten. Das liegt im beiderseitigen Interesse.«
»Also, mit wem haben wir es hier zu tun – und was ist mit der Hohen Güte passiert?«
»Das solltest du eigentlich wissen!«, flüsterte Portula mir zu.
»Das kann man Campion nachsehen«, sagte Betonie. »Die Hohe Güte verschwand vor zwei Millionen Jahren – sie ist jetzt so lange ausgestorben, wie sie existiert hat. Eine ernüchternde Vorstellung, wenn man bedenkt, dass ich mich noch gut an die Zeit erinnere, als sie eine aufstrebende Zivilisation war, die kaum hundert Sonnensysteme ihr Eigen nannte.«
»Welche Prioritäten du deinen Erinnerungen zuordnest, ist deine Sache«, sagte ich. »Ich ziehe es vor, Ereignisse der näheren Vergangenheit ganz oben einzuordnen.«
Betonie lächelte etwas gezwungen. »Und ich bin eher der Boden-Typ. Jeder nach seiner Fasson, mein lieber Junge. Jedenfalls, die Güte … sie ist einfach verschwunden. Angeblich geriet sie wegen der Kosten für eine Meerestransformation mit einer aquatischen Kultur in Streit, den Nereiden der Dritten Phase. Der Streit eskalierte, bis er viele Sonnensysteme umfasste. Eine weitere aufstrebende Zivilisation, die Plastikkultur, sah ihre Chance gekommen und übernahm einen großen Teil des Territoriums der Güte. Aber die Plastikkultur konnte sich nicht lange halten.«
»Was ist mit ihr passiert?«, fragte Akonit.
»Sie war zu unflexibel«, antwortete Betonie. »Als sie ausgestorben war, blieben uns von der Güte nur mehr die Ruinen.«
»Haben die Plastikleute die Weltraumfahrstühle und den Orbitalring gebaut?«, fragte ich.
»Nein, das war sehr viel später – vorher kamen noch sechs oder sieben andere Zivilisationen. Das waren die Versorger. Sie lebten hier mindestens vierhundertzwanzig Kilojahre lang, bevor es ihnen ans Leder ging.«
»Und die gegenwärtigen Bewohner?«, fragte Campion.
»Sie nennen sich die Zeugen. Sie begnügen sich damit, hier zu leben und je nach Gruppenzugehörigkeit den Geist zu verehren oder ihn zu erforschen. Sie haben ihre Städte und Siedlungen auf den Fundamenten der Hohen Güte erbaut – das ist viel einfacher, als Schächte in die Oberfläche zu treiben, und das Risiko, den Geist zu verstimmen, ist auch geringer.«
Wir waren Ymir inzwischen so nahe gekommen, dass wir erkennen konnten, was er meinte. Vier schwarze Finger ragten aus den Dünen empor, um fünfundvierzig Grad geneigte Obelisken der Güte. Der kürzeste Finger maß etwa vier oder fünf Kilometer, während der längste, einer der beiden mittleren Finger, mindestens acht Kilometer hoch war. Aus der Ferne, im Licht der untergehenden Sonne, sah es so aus, als wäre der Finger mit blauen Steinen und Edelmetall überkrustet. Doch die Juwelen, das war Ymir: Die Zeugen hatten ihre Stadt auf der Oberfläche der Finger errichtet. Die meisten Gebäude waren im Mittelteil konzentriert. Eine dichte Masse azurblauer Türme ragte aus dem geneigten Fundament der Güte-Ruinen hervor, verkleidet mit funkelndem Gold und Silber. Ein filigranes Netzwerk von Gehwegen und Brücken umhüllte die Türme von Ymir; manche der Brücken reichten von einem Finger zum anderen. Bunte Flugapparate und Menschenstäubchen schwirrten von Turm zu Turm.
