6. Kapitel
Man sagt, dass der Fluch der MacLeans den Mittelpunkt der Erde zum Erzittern bringt, wenn sie wütend genug sind. Das ist eine Macht, die ihr sicher niemals erleben wollt, und ihr solltet euch auch nicht wünschen, ihre Wirkung zu sehen.
So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Winternacht zu ihren drei Enkelinnen.
Caitlyn beugte sich vor, um den Überrock ihres Kleids zurechtzuziehen, und zuckte zusammen.
„Tut Ihnen von dem Ritt Ihr Po weh, Miss?“, erkundigte sich Muiren, während sie sich bückte und den Rock ordnete.
Dankbar richtete Caitlyn sich auf. „Meine ganze Rückseite muss grün und blau sein. Nicht mal das heiße Bad hat geholfen.“ „Das tut mir leid, Miss. Wenn Sie vom Dinner zurückkommen, werd ich sehen, dass ich was zum Einreiben für Sie finde.“ Muiren trat einen Schritt zurück, um Caitlyns Kleid zu betrachten. „Ach, Sie sehen so hübsch aus wie ’n Engel! Ich hab noch nie so ’n schönes Kleid gesehen.“
„Danke! Ich bin sehr stolz darauf, wie es mir gelungen ist.“ Das Kleid war aus hellbraunen Spitzen genäht, durch die ein Unterkleid aus cremefarbener Seide schimmerte. Jede Schulter war mit einer cremefarbenen Seidenschleife geschmückt, und mit dem breiten Gürtel aus cremefarbener Seide direkt unter ihren Brüsten wirkte es schlicht und elegant. Die meisten blonden Frauen glaubten, wegen ihrer Haarfarbe müssten sie kühlere Pastellfarben tragen, aber Caitlyn fand, dass die warmen Farben ihre Augen dunkler erscheinen und ihre Haare stärker leuchten ließen.
Sie strich mit beiden Händen ihren Rock glatt und bewunderte ihre Kreation im Spiegel. Das Kleid war hinten etwas länger als vorn, sodass beim Gehen der Schlitz vorne auseinandergezogen und das seidene Unterkleid sichtbar wurde. „Es sitzt gut, nicht wahr?“
Muiren klatschte in die Hände. „Ach, Miss, es iss das schönste Kleid, das ich jemals gesehen hab, und ich hab schon ziemlich viele gesehen. Die Duchess wird grün vor Neid, wenn Sie zum Dinner runterkommen. Sie werden sehen.“
„Vielen Dank. Das wird sehr erfreulich sein.“ Caitlyn griff nach einem kleinen cremefarbenen Fächer und hängte die Schlaufe über ihre behandschuhte Rechte. Ihre Beine taten ebenso weh wie ihr Po, und sie wusste genau, wer schuld daran war. „Ich hoffe, irgendwann heute Abend eine kleine Sache mit Laird MacLean besprechen zu können.“
Muiren runzelte die Stirn. „Ach je, Sie sehen ernst aus. Das tun Sie.“
„Ich habe den ganzen Nachmittag darüber nachgedacht, die ganze Zeit, seit ich von unserem Ausritt zurückgekommen bin. Es kann kein Zufall sein, dass die Duchess, MacLeans frühere Geliebte, sich mit meiner Mutter angefreundet und sie dazu gebracht hat, mich zu derselben Hausparty gehen zu lassen, an der auch er teilnimmt. Seit ich hier angekommen bin, starrt er mich so finster an ... Es ist fast eine Drohung ... Ich kann es gar nicht richtig beschreiben.“
Seine Stimmung schien sich ständig von einer Sekunde auf die andere zu ändern. In einem Moment musterte er sie, als würde er sie am liebsten in der Luft zerreißen, und im nächsten Augenblick küsste er sie, als ob ... Sie spürte, dass ihre Wangen glühten. Als würde sie ihm etwas bedeuten, was ihm aber nicht gefiel. „Warum sollte der Laird Sie finster ansehen?“
„Er glaubt, etwas, das ich getan habe, hätte seinem Bruder geschadet.“ Als sie Muirens prüfenden Blick bemerkte, fügte Caitlyn hastig hinzu: „Es hätte ihm schaden können, doch das tat es nicht. In Wirklichkeit ist sein Bruder, Laird Hugh, nun sehr glücklich mit meiner Zwillingsschwester verheiratet.“
„Was Sie nich sagen!“
„Ja. Dennoch ist MacLean immer noch wütend, und ich glaube inzwischen, er hat aus irgendeinem Grund dafür gesorgt, dass ich hierher komme.“
