7. Kapitel

Handelt stets anständig. Jene, die mit schmutzigen Tricks kämpfen, werden herausfinden, dass der Dreck an ihren Händen ihnen ihre Feinde immer wieder entgleiten lässt.

So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei Enkelinnen.

Ohne hinzusehen, streckte Alexander die Hand nach einem Handtuch aus. „Haben Sie irgendetwas Neues über Miss Hurst herausgefunden?“

„Oh ja!“ MacCready reichte Alexander ein frisches Handtuch und wartete, bis er sein Gesicht abgetrocknet hatte. „Tatsächlich habe ich mehrere Dinge über die junge Dame in Erfahrung gebracht. Lord Falkland hat vor, sie nach dem Frühstück mit einem Picknick zu überraschen. Er hat von der Zofe der jungen Dame erfahren, dass Miss Hurst eine Vorliebe für Roastbeef und Erdbeeren hat, und er hat die Köchin in helle Aufregung versetzt, weil er unbedingt Erdbeeren haben wollte.“

„Der Dummkopf! Sonst noch etwas?“ Alexander reichte dem Diener das feuchte Handtuch.

„Miss Hurst ist offensichtlich eine sehr unzuverlässige Briefschreiberin. Sie hat nicht weniger als vier Nachrichten nach Hause begonnen, aber keine einzige davon zu Ende gebracht.“

Alexander war ebenfalls kein großartiger Verfasser von Briefen. Lesen war allerdings eine vollkommen andere Sache. Selten verließ er das Haus, ohne eine gute Lektüre bei sich zu haben. Er dachte daran, wie Caitlyn am vergangenen Abend in dem kleinen ledergebundenen Buch geblättert hatte. Das hatte sie auf eine Art getan, die darauf hindeutete, dass sie häufig mit Büchern zu tun hatte. Offensichtlich las sie viel.

Als er zufällig einen Blick in den Spiegel warf, stellte er entsetzt fest, dass er seinen Mund zu einem zufriedenen Lächeln verzogen hatte. Erschrocken zuckte er zusammen. Verdammt, was spielt es für eine Rolle, ob sie liest oder nicht? Seit Hughs Hochzeit hatte Alexander so oft über Caitlyn Hurst nachgedacht, dass er das Gefühl hatte, sie gut zu kennen, und seine Meinung über sie war äußerst schlecht gewesen.

Nun erlebte er sie von Angesicht zu Angesicht und konnte sich leider nicht darauf beschränken, über ihr eigennütziges Verhalten nachzudenken. Stattdessen war er gezwungen, erneut all ihre verführerischen und anziehenden Seiten wahrzunehmen, die ihn schon in London dazu gebracht hatten, ihr immer wieder hinterherzulaufen.

Natürlich änderte das nichts an seiner vorherigen Einschätzung ihres Charakters; ihre wahre Natur war zweifellos von Gefühl beherrscht und selbstsüchtig. Doch nun flüsterte ihm eine leise Stimme ins Ohr, dass vielleicht - aber nur vielleicht! - sein Verhalten ebenso falsch gewesen war wie ihres.

Rasch verscheuchte er diese beunruhigenden Gedanken. „Was haben Sie sonst noch herausgefunden?“

„Lord Dervishton hat Erkundigungen eingezogen, wo Miss Hursts Schlafzimmer liegt...“ Als Alexander ihm einen scharfen Blick zuwarf, fügte der Kammerdiener unüberhörbar hinzu: „Ebenso wie Sie vor zwei Tagen.“

Stimmt, das hatte er getan, wenn er auch bezweifelte, dass Dervishton den gleichen Grund gehabt hatte wie er. Ihm war es nur um den Aufenthaltsort des Feindes gegangen. Dervishtons Motive waren mit Sicherheit weniger gesittet.

Verdammter Dervishton! „Ich traue dem Mann nicht. Veranlassen Sie die Diener, ein Auge auf ihn zu haben.“

„Dies ist nicht unser Haus, Sir. Ich kann nicht..."

