Kapitel 24
Nach der Jagd nahmen Edward und William ein heißes Bad. Die große Badestube Richards II., die sich unterhalb des königlichen Wohntrakts befand, war von Dampf erfüllt, und die bemalten Kacheln standen unter Wasser.
»Heiz ein, Dickon! Schaff heißes Wasser herbei, die Leitungen sind leer ... und bring uns Bier. Was meinst du, William - heiß oder kalt?«
»Heiß, Euer Majestät?«
»Bier, du Narr. Heißes Bier.«
»Ja. Und eine heiße Badezofe dazu. Wenn ich mit Euer Gnaden noch länger hier schmoren soll, dann brauche ich wenigstens eine Entschädigung.«
Der König verzog das Gesicht zu einem wölfischen Lächeln. »Dickon!« Der Diener eilte mit einem Eimer kochend heißem Wasser zurück, das er unter dem Gejohle und Gelächter der beiden Männer ins Bad kippte. Mit einem hämischen Grinsen nahm der König William beim Wort. »Mein Großkämmerer verlangt nach einer helfenden Hand bei seinen Waschungen. Kannst du uns eine hübsche, junge Waschfrau empfehlen?«
Dickon griente. »Vielleicht. Lasst mir einen Augenblick Zeit, Euer Majestät.« In der Annahme, eine wichtige Mission zu erfüllen, eilte Dickon hinaus, und der König grinste William vielsagend an.
»Dieses Grinsen kommt mir bekannt vor!« William griff nach einem großen, voll gesaugten Badeschwamm und warf ihn in Richtung des Königs. Dieser fing ihn auf, warf ihn mit einem Aufschrei zurück und traf William mitten ins Gesicht. Vergnügt setzten die beiden Männer die Schlacht mit Wasser und Seife fort, ehe sie dazu übergingen, in der riesigen Steinbadewanne miteinander zu ringen. Das Wasser spritzte und verschonte auch Dickon und das Mädchen nicht, das dieser gerade hereinführte. Es war ein hübsches Ding mit krausen, zu einem Zopf geflochtenen Haaren und einer schmalen Taille unter hochsitzenden, schwellenden Brüsten, die von einem schlichten Hauskleid und einer Schürze sittsam bedeckt waren.
»Dreh dich um, Mädchen.« Der König sprang aus dem Bad, und Dickon eilte an seine Seite und hüllte ihn in ein leinenes Badetuch. »Ich überlasse dir das Feld, Großkämmerer. Ich erwarte dich, wenn du gewaschen bist.« Der König zwinkerte William zu und verließ das Schlachtfeld, um sich in einem der vorderen Räume umzuziehen.
»Schließ die Tür, Mädchen. Und sag mir, wie du heißt.« William ergötzte sich an dem Anblick des Mädchens. Es wäre eine Schande gewesen, diese großzügige Gabe des Königs auszuschlagen.
»Mary, Sir.«
»Nun, Mary, bring den Wasserkrug her.« William zog sittsam die Knie an, während sie die Tür schloss und nach dem Krug griff. »Gieß es mir über den Rücken.« Er seufzte wohlig, als das heiße Wasser sich mit dem restlichen Wasser in der Badewanne vermischte. »Es heißt, du seist eine gute Waschfrau, Mary. Sag, hast du schon einmal einen Mann gewaschen?«
Das Mädchen kicherte. »Nein, Sir. Das ist gewöhnlich nicht mein Geschäft.«
»Und was ist dein Geschäft?«
»Die Wäsche stärken, Sir. Ich bereite die Stärke für die Schleiermacherin der Königin. Und ich wasche die besonders feinen Wäschestücke Ihrer Majestät, zusammen mit Rose, einer ihrer Kammerjungfern.«
Währenddessen fischte William im Wasser und zog hervor, wonach er gesucht hatte. »Ah, hier ist sie ja.« Er hielt ein großes Stück weiße Mandelölseife in die Höhe. Feine Seifen waren ein Luxus, dem der König frönte. »Nun, Mary, dann wollen wir sehen, wie gut du bist. Wasch mir den Rücken.«
Das Mädchen sagte nichts, aber er hörte, wie sie den Krug absetzte. William reichte ihr die Seife. Mary nahm sie zaghaft und begann, ihm den Rücken zu schrubben.