Zu Caitlyns Überraschung erklärte Muiren: „Das hab ich selbst auch schon gedacht, Miss. Es sieht ihrer Gnaden gar nich ähnlich, ’ne jüngere und schönere Frau in ihr Haus einzuladen, wenn sie’s irgendwie vermeiden kann.“
„Nun, nachdem ich sie kennengelernt habe, glaube ich das auch.“
„Ja, und sie hat sich ganz anders benommen als sonst, was seltsam iss, denn nur ganz selten bemüht sich ihre Gnaden um jemanden, wie sie das bei Ihrer Mutter gemacht hat.“ Muiren runzelte die Stirn. „Wenn Laird MacLean glaubt, dass Sie seinem Bruder geschadet haben, und er deshalb wollte, dass Sie hier sind, damit er Ihnen schaden kann, könnte er ihre Gnaden überredet haben, Sie hierher zu holen. Laird MacLean iss ’n Mann, der alles für seine Familie tut. So sind die MacLeans alle.“
„Ich weiß - aber es war wirklich nur ein Fehler, und es ist eigentlich kein Schaden entstanden. Ich bin bereit, mich zu entschuldigen, aber ich weigere mich, demütig herumzusitzen, während er versucht, mich dazu zu bringen, eine Dummheit zu machen.“ Caitlyn kniff die Augen zusammen und überlegte. „Ich glaube, er hofft, dass ich einen Fehltritt begehe und damit meinen Ruf ruiniere.“
„Sie würden nie zulassen, dass er Ihnen das antut!“
„Einmal hätte ich es fast getan. Und ich wäre nie auf dieses Pferd gestiegen, wenn er mich nicht angetrieben hätte.“ Finster starrte Caitlyn vor sich hin. „Heute Abend werde ich ihm sagen, dass ich seine Spötteleien nicht länger akzeptiere.“
„Ich hab seinen Diener sagen hören, dass der Laird ein Glas Port genauso gern vor dem Essen wie danach trinkt. Vielleicht -wenn Sie ’n bisschen früher zum Dinner runtergehen, treffen Sie ihn in der Bibliothek.“
„Das wäre perfekt. Dann könnten wir uns ungestört unterhalten.“
„Aber seien Sie vorsichtig, Miss. Die MacLeans sind verflucht, das iss so. Wenn Sie den Laird wütend machen ...“
„Ich weiß, ich weiß. Die Wolken werden sich zusammenballen, es wird blitzen und donnern und so stark regnen, dass alles überschwemmt wird. Dank meiner Großmutter kenne ich den MacLean-Fluch in- und auswendig.“
„Die alte Heilerin Nora weiß alles über die MacLeans, was man nur wissen kann.“
Caitlyn grinste. „Weil sie ein Fernrohr hat und ihr Haus genau gegenüber der berüchtigten Burg der MacLeans auf der anderen Seite des Tales liegt.“
„Nein! Sie schaut ihnen in die Fenster?“
„Die ganze Zeit“, bestätigte Caitlyn und lachte leise in sich hinein. „Ich wundere mich, dass sie nicht um ihr Auge einen kreisrunden Abdruck hat, weil sie ihr Fernrohr ständig dagegendrückt.“
Muiren kicherte. „Ach je, ich glaube, sie kennt sogar die Muttermale vom Laird.“
„Oh, er hat gar keine.“ Als Muiren sie verwundert anschaute, errötete Caitlyn. „Ich bin sicher, wenn er welche hätte, hätte Mam das irgendwann erwähnt.“ Sie reichte der Zofe ein paar Haarnadeln. „Wenn du mir mit meinen Haaren hilfst, kann ich versuchen, MacLean zu erwischen, bevor die anderen Gäste zum Dinner nach unten kommen.“
Muiren schien noch etwas sagen zu wollen, doch sie machte sich mit den Nadeln an die Arbeit und steckte Caitlyns Haare zu einer eleganten Lockenkaskade hoch. Nach bemerkenswert kurzer Zeit war sie fertig, trat zurück und verkündete zufrieden: „Jetzt haben wir’s, Miss.“
„Danke, Muiren. Es ist sehr schön!“ Die auf raffinierte Weise schlicht wirkende Frisur umspielte bezaubernd Caitlyns schönes Gesicht und ließ ihre Augen noch größer erscheinen. „Das hätte ich nie fertiggebracht.“
„Die meisten Frauen haben keine so wunderschönen Locken.“ „Die meisten Frauen haben dich nicht als Zofe, und genau das ist der Unterschied.“ Caitlyn stand auf und rasch umarmte sie Muiren.