Als sich die Shuttle Ymir näherten, kamen uns drei Flugobjekte entgegen und eskortierten uns zu einem der höchsten Türme auf dem längsten Finger. Die Eskortfahrzeuge waren gold- und rubinfarbene komplizierte Apparate, die mit ihren goldfiedrigen oder goldgeäderten Flügeln das Bauprinzip der Schwingenflügler oder Libellen imitierten, doch sie bewegten sich zu schnell und behände, als dass sie die alleinige Antriebskraft hätten darstellen können. An der Spitze eines jeden Flugapparats befand sich eine Kabine, die an ein von Krallen gehaltenes geschwollenes Auge erinnerte, und darin lag bäuchlings ein mit Schutzbrille und Helm ausgestatteter Pilot, der die Steuerung bediente. Die Begleitfahrzeuge wiederum wurden von vogelgroßen flatternden und kreiselnden Drohnen begleitet, und die Drohnen wiederum von zahlreichen juwelengroßen Maschinen.
Wir navigierten durch den überfüllten Luftraum von Ymir. Die Eskorte geleitete uns ins Dickicht der Türme hinein, unter den skelettartigen Verbindungsbrücken und Gehwegen hindurch. Immer mehr Luftfahrzeuge schwenkten von ihrem Kurs ab, um uns zu begrüßen – sie hielten auf Abstand, begleiteten uns aber den ganzen restlichen Weg über. Die fliegenden Menschen trugen flatternde Flügel unterschiedlicher Bauart. Auch bei ihnen konnte ich mir nicht vorstellen, dass sie allein von den Flügeln in der Luft gehalten wurden – offenbar benutzten sie zusätzlich Fluggürtel oder Levatorrucksäcke und setzten die Flügel zur Feinsteuerung ein.
»Ich fürchte, ihr werdet eine Weile im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen«, sagte Betonie. »Auf Neume gibt es kaum interstellaren Verkehr, und der letzte Besuch von Splitterlingen liegt fast sechs Jahre zurück.«
»Das macht uns nichts aus«, sagte Portula.
Die schwarzen Finger verdeckten die Sicht auf den Kilometer entfernten Boden. Man konnte leicht vergessen, dass die Stadt auf den geneigten Türmen einer untergegangenen Zivilisation errichtet war, die seit zwei Millionen Jahren nicht mehr die Luft von Ymir geatmet hatte. Hin und wieder im Laufe meines Lebens überkam mich die Erkenntnis, wie alt ich war und welch einen weiten Weg ich seit meiner Geburt als menschlicher Säugling, als ein Mädchen in einem wuchernden Gespensterhaus, zurückgelegt hatte.
Wir näherten uns einem der größten Türme, einem Gebäude mit einer Juwelenzwiebel an der Spitze. Auf halber Höhe der mit Balkonen versehenen und korkenzieherartig gewundenen Außenflächen sprang ein halbkreisförmiges Landedeck aus der Fassade vor, groß genug für die Eskorte und unsere beiden Shuttle. Das geflügelte Luftfahrzeug verharrte in der Schwebe, während Betonies Shuttle auf das spitze Ende kippte, das sich daraufhin verdickte, zusammenzog und in ein Dreibein verwandelte, auf das es sich langsam absenkte. Portulas Shuttle landete daneben auf dem Bauch. Kurz darauf trat der echte Betonie aus der Unterseite der Träne hervor und schwebte auf einer Levatorscheibe zwischen den Landebeinen herab. Als die Scheibe das Deck berührte, trat er herunter, worauf die Scheibe wieder nach oben schwebte und das Shuttle versiegelte.
In der Flanke von Portulas Shuttle öffnete sich eine Tür, senkte sich herab und bildete Stufen und Geländer aus. Die kühle, frische Luft Ymirs wehte mir ins Gesicht. Ich atmete die subtilen Gerüche einer unbekannten Welt ein und verspürte einen leichten Schwindel. Unangenehm war es nicht, vergleichbar etwa dem sich ankündigenden Schwips nach dem ersten Schluck von einem kräftigen Wein. Portula fasste meine Hand, und Seite an Seite schritten wir die Treppe hinunter, gefolgt von Akonit und Mezereum.
