16.Kapitel
Was ihr euch wünscht, was ihr wollt, es liegt ganz allein bei euch.
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei Enkelinnen.
Caitlyn schob ihre Haare unter die schlichte Haube und verknotete die Bänder unter ihrem Kinn. „Mrs Sterling wartet also bei den Ställen auf mich?“, erkundigte sie sich bei Muiren.
„Ja, Miss.“
„Sehr gut. Ich hole den Korb aus der Küche, und dann machen wir uns auf den Weg zu Lord Dingwall. Wünsch mir Glück!“ „Oh, ich wünsch Ihnen noch viel mehr als Glück, Miss! Sie schlagen diese Schlacht um die Ehre von allen Frauen in der Burg. “ Caitlyn lachte. „Und ich werde sie für uns gewinnen. Dies wird in jeder Hinsicht ein Überraschungsangriff: Dingwall weiß nicht, dass Eindringlinge im Anmarsch sind, und MacLean glaubt, dass ich ratlos bin.“ Nichts würde ihr mehr Vergnügen bereiten, als die Fassade von Sir Gleichmut zu erschüttern. Sie war sich sicher, dass hinter dem kontrollierten Äußeren funkelndes... nun, nicht Gold, aber vielleicht solides Eisen oder Messing zum Vorschein kommen würde. Etwas, woran sie sich im Notfall festhalten konnte.
Muiren betrachtete Caitlyn von oben bis unten. „Glauben Sie, es iss ’ne gute Idee, Miss, seine Lordschaft in diesem Kleid zu besuchen? Er könnt Sie für ’ne Milchmagd oder so was halten.“ Prüfend betrachtete Caitlyn das schlichte graue Kleid und die alten braunen Stiefeletten, die sie auf der Reise nach Bailoch Castle getragen hatte. „Ja. Lord Dingwall hasst die Duchess und ihre Gäste, also will ich auf keinen Fall wie ein Gast aussehen.“ Bewundernd lächelte Muiren sie an. „Das iss sehr klug, Miss.
Ich komm mit Ihnen in die Küche, um den Korb zu holen. Was für ’n aufregendes Abenteuer! Ich wünsch Ihnen alles Gute!“
Es würde tatsächlich ein Abenteuer werden. Caitlyn hoffte nur, sie würde nicht unverrichteter Dinge mit Pferdebissen und von Hunden gejagt zurückkommen.
„Hier wandern Sie also herum!“
Alexander hob den Kopf, als Dervishton ihm auf dem Pfad entgegenkam. Er war der Enge des Hauses entflohen - und Georgianas ermüdenden scharfzüngigen Bemerkungen - und nach draußen gegangen, um eine Zigarre zu rauchen. Nun nahm er einen letzten Zug und ließ sie dann auf den mit Steinen gepflasterten Weg fallen, wo er sie mit seinem Absatz austrat. „Hallo, Dervishton. Sieht so aus, als hätten Sie es aufgegeben, Georgiana von den Vorzügen der Oper gegenüber dem Theater zu überzeugen?“ Dervishton lachte in sich hinein und trat in die kleine Ansammlung von Bäumen. Es war eine von vielen lauschigen Ecken in den ausgedehnten Gärten, die die erfindungsreiche Georgiana hatte anlegen lassen. Sie hatte eine Vorliebe für den Garten, und die zahlreichen luxuriösen Pavillons waren mit Bänken und Kissen ausgestattet; einige hatten sogar Vorhänge, die man zuziehen konnte. Georgianas Garten war der Inbegriff lasziven Komforts.
Eine Dienstbotin verließ das Haus durch die Hintertür und ging durch den Garten in Richtung Stallungen. Gelangweilt beobachtete Alexander, wie sie den Pfad entlangeilte. Sie trug einen weiten Umhang und tief ins Gesicht gezogen eine Haube. Ein Stallbursche, der sich ihr näherte, schaute sie an, starrte mit offenem Mund, stolperte, ohne seinen Blick von ihrem Gesicht loszureißen, über seine eigenen Füße und fiel in eine niedrige Hecke.
Alexander grinste vor sich hin. Der Dummkopf! Er zeigte sein Interesse viel zu offen. Alexander hatte keinen Zweifel, dass sie über ihn lachte und ihn niemals ernst nehmen würde.
„Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, MacLean.“
Alexander warf Dervishton einen kurzen Blick zu.
„Georgiana hat angedeutet, dass Miss Hurst aus keiner guten Familie stammt.“
Diese verdammte Georgiana! „Da liegt sie völlig falsch. Miss Hursts Vater ist Pastor. Sie ist außerdem durch Heirat mit Lord Galloway verwandt, mit dem nicht zu spaßen ist.“
„Aber Georgiana hat praktisch gesagt, dass Miss Hurst... verfügbar ist. Und wenn ich genug biete ...“
„Nein!“ Das Wort zerschnitt die Luft, es war, als ob ein Sturm drohte. Die daraufhin folgende Stille war unheilverkündend.
Georgiana begnügte sich also nicht damit, ihn seine Angelegenheit selbst regeln zu lassen. Darüber würde er ein Wörtchen mit ihr zu reden haben. Caitlyn Hurst gehörte ihm. Einzig und allein er war derjenige, der sie bestrafen, verspotten und quälen durfte.
Dervishtons Lächeln wirkte angespannt. „Sehen Sie, MacLean, ich ...“
„Vergessen Sie es. Es ist nicht Ihre Schuld.“ Um seine Wut unter Kontrolle zu halten, konzentrierte Alexander sich erneut auf den Stallburschen. Der Knabe stand inzwischen wieder auf den Füßen und verbeugte sich, als wäre die Magd die Queen persönlich.
Alexander runzelte die Stirn. Vielleicht war es gar keine Magd? Die Frau winkte dem Jungen zu und eilte weiter. Ihr dunkelgrauer Rock wehte ihr anmutig um die Beine, und eine goldene Haarsträhne stahl sich unter ihrer Haube hervor ...
Alexander wandte sich in die Richtung, in die die mysteriöse Magd davoneilte. „Entschuldigen Sie mich, Dervishton. Mein Pferdeknecht hat mich gebeten, noch vor dem Lunch im Stall vorbeizuschauen. “
„Ja, aber wegen Georgiana ..."
„In diesem Fall ermutige ich Sie aus vollem Herzen ... aber nicht, was Miss Hurst betrifft.“ Alexander wandte sich ab und ging den Pfad hinunter.
„Aber MacLean, das ist nicht...“, rief Dervishton ihm hinterher.
Doch Alexander antwortete nicht, das Schwingen jenes grauen Rocks zog ihn magisch an. Er ging um den Stallburschen herum, der mitten auf dem Weg stand und der Magd hinterherstarrte. Der Junge sah ihn böse an und wurde sofort knallrot, als er Alexander erkannte. „Sir, es tut mir so ...“
„Kümmere dich um deine Arbeit!“ Alexander hastete weiter, er hatte nur noch Augen für die Magd. Ihre Haube war ebenso schlicht wie ihr Rock, die tiefgezogene Krempe und einige verblichene Blumen erinnerten an die Blumenverkäufer in Covent Garden. Die kleine Miss Hurst versucht also, ungesehen davonzulaufen. Wo will sie nur hin?
Alexander holte sie in dem Moment ein, in dem sie in den Weg einbog, der aus dem Garten hinausführte. „Wohin so eilig, Miss Hurst?“
Sie blieb stehen und straffte den Rücken. Langsam wandte sie sich zu ihm um und schaute ihn an. Die große Haube umrahmte ihr Gesicht, ihre braunen Augen musterten ihn misstrauisch. Sie trug einen offenbar schweren Korb, dessen Inhalt unter einem an den Rändern festgestopften Tuch verborgen war.
Alexander grinste. „Wenn du unerkannt bleiben willst, musst du dein Hinterteil besser verbergen. Ich habe es quer durch den Garten erkannt.“
Verärgert presste sie die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Wenn ich mich das nächste Mal verkleide, werde ich daran denken.“
„Darf ich fragen, wohin du gehst?“
„Nein!“
Er verschränkte die Arme vor der Brust.
„Das geht dich nichts an“, erklärte sie und kniff die Augen zusammen.