Das Mädchen wurde knallrot. „Danke schön, Miss.“
Caitlyn lächelte und verabschiedete sich, bevor sie nach unten eilte. In Gedanken war sie bereits bei ihrem Gespräch mit MacLean. Rede klar mit ihm und bleibe dabei ruhig. Wenn ihr dies nicht gelänge, würde der überhebliche Laird sie verwirren, und es würde ihr nicht gelingen, herauszufinden, welche Pläne er mit ihr hatte. Und wenn er sie wieder küsste, wie er es am Nachmittag getan hatte ...
Vor der Tür zur Bibliothek blieb sie unvermittelt stehen und presste sich die Hand gegen die Brust, in der ihr Herz wild klopfte. Sie hatte sich den ganzen Abend nicht gestattet, an die heutige Umarmung zu denken, weil sie befürchten musste, ihre aufmerksame Zofe könnte bemerken, wie sehr dieser Kuss sie durcheinandergebracht hatte. Und genau so war es zweifellos gewesen. Selbst jetzt noch ließ die bloße Erinnerung daran sie erzittern, wie er sie hochgehoben und ihren Körper fest an seinen gepresst hatte, wie sein harter Mund ihre Lippen erobert hatte und seine Hände ...
Sie atmete zitternd ein. Dieses Mal muss ich darauf achten, dass genug Abstand zwischen ihm und mir herrscht! Doch ihre Gefühle entsprachen nicht ihrem Verstand, und genau diese Seite ihres Wesens flüsterte ihr ins Ohr: Aber stell dir vor, wie es wäre, noch einmal so geküsst zu werden!
Aber sie war wild entschlossen, dieser Seite nie wieder Gehör zu schenken, ganz besonders dann nicht, wenn es um Alexander MacLean ging. Sie betrachtete sich in einem der hohen Spiegel, zupfte eine der cremefarbenen Schleifen zurecht und trat dann durch die geöffnete Tür in die Bibliothek.
In dem großen Raum hielt sich niemand auf. Enttäuscht ging sie über den dicken Teppich und lauschte dabei auf Schritte von der Treppe her. Als sie an einem großen Schreibtisch aus Eichenholz vorbeikam, blieb sie stehen, um ein kleines Buch in die Hand zu nehmen, das aufgeschlagen auf der Platte lag. Es enthielt Übersetzungen der Geschichten um King Arthur und seinen Cousin Culhwch, und sie wusste, ihr Vater hätte Freude daran gehabt, dieses Buch hier zu finden, denn er war ebenso romantisch wie seine Mutter, Caitlyns Großmutter, die alle nur Mam nannten.
Sie legte das Buch zurück auf den Schreibtisch und ging dann zu den hohen Terrassentüren an einem Ende des Zimmers. Draußen jagten im Mondschein die letzten noch verbliebenen Gewitterwolken über den dunklen Himmel.
Je länger sie sich in MacLeans Nähe aufhielt, umso klarer wurde ihr, wie wenig sie über ihn wusste. Die Zeit, die sie gemeinsam in London verbracht hatten, war nicht annähernd ausreichend gewesen, um das vielschichtige Wesen dieses Mannes auch nur zu erahnen. Jedes Mal, wenn sie meinte, ihn durchschaut zu haben, überraschte er sie. So wie heute, als er sie vor ihrem dummen Stolz gerettet hatte, indem er ihr durchgehendes Pferd einfing.
Dieser Ausflug hätte böse enden können, wenn MacLean nicht so rasch gehandelt hätte. Sie hatte schreckliche Angst gehabt, es ihm jedoch nicht gezeigt. Mit einem Seufzer verschränkte sie die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen eine der Terrassentüren. Das glatte Glas kühlte ihre Schulter.
Wenn sie sich nicht vorsah, würde ihr Stolz sie eines Tages noch umbringen. Es bereitete ihr fast körperliche Schmerzen, wenn sie zugeben sollte, dass sie etwas nicht konnte, besonders wenn sie glaubte, jemand würde genau dieses Eingeständnis von ihr erwarten. Irgendwie hatte MacLean das herausgefunden und setzte es gegen sie ein, indem er sie ständig ansah, als würde er jedes ihrer Worte für eine Lüge halten.
MacLeans Spötteleien hatten sie veranlasst, das ungebärdige Pferd zu akzeptieren, als der Stallknecht es ihr anbot. Fast hätte sie den höchsten Preis für diese kleine Dummheit bezahlt. Mit einem leisen Aufstöhnen rieb sie ihren Po ...
„Dein Hinterteil ist grün und blau, nicht wahr?“, erkundigte sich hinter ihr eine leise Stimme in einem zufriedenen Tonfall.
Hastig ließ sie die Hand sinken und wirbelte herum.