Zahlreiche Menschen hatten sich auf dem Landedeck versammelt; insgesamt waren es mindestens hundert. Sie bildeten drei Gruppen. Vor uns standen mindestens vierzig gentianische Splitterlinge – vielleicht all jene, die es nach Neume geschafft hatten, mit Ausnahme derjenigen, die auf Patrouille waren. Zur Rechten stand eine kleinere Gruppe – zwölf bis fünfzehn Personen, vermutlich die Reunionsgäste, welche den Angriff überlebt hatten. Ich machte ein, zwei Splitterlinge anderer Familien aus, zwei Angehörige des Maschinenvolks und mehrere hoch entwickelte Posthumane mit stark abweichender Anatomie. Zur Linken wartete ein vierzig bis fünfzig Köpfe zählendes Empfangskomitee der Einheimischen; sie trugen Fluganzüge, hatten die Flügel aber säuberlich auf dem Rücken zusammengefaltet. Aus der Luft betrachtet hatte es so ausgesehen, als wären sie normalgroß, doch nun stellte sich heraus, dass sie etwa einen Kopf größer waren als wir und äußerst schlank gebaut, mit dunklen, schräg gestellten Augen und zarten, elfenhaften Gesichtszügen. Was ich für honigfarbene Haut gehalten hatte, war in Wahrheit ein hauchdünner Pelz.
Eine weibliche Vertreterin der Einheimischen trat vor. Wie die anderen Bewohner von Neume trug auch sie ein eng anliegendes einteiliges Kleidungsstück aus zusammengenähten schwarzen Flicken, welche die Beschaffenheit von Leder hatten und auf der Brust mit Metall durchwirkt waren. Die Metalleinlagerungen waren mit bunten Köpfen besetzt, bei denen es sich um Steuerelemente oder Rangabzeichen handeln mochte. Die Frau trug einen schweren schwarzen Gürtel und darüber einen blauen Leibgurt. Eine durchsichtige Atemmaske mit Brille baumelte an einem Riemen unter dem Kinn, wohl damit sie sie jederzeit anlegen konnte, wenn ihr beim Fliegen die Luft zu dünn wurde. Die Stiefel liefen in gespreizte Zehen aus, und ihre Finger waren lang und elegant. Auf dem Kopf war das Fell dunkler und bildete eine steife Mähne, die bis in den Nacken reichte. Die meisten Einheimischen trugen eine ähnliche Frisur, jedoch mit leichten Variationen. Keiner trug einen blauen Leibgurt; zehn Personen hatten purpurfarbene Gurte, die der anderen waren rot oder schwarz.
»Ich grüße die Splitterlinge der Familie Gentian«, sagte die Frau in fehlerfreiem Trans. Sie hatte das Auftreten einer Politikerin und strahlte Autorität aus. Ihre Stimme klang ein wenig heiser, doch sie war gut zu verstehen, und in der dünnen, unbewegten Luft des Landedecks trug sie weit. »Ich bin Jindabyne, Magistratin Ymirs und der Sechs Provinzen. Ich wurde bevollmächtigt, Sie auf Neume willkommen zu heißen. Zunächst möchte ich Ihnen mein aufrichtiges Mitgefühl bekunden hinsichtlich des furchtbaren Unglücks, das Ihre Familie getroffen hat. In solchen Zeiten kann von Vergnügen nicht die Rede sein, doch ich hoffe, dass der Aufenthalt auf Neume zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen wird. Seien Sie versichert, dass wir Zeugen – die Bewohner von Ymir und den anderen Städten des Planeten – alles tun werden, um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Wenn Sie etwas benötigen, werden wir uns bemühen, Ihren Wünschen nachzukommen, soweit es in unserer Macht steht.«
Ich blickte Portula an, die mir aufmunternd zunickte. »Ich danke Ihnen, Magistratin, für Ihre freundlichen Worte. Ich bin Campion von den Gentianern, und dies ist mein Mitsplitterling Portula.« Ich wandte mich langsam um und streckte die Hand aus. »Das ist Akonit, und das ist Mezereum, beide ebenfalls Gentianer. An Bord des Shuttles halten sich noch drei weitere Splitterlinge unserer Familie auf, die sich derzeit aber noch in Stasis befinden.« Ich hatte die Gefangenen nicht vergessen, hielt es aber für unangebracht, die Willkommenszeremonie mit einem solch unangenehmen Detail zu stören.