„Gut. Ich werde Georgiana bitten, sich darum zu kümmern. Sonst noch was?“

Ärgerlich verzog MacCready den Mund, doch er sagte nur: „Die Hausmädchen sind in heller Aufregung wegen Miss Hursts Garderobe, und es geht das Gerücht, sie habe all ihre Kleider selbst genäht. Die Hälfte der Diener ist vernarrt in sie, was zu Ärger unter dem Personal führt, wie Sie sich vorstellen können. Einer der Diener ist so weit gegangen, in ihrem Kamin doppelt so viel Holz zu stapeln wie nötig. Das führte dazu, dass ein großer Holzscheit heute Morgen um zwei auf den Boden fiel, was Miss Hurst erschreckte und Lord Caithness ebenfalls in Angst versetzte.“ Alexander wirbelte zu MacCready herum. „Sie waren zusammen?“ Seine Stimme war tief und klang gefährlich.

„Nein, Sir“, erwiderte MacCready und zog die Brauen hoch. „Lord Caithness’ Zimmer ist direkt unter dem von Miss Hurst.“ Alexander registrierte, dass er seinen Kammerdiener finster anstarrte. Zur Hölle, ich muss mich beruhigen! Je früher Caitlyn und ich diese Angelegenheit regeln, umso besser.

Der Diener reichte ihm ein frisch gewaschenes Hemd. „Lord Caithness’ Diener hat mir heute Morgen erzählt, dass Seine Lordschaft aus dem Bett gesprungen und mit dem Kopf gegen den Bettpfosten gestoßen ist, was ziemlich Aufregung verursacht hat, wie Sie sich vorstellen können.“

„Solange er sich in seinem eigenen Zimmer aufgehalten hat, interessiert es mich nicht im Geringsten, wenn er sich den Schädel gespalten hat.“

„Entschuldigen Sie, Sir, höre ich da Anzeichen von Eifersucht heraus? Ich dachte, wir können Miss Hurst nicht leiden.“

„So ist es.“ Aber sie gehört mir, und ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, dass jeder Bock hier in Georgianas Haus sie vor mir in die Finger bekommt! Alexander zog sich das Hemd über den Kopf. „Haben Sie noch mehr über Miss Hurst herausgefunden?“ „Ja. Außer Roastbeef und Erdbeeren liebt Miss Hurst Walnüsse und Marmelade.“

„Sie mag auch Birnen“, murmelte Alexander vor sich hin. „Wie bitte, Sir?“

„Ich habe nur laut gedacht.“

„Hm. Soll ich weiterhin nutzlose Informationen sammeln, oder habe ich Ihnen genug geliefert, um Ihre Neugierde zu befriedigen?“

„Sammeln Sie weiter.“

„Aber ich weiß nicht, wonach ich suchen soll.“

„Ich bin sicher, Sie werden rein zufällig genug hören.“ Etwas, das er benutzen konnte und wollte, wenn er die „Aufgaben“ plante, die sie ausführen sollte.

Er konnte es immer noch nicht glauben, dass er sich von Caitlyn zu so einem albernen Spiel hatte überreden lassen, doch der Himmel wusste, dass er es genießen würde, sie mit in sein Bett zu nehmen. Sie zur Mätresse zu haben, würde ganz besonders reizvoll sein. Bei dieser Vorstellung wurde sein ganzer Körper warm.

Es war gut, dass er sich auf die Zeit freuen konnte, in der er sie ganz für sich allein haben würde. Denn wenn sie wollte, konnte sie momentan leicht dafür sorgen, dass sie ständig von den kriecherischen Idioten umringt war, die die Kontrolle über Georgianas Hausparty übernommen zu haben schienen. Normalerweise war Georgiana klüger, wenn es um die Zusammenstellung ihrer Gästeliste ging.

Alexander kleidete sich an und machte sich auf den Weg ins Frühstückszimmer. Dort empfing ihn eine Stille, die ihm klar machte, dass er viel zu früh dran war.

Er kehrte auf dem Absatz um, schlenderte in die Bibliothek und stellte sich vor die Türen, die zur Terrasse führten. Der Sturm war weitergezogen, und Gras und Blätter leuchteten in blassem Orange und Gelb vor dem winterlichen Braun. Einige Bäume lagen entwurzelt auf der Erde, und der Rasen war mit herabgebrochenen Ästen und totem Laub bedeckt, doch weiterer Schaden schien nicht entstanden zu sein.