MacLean stand in der offenen Tür. Sein Abendanzug war von strengem Schwarz; den einzigen Kontrast bildete eine perfekt geknotete schneeweiße Krawatte, die von einer Nadel mit einem Smaragd von blendender Schönheit gehalten wurde. Als Caitlyn den Smaragd zum ersten Mal an MacLean gesehen hatte, war sie verwundert gewesen, denn sie hatte ihn nicht für einen Mann gehalten, der eitel genug war, um sich mit solchen Kostbarkeiten zu schmücken. Aber es stand ihm gut, und die Farbe des Edelsteins verblasste, wenn man in seine frostig grünen Augen schaute.
Er grinste sie verwegen an. „Vielleicht ist das wunde Hinterteil dir eine Lehre, und du benimmst dich in Zukunft nicht mehr so töricht.“ Sein kühler Blick strich an ihr entlang und blieb einen Moment auf ihrem Kleid hängen, bevor er ihr ins Gesicht schaute.
Ein Schauer jagte ihren Rücken hinunter, doch sie ließ sich nichts anmerken und ballte nur die Hände zu kleinen Fäusten. „Es freut mich, dich zu sehen. Ich hoffte, du würdest hierher kommen.“
„Damit du mir von deinem schmerzenden Po erzählen kannst?“ „Ich bin nicht hier, um über meine Wunden zu jammern.“ Sein Lächeln verschwand. „Wunden? Bist du ...“
„Nein, nein! Ich hätte sagen müssen, ich bin nicht gekommen, um über mein schmerzendes Hinterteil zu sprechen, doch das erschien mir ein wenig vulgär.“
Er lachte überrascht auf, und sein freundlicher Ton machte ihr Mut. „Ich bin gekommen, um dir eine Frage zu stellen, MacLean. “ Immer noch vor sich hin lachend, erklärte er: „Wenn du wieder Reitunterricht von mir haben willst, lautet die Antwort Nein. Ich vermute, Dervishton wäre bereit dazu, aber der Mann ist nichts als ein schwanzwedelndes Hündchen.“
„Ich wollte nichts dergleichen fragen. Ich will einfach nur wissen, warum du mich hierher gelockt hast.“
Jede Spur von Belustigung verschwand aus seinem Gesicht. „Die Duchess hat dich eingeladen, nicht ich.“
Um ihm höflich zu zeigen, dass sie ihm kein Wort glaubte, zog sie die Brauen hoch.
Eine Minute lang erwiderte er ihren Blick, dann ging er zur Anrichte und schenkte sich etwas zu trinken ein. Anschließend kam er zum Schreibtisch zurück, lehnte sich dagegen und kreuzte in Knöchelhöhe die Beine, während er einen kleinen Schluck aus dem schweren Kristallglas nahm.
„Und?“ Sie durchquerte den Raum und blieb neben dem Sofa stehen, von wo aus sie ihn durch gesenkte Wimpern betrachtete.
Er wirkte so distanziert, als hätte er sich mit einer Mauer aus Eis umgeben. Nun, sie wusste, wie Eis zu durchbrechen war. „Du bist wütend.“
Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Portwein, doch in seinen Augen spiegelte sich unterdrückter Zorn.
„Das dachte ich mir“, stellte sie fest. „Ich hoffe, du bist nicht wegen dem, was zwischen Hugh und meiner Schwester geschehen ist, zornig. Falls es so ist, bist du ein bisschen dumm, Sir.“
Seine Lippen wurden bleich, seine Augen funkelten wutentbrannt. Draußen zuckte ein Blitz vom Himmel, und blendend helles Licht flackerte durch das Zimmer. Es folgte ein tiefes Donnergrollen, das den Fußboden zum Erzittern brachte. Sie schaute durchs Fenster und stellte fest, dass in Sekundenschnelle das Gewitter zurückgekehrt war und riesige, brodelnde Wolken schwarz und bedrohlich über das Dach zogen.
Caitlyn erschauderte, nicht nur, weil das Gewitter so heftig zu sein schien, sondern auch, weil es so rasch aufgezogen war. Eine so große Gefahr! Eine so große Gefahr geht von ihm aus, und er trägt sie mit solcher Würde. Und doch muss es eine furchtbare Last für ihn sein.
Sie wandte sich wieder MacLean zu und bemerkte die senkrechten Falten an seinen Mundwinkeln, sah, wie blass er geworden war und dass seine Augen hell und kalt leuchteten. Das alles hatte sie für Zeichen seiner Wut gehalten, doch nun fragte sie sich, ob sich darin die Bürde des Fluches ausdrückte - ein stummes Geständnis, dass er niemals den Luxus genießen würde, seinem stürmischen Temperament freie Bahn lassen zu dürfen ... niemals.