»Hat Betonie Sie bereits über unsere Welt informiert, Campion?«
»Ein wenig – außerdem verfügen wir natürlich über die Informationen unseres Datenspeichers. Das heißt jedoch nicht, dass wir nicht noch einiges lernen müssten.«
»Ich bin sicher, Sie wissen bereits über alles Wichtige Bescheid. Sollten Sie dennoch Fragen haben, werden wir sie gern beantworten. Dies ist eine freie Gesellschaft, und wir haben keine Geheimnisse. Meine Mitarbeiter werden Ihnen jetzt Ihre Unterkünfte zeigen – sollten sie Ihnen nicht zusagen, sagen Sie es bitte gleich, dann werden wir das ändern. Ich nehme an, Sie möchten jetzt mit den anderen Splitterlingen sprechen. Ich möchte Sie nicht länger aufhalten.«
»Ich danke Ihnen, Magistratin«, sagte Portula.
»Wenn Sie möchten, können wir Ihnen eine Abschirmung zur Verfügung stellen. Meine Mitarbeiter und ich werden jedenfalls vorübergehend unser Trans-Verständnis ausschalten. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass man Sie belauschen könnte.«
»Wir haben keine Geheimnisse vor Ihnen«, sagte ich, »doch ich weiß Ihr Angebot zu schätzen. Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Jindabyne deutete auf die wartenden Splitterlinge. »Gehen Sie jetzt zu Ihnen. Schieben Sie das Wiedersehen nicht länger auf, so bitter-süß es auch sein mag.«
»Magistratin«, sagte Portula, als wir schon im Begriff waren, zu den wartenden Gentianern hinüberzugehen, »bevor Sie Ihr Sprachverständnis ausschalten, möchte ich Sie noch etwas fragen. Allerdings könnte es unverschämt erscheinen, das Thema gerade jetzt anzusprechen …«
Bei mir schrillten die Alarmglocken, denn ich ahnte, worauf sie hinauswollte. »Portula«, flüsterte ich, »das kann doch warten.«
»Was gibt es, Splitterling?«
»Seit wir von Neume gehört haben, bin ich gespannt, mehr über den Luftgeist zu erfahren.«
»Das gilt für die meisten Besucher«, sagte Jindabyne, deren Stimme plötzlich ein wenig gepresst klang. »Wenn es diese Neugier nicht gäbe, könnten wir keinen Handel führen.«
»Ich frage mich, ob es vielleicht möglich wäre … ihm zu begegnen. Oder zumindest mit ihm zu kommunizieren.«
Bislang hatte ich in Jindabynes Gesicht kaum eine Regung wahrgenommen, doch nun ließ sie die Diplomatenmaske für einen Moment fallen, und dahinter kam ihre Anspannung zum Vorschein. »Seien Sie versichert, dass es ein großes Archiv gibt, das in der öffentlich zugänglichen Abteilung zahlreiche Beobachtungen und Analysen zur Verfügung stellt, die bis zu den letzten Tagen der Güte zurückreichen. Ich bin sicher, Sie werden dort alles finden, was Sie interessiert. Selbstverständlich werden Sie auch Gelegenheit haben, sich während Ihres Aufenthalts auf Neume mit Wissenschaftlern und Verehrern des Geistes zu treffen.«
»Ich interessiere mich vor allem für den Geist selbst«, sagte Portula, »nicht für Archivmaterial.«
»In der Zwischenzeit«, sagte ich, »werden meine Mitsplitterlinge und ich mit Freuden das Archiv nutzen. Es ist sehr großzügig von Ihnen, dass Sie uns Zugang dazu gewähren, Magistratin – und wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um uns für Ihre Freundlichkeit erkenntlich zu zeigen.«
Portula funkelte mich zornig an.