Während Alexander das Durcheinander betrachtete, rieb er sich das Kinn. Er war froh, dass er sich nicht gestattet hatte, allzu wütend zu werden. In seiner Jugend war er nicht in der Lage gewesen, seine Launen zu kontrollieren. Und als er älter gewesen und Callum gestorben war ... Er schloss die Augen, um die Erinnerung zu vertreiben. Sein jüngster Bruder war so voller Leben und Lachen gewesen. Mit seinem Lächeln konnte er jedes Zimmer erhellen, seine Stimmungen waren wechselhaft und quecksilbrig. Er war der Mittelpunkt der Familie gewesen, bis er im Alter von neunzehn Jahren getötet worden war.

Zu jener Zeit hatten sie den Kincaids die Schuld daran gegeben, und Alexander und seine Brüder hatten Rache geschworen. Glücklicherweise war ihre Schwester Fiona eingeschritten. Ihre Lösung war gewesen, den verschwenderischen Jack Kincaid zu heiraten, um der Fehde Einhalt zu gebieten. Dennoch vermutete Alexander, dass die Ehe harmonisch war. Trotz all seiner Fehler schien Jack ein guter Ehemann und hingebungsvoller Vater zu sein. Natürlich war es möglich, dass er genau wusste, was geschehen würde, wenn er jemals einen Schritt vom Weg abwich. Dann würden ihn nämlich Fionas vier Brüder windelweich prügeln. Sicher...

„MacLean?“

Als er sich umwandte, sah er Caitlyn auf sich zukommen. Sie trug ein cremefarbenes Kleid mit Schleifen und anderem Tand am ziemlich hochgeschlossenen Ausschnitt. Aber die Schleifen lenkten dennoch die Aufmerksamkeit auf ihre Kurven.

Sie blieb neben ihm stehen und verschränkte die Hände. „Ich bin froh, dass ich dich allein antreffe. Hast du über die Aufgaben nachgedacht?“

Mit säuerlicher Miene musterte er sie. Er war wütend, dass es ihr immer wieder gelang, so verdammt verführerisch auszusehen. Schlimmer noch: Während die Augen anderer Frauen morgens geschwollen oder rot waren, glänzten ihre und strahlten ihn an. Es war eine Schande, dass sich hinter so viel Schönheit solch ein fragwürdiger Charakter verbarg. „Du freust dich auf diese Sache?“ „Mehr, als du dir vorstellen kannst. Ich gewinne einfach zu gern.“

Dieses Biest! „Ich habe mir ein, zwei Aufgaben überlegt.“

„Ich auch.“ Mit leuchtenden Augen und glühenden Wangen beugte sie sich vor und unterstrich ihre Worte mit ernsthaften Gesten. „Ich weiß, welches deine erste Aufgabe sein soll. Sie ist leicht.“ „Muss ich ein Schwein finden, das zwischen den Ohren einen Kamm versteckt hat?“

„Das hebe ich mir für später auf. An der Auffahrt zum Haus gibt es einen Bienenstock. Bring mir einen Teil davon.“

„Das ist alles?“

Sie lächelte süffisant. „Ich würde meinen, das genügt. Er hängt sehr hoch oben in einem Baum.“

Diese Aufgabe würde erstaunlich leicht zu lösen sein. „Gut.“ Sein Blick blieb an ihren goldenen Haaren hängen, am dichten Schwung ihrer unglaublich langen Wimpern, am satten Schokoladenbraun ihrer Augen ... Er wurde unruhig und presste die Kiefer aufeinander. Sein Leben lang hatte Alexander sich mit schönen Dingen umgeben - in seiner Burg, in seinem modernen Stadthaus in London, mit der teuren Kleidung, die er trug, und den hervorragenden Pferden, die er ritt. Er entdeckte Schönheit nicht unbedingt dort, wo andere sie sahen, sodass er selten Konkurrenz hatte, wenn er etwas wollte.