„Oh, das denke ich doch.“ Er betrachtete den Korb. „Was ist da drin?“
„Das geht dich nichts ...“
Wortlos nahm er ihr den Korb ab und zog das Leinentuch beiseite. „Gelee, Marmelade, frisch gebackenes Brot, und ... was ist in dem Topf?“ Er beugte sich vor und schnupperte. „Suppe?“
Sie entriss ihm den Korb und zog das Tuch wieder glatt. „Was ich tue, geht dich nichts an. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe einen Botengang zu erledigen.“
„Einen Botengang?“ Nachdenklich runzelte er die Stirn, bis ihm dämmerte, worum es ging. „Du bist unterwegs, um Lord Dingwall mit einem Korb voll Leckereien zu bestechen.“
Alexander wusste, dass er richtiglag, als sie ihr Kinn vorschob und ihre Miene plötzlich vollkommen verschlossen war.
Eine Welle der Heiterkeit durchlief ihn. Wirklich und wahrhaftig, noch nie hatte er etwas so sehr gewollt, wie diese Frau mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Er lächelte, als sie in keckem Ton verkündete: „Ich bin sicher, dass du nichts dagegen hast. Schließlich hast du behauptet, es sei ganz egal, was ich versuche, Lord Dingwall würde auf keinen Fall etwas mit mir zu tun haben wollen.“
Alexander grinste zu ihr hinunter, während er mit vor der Brust verschränkten Armen auf den Absätzen wippte. „Du könntest auch einfach deinen Stolz wahren, indem du zugibst, dass du verloren hast, und gleich mit in mein Bett kommst.“ Selbst ihre schlichte Kleidung konnte ihrer Schönheit nichts anhaben. Ganz besonders gut gefiel ihm die Haube, die ihr Gesicht umrahmte und ihre braunen Augen noch größer erscheinen ließ.
Entschlossen blickte sie ihn an. „Ich werde diese Aufgabe lösen, und du wirst vor mir auf den Knien liegen. Warte nur ab!“ Alexander zuckte mit den Schultern. „Du wirst keinen Erfolg haben! Dingwall hasst die Duchess.“
„Nun, falls ich scheitere - und ich glaube nicht, dass das geschieht -, so wird es zumindest nicht daran liegen, dass ich es nicht versucht habe.“
Es gefiel ihm ziemlich gut, wenn sie ihr Kinn auf diese Weise reckte. „Ein paar Scheiben frisch gebackenes Brot und etwas Suppe wird eine seit Jahrzehnten währende Fehde nicht plötzlich enden lassen.“
„Wie ich mit dieser Sache umgehe, geht dich nichts an. Ich sehe dich heute Abend, MacLean. Mit Lord Dingwall.“ Sie wirbelte auf dem Absatz herum und ging, den Korb gegen die Brust gepresst.
Alexander wartete, bis sie hinter den Stallungen verschwunden war, dann machte er sich daran, ihr zu folgen. Als sich auf einmal lautstark mehrere Frauenstimmen erhoben, hielt er an der Stallmauer inne und spähte um die Ecke.
Dort schienen sich alle Dienstbotinnen des Hauses versammelt zu haben, um Caitlyn wie die Heldin einer griechischen Sage zu empfangen. Gütiger Himmel, MacCready hat recht: Alle Frauen sind auf ihrer Seite!
Caitlyn sprach mit einer knochigen Riesin mit eisengrauen, zu einem Knoten zusammengebundenen Haaren. Sie war fast doppelt so groß wie Caitlyn, mit Schultern so breit wie die eines Landarbeiters.
Die beiden Frauen verabschiedeten sich von der Gruppe und gingen zu dem niedrigen Zaun, der Lord Dingwalls Land umgab. Die anderen Frauen schauten ihnen hinterher, bis ein Ruf von der Küchentür sie auseinanderstieben ließ. Alexander folgte Caitlyn zum Zaun, und mit großen Schritten hatte er sie und ihre Begleiterin rasch eingeholt.
Caitlyn schaute über ihre Schulter nach hinten und sah MacLean nahen. Seine dunklen Haare wehten im Wind, seine grünen Augen funkelten, sein Gang wirkte entschlossen. Sie konnte nichts gegen den kleinen Schauer der Erregung tun, der ihren Rücken hinunterglitt, als sie Mrs Sterling ein Zeichen machte, ihren Weg fortzusetzen. Mit einem finsteren Blick in MacLeans Richtung schlurfte die ältere Frau weiter auf den Zaun zu, blieb dabei aber in Hörweite.
„Was willst du denn jetzt noch?“, erkundigte sich Caitlyn ungeduldig.