»Normalerweise stellen wir die Archivnutzung in Rechnung«, sagte Jindabyne. »Gebühren und Energie halten unsere Welt am Laufen. Doch es ist uns eine Ehre, unseren Freunden der Familie Gentian Zuflucht zu gewähren, deshalb kommt eine Bezahlung nicht in Frage.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Akonit; es war seine erste Äußerung seit Verlassen des Shuttles. Er und Mezereum hielten jetzt einen respektvollen Abstand zueinander ein, damit man gar nicht erst auf den Gedanken kam, sie könnten miteinander verbandelt sein.
Dies nahm Betonie anscheinend als Stichwort. »Mit der Erlaubnis der Magistratin möchte ich nun die vier verlorenen Splitterlinge wieder im Kreise der Familie willkommen heißen! Campion und Portula, Mezereum und Akonit – und Luzerne, Melilo und Valeria, die sich noch an Bord des Shuttles befinden! Das ist mehr, als wir zu hoffen wagten!«
Die Splitterlinge jubelten und applaudierten. Ich hob grüßend die Hand. Ich fühlte mich überhaupt nicht als heimkehrender Held, doch ich musste mich irgendwie erkenntlich zeigen.
Portula lächelte reizend und hob die Hand. »Ich freue mich, dass so viele von uns überlebt haben«, sagte sie. »Ich hatte schon befürchtet, außer uns hätte es niemand bis hierher geschafft. Es tut gut, euch wiederzusehen.«
Betonie nicht mitgezählt, hielten sich bereits vierundvierzig Splitterlinge auf Neume auf. Da war die gertenschlanke Miere, so wunderschön wie eh und je mit ihrem blauweißen Haar, das die Farbe von Schnee bei Vollmond hatte. Da war der dunkelhäutige Hederich, in dem ich nie einen Verbündeten gesehen hatte, der mir jetzt jedoch zunickte, als wollte er sagen, das alles liege nun hinter uns. Und da war auch der stets zu einem Scherz aufgelegte Reseda, der sich in seiner beleibten Reunions-Anatomie zeigte. Und dann waren da noch Sainfoin, Medicago, Bilse, Bartsia und Rainfarn.
Portula und ich gingen zu den Überlebenden hinüber und schüttelten Hände, während Akonit und Mezereum uns folgten.
»Ich habe mich in dir getäuscht, Campion«, sagte Galgant, ein Splitterling, den ich erst jetzt bemerkte, da er mir über Rainfarns Schulter hinweg die Hand reichte. »Das werde ich mir nie verzeihen. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich das mal sagen würde, aber nicht auf Schwingel zu hören, war das Beste, was du tun konntest.«
»Die Entscheidung, ins System einzufliegen, hat auch Portula mitgetragen«, sagte ich.