»Du wirst ganz nass werden«, bemerkte er. Das Mädchen sah ihn an und senkte den Blick. »Vielleicht ziehst du sie besser aus. Deine Kleider.« Sie griff mit einer Hand nach dem Schürzenband, ließ es aber unsicher wieder los. »Du brauchst es natürlich nicht zu tun. Wenn du nicht willst...«
Mary lächelte schwach. Das war das Zeichen. »Dreh dich um und lass dir helfen.« Williams Stimme klang belegt, und sein Atem ging schneller. Gehorsam kehrte sie ihm den Rücken zu. Sorgfaltig zog er die Schürze ab, dann löste er langsam die Schleifen ihres Kleides. Als er den Stoff zur Seite schlug, konnte er ihre glatten Schultern und ihren Rücken bis hinunter zum Gesäß betrachten - natürlich hatte sie unter dem Kleid nichts an. Das warme Wasser und die Gegenwart des Mädchens brachten sein Blut in Wallung. »Nun, Mary, ich sehe schon, dass du dich mit Stärke gut auskennst«, sagte er mit heiserer Stimme.
»Wie meint Ihr das, Sir?« Das Mädchen drehte sich rasch um, wobei sie sich schicklich die Kleider vor den Leib hielt, ihm aber dennoch Gelegenheit gab, sie von der Seite zu betrachten, und ihm einen Blick auf ihre nackte Brust gewährte.
»Schau dir das an.«
Das Mädchen lachte, als sie sah, was aus dem Seifenwasser lugte, ehe sie nacheinander ihre Kleider zu Boden fallen ließ, bis sie nackt vor ihm stand. Sie ließ sich einen Augenblick von ihm betrachten, dann erklomm sie die Stufen zum Bad und kletterte über den Rand. Langsam ließ sie ihren Körper in das heiße Wasser gleiten, legte sich auf ihn und begann, sich sanft mit dem Wasser auf und nieder schaukeln zu lassen. William konnte es kaum erwarten, und als sie ihm einen Kuss gestattete, schob er seine Hände zwischen ihre Beine und spreizte ihre Schenkel. Da sie keinen Widerstand leistete, ließ er sich wollüstig in sie gleiten. Sie fühlte sich herrlich an, heiß und weich wie Butter. Sie zog scharf die Luft ein, als er in sie eindrang, doch dann drückte sie sich leise keuchend nach unten, so dass sie ihn fest mit ihren Schenkeln umschloss.
Das heiße Wasser gluckste und spritzte, als er sie auf seinem Bauch auf und nieder bewegte. Sie fühlte sich glitschig und beinahe schwerelos an, und das heiße Wasser, das sie umgab, war von schier unerträglicher Wonne.
»Eine gründliche Wäsche ...« William wollte die Lust möglichst lange ausdehnen, doch er stand kurz vor dem Höhepunkt, vor allem, als sie ihre Hand ins Wasser gleiten ließ und mit den Fingern erst ihn, dann sich selbst stimulierte - etwas, was er unbeschreiblich erregend, wenn auch ein bisschen schockierend fand.
Edward hatte sich in dem vorderen Zimmer fast vollständig angekleidet und hörte, was drinnen vor sich ging, denn die Tür war nur leicht angelehnt. »Danke, Dickon. Ich rufe dich, wenn ich dich brauche.« Dickon machte einen Diener und zog sich mit ausdrucksloser Miene zurück. Edward ging zur Tür und spähte durch den Spalt in die Badestube. Andere bei der Liebe zu beobachten, war ein erotischer Genuss, und obwohl er nicht zum ersten Mal William mit einer Frau sah, brachte der Anblick des Paares in der Badewanne sein Blut in Wallung. William lag inzwischen auf dem Mädchen, das sich mit geschlossenen Augen am Wannenrand festklammerte, während ihre Lippen zu einem lustvollen Lächeln verzogen waren.