Doch jetzt begehrte er diese ganz bestimmte Schönheit. Er wollte Caitlyns üppige, sinnliche Schönheit in seinen Armen, nahe bei seinem nackten Körper, in seinem Bett. Er wollte sie schmecken, sie genießen, sie besitzen. Und er wollte sie jetzt, in dieser Sekunde.

Allein ihr Anblick, wie sie vor den hohen Glastüren zur Terrasse stand und die Morgensonne auf ihre Haut schien, ließ heftiges Verlangen durch seine Adern pulsieren. Sie musste ihn nur unter ihren Wimpern hervor anschauen, und sein Schwanz begab sich in Habachtstellung, so als wäre sie ein General und seine Männlichkeit ein rangniederer Soldat.

Jetzt schaute sie ihn an und lächelte. „Hast du dir eine Aufgabe für mich ausgesucht?“

Das hatte er getan, aber vor lauter Verwirrung zuckte er mit den Schultern und wandte sich ab. „Ich erinnere mich nicht gut genug an die Legende, um ...“

„Dann werden wir uns die Erzählung anschauen.“ Sie eilte zum Schreibtisch und setzte sich auf den Rand, während sie nach dem Buch griff. „Mein Vater ist so etwas wie ein Literaturgelehrter, und er mag die walisischen Märchen besonders gern, deshalb kenne ich dieses in- und auswendig.“

„Tatsächlich?“ Mehr zu seinem Vergnügen als aus Interesse für die Sage um King Arthur folgte er ihr zum Schreibtisch und ließ sich auf einem Stuhl nieder, von dem aus er seine schöne Gegnerin gut im Blick hatte.

„Vater ist überzeugt, dass Arthur walisischer Abstammung war. Er ... “ Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, aber Alexander hörte nicht zu. Seine volle Aufmerksamkeit galt dem runden Po, der nur eine Armlänge von ihm entfernt direkt vor seinen Augen auf der Schreibtischplatte ruhte. Ein schönes rundes Hinterteil, nur bedeckt von dünnem Musselin, der sich straff um eine der üppigen Pobacken schmiegte.

Er wölbte eine Handfläche und stellte sich vor, wie er Caitlyn damit an sich zog. Während er sie betrachtete, rutschte sie hin und her, als wäre der Schreibtisch zu hart für so ein festes Hinterteil. Dieser Po verdiente einen weicheren Sitz. Vielleicht seinen Schoß, obwohl der in diesem Moment alles andere als weich war. Tatsächlich war sein Schwanz so hart, dass er ...

„... was denkst du?“

Alexander blinzelte, riss seinen Blick von ihrem verführerischen Hinterteil los und richtete ihn auf ihr Gesicht. „Wie bitte?“ Ungeduldig runzelte sie die Stirn. „Ich habe dir ein paar Vorschläge für Aufgaben gemacht.“

Er fragte sich, wie warm sich diese runden Backen wohl durch den dünnen Musselin ihres Kleids anfühlen mochten. Von seinem Stuhl aus konnte er sie fast erreichen und ...

„MacLean!“ Sie folgte seinem Blick und entdeckte, wohin er schaute. „Verdammt noch mal!“ Sie ließ das Buch fallen und sprang vom Schreibtisch. Ihre Wangen leuchteten in einem reizenden Rosa. „Du hast dir mein Hinterteil angesehen!“

Lächelnd lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Ja.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften. „Was heißt das: ,Ja‘?“ „Was soll ich denn sonst sagen?“

„Es wäre angemessen, dich für deine Unhöflichkeit zu entschuldigen.“

„Wenn ich mich recht entsinne, warst du während deines Aufenthalts in London keine so glühende Befürworterin eines anständigen Verhaltens. Vielmehr erinnere ich mich an einen Ball, bei dem du mich hinter einen Vorhang gezogen und mir einen sehr unanständigen Kuss gegeben hast.“

Sie errötete noch heftiger, hielt seinem Blick jedoch stand. „Unsere Verbindung wurde immer intensiver, und ich hätte mich vehement zur Wehr setzen müssen.“ Kopfschüttelnd fügte sie hinzu: „Aber ich habe es nicht getan.“

„Du hast kein einziges Mal etwas abgelehnt, was ich vorgeschlagen habe. Ich hatte den Eindruck, du würdest allem zustimmen, ganz gleich, was ich sage.“