»Natürlich«, meinte Galgant. Er war etwa so groß wie ich, hatte ein verkniffenes Gesicht, rötliche, fleischfarbene Haut und kurz geschnittenes, dicht anliegendes weißes Haar. Galgant trug ein künstliches Auge zur Schau, mit dem er das grüne Auge ersetzt hatte, dass sein genetisches Erbe war. Das Auge – und einen großen Teil seiner linken Gesichtshälfte – hatte er verloren, als er bei einem brutalen Mikrokrieg Tourist gespielt hatte und zwischen die Fronten geraten war. Er war verwundet worden und – vielleicht nicht ganz unabsichtlich – einer aufstrebenden interstellaren Zivilisation in die Hände gefallen. Deren Chirurgen hatten ihn wieder zusammengeflickt und ihm das Auge eingesetzt, ein Spitzenerzeugnis ihrer Cyberwissenschaft. Nach den Maßstäben der Familie war es unglaublich primitiv, vergleichbar etwa einem Holzbein oder einer starren Handprothese. Als er sich wieder in gentianische Obhut begab, hatte Galgant seine Gesichtsverletzung so behandeln lassen, dass keine Narben zurückgeblieben waren, doch das künstliche Auge hatte er behalten. Sein Strang hatte sich bei diesem Umlauf großer Beliebtheit erfreut, und das primitive Ersatzteil erinnerte ihn an vergangene ruhmreiche Zeiten. Ohne meine Hand loszulassen, sagte er: »Wir müssen Schwingel noch die letzte Ehre erweisen, nicht wahr? So, dass es seiner Stellung angemessen ist.«
»Das machen wir«, sagte ich knapp, denn ich wollte das Thema wechseln.
»Es muss etwas Spektakuläres sein. Ein Zeichen, das besagt, dass die Gentianer sich nicht so schnell geschlagen geben.«
»Das tun wir nicht«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass jemand daran erinnert werden muss.«
Betonie klopfte mir herzlich auf die Schulter. »Das hört man gerne, Campion. Wir sind noch nicht am Ende. Und, verdammt nochmal, jemand wird dafür zahlen müssen.«
»Wenn eine andere Familie dahintersteckt«, sagte Akonit, »würde ich vorschlagen, dass wir sie bis auf zweiundfünfzig Überlebende dezimieren. Mal sehen, wie ihnen das gefällt.«
»Weshalb sollten wir uns damit begnügen?«, erwiderte Galgant. »Sie wollten uns vollständig auslöschen. Es war purer Zufall, dass einige von uns entkommen sind. Ich bin für die Vernichtung, die vollständige Auslöschung der Familie.«
»Falls eine Familie dahintersteckt«, sagte ich. »Es könnte auch sein, dass Grilse ohne Auftrag der Marcellins gehandelt hat.«
»Die natürlichen Verbündeten der Familien sind andere Familien«, sagte Mezereum. »Das ist die Grundlage der Körperschaft. Es leuchtet ein, dass die Familien auch unsere natürlichen Feinde sind.«
»Vielleicht sollten wir uns mit einem Urteil so lange zurückhalten, bis wir mit den Gefangenen gesprochen haben«, schlug Portula vor. Ich drückte ihr dankbar die Hand. Zum ersten Mal seit unserem Eintreffen auf Ymir fühlte ich mich solidarisch mit ihr und hatte das Gefühl, dass wir beide keine voreiligen Schlüsse ziehen würden.
»Ich möchte euch jetzt unseren Gästen vorstellen«, sagte Betonie.
Wie ich vermutet hatte, war es ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Es waren einige Splitterlinge anderer Familien da: keine Marcellins, dafür ein Torquata, ein Ectobius und zwei Jurtinas sowie ein, zwei Personen, die ich nicht gleich zuordnen konnte. Auch ein großer, elefantenartiger, in ledrige rote Panzerplatten gehüllter Posthumaner war zugegen – trotz anatomischer Ähnlichkeiten war er jedoch kein Randläufer. Dann waren da noch mehrere spindeldürre Statuen, die an ein Reisigbündel erinnerten, obwohl es sich um lebende Personen handelte, und ein, zwei Menschen mit Standardanatomie, bei denen es sich um Familienmitglieder oder auch um Vertreter von Schwellenzivilisationen hätte handeln können, sowie zwei Roboter. Der eine war silbern und der andere hellweiß; die Oberfläche erinnerte an Elfenbein oder an verschüttete Milch. Der silberne hatte weibliche Formen, der weiße wirkte männlich. Wie Hesperus hatten beide an der Schädelseite Fenster, hinter denen bunte Lichter tanzten und kreiselten.