Der König schloss sacht die Tür. Er war sehr erregt und dachte an Anne. Er lächelte. An diesem Abend sollte ein Gelage stattfinden, und die Königin würde, erschöpft wie sie war, gewiss das Bett hüten. Er musste Doktor Moss informieren. Und es war an der Zeit, dass Anne seine Frage beantwortete. Sie hatte ein Geheimnis, und es würde ihm ein Vergnügen sein, dieses Geheimnis zu lüften ...
Zu den Festen in der Vorweihnachtszeit gehörte ein gut geheizter Saal, aber auch eine gedämpfte Beleuchtung, damit gewisse Tändeleien in den schattigen Nischen möglichst unbeobachtet blieben.
Es war spät geworden. Der König hatte nicht viel getrunken, gerade genug, um in richtiger Vergnügungslaune zu sein. Der Platz neben ihm war leer. Moss hatte eilfertig seinem Wunsch entsprochen und der Königin einen Trank verabreicht, der sie bis zum nächsten Morgen tief schlafen lassen würde.
Auch Anne war schläfrig, denn der Wein war ihr zu Kopf gestiegen. Die widersprüchlichen Gefühle, die in ihrem Inneren tobten, und ihr schlechtes Gewissen hatten sie in eine fieberhafte Erregung versetzt, und sie hatte den Wein, den sie sonst mit Wasser vermischte, unverdünnt hinuntergestürzt. Als sie zum Ausgleich etwas essen wollte, stellte sie fest, dass sie keinen Appetit hatte, denn dort, am Kopf der Tafel, saß der König - und sie wusste, dass sie um jeden Preis vermeiden musste, ihm ins Gesicht zu sehen.
Aber der Abend schleppte sich dahin, und von Zeit zu Zeit hatte sie doch einen verstohlenen Blick auf Edward geworfen, und als sie jetzt wieder aufsah, trafen sich ihre Blicke. Er hob seinen Kelch, machte eine leichte Verbeugung und trank ihn in einem Zug leer, ohne die Augen von ihr zu wenden.
Anne spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg, und senkte die Augen. Alle im Saal mussten den König gesehen haben.
Doch Evelyn schäkerte mit dem Diener, der ihnen das Essen servierte - Schweinefleisch in einer Soße aus eingelegten Walnüssen, Zimt und Nelken während Dame Jehanne sich angeregt mit ihrem Tischnachbarn unterhielt, einem Mundschenk der Königin. Keiner an ihrem Tisch hatte es gesehen.
Plötzlich brandete wilder Applaus auf - der Fackeltanz wurde angekündigt! Auf ein Zeichen des Königs setzte die Musik ein, und die Diener teilten brennende Kerzen aus.
Alle Damen trugen bei diesem Tanz eine Kerze, und die Herren hatten die Aufgabe, sie auszublasen. In Wahrheit jedoch stellte der Fackeltanz ein stilisiertes Verführungsritual dar. Die Dame durfte ihre Kerze mit der Hand abschirmen, doch dem Herrn war es verboten, sie zu berühren - er durfte zur Erfüllung seiner Aufgabe lediglich den Mund benützen. War die Kerze ausgeblasen, zog sich das Paar von der Tanzfläche zurück. Am Ende war nur noch ein Paar übrig, das im Tanz immer näher aufeinander zukam, bis auch das letzte Licht erloschen war. Auch die Musik heizte die Stimmung auf - sie spielte in einem schnellen, eindringlichen Rhythmus, der vom sinnlichen Säuseln der Gamben und dem Spiel einer einsamen Flöte begleitet wurde.