Der Gedanke verschlug ihr den Atem. Was für ein schrecklicher Fluch! Caitlyns Herz schmerzte auf eine neue, andere Weise. Sie spürte kein Mitleid - der Himmel wusste, dass dieser Mann kein so schales Gefühl weckte -, doch sie fühlte plötzlich ungewöhnlich stark mit ihm. Ihr ganzes Leben lang hatte sie von ihrer Großmutter über den Fluch der MacLeans Geschichten gehört, die diese in den prächtigsten Farben auszuschmücken pflegte. Nun hatte Caitlyn einen Blick hinter die Kulissen geworfen.
Es machte ihr Verhalten in London im Nachhinein umso verwerflicher, denn sie war neugierig gewesen und hatte versucht, MacLean dazu zu bringen, die Beherrschung zu verlieren und die Macht des Fluchs zur Schau zu stellen. Doch sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet, wie der Fluch sich für ihn anfühlen musste, und das war unverzeihlich. „Das geht jetzt schon viel zu lange so, MacLean. Wir sollten uns nicht immer wieder gegenseitig verletzen. Wir müssen reden. Es gibt so vieles, was ich erklären möchte und ...“
Er stellte seinen Portwein auf den Schreibtisch, und das schwere Glas krachte auf das Holz, als er auf dem Absatz kehrtmachte und zur Tür ging.
Wollte er das Zimmer verlassen? Sie hatte um die Möglichkeit gebeten, eine Erklärung für ihr Verhalten zu liefern, und er ging einfach weg und ...
Er machte die Tür zur Halle zu und schloss sie ab, das Geräusch des Schlüssels erschien ihr viel zu laut und sie schwieg erschrocken.
Caitlyn konnte kaum atmen. Nun waren sie allein. Der einzige Weg ins Zimmer führte jetzt durch die Terrassentüren, und bei diesem furchtbaren Wetter würde von dort niemand kommen.
Sie fragte sich, ob sie nicht lieber darum bitten sollte, dass die Tür zur Halle offen blieb, doch dann bemerkte sie das teuflische Glitzern in MacLeans Blick, und ihr wurde klar, dass er genau dieses Verhalten von ihr erwartete.
„Vielen Dank. Ich bin froh, dass du die Tür geschlossen hast; nun wird uns keiner stören.“ Als sie seine überraschte Miene sah, musste sie lächeln.
Widerwillig verzog daraufhin auch er seinen angespannten Mund zu einem Lächeln. „Du bist eine mutige Frau, das muss man dir lassen.“ Er ging zurück zum Schreibtisch, um sich sein Glas Portwein zu holen. „Sprich, Caitlyn. Jetzt hast du die Gelegenheit dazu, und es ist die einzige Chance, die ich dir geben werde.“ Ha! Das werden wir noch sehen! „Seit ich hier angekommen bin, tust du nichts anderes, als mich zu quälen.“
Er schaute sie über den Rand seines Glases an, seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten. „Ich habe noch nicht einmal damit angefangen, dich zu quälen.“
„Wenn es um das geht, was wir beide in London getan haben, MacLean ..."
„Wir beide? Du meinst, was du getan hast.“
„Wir haben beide die Regeln der Gesellschaft missachtet, du genauso wie ich. Und wir hatten beide unseren Anteil an den Ereignissen, durch die dein Bruder gezwungen war, meine Schwester zu heiraten.“
„Das ist nicht richtig.“ Er schwenkte den Portwein in seinem Glas, um ihn zu erwärmen, während sein Blick noch eisiger wurde. „Ich habe nicht mehr getan, als einen harmlosen Flirt zu beginnen, in den du offensichtlich viel zu viel hineininterpretiert hast.“
„Das habe ich nicht getan! Wenn wir erwischt worden wären ...
„Das wäre niemals geschehen, wenn du dich vernünftig verhalten hättest“, erklärte er ungeduldig. „Wir sind beide erwachsen. Du bist schon lange kein Schulmädchen mehr, und du hättest es besser wissen sollen, als öffentlich zu verkünden ...“
„Was willst du damit sagen, dass ich schon lange kein Schulmädchen mehr bin? Ich bin keine alte Jungfer.“
Verletzend sah er sie von oben bis unten an. „Es mag Leute geben, die sagen würden, du seist nicht mehr die Jüngste.“
„Oh! Du ...“ Sie raffte ihre Röcke und marschierte zum Schreibtisch, auf dessen Kante er saß. „Du versuchst nur, mich vom eigentlichen Thema abzulenken. Wir sind beide an dem schuld, was in London passiert ist, und das weißt du ganz genau!“
Er schob sein Kinn vor. „Mein Bruder ist durch die Hölle gegangen, als ihm klar wurde, dass er eine Frau heiraten musste, die er nicht einmal kannte.“
„Dein Bruder war nicht der Einzige, der leiden musste! Was glaubst du denn, wie meine Schwester sich gefühlt hat?“, stieß Caitlyn wütend hervor.
