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Die Torte war eine
Schokoladentorte, wie Leland Gaunt feststellte, indem er den Deckel
anhob und schnupperte. Er lud sie ein, zu bleiben und ein Stück mit
ihm zu essen. Polly erhob Einwände. Gaunt bestand
darauf.
»Sie haben jemanden,
der sich um Ihren Laden kümmert«, sagte er, »und niemand wird es
wagen, zumindest in der nächsten halben Stunde einen Fuß in den
meinen zu setzen – damit sollte dem Protokoll Genüge getan sein.
Und ich habe tausend Fragen über die Stadt.«
Also gab sie nach.
Er verschwand hinter dem Vorhang am hinteren Ende des Ladens, und
sie hörte, wie er eine Treppe hinaufstieg – wahrscheinlich wohnte
er im Obergeschoß, wenn vielleicht auch nur fürs erste -, um Teller
und Kuchengabeln zu holen. Während sie auf seine Rückkehr wartete,
wanderte Polly umher und sah sich um.
Ein gerahmtes Schild
an der Wand neben der Tür, durch die sie hereingekommen war,
besagte, daß der Laden Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag von
zehn bis siebzehn Uhr geöffnet sein würde. Dienstag und Donnerstag
war er geschlossen, »außer auf Verabredung«, und zwar bis zum
späten Frühjahr – oder, dachte Polly mit einem innerlichen Lächeln,
bis diese verrückten und unberechenbaren Touristen und Sommergäste
auftauchten und dicke Dollarbündel schwenkten.
Sie kam zu dem
Schluß, daß Needful Things ein Raritätenladen war. Ein
Raritätenladen der gehobenen Klasse, hätte sie auf den ersten Blick
gesagt, aber eine genauere Betrachtung der zum Verkauf stehenden
Gegenstände machte ihr klar, daß er sich so leicht nicht
kategorisieren ließ.
Die Stücke, die
ausgestellt gewesen waren, als Brian Rusk am Nachmittag zuvor in
den Laden gekommen war – Druse, Polaroidkamera, das Foto von Elvis
Presley, die paar anderen Dinge -, waren nach wie vor da, aber
inzwischen waren ungefähr vier Dutzend andere dazugekommen. An
einer der eierschalenfarbenen Wände hing ein kleiner Teppich, der
vermutlich ein kleines Vermögen wert war – er stammte aus der
Türkei und war alt. In einer der Vitrinen befand sich eine
Kollektion von Zinnsoldaten, möglicherweise gleichfalls alt; aber
Polly wußte, daß alle Zinnsoldaten, selbst diejenigen, die am
Montag vor einer Woche in Hongkong gegossen worden waren, einen
alten Eindruck machten.
Die angebotenen
Gegenstände waren höchst unterschiedlicher Natur. Zwischen dem Foto
von Elvis, das ihr vorkam wie eine Sache, die man auf jedem
amerikanischen Jahrmarkt für 4.99 Dollar erstehen konnte, und einer
völlig uninteressanten Wetterfahne in Form des amerikanischen
Adlers lag ein Art Déco-Lampenschirm aus Buntglas, der bestimmt
achthundert, möglicherweise sogar bis zu fünftausend Dollar wert
war. Ein zerbeulter, uninteressanter Teekessel wurde flankiert von
zwei herrlichen poupées, und was diese
wunderschönen französischen Püppchen mit ihren geschminkten Wangen
und den Strumpfbändern an den Beinen wert waren, konnte sie nicht
einmal vermuten.
Da war eine Sammlung
von Baseball- und Tabakskarten, ein ausgebreiteter Stapel von
Trivialzeitschriften aus den Dreißigern (Weird
Tales, Astounding Tales, Thrilling Wonder Stories), ein
Radioapparat aus den Fünfzigern in diesem widerlichen Blaßrosa, das
die Leute jener Zeit an Gerätschaften, wenn auch nicht in der
Politik, offenbar bevorzugt hatten.
Vor den meisten –
wenn auch nicht allen – ausgestellten Gegenständen standen kleine
Etiketten; DRUSE MIT DREIFACH-KRISTALLEN, ARIZONA stand auf einem;
SATZ VON STECK-SCHÜSSELN auf einem anderen. Das Etikett vor dem
Splitter, der Brian so verblüfft hatte, verkündete, daß es sich um
VERSTEINERTES HOLZ AUS DEM HEILIGEN LAND handelte. Auf den
Etiketten vor den Karten und den Zeitschriften stand: WEITERE AUF
ANFRAGE VORRÄTIG.
Alle Gegenstände, ob
Schatz oder Schund, hatten, wie ihr auffiel, eines gemeinsam: an
keinem von ihnen befand sich ein Preisschild.