Anne sah, dass der König sich erhoben hatte, um sich dem Tanz anzuschließen. Sie wollte nicht zusehen, wie er mit den Schönheiten vom Hof tändelte, also murmelte sie eine Entschuldigung, sie müsse zum Abtritt, und zwängte sich aus der überfüllten Bank.
Rose sah ihr mit einem hämischen Lächeln nach. »Ha«, sagte sie grimmig zu Dorcas, »die glaubt wohl, sie könnte uns zum Narren halten, das eingebildete Fräulein.«
»Wen meinst du?« Dorcas war der Wein, die Hitze und das Essen zu Kopf gestiegen.
»Die da. Anne. Tut so von oben herab und meint, sie sei etwas Besseres. Spielt die unschuldige Jungfrau. Phhh!«
»Wieso, ist sie denn das nicht?«, fragte Dorcas verwirrt.
»Was?«
»Anne. Ist sie denn keine Jungfrau mehr?«
Rose schnaubte, als Dame Jehanne, die die letzten Worte gehört hatte, den beiden Mädchen einen warnenden Blick zuwarf. »Immer ist sie gegen mich«, zischte Rose Dorcas zu, »nur weil ich die Wahrheit sage, die ungeschminkte Wahrheit ...«
Doch sie vergaß auf der Stelle ihren Zorn, als der gut aussehende Diener sich über ihre Schulter beugte und fragte: »Noch etwas Schweinefleisch, Mistress? Soll wie Männerfleisch schmecken, habe ich gehört«, meinte er und zwinkerte ihr sogar zu.
Rose war wieder bester Laune, bis Dorcas reichlich laut und bierselig flüsterte: »Bist du denn noch eine?«
»Was?«
»Eine Jungfrau.«
Rose verschluckte sich. Der Diener hörte es und beugte sich vor, um ihr noch etwas nachzulegen. »Stets zu Euren Diensten ...«, sagte er und zwinkerte lüstern. Rose wurde ganz warm ums Herz, vor allem, als sie die festen Hinterbacken unter seinem kurzen Wams erblickte, als er davonging. Anne war im Nu wieder vergessen.
Anne war völlig durcheinander, als sie aus dem lauten Saal flüchtete. Wie der König sie die ganze Zeit angesehen hatte! Er spielte mit ihr, gewiss diente sie ihm nur als Zerstreuung, nach allem, was sie über ihn gehört hatte. Aber für so etwas gab sie sich nicht her! Ihr war nach Weinen und nach Lachen zugleich zumute. Sie fühlte sich wie ...
»Und nun ist es an der Zeit, dass du dein Versprechen einlöst.« Anne war um eine dunkle Ecke gebogen, und dort, im Schein der Wandleuchter, stand der König und streckte ihr die Hand entgegen. »Komm.«
Einen Augenblick lang war sie wie versteinert, ehe sie langsam auf ihn zuging. Ihr Herz hämmerte, und ihr Mund war wie ausgetrocknet. Schließlich stand sie nur noch einen Fuß von ihm entfernt.
Er lächelte nicht. »Gib mir deine Hand«, raunte er. Bei allem Verlangen blitzte einen kurzen Augenblick die Vernunft in ihr auf und mahnte sie zur Vorsicht. Doch als sie ihm in die Augen sah, wurde sie von der Intensität seines Blickes geradezu magnetisch angezogen. Schweigend reichte sie ihm die Hand. Er ergriff sie und zog sie an sich. Ihre Augen versanken ineinander. Er beugte sich zu ihr herab, umschlang zärtlich ihren Körper und küsste sie sanft auf den Mund, dann noch einmal, tiefer und inniger diesmal.
Sie schloss die Augen und überließ ihren Mund seinen Lippen, dann ihren Hals und wieder ihren Mund. Ihr Körper drängte sich gegen den seinen, seine Küsse wurden leidenschaftlicher, tiefer und fordernder - bis das Blut in Annes Ohren so laut rauschte, dass sie glaubte, die Besinnung zu verlieren.