»Ich möchte euch Kadenz und Kaskade vorstellen, Angehörige des Maschinenvolks«, sagte Betonie, den Robotern mit gutem Grund den Vorrang einräumend. »Sie sind mit Sainfoin gekommen – sie hat sie bei einer Reunion der Dorcus-Familie getroffen, nur zehntausend Lichtjahre vom Innenrand des Monoceros-Rings entfernt.«
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte Kadenz, der weibliche Roboter. Sie hatte eine wundervoll klare Stimme, wie ich sie noch nie vernommen hatte – ein Engelschor in vollendeter Harmonie.
»Ich auch«, sagte Kaskade und neigte grüßend seinen milchweißen Kopf. »Wir teilen das Entsetzen über das Unglück, das Ihrer Familie zugestoßen ist.« Seine Stimme war tief, sonor und ausgesprochen trostvoll; sie berührte mich tief und schien mir zu versichern, dass mir und meinen Liebsten in seiner Gegenwart nichts geschehen könne. »Seien Sie versichert, dass das Maschinenvolk alles in seiner Macht Stehende tun wird, um Ihnen dabei zu helfen, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Das verspreche ich Ihnen.«
»Waren Sie die einzigen Maschinenwesen, die es zur Reunion geschafft haben?«, fragte Portula.
»Soviel wir wissen, ja«, antwortete die reizende Kadenz. »Es könnte natürlich sein, dass einige von uns bei der Annäherung ans System ums Leben kamen, nachdem der Angriff bereits stattgefunden hatte. Das aber halte ich für unwahrscheinlich. Wir haben einen starken 3Selbsterhaltungswillen.«
Ich dachte daran, wie Hesperus sich in Gefahr begeben hatte, um uns zu helfen, enthielt mich aber einer Bemerkung.
»Haben Sie schon von unserem Gast gehört?«, fragte Portula.
»Von Hesperus?«, sagte Kaskade. »Ja, natürlich. Sein Wohlergehen hat für uns allerhöchste Bedeutung. Wir würden ihn gern bei nächster Gelegenheit untersuchen.«
»Wir danken Ihnen für alles, was Sie für ihn getan haben«, setzte Kadenz hinzu. »Wo befindet er sich im Moment?«
»An Bord meines Schiffes, der Silberschwingen des Morgens«, antwortete Portula. »Sie befindet sich im Orbit – wir mussten sie dort oben lassen.«
»Darüber sollten wir vielleicht später sprechen«, sagte ich. »Hesperus hat bis jetzt überlebt – da kommt es auf einen weiteren Tag nicht mehr an.«
Kadenz und Kaskade nickten einmütig. »Dann unterhalten wir uns morgen«, sagte der weibliche Roboter. Ihr silbernes Gesicht war aus feinen Kanten und flachen Oberflächen zusammengesetzt, wirkte aber dennoch ausgesprochen feminin. Ich fragte mich, ob Portula sich auf gleiche Weise von Kadenz’ maskuliner Erscheinung angezogen fühlte.
Betonie reichte dem elefantenartigen Posthumanen die Hand. »Ich möchte euch nun Ugarit-Panth vorstellen, den Umherschweifenden Botschafter der Vereinigung der Tausend Welten, einer sehr angesehenen und stabilen Superzivilisation der mittleren Ebene, die im Perseus-Arm beheimatet ist.«
Der Botschafter hob den Rüssel. Er endete in einer fünffingrigen Hand mit einer rosigen Öffnung auf der Handfläche. Ich schüttelte das abstoßende Anhängsel und schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln.
»Es tut mir sehr leid, Botschafter.«
Seine dunklen Augen saßen beiderseits der massigen, wulstigen Stirn. »Was tut Ihnen leid, Splitterling?«
»Das, was Ihnen zugestoßen ist …«
»Was sollte das denn gewesen sein?«
»Als der Sternendamm versagt hat …« Ich verstummte; Betonie hatte sich bei mir untergehakt und zog mich mit sanfter Gewalt weiter.