„Wir haben alle unter deiner Gedankenlosigkeit gelitten. Du hast vor aller Welt damit geprahlt, dass du mich dazu bringen würdest, um deine Hand anzuhalten. Die gesamte Londoner Gesellschaft hat die Ohren gespitzt.“
Ihr Gesicht glühte. Es stimmte, dass sie damit geprahlt hatte. Und wegen des Plans, den sie gefasst hatte, um ihr Ziel zu erreichen, war ihre Schwester nach London geeilt, um dem Klatsch Einhalt zu gebieten. „MacLean, ich habe nicht...“
„Hätten unsere Geschwister nicht geheiratet, wäre es zu einem großen Skandal gekommen. Wochenlang wurde in London von nichts anderem gesprochen, und mein Name wurde durch den Dreck gezogen.“ Der Wind rüttelte an sämtlichen Fenstern im Haus, als wollte er versuchen, einzudringen.
„Aha!“ Ihre Augen wurden schmal. „Wegen des Schicksals deines Bruders bist du kein bisschen ärgerlich. Du bist nur wütend, weil du vor den Augen der adligen Gesellschaft zum Narren gehalten wurdest!“
Ein gleißendes Aufblitzen erhellte das Zimmer. Es folgte ein ohrenbetäubendes Donnergrollen, das die Portweinkaraffe auf dem Silbertablett zum Klirren brachte. MacLean rutschte von der Schreibtischkante und bewegte sich mit einer Entschlossenheit auf sie zu, die sie erstarren ließ.
Als er vor ihr stand, packte er sie bei den Schultern und zog sie so dicht an sich heran, dass sein Gesicht nur einen Fingerbreit von ihrem entfernt war, während er knurrte: „Ich lasse mich von einem Mädchen wie dir nicht zum Narren machen. Jetzt nicht und überhaupt nie. “
Dieser Mann besaß vielleicht eine Frechheit! „Ha! Wenn das schon genügt, um dich zum Narren zu machen, dann solltest du gewappnet sein, dass es wieder passiert - und zwar schon bald!“ Flammende Blitze blendeten sie, während er seine warmen Hände von ihren Schultern gleiten ließ und ihren Hals umfasste. Sie keuchte, als seine Daumen sich auf jene empfindliche Stelle legten, unter der ihr Puls pochte.
Caitlyn starrte aus nächster Nähe in seine grünen, grünen Augen. Hätte irgendein anderer Mann sie so gehalten, wäre sie vor Angst gestorben. Stattdessen war sie merkwürdig erregt und musste gegen den Wunsch ankämpfen, sich ihm entgegenzubeugen, um ihm noch näher zu kommen. Er war kein Mann, der einer Frau ein Leid zufügen würde. Er würde denjenigen, der sich dazu hinreißen ließ, zutiefst verachten. Einzig gefährlich war, wie sie auf seine Berührung reagierte.
Sie war sich seiner Nähe quälend bewusst, seiner Größe, der Breite seiner Schultern, der kühnen Form seiner Nase, des Leuchtens seiner ungewöhnlichen Augen und der Art, wie ihm die Haare in die Stirn fielen. Jede Einzelheit wirkte überlebensgroß und überdeutlich, selbst der schwache Sandelholzduft, den seine Hände verströmten.
Caitlyn umfasste seine Handgelenke und bewegte sich nach vorn, direkt in seine Arme. Er zog die Brauen zusammen, und als würde es gegen seinen Willen geschehen, glitten seine Hände in ihren Nacken, wo sie die köstliche Wärme seiner Finger spürte.