In diesem Moment hörte sie die Festgäste aus dem Saal strömen. Rasch streifte Edward seinen eleganten Mantel ab und legte ihn ihr um die Schultern. Lady Margarets Geschenk, ihr unverwechselbares grünes Kleid, verschwand unter dem Umhang, ebenso ihr Gesicht, das von der pelzgefütterten Kapuze verhüllt wurde, so dass nur noch ihre Augen in der Dunkelheit zu erkennen waren. Edward legte ihr den Arm um die Taille, und sie liefen durch die Innenhöfe zu dem Gebäudeflügel, in dem sich seine Gemächer befanden.
Draußen herrschte eine tückische Kälte. Es regnete und stürmte, und selbst die Wachmänner, die das äußere Tor zum königlichen Wohntrakt bewachten, drängten sich unter dem überhängenden Türsturz um ein Kohlebecken. Doch Edward hatte einen privaten Zugang zu seinen Gemächern. Er führte
Anne zu einer kleinen Tür neben einem der großen Erkerfenster, die er an dem alten Gebäude hatte anbringen lassen. Die Tür war hinter einem feuchten, kalten Efeuvorhang verborgen und nicht verschlossen. Ein rasches Drehen des eisernen Knaufs, und sie traten in die Dunkelheit, ohne dass die Wachen etwas davon bemerkt hätten.
»Komm her.«
Nach dem flackernden Fackellicht der Höfe mussten sich ihre Augen erst an die Dunkelheit gewöhnen, aber sie wusste, dass er dicht neben ihr stand, denn sein Duft stieg ihr in die Nase. Dann spürte sie seine Hände auf ihren Hüften und seine Lippen auf ihrem Mund. Ihr Körper kam ihm entgegen, doch nur für einen kurzen Moment. Sie schlang die Arme um seinen Hals und presste ihre Brüste an seinen Leib, so dass er den Schlag ihres Herzens spürte.
Er lachte - ein dunkles, tiefes Geräusch, das seine aufrichtige Freude verriet. »Wir sind gleich da, mein Liebes.«
Er ging weiter und öffnete gleich darauf eine weitere kleine Tür, die in seine Privatgemächer führte. Sie waren allein. Das Feuer in einem großen Kamin in der Ecke verströmte sein weiches Licht. Auf einem Tisch standen eine große Silberkaraffe mit Wein und zwei goldene Becher sowie Speisen für mindestens zehn Personen. An den Wänden hingen Gobelins, und auf dem Dielenboden lag ein riesiger Teppich, der wie ein mit dunklen, kostbaren Edelsteinen gefüllter Teich schimmerte.
Der König zog seinen Mantel von Annes Schultern und warf ihn neben das Bett, auf dem im gedämpften Licht schneeweiße Laken und eine Hermelindecke zu erkennen waren. Dann führte er Anne zum Feuer. »Komm, wärme dich auf. Iss etwas. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Wie im Traum - vielleicht wachte sie gleich auf und stellte fest, dass es Morgen war? - trat sie vors Feuer und wärmte ihre Hände.
»Woran denkst du?«, fragte er leise.
Sie blickte zu ihm auf. Er stand neben ihr, gegen den verzierten Kaminsims gelehnt, berührte sie jedoch nicht. »Oh, Sire, ich denke an seltsame und schreckliche Dinge«, seufzte sie.
»Bist du aus freien Stücken hergekommen?«
Sie starrte in die glühenden Kohlen und überlegte, was sie antworten sollte, ehe sie furchtlos zu ihm aufsah. »Ja. Gott vergebe mir.«
Er runzelte kurz die Stirn, dann streckte er die Hand aus und berührte zärtlich ihren Schleier. Sacht suchte er die Nadeln, mit denen er an ihrem Haar befestigt war, und zog sie eine nach der anderen heraus. Das duftige Gewebe schwebte zu Boden. Dann wandte er sich ihrem Haar zu und löste die dicken, aufgerollten Strähnen.