„Ständig hast du mich herausgefordert, und das ist meine Schwäche, wie du ganz genau weißt. Aber das war früher, und jetzt ist jetzt. Wir werden vorsichtig sein und nichts Unanständiges tun.“

Angesichts ihrer Entschlossenheit überkam ihn ein unbehagliches Gefühl. Dennoch zog Alexander amüsiert eine Braue hoch. „Tatsächlich?“

In ihrer Stimme schwang deutliches Bedauern mit, als sie erwiderte: „Ich muss anständig sein, das habe ich meiner Mutter versprochen.“

Alexander blinzelte verwirrt. „Wie bitte?“

„Ich habe ihr versprochen, dass ich die Dinge in Ordnung bringe und nichts Unüberlegtes tue.“

„Keine unüberlegten Dinge? Wie zum Bespiel unsere Wette?“ „Das ist nicht unüberlegt“, behauptete Caitlyn ein kleines bisschen zu hastig. „Ich weiß genau, was ich tue.“

Alexander rieb sich das Kinn, um ein überraschtes Lächeln zu verbergen. Er wurde aus dieser Frau einfach nicht klug. In einem Moment betörte sie ihn und jeden anderen Mann im Umkreis von fünf Meilen mit ihrer verführerischen Anmut und ihren wunderschönen Augen, und im nächsten Augenblick war sie entwaffnend wie ein Kind und forderte ihn heraus, etwas vollkommen Albernes zu tun, wie zum Beispiel einen Teil eines verlassenen Bienenstocks zu holen.

Entwaffnend wie ein Kind... Das sagte schon alles. Sein Lächeln verblasste. Georgiana hatte recht gehabt; Caitlyn Hurst war zu jung für ihn. In der adligen Gesellschaft wimmelte es von ungleichen Paaren, Verbindungen zwischen Menschen, die nicht zusammenpassten, wie es bei Charles und seiner viel zu jungen

Frau gewesen war. Solche ungleichen Partnerschaften begannen stets damit, dass der Mann das Sagen hatte, und endeten so, dass die Frauen ihre älteren verliebten Männer an der Nase herumführten, bis ihnen kein Fünkchen Stolz mehr blieb.

„Welche Aufgabe hast du für mich ausgesucht?“, erkundigte sich Caitlyn erneut.

Sie griff nach dem kleinen ledergebundenen Buch und schlug es auf.

Sofort erhob er sich und nahm ihr das Buch aus der Hand. „Ich wähle selbst eine Aufgabe aus, vielen Dank. Ich will etwas angemessen Unmögliches als deine erste Aufgabe finden. Und jetzt sei still, während ich suche.“

Es gelang ihr gerade mal, zwanzig Sekunden still zu sitzen, währenddessen jedoch seufzte sie laut, verschränkte die Arme und löste sie wieder. Alexander wusste genau, wie lange sie es ausgehalten hatte, denn er schaute auf die Uhr. Sie war wirklich nicht in der Lage, sich ruhig zu verhalten, so viel stand fest.

Schließlich ließ er das Buch sinken. „Hm.“

„Was?“

Er zuckte mit den Schultern und hob das Buch wieder, um hineinzusehen.

Dieses Mal schaffte sie es nur zehn Sekunden, still zu sein. „MacLean! Du hast ganz sicher schon entschieden, welche ...“

Er schlug das Buch zu. „Hol den magischen Kessel: Roxburges goldene Tabakdose.“

Zwar versuchte sie, ihr Zusammenzucken zu verbergen, doch es gelang ihr nicht.