„Ich bin gekommen, um dir einen Rat zu geben.“
Caitlyn zögerte. Sie war nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte, dennoch wollte sie auf keine wichtige Information verzichten. „Bis jetzt warst du alles, nur nicht hilfreich.“
„Aber dieses Mal bin ich mir sehr sicher, dass es weder im Himmel noch in der Hölle einen Weg gibt, der dich zum Erfolg führen wird, also kann ich es mir leisten, großzügig zu sein. Ich habe gehört, dass Lord Dingwall jeden Nachmittag gegen drei einen Spaziergang macht. Falls du nicht ins Haus gelangst, kannst du vielleicht auf diese Weise Kontakt mit ihm aufnehmen.“
„Oh, wir werden ins Haus kommen. Aber danke für deinen Rat, ich werde dich wissen lassen, ob wir ihn gebraucht haben.“ „Da ist aber noch die kleine Schwierigkeit mit dem Pferd.“
„Ich weiß bereits, dass es beißt.“
Er grinste, und in seinen Augenwinkeln entstanden beunruhigend attraktive Fältchen. „Weißt du von sämtlichen Pferden?“
Prüfend ließ sie ihren Blick über die Wiese schweifen, auf der sie jedoch nichts Verdächtiges entdecken konnte. Vor einem Herrenhaus, das auf einer kleinen Anhöhe thronte, erstreckte sich einfach nur eine riesige Rasenfläche.
„Ich lasse nicht zu, dass diese schöne Haut verletzt wird.“ MacLean ließ einen Finger über ihre Wange gleiten, und diese Berührung verursachte ein Kribbeln auf ihrem Gesicht.
Sie zuckte zurück. „Danke für die frommen Wünsche. Aber ganz gleich, ob mit Biss oder ohne, du wirst niemals meine entblößte Haut sehen.“
Vom Zaun her kam ein aufforderndes „Humpf! “ von Mrs Sterling.
MacLean kniff die Augen zusammen. „Das werden wir sehen.“
Verflixter Kerl! Sobald sich ihm die Möglichkeit bot, sie mit einem Kuss oder einer Berührung zu verwirren, ergriff er sie. Nun, sie würde es ihm schon zeigen!
Sie ging zum Zaun, schob den Korb durch die Latten und kletterte flink darüber. Während sie wartete, dass Mrs Sterling dasselbe tat, schaute sie unter gesenkten Wimpern zu MacLean hinüber. Er hatte die Brauen hochgezogen und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Überraschung - oder Anerkennung? Nun, er sollte ruhig beeindruckt sein. Sie war auf dem Land geboren und dort aufgewachsen, und wenn es eines gab, womit sie sich auskannte, dann war es das Übersteigen von Zäunen.
Als Mrs Sterling zu ihr trat, nahm Caitlyn ihren Korb wieder hoch und ging auf das Haus zu. Sie brauchten fast zwanzig Minuten, und ein großer Teil des Weges führte bergauf, aber sie sah weit und breit kein Pferd, das sie hätte beißen können.