»Schüttle den Kopf«, bat er mit belegter Stimme. Zögernd gehorchte sie, worauf die kräftigen, glänzenden Strähnen bis über ihre Hüften fielen. Der Schein des Feuers zauberte tiefrote und goldene Reflexe in ihr dunkles Haar. Es war völlig still, nur der Regen schlug gegen die Fenster. Sie sahen einander an.
»Seit jenem Tag in der Abtei wollte ich dich berühren, dich so sehen wie jetzt.«
»Ihr erinnert Euch daran?« Die Vorstellung, dass sie einander schon vor über einem Jahr begehrt hatten, berührte sie zutiefst.
»Komm her.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Es war, als überschritte sie eine Grenze, von der es kein Zurück mehr gab.
Behutsam nahm er eine Strähne ihres Haares und vergrub sein Gesicht darin. Er schloss die Augen und sog tief ihren Duft ein. »Seide. Lebendige Seide.«
Sie kicherte, und er grinste über seine gekünstelten Worte.
Doch dann zog er mit dem Finger die Konturen ihrer Wangen nach, strich über ihre Lippen und musterte sie ernst. »Ich möchte mehr«, flüsterte er. »Ich will ...« Er zog sie an sich, und sie wehrte sich nicht. Seine Augen leuchteten im Schein des Feuers. »Ich will dein Herz und deine Seele. Und deinen Körper.«
Plötzlich empfand sie Hilflosigkeit und Furcht vor der Stärke ihrer eigenen Gefühle und wagte nicht, seinen Blick zu erwidern. Er lachte kehlig und begann, ihr Kleid am Rücken aufzuschnüren. Dann hob er sie auf seine Arme, als wäre sie leicht wie eine Feder, und trug sie zum Bett hinüber. Doch bevor er sie niederlegte, presste er seine Lippen auf ihren Mund. Sie war wie berauscht und bemerkte kaum, wie er sie auf einen Berg von Kissen bettete, ihr das Kleid von den Schultern streifte und ihre Brüste entblößte. Reflexartig setzte sie sich auf und verschränkte errötend die Arme vor der Brust.
Diese keusche Geste erregte ihn nur noch mehr, aber geduldig beugte er sich hinab und küsste zärtlich erst ihren Hals, dann die Vertiefungen an ihrem Schlüsselbein. Er spürte, wie sich ihre Arme langsam entspannten, zaghaft nach oben wanderten und sich um seinen Hals schlangen, so dass er ihre nackten, weichen Brüste spüren konnte.
Vorsichtig, um ihre Umarmung nicht zu stören, setzte er sich neben sie aufs Bett. Eine Hand legte er auf ihre Hüfte, mit der anderen fuhr er leicht an ihrem Rückgrat entlang und streichelte ihre glatte, schimmernde Haut. Sie atmete heftiger und erwiderte seine Küsse voller Leidenschaft. Er knüpfte das letzte Band an ihrem Kleid auf. »Lass mich dich ansehen.« Er lehnte sich zurück und sah ihr lächelnd in die Augen, ließ seinen Blick aber bewusst nicht weiter nach unten wandern.
Wieder wurden ihr Gesicht und ihr Hals - und, da war er sich ganz sicher, auch ihre Brüste - von einer flammenden Röte überzogen. Doch dann nickte sie kaum merklich, und er gestattet sich, nach unten zu sehen. Ihre Brüste waren herrlich - voller als erwartet und im Schein des Feuers wie Perlen schimmernd. Mit einem Finger zog er die Linie ihres Kinns nach, dann streichelte er ihren Hals, ließ seine Hand in die Mulde zwischen ihren Brüsten wandern, ehe sie sich zuerst um die eine, dann um die andere Brust legte und schließlich die kleine, harte Brustwarze berührte - und dann, ohne Vorwarnung, schloss er die Lippen um den kleinen Warzenhof und begann zärtlich daran zu saugen und zu knabbern.