Ein Schauer jagte durch ihren Körper, verursachte Gänsehaut, sorgte dafür, dass ihre Brustwarzen sich aufrichteten und ihr fast die Luft wegblieb. Sie kämpfte darum, einen klaren Gedanken zu fassen. Bevor sie in der Lage war, etwas zu sagen, musste sie die Augen schließen und tief durchatmen. „Warum hast du die Duchess gebeten, mich zu ihrer Hausparty einzuladen, MacLean?“ Er kam ihr so nahe, dass sie seine Lippen an ihrem Ohr spürte und sein warmer, nach Portwein duftender Atem sie streichelte. „Ich habe dafür gesorgt, dass Georgiana dich hierher lockt, damit ich dich für das bestrafen kann, was du mir und meiner Familie angetan hast.“
Caitlyn riss die Augen auf. „Mich bestrafen?“
„Ich werde deinen Ruf ruinieren, so wie es längst der Fall wäre, wenn deine Schwester dich nicht aus der Situation gerettet hätte, in die du dich durch deine Torheit gebracht hattest.“
Sie wich zurück und starrte ihn an. Offenbar war es ihm todernst. Er meinte, was er sagte - und er war auch in der Lage, danach zu handeln. Ihr Blick wanderte hinüber zur geschlossenen Tür, und er lachte leise in sich hinein. „Ganz bestimmt.“
Warum, warum nur hatte sie ihm erlaubt, die Tür zu schließen? Sie war so damit beschäftigt gewesen, den Anschein zu erwecken, als hätte sie die Situation unter Kontrolle, dass sie ihm sogar noch dafür gedankt hatte. Verflucht sei mein rebellisches Wesen!
Man durfte die Regeln der Gesellschaft nur brechen, wenn man mächtig genug war, und auch dann niemals öffentlich. Nicht dass er eine geschlossene Tür nötig gehabt hätte! Die traurige Wahrheit sah so aus, dass bei einer Frau ein hastig hingeworfenes Wort oder eine Umarmung - selbst wenn sie gegen ihren Willen geschah -ausreichten, um ihren Namen zu beflecken und ihre Familie aus der Gesellschaft zu verbannen. Und wenn die Dame nicht aus einer der allerbesten Familien stammte, würde sie keine zweite Chance bekommen. „Verdammt noch mal, MacLean, du musst deine törichte Idee, dich rächen zu wollen, endlich aufgeben!“
„Töricht?“
Seine Stimme war leise und drohend, aber dennoch tief und warm, so warm wie seine Hände. Wieder hatte sie eine Gänsehaut, sie erschauderte und ertappte sich dabei, dass sie seine festen, sinnlichen Lippen anstarrte. Was hätte sie darum gegeben, diesen Mund wieder auf ihrem zu spüren! Was hätte sie darum gegeben, diese Lippen wieder zu fühlen! Vielleicht hatte sie sich die Wirkung seiner Berührung nur eingeredet und in ihrer Erinnerung ihre Reaktion auf seine Zärtlichkeiten überbewertet. Plötzlich musste sie unbedingt herausfinden, wie es wirklich war ... jetzt!
„Was tust du da?“
Sie drängte sich an ihn, schlang die Arme um seine Taille, lehnte sich an seine Brust. „Ich dachte ...“ Das Problem war, dass sie überhaupt nicht nachgedacht hatte; sie handelte bereits. An ihn gepresst, küsste sie ihn, unfähig, der Verlockung dieses fein gezeichneten, heißen Mundes zu widerstehen, der ihr viel zu verführerisch, viel zu nahe war.
Er zog sie mit seinen starken Händen noch enger an sich, und ihr Leib schmiegte sich willig an seinen.
Stöhnend öffnete sie die Lippen für ihn. Ihr ganzer Körper stand in Flammen! Gott, wie sie es liebte, seine Hände auf sich zu spüren, deren Wärme sie selbst durch ihre Kleidung fühlte! Er ließ eine Hand zu ihrer Brust gleiten und strich mit dem Daumen über ihre Brustspitze, die sich hart gegen die dünne Seide ihres Kleides und der Chemise drückte. Caitlyn hielt sich an seiner Jacke fest und zog ihn näher zu sich heran, sie versuchte verzweifelt, den winzigen Abstand, der noch zwischen ihnen war, zu verringern, wollte ...
„Nein!“ Er legte die Finger um ihre Handgelenke, zog ihre Hände von seinen Kragenaufschlägen und starrte sie finster an, während sein Atem genauso heftig ging wie ihrer.
Wieder kämpfte sie um einen klaren Gedanken und versuchte, ihren Blick von seinem Mund zu lösen, den er jetzt zu einer schmalen, geraden Linie zusammengepresst hatte. „Nein? Was nein?“ Wie konnte er etwas verhindern wollen, das sich so gut anfühlte?
Mit einem unterdrückten Fluch wandte er sich ab und schlenderte zum Schreibtisch, wo er wieder nach seinem Glas griff und einen großen Schluck Portwein nahm.