„Natürlich ist da nichts!“, murmelte sie vor sich hin, während sie hinter Mrs Sterlings breitem Rücken vorwärtsmarschierte und sich dabei aufmerksam nach scharfen Hunden umschaute. „Warte nur, MacLean. Heute Abend werde ich meine Aufgabe erfüllt haben, und du hast mit deiner noch nicht mal angefangen.“
Anderthalb Stunden vor dem Dinner befahl Alexander: „Versammeln Sie meine Armee, MacCready.“
Der Kammerdiener, der gerade einen Stapel frische Handtücher neben die Waschschüssel in der Ecke des Zimmers gelegt hatte, wandte sich um und sah Alexander erstaunt an. „Ihre Armee, Sir?“
„Ja, Sie haben versprochen, Sie würden einige Helfer zusammentrommeln. Wo sind sie? Miss Hurst hatte einen ganzen Pulk Frauen, die sie bei ihrem Aufbruch zu Lord Dingwalls Haus verabschiedet haben.“
„Oh, diese Armee. Nun, Sir, es war nicht so einfach, wie ich gehofft hatte, die Männer dazu zu bringen, sich unserer Sache anzuschließen. Mir blieb nichts anderes übrig, als Bestechungsgelder zu zahlen.“
„Was?“
„Die Männer wagen nicht, offen ihre Unterstützung für Sie zu zeigen, weil sie Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der Gegenseite haben.“
„Das sind allesamt Dummköpfe! Was können die Frauen schon machen, außer die Krawatten zu steif zu stärken?“
„Tatsächlich haben die Frauen ein bisschen mehr gemacht.“ MacCready öffnete den Kleiderschrank und zog einen Stapel weißer Hemden hervor, die Brandflecken aufwiesen, außerdem zwei Westen, von denen alle Knöpfe abgeschnitten waren, und Stiefel, die man offensichtlich mit Kohlenstaub geschwärzt hatte. „Gütiger Gott!“
„Genau, Sir. Ich muss nicht nur jeden Gegenstand untersuchen, bevor er ins Zimmer gebracht wird, sondern auch in Ihrem Essen und den Getränken nach Dingen forschen, die nicht hineingehören ...“
„In den Getränken?“ Alexander betrachtete die Karaffe mit dem Portwein und runzelte die Stirn. „Der Port ist exzellent.“ „Dieser Port ist gut, weil ich die Karaffe persönlich aus der Bibliothek geholt habe. Der schwarze Tee, der als ,Portwein nach oben geschickt wurde, war jedoch alles andere als exzellent.“ Alexander musste zugeben, dass Caitlyn das kleine Spiel
interessant gestaltete. Er wusste nie, was als Nächstes geschehen würde. „Haben wir keine Unterstützung?“
„Es ist mir nur gelungen, zwei Männer zu finden, Sir.“
„Ich bin enttäuscht von dem Mangel an Rückgrat, den die Männer in diesem Haus zeigen. Nun also, treiben Sie unsere zwei Freiwilligen zusammen und bringen Sie sie her. Miss Hurst wird unverrichteter Dinge zum Dinner erscheinen, und dann will ich meine Aufgabe erfüllt haben. Es wird mehr als eine Person nötig sein, um die Schleife von dem Biest zu bekommen, das Lady Kinloss Muffin nennt.“
„Ja, Sir. Ich hole die Männer sofort.“ MacCready verbeugte sich und entfernte sich.
Alexander band seine Krawatte und fragte sich dabei, wie es Caitlyn wohl gerade erging. Leise Sorge machte sich in ihm breit. Es geht ihr gut. Sie hat diese riesige Frau bei sich, die sie beschützen wird. Außerdem, was kann ihr schon Schlimmes passieren?
Nun ... die Hunde konnten sie angreifen oder auch das verdammte bissige Pferd. Und was, wenn Dingwall wirklich verrückt war und nicht einfach nur aus gutem Grund wütend auf Georgiana?
Ruhelos ging Alexander zum Fenster, um hinauszuschauen. Nichts bewegte sich im letzten Licht der Sonne, die gerade über dem See unterging. Kein Pferd war zu sehen, und rings um die Ställe herrschte Stille.
Verdammt noch mal! Er wandte sich um und ging zum Kamin, in dem ein wärmendes Feuer brannte. Als er das Schüreisen packte, löste sich der Griff von der Eisenstange, die mit viel Getöse gegen die marmorne Kaminumrandung krachte.
Vor sich hin fluchend bückte er sich und hob die Stange auf, die ihm jedoch sofort aus den Fingern rutschte. Was, zur Hölle ...? Er betrachtete seine Hand. Seine Handfläche und die Finger waren schwarz vom Ruß.
Mit zusammengebissenen Zähnen warf er den Griff auf den Boden und ging zu seiner Waschschüssel. Mit seiner sauberen Hand griff er nach dem Krug, um Wasser in die Schüssel zu gießen. Klirr! Der Krug fiel auf den Boden, zerbrach in tausend Stücke, und braune Flüssigkeit spritzte nur so.
Der Geruch von Portwein stieg ihm in die Nase. Da haben sie ihn also versteckt.
Mit finsterem Blick betrachtete Alexander den Henkel des Krugs, den er noch in der Hand hielt, sein Hemd und seine Hose voller Portweinflecken, die Scherben und die Lache auf dem Boden. Dann schaute er seine andere Hand an, die immer noch mit Ruß verschmutzt war. Mit einem empörten Schnauben wollte er den Henkel aus der Hand legen, stellte aber fest, dass ein kühnes, keckes, freches Frauenzimmer ihn mit einer klebrigen Masse bestrichen hatte.
