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Plötzlich überkam
Ace eine gewisse Gelassenheit, und das war nicht ganz so abwegig,
wie man hätte meinen können. Für diese Beruhigung seines
emotionalen Barometers gab es zwei Gründe.
Der erste war der,
daß Ace eine Art Atavist war. Er wäre genau am rechten Ort gewesen,
wenn er in einer Höhle gelebt und seine Frau an den Haaren
herumgezerrt hätte, solange er nicht gerade Steine auf seine Feinde
schleuderte. Er war der Typ, dessen Reaktionen nur dann vollständig
berechenbar sind, wenn er mit überlegener Kraft und Autorität
konfrontiert wird. Zu derartigen Konfrontationen kam es nur selten,
aber wenn es der Fall war, unterwarf er sich auf der Stelle der
überlegenen Kraft. Obwohl er es nicht wußte, hatte diese
Eigenschaft ihn davon abgehalten, einfach vor den Brüdern Corson zu
flüchten. Bei Männern wie Ace Merrill ist der einzige Drang, der
stärker ist als der Drang zu dominieren, das tiefverwurzelte
Bedürfnis, sich hinzulegen und demütig die ungeschützte Kehle
darzubieten, wenn der Anführer des Rudels auftaucht.
Der zweite Grund war
sogar noch simpler: er hatte sich entschlossen, zu glauben, daß er
träumte. Ein Teil von ihm wußte zwar, daß das nicht zutraf, aber
diese Vorstellung war immer noch glaubwürdiger als das Zeugnis
seiner Sinne; an eine Welt, in der Platz war für jemanden wie Mr.
Gaunt, wollte er nicht einmal denken.
Es würde leichter – sicherer – sein, diesen Denkprozeß einfach eine
Zeitlang auszuschalten und nur die ihm aufgetragene Arbeit zu
erledigen. Wenn er das tat, würde er irgendwann in der Welt, die er
kannte, wieder aufwachen. Diese Welt hatte weiß Gott ihre Gefahren,
aber zumindest verstand er sie.
Er hämmerte die
Deckel der Kiste mit den Pistolen und der Kiste mit der Munition
wieder fest. Dann ging er zu dem abgestellten Fahrzeug hinüber und
ergriff die Segeltuchplane, die gleichfalls mit einer dicken
Staubschicht bedeckt war. Er zog sie herunter – und einen
Augenblick lang vergaß er vor Staunen und Entzücken alles
andere.
Es war in der Tat
ein Tucker, und er war wundervoll.
Die Lackierung war
kanariengelb. An der stromlinienförmigen Karosserie funkelten
Chromleisten an den Seiten und unter der eingekehlten vorderen
Stoßstange. In der Mitte der Kühlerhaube saß ein dritter
Scheinwerfer unter einem silbernen Ornament, das aussah wie die
Lokomotive eines futuristischen Expreßzuges.
Ace wanderte langsam
um den Wagen herum, versuchte, ihn mit den Augen zu
verschlingen.
An jeder Seite des
Hecks befand sich ein Paar verchromter Gitterroste; er hatte keine
Ahnung, wozu die dienten, die dicken Goodyear-Weißwandreifen waren
so sauber, daß sie unter den herabhängenden Glühbirnen fast
leuchteten. Auf dem Heck standen in flüssiger Chromschrift die
Worte »Tucker Talisman«. Ace hatte noch nie von diesem Modell
gehört. Seines Wissens war der Torpedo der einzige Wagen, den
Preston Tucker je auf den Markt gebracht hatte.
Du hast noch ein
weiteres Problem, alter Freund – an diesem Ding sind keine
Nummernschilder. Willst du etwa versuchen, die ganze Strecke bis
nach Maine in einem Wagen zu fahren, den kein Bulle übersehen kann,
einem Wagen ohne Nummernschilder, einem Wagen, der mit Waffen,
Munition und Sprengkapseln vollgestopft ist?
Ja. Das wollte er.
Es war natürlich keine gute Idee, es war eine ganz schlechte Idee,
aber die Alternative – die darauf hinauslaufen würde, daß er Mr.
Leland Gaunts Zorn erregte – kam ihm noch erheblich schlechter vor.
Außerdem war das alles nur ein Traum.
Er schüttelte die
Schlüssel aus dem Umschlag, ging nach hinten zum Kofferraum und
suchte vergeblich nach einem Schlüsselloch. Nach ein paar
Augenblicken erinnerte er sich an den Film mit Jeff Bridges und
begriff. Wie der VW Käfer und der Chevy Corvair hatte auch der
Tucker einen Heckmotor. Der Kofferraum war vorn.
Er fand das Schlüsselloch direkt unter dem
merkwürdigen dritten Scheinwerfer. Er öffnete den Kofferraum. Er
war in der Tat ziemlich klein und leer bis auf einen einzigen
Gegenstand – ein kleines Glas mit weißem Pulver; am Deckel war mit
einer Kette ein Löffel befestigt. An der Kette klebte ein Stückchen
Papier. Ace löste es ab und las die Nachricht, die in winzigen
Druckbuchstaben darauf geschrieben war:

Ace
gehorchte.