Er lachte in sich hinein. „Das wird, gelinde gesagt, schwierig sein. Der Duke hat diese Tabakdose Tag und Nacht bei sich. Du wirst allergrößte Mühe haben, sie ihm wegzunehmen, ganz besonders, wenn die anderen Gäste es nicht bemerken sollen.“ Zufrieden legte er das Buch auf den Schreibtisch. „Und ich muss nichts anderes tun, als dir den Teil eines ganz bestimmten Bienenstocks zu bringen?“

Caitlyn unterdrückte ein süffisantes, ja durchtriebenes Lächeln. Einer der Diener hatte ihr erzählt, dass der Bienenstock in einem

Baum hing, hoch oben über dem Boden. „Du wirst den Stock dort finden, wo die Auffahrt auf die Straße trifft.“

„Das ist schon so gut wie erledigt.“

„So leicht wird es nicht sein. Er ist ziemlich weit oben im Baum.“ Sie betrachtete seine Kleidung. „Ich wage zu behaupten: Bevor der Tag vorüber ist, wirst du starren vor Schmutz.“

„Das werden wir sehen, nicht wahr? “ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Es sollte nicht allzu schwierig sein; falls es keine Honigbienen sind, wird der Stock leer sein.“

Caitlyn spürte, wie ihr Lächeln gefror. „Was?“

Er betrachtete sie erheitert. „Die Königin schläft den Winter über, zusammen mit ein paar wenigen Drohnen, aber die meisten Bienen in den Stöcken sterben im Herbst.“

Sie starrte ihn finster an. „Oh.“

„Wusstest du das nicht?“

„Nein, ich dachte, sie ... Oh, verdammt! Aber es spielt keine Rolle.“ Natürlich hatte sie sich nicht gewünscht, dass er verletzt wurde, aber sie hatte gehofft, es würde schwieriger sein. Nun galt es für ihn, eine lächerlich einfache Aufgabe zu bewältigen, während sein Auftrag an sie äußerst schwierig war.

Es war allgemein bekannt, dass Roxburge seine Tabakdose immer und überall bei sich trug und sie nicht aus den Augen ließ. Und sie musste die Dose an sich bringen, sie MacLean zeigen und sie zurücklegen, bevor der Duke auch nur bemerkte, dass sie fort war! Nun, sie musste einfach vorsichtig und klug sein. „Ich hoffe, morgen an die Schnupftabakdose zu kommen.“

„Was mich betrifft, werde ich deinen gewünschten Teil des Bienenstocks auf jeden Fall morgen haben. Ich würde es schon heute erledigen, aber ich habe ihrer Gnaden versprochen, ihr bei der Auswahl eines Pferdes für den morgigen Ausritt zu helfen.“ Seine Lippen zuckten. „Ich würde sagen, ihre Reitkünste sind nur ein ganz kleines bisschen besser als deine.“

Caitlyn hätte ihm am liebsten sein selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht geohrfeigt. Stattdessen gelang es ihr, gleichgültig mit den Schultern zu zucken. „Ich werde dafür sorgen müssen, dass deine nächste Aufgabe schwieriger ist.“

Immer noch grinsend wandte MacLean sich zur Tür. „Nur zu, Caitlyn. Du kannst davon ausgehen, dass ich dasselbe tun werde. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest. Es ist Zeit für mein Frühstück.“

Sie schaute ihm nach, während er den Flur in Richtung Frühstückszimmer überquerte. Sobald MacLean außer Sichtweite war, warf sie sich in einen in der Nähe stehenden Sessel und fragte sich, wie um alles in der Welt sie die Schnupftabakdose des Dukes an sich bringen sollte, ohne dass er Zeter und Mordio schrie.

Sie musste sich bemühen, wie MacLean zu denken. Er konnte vor den stets aufmerksamen Augen der Gesellschaft eine Liaison mit einer Frau haben, ohne dass es jemand bemerkte. Er wusste genau, wann er sie in eine stille Ecke zerren, wann er unauffällig die Vorhänge zuziehen und verschwinden konnte, sodass es niemand bemerkte - und wann er all diese Dinge zu lassen hatte.

Entschlossen nickte sie. Sie würde seine Tricks und Kniffe benutzen, die ihr nur zu vertraut waren. Wenn sie gewann, würde sein Wissen darum, auf welche Art es ihr gelungen war, noch zu ihrer Freude beitragen. Er mochte der Sieger ihrer kleinen Schlacht in London gewesen sein, aber sie würde den Krieg gewinnen, wenn sie die Wette für sich entscheiden konnte.

Belustigt von diesem Gedanken erhob sie sich, um Muiren zu suchen und festzustellen, was sie über den Duke und seine Tabakdose herausfinden konnte.