Er musste seine Finger spreizen und schütteln, bis der verdammte Griff endlich auf den Waschtisch fiel.
Verflucht, was für eine Schweinerei! Er betrachtete seine Hände und beschloss, dass der Portwein, der in der Waschschüssel gelandet war, reichen musste. Er wusch sich darin die Hände und war froh, dass er ähnlich hilfreich war wie Wasser.
Die Tür öffnete sich, MacCready trat ein und erstarrte, als er die Verwüstung im Zimmer sah. „Du liebe Güte! Sir, es tut mir so leid, was passiert ist! Wenn Sie Ihr Hemd und Ihre Weste ausziehen, kann ich ...“
„Nein, vielen Dank, MacCready. Ich werde bis zum Dinner das anbehalten, was ich jetzt trage. Das Zusammentreffen mit dem Hund könnte mich ein bisschen derangieren.“
„Wie Sie wünschen, Sir. Ich habe Ihre Schwadron zur ersten Inspektion hergebracht.“ Er ging zur Tür und schaute hinaus in die Halle. „Hierher, bitte. Kommt herein!“
Ins Zimmer schlurften ein alter Mann und ein pockennarbiger Junge mit einem Schopf karottenroter Haare. Das waren also die Männer, die keine Angst vor den Weiberleuten in diesem Haushalt hatten! Kein Wunder: Bei ihnen bestand ohnehin nicht die Gefahr, dass sie weibliche Aufmerksamkeit erregen könnten.
MacCready deutete auf den alten Mann. „Das ist Rob McNabb, und das hier der junge Hamrick Hannaday. Das ist Ihr Geschwader.“
Der alte Mann salutierte zackig, während der Knabe einfach nur verwirrt dreinblickte.
Alexander griff nach einem Handtuch und trocknete sich die Hände ab. „Schön, euch kennenzulernen. Ich weiß eure Hilfe bei meiner kleinen Aufgabe sehr zu schätzen.“
Er ging zum Bett, streifte den Bezug von einem Kissen und warf ihn Hannaday hin. „Halt das fest.“ Auf dem Weg zum Kamin nahm Alexander den Überwurf vom Sofa, um damit den Ruß vom Schüreisen zu wischen.
Anschließend ließ er sich den leeren Kissenbezug von Hannaday geben, zog ihn über das Ende der Eisenstange und legte sich die seltsame Konstruktion über die Schulter. „Auf geht’s, Männer! Die Jagd ist eröffnet.“
Eine Stunde später kehrte Alexander mit seinen beiden Soldaten in sein Schlafzimmer zurück.
„Gütiger Himmel!“, rief MacCready. „Was ist passiert?“ Alexander deutete auf Hannaday, der den Kopfkissenbezug hochhielt, durch den sich deutlich der tobende, knurrende Hund abzeichnete.
„Sie haben ihn!“
„Ja“, stimmte Alexander grimmig zu. „Endlich! Ich weiß nicht, warum, aber er hat uns kommen sehen.“
„Genau“, bestätigte Hannaday mit einem breiten Grinsen. „Er hat es uns nich leicht gemacht, das nich. Gerannt isser. In der Bibliothek herum und auch draußen ...“
„Draußen?“
„Bis hinunter zum See.“ Alexander ließ sich in einen Sessel vor dem Kamin fallen.