Anne wand sich und keuchte, doch nach kurzem Zögern schloss sie die Augen und lehnte sich in die Kissen zurück, während seine Hand die Warze ihrer anderen Brust liebkoste.
»Gib mir deine Hand.« Mit geschlossenen Augen ließ sie sich von ihm führen, über seine Brust und an seinem Bauch hinab bis zu der harten Wölbung in seiner Hose. Sie riss die Augen auf. »Siehst du nun, was du mit mir machst, Anne?«
Er hatte sich über sie gebeugt, so dass sich sein Kopf und seine Schultern als scharfer Schatten gegen das Licht des Feuers abhoben, und einen Augenblick lang fürchtete sie sich vor der gewaltigen Kraft seines Körpers. Aber sie wusste, dass der Zeitpunkt der Umkehr längst vorüber war. Und als er aus seinem Wams schlüpfte und sie ihn in ganzer Pracht vor sich sah, fiel alle Furcht von ihr ab. Er war ein vollkommenes Geschöpf Gottes.
»Du bist vollkommen.« Seine Worte erschreckten sie. Er hatte ihre eigenen Gedanken ausgesprochen. Waren ihre Seelen so verwandt? Aber die herrliche Wärme, die bei seinen Berührungen wie Nektar durch ihren Körper strömte, verdrängte jeden Gedanken.
Geschickt hob er sie ein wenig an, streifte das Kleid vollends ab und ließ es zu Boden fallen. Sie lag nun völlig entblößt da und schmiegte sich vertrauensvoll an ihn. Seine Hände strichen an ihrem Rückgrat entlang und hinunter zu ihren kleinen, runden Gesäßbacken.
Sie lag auf dem Rücken, während er ihren Bauch streichelte. Seine Bewegungen wurden intensiver, fordernder, und seine Hände wanderten beständig weiter nach unten. Wohlige Schauer jagten von ihren Brüsten in ihre Leisten. Ihr Atem ging stoßweise, und unbewusst spreizte sie ihre Schenkel, so dass seine Hand den Weg zwischen ihre Beine fand. Das schien ihm zu gefallen, denn er ließ ein zufriedenes Knurren hören. Dennoch erschrak sie, als seine Finger ihre Öffnung fanden. Sie versuchte, sich aufzusetzen und sich seinen suchenden Händen zu entziehen.
Ihr geduldiger Liebhaber war mittlerweile ebenfalls völlig nackt und zeigte immer weniger Zurückhaltung. Er erstickte ihren Widerstand mit seinen Küssen, und sie spürte, wie er sich auf sie legte, so dass sein Körper sie gänzlich bedeckte. Zwischen ihren schwitzenden Leibern spürte sie ihn hart werden. Er presste sich gegen ihr Schambein, konnte es kaum noch erwarten, in sie einzudringen - als ein dezentes Klopfen an der Tür ertönte.
Im ersten Moment waren sie noch in ihrer fleischlichen Lust gefangen, doch dann wurde das hartnäckige Klopfen zu viel, und Edward glitt mit einem unterdrückten Fluch von Anne und ging nackt, wie er war, zur Tür.
Anne war beunruhigt und bestürzt, dann sah sie das zerwühlte Bett und die am Boden liegenden Kleider und wurde von einer Welle der Scham und der Schuldgefühle erfasst. Sie war nackt, im Zimmer des Königs, und er stand im Begriff, die Tür zu öffnen!
In Windeseile sammelte sie ihre Kleider zusammen, fand auch ihren Schleier und stürzte, noch bevor der König das Zimmer durchquert hatte, durch die kleine Tapetentür nach draußen. Ihr letzter Gedanke war, wie herrlich er aussah, dann schlug ihr im dunklen Gang die eisige Kälte entgegen, und sie konnte nur noch daran denken, wie sie möglichst schnell ihr Kleid überziehen und den Rückweg finden könnte.