»Er hat die Zivilisationen durcheinandergebracht, Botschafter – er hat den Pantropischen Nexus gemeint. Nicht wahr, Campion?«
»Ja, das stimmt«, sagte ich verwirrt.
»Dabei befindet sich der nicht einmal innerhalb des Perseus-Arms. Aber so ist unser Campion nun mal – galaktische Geographie war noch nie seine Stärke, hab ich Recht?«
»So muss es wohl sein«, sagte ich benommen.
»Von welchem Sternendammversagen sprechen Sie?«, fragte der Botschafter.
»Es gab ein Gerücht bezüglich eines Versagens«, antwortete Portula und schirmte mich vor dem Botschafter ab. »Aber ich habe mich informiert. In Wirklichkeit handelte es sich lediglich um eine planmäßige Detonation. Bisweilen lässt man Sterne sich in eine Supernova verwandeln, zumal dann, wenn sich in der Nähe ein sternenbildender Nebel befindet, der eine Metall-Anreicherung oder einen anderen Auslöser braucht, bevor er sich zu verdichten beginnt.«
»Und was hat es mit dem Pantropischen Nexus auf sich?«
»Er wurde davor gewarnt, seine Expansion in die Gefahrenzone hinein fortzusetzen. Als der Stern explodierte, bekamen einige seiner Sonnensysteme tödliche Strahlendosen ab. Wahrscheinlich hat Campion daran gedacht.«
»Ja«, sagte ich und nickte heftig mit dem Kopf. »Der Pantropische Nexus. Diese Dummköpfe.«
»Darüber sollten wir uns eingehender unterhalten«, sagte der Botschafter zu Betonie.
Betonie lächelte angestrengt. »Und das ist der ehrenwerte Splitterling Japji von der Torquata-Familie …« Als wir außer Hörweite des Elefantenbotschafters waren, zischte er: »Er weiß es noch nicht.«
»Das habe ich mir gedacht. Wann wollt ihr es ihm sagen?«
»Wir haben nicht die Absicht.«
»Ist das nicht unverantwortlich?«
»Ich denke nicht. Er ist akut selbstmordgefährdet. Weißt du, was sie tun, wenn sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen?«
»Du wirst es mir bestimmt gleich sagen.«
»Sie gehen in die Wüste und sprengen sich in die Luft. In seinen Brustkasten ist ein kleines Antimaterie-Gerät implantiert.«
»Ah. Und du glaubst …«
»Solange wir uns nicht vollkommen sicher sind, dass er sich nicht in unserer Nähe in die Luft sprengt oder dass wir die Druckwelle abschirmen können, müssen wir ihn im Unklaren lassen. Wir haben bereits die lokalen Datenspeicher verändert, damit er nicht daraus erfährt, dass die Vereinigung von einem defekten Sternendamm ausgelöscht wurde. Jetzt müssen wir auch noch die Einträge zum Pantropischen Nexus manipulieren.«
»Ich fände es deprimierend, wenn ich das Gefühl hätte, dass alle mich belügen.«
»Bis du den Schnitzer begangen hast, ihm dein Beileid zu bekunden, war alles bestens.«
»Vielleicht hättest du mir rechtzeitig etwas sagen sollen, anstatt dich auf Telepathie zu verlassen.«
»Ich habe dir bei der Vorstellung einen deutlichen Hinweis gegeben, indem ich von der Vereinigung im Präsens gesprochen habe. Oder hast du das überhört?« Er nickte Portula zu. »Was du da über den Nexus erzählt hast – das war ganz schön schlagfertig. Gut, dass wenigstens einer von euch beiden Geistesgegenwart besessen hat.«
»Ich halte mich erst seit zehn Minuten auf diesem Planeten auf«, sagte ich. »Und schon habe ich das Gefühl, nicht mehr willkommen zu sein.«
Portulas eisiger Blick ließ Schlimmes befürchten. »Wenn du dich anstrengst, könntest du die Frist beim nächsten Mal vielleicht auf fünf Minuten drücken.«