„Das erklärt den Matsch an Ihren Stiefeln.“
„Ich habe mich auf den kleinen Bastard gestürzt und hätte ihn fast gehabt.“
MacCready beäugte Old Rob. „Was ist mit deiner Hand passiert? Oder sollte ich besser nicht fragen?“
„Das verrückte Vieh hat mich gebissen, als ich versucht hab, ihm ’n kleines Stück Leber zu geben.“
„Aha. Und wie haben Sie das wilde Tier schließlich eingefangen, Sir?“
„Wir haben Pastete auf ein Stück Stoff gestrichen, und als er kam, um daran zu schnüffeln, haben wir uns alle auf ihn geworfen.“
„Genau“, nickte Old Rob. „Er iss ’n wildes kleines Biest. Wir hätten die Hilfe von mehr Männern gebrauchen können.“
Hannaday nickte, und seine karottenroten Haare wippten über den Ohren. „Ich hab sein Bein gehabt, und Old Rob hat sein Ohr gehabt. Laird MacLean warf den Kissenbezug drüber, und jetzt haben wir ihn!“
MacCready wirkte nicht sonderlich beeindruckt. „Das sehe ich. Und was haben Sie jetzt mit ihm vor?“
Alexander rieb seinen Nacken. Er war dreckig, und ihm tat alles weh. „Das Einzige, was wir brauchen, ist die verdammte Schleife, und die muss an dem Vieh festgeklebt sein. Bei all dem Gerenne und Gelaufe und Geringe hat sie sich nicht von der Stelle bewegt.“ Hannaday hielt den Kissenbezug in die Luft, und Muffin war deutlich zähnefletschend an einer Seite des Kopfkissenbezuges durch den Stoff zu erkennen. „Ich steck meine Hand da nich rein, um seine Schleife zu kriegen, ganz gleich, wie viele Münzen Sie mir bieten.“
„Ich auch nich!“ Old Rob bewegte seine verletzte Hand und zuckte zusammen. „Wenn Sie keine Verwendung mehr für mich haben, Sir, glaub ich, geh ich in die Küche und schau, ob mir da jemand meine Hand neu verbindet.“
MacCready öffnete die Tür und legte eine Münze in die unversehrte Hand des Mannes, bevor er ging.
Hastig reichte Hannaday den Kissenbezug mit dem Hund an Alexander weiter und beeilte sich, sich ebenfalls eine Münze abzuholen. Dann schloss MacCready die Tür.
„Keiner von den beiden wird in der Küche etwas zu essen bekommen“, prophezeite er. „Sie haben sich auf die Seite des Feindes geschlagen, und nun werden sie entdecken, um welchen Preis.“ Alexander brummte unzufrieden vor sich hin und starrte den Kissenbezug an. „So, wie komme ich an die Schleife heran? Vielleicht sollte ich den Bezug schütteln und ...“
„Bitte geben Sie mir den Hund, Sir.“
Willig reichte Alexander ihm den Sack. „Was haben Sie vor? Diese Aufgabe ist lebensgefährlich. Der Hund ist bösartig, kaltblütig, schlecht gelaunt...“
„Bitte sehr, die Schleife, Sir.“
Alexander blinzelte verwirrt. Muffins rosafarbene Schleife lag in MacCreadys Hand, während der Hund sicher unter seinem anderen Arm klemmte, laut hechelte und auf törichte Weise selbstzufrieden dreinblickte.
„Wie, zur Hölle, haben Sie das gemacht?“
„Mein Onkel hat Hunde gezüchtet. Ich bin mit den Tieren aufgewachsen und kenne ein oder zwei Tricks.“
„Ich verstehe. Sie kennen also einen Trick oder auch zwei und haben nicht Ihre Hilfe angeboten?“
„Sie haben mich nicht gefragt.“ MacCready öffnete die Tür, tätschelte den Hund und setzte ihn auf den Boden. „Lauf zu deinem Frauchen, du kleiner Höllenhund. Und pinkle unterwegs nicht auf den Teppich“, befahl der Kammerdiener. „Glaub nicht, dass ich den kleinen Trick nicht kenne.“
Muffin wedelte heftig mit dem Schwanz und rannte bellend aus dem Zimmer.
MacCready schloss die Tür wieder. „Ich werde Ihnen ein Bad bereiten lassen, Sir. Sie haben vor dem Dinner immer noch dreißig Minuten Zeit.“
Alexander richtete sich kerzengerade auf und runzelte die Stirn. „Haben Sie das gehört?“
„Was soll ich ge...“
„Eine Kutsche!“
Lauschend hielt MacCready den Kopf schief. Nach einer Weile riss er erstaunt die Augen auf. „Sir! Sie glauben doch nicht...“
In Sekundenschnelle war Alexander am Fenster. Draußen war soeben eine altertümliche Kutsche vorgefahren. Während Alexander grimmig hinausschaute, eilten zwei Diener aus dem Haus.
Alexander erkannte zwar nicht den alten Mann, dem die Diener aus der Kutsche halfen, er erkannte aber Miss Caitlyn Hurst.
„Verdammt! Sie hat es geschafft! Sie bringt Lord Dingwall zum Dinner mit!“