Der Weg zur Schlafstube stellte eine einzige Demütigung für sie dar. Sie brachte zwar ihre Kleider leidlich in Ordnung, aber ihr Haar hing offen herab, außerdem hatte sie ihre Schuhe verloren. Und es war nahezu unmöglich, das Kleid im Dunkeln allein zuzuschnüren.
Als sie durch den Innenhof des königlichen Quartiers hastete, stieß sie unvermeidlich auf eine Hand voll Wachmänner. Zum Glück kannte sie keinen von ihnen persönlich, aber ihre Gesichter spiegelten wider, was sie sahen. Ein Mädchen, das sich gerade eben hatte ins Bett zerren lassen. Mit hochrotem Gesicht und den Tränen nahe versuchte Anne, Haltung zu bewahren, und ging, so ruhig sie konnte, auf eisigen Füßen den restlichen Weg zur Schlafstube zurück. Doch in ihrem Inneren tobte ein Durcheinander aus wirren, erschreckenden Bildern.
Sie war eine Kokotte, ein liederliches Luder. Eine andere Erklärung gab es für ihr Verhalten nicht. Gewiss, rein technisch gesehen war sie immer noch Jungfrau, aber was hieß das schon? Mit dem Herzen hatte sie den König genauso begehrt wie er sie. Und Gott allein wusste, dass sie ihn noch immer begehrte. Wären sie nicht unterbrochen worden, wäre sie inzwischen unwiderruflich seine Hure, seine Geliebte.
Edward jedoch hatte keinen Gedanken mehr für Anne. Als er zornig die Tür zu seinem Zimmer aufriss, böse Beschimpfungen für den Störenfried auf den Lippen, stand William Hastings gestiefelt und gespornt und mit dem Schwert an der Seite vor ihm.
Brüsk schob er sich an dem nackten König vorbei ins Zimmer, ohne auch nur ein Wort der Entschuldigung vorzubringen. »Sie sind fort.«
»Wer?« Edwards Instinkt als Kriegsherr ließ ihn die Antwort bereits ahnen.
»Warwick. Und Clarence.«
»Wann? Davis!« Er musste sich ankleiden. Wo waren seine Kleider? Davis, der Kammerdiener, kam ins Zimmer gelaufen und trug, stets vorausschauend, über dem einen Arm ein frisches Leinenhemd, über dem anderen eine Hose. Der König zog sich in Windeseile an und fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar, während Hastings ihn auf den Stand der Dinge brachte.
»Gleich nach dem Fest. Er hat heimlich gepackt, Warwicks Leute zusammengetrommelt und ist abgereist. Er muss es geplant haben.« Während er sprach, registrierte Hastings, dass der König Besuch gehabt hatte. Neben dem Feuer lag ein rotes Band, und am Bett stand halb versteckt ein Paar zierlicher, edler Lederpantoffeln. Er seufzte. Edward war ein bemerkenswerter junger Mann und ein guter Kämpfer. Er hatte das Zeug, ein großer König zu werden. Doch manchmal fand selbst Hastings, dass die Vorliebe des Königs für Bettgeschichten etwas Besessenes an sich hatte.
Auch Edward bemerkte beim Ankleiden, dass Anne geflohen war, was ihn froh und gleichzeitig traurig machte. Er wusste, dass sie ihn ebenso leidenschaftlich begehrt hatte wie er sie, aber es hatte ihn eine Menge Geduld gekostet, sie an diesen Punkt zu bringen. Doch wenn er die Zeit fand, wollte er es gern wieder versuchen. Nun jedoch wartete Arbeit auf ihn. »Wisst Ihr, wohin sie gegangen sind?«
»Sie haben die Straße nach Norden genommen, Sire.«
»Nun gut, wir müssen meinen elenden Bruder finden und ihn zurückholen. Und all das nur, weil ich gesagt habe, er dürfe Isabelle nicht heiraten. Noch etwas, Hastings ...«
»Ja, Sire?«
»Warwick. Diesmal ist er zu weit gegangen.«