Fröstelnd rieb sie sich die Arme. „MacLean, ich ...“
Er setzte hart das Glas auf den Schreibtisch, und der Portwein schwappte über, während er sie wütend anschaute. „Was in London zwischen uns geschehen ist, war ein Fehler, den ich nicht wiederholen werde, ganz gleich, wie sehr du dich auch bemühst, mich in Versuchung zu führen. Wärst du nicht so ein lockeres Ding gewesen ...“
Sie streckte ihren Rücken und erstarrte. „Lockeres Ding?“ „Was glaubst du denn, warum Falkland und Dervishton so hinter dir her sind? Natürlich sind solche Liebeleien meist nur von kurzer Dauer. Du bist nicht reif genug, um das Interesse eines echten Mannes zu halten.“
Caitlyn verschränkte die Arme und unterdrückte den aufflammenden Zorn. „Ich habe unseren Flirt in London genossen. Aber wenn mich das zu einem lockeren Ding macht, dann macht es auch dich zu einem leichtfertigen Mann. Denn welche Sünde ich auch immer begangen habe, du hast das Gleiche getan.“
„Ich habe nie versucht, dich auf arglistige Weise dazu zu bringen, mir einen Heiratsantrag zu machen.“
„Nein, aber du hast mich herausgefordert, genau das zu tun, also bist du ebenso dafür verantwortlich wie ich.“
„Das habe ich ganz sicher nicht getan!“
„Hast du gesagt, dass du mich in einer Million Jahren niemals fragen würdest, ob ich dich heiraten will - ja oder nein?“, rief sie und stemmte die Hände in die Hüften.
Er runzelte die Stirn. „Das habe ich nicht getan.“
„Oho!“ Caitlyn traute ihren Ohren nicht. „Deine genauen Worte lauteten: ,Es gibt nichts im Himmel und nichts in der Hölle, was mich jemals dazu bringen wird, dich zu heiraten, und du kannst nichts tun, um mich dazu zu bewegen.“*
„Ich ...“Er erstarrte, zog die Brauen zusammen, und sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er endlich begriff.
Erfreut nickte sie. „Bei der Abendgesellschaft der Manderleys, auf der Terrasse.“
„Das sollte keine Herausforderung sein.“
„Und wie wäre es für dich gewesen, wenn jemand genau diese Worte zu dir gesagt hätte?“
Er starrte sie finster an und öffnete den Mund, um zu antworten, doch sie gebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt. „Ganz ehrlich - was hättest du getan?“
Ungeduldig fuhr er mit der Hand durch die Luft. „Was auch immer ich getan hätte, wäre diskret geschehen und nicht vor den Augen der Öffentlichkeit. Genau das war so unerträglich an deinem Verhalten.“
„Diskret? So wie damals, als du mich im Vorzimmer von Devonshire House küsstest und der Prinz hereinkam?“
Er warf ihr einen grimmigen Blick zu. „Das war eine Fehleinschätzung der Lage, aber eine einzige Gelegenheit ist kein ...“ „Und bei der Dinnerparty der Treveshams, als du mich in einen leeren Salon zogst, und der Butler eintrat, um etwas zu holen, und wir mussten uns hinter dem Sofa verstecken, bis er wieder ging, und dann kam Lady Trevesham herein ...“
„Genug!“ Während er die Lippen fest aufeinanderpresste, heulte der Wind wild vor den Fenstern, und die Scheiben klirrten in den Rahmen. „Das kannst du nicht zählen. Du hast mich gnadenlos gereizt und ...“
„Ich habe dich gereizt? Du ... du ... du...“ Sie ballte die Hände zu Fäusten und näherte sich ihm, bis ihre Schuhspitzen sich berührten. „Ich wünschte, mein ursprünglicher Plan hätte funktioniert! Ich wünschte, du wärst gezwungen gewesen, mir einen Antrag zu machen, nur damit ich die Freude gehabt hätte, dir eine Abfuhr zu erteilen!“
Er schob das Kinn vor, und draußen prasselte der Regen gegen die Terrassentüren.
„Ach, spar dir deinen verdammten Regen und den Wind; das macht mir kein bisschen Angst! Du hättest dich glücklich schätzen können, wenn ich dich geheiratet hätte, und das weißt du auch!“ Seine Lippen wurden fahl, seine Augen funkelten in einem leuchtenden, klaren Grün, und in seinem wütenden Gesicht war deutlich gekränkter Stolz zu erkennen. Groß überragte er sie, zornig und drohend. „Es gibt nicht genug Portwein auf Erden, dass ich betrunken genug werden könnte, um dir einen Heiratsantrag zu machen, ganz gleich, ob dein Ruf ruiniert ist oder nicht.“
„Das ist... du ... oh!“ Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Wenn ich es wollte, könnte ich dich dazu bringen, dass du mich unbedingt heiraten willst, MacLean!“
„Zur Hölle, nie im Leben!“ Er zog einen Mundwinkel zu einer Art kühlem Lächeln hoch, das eigentlich alles andere als ein Lächeln war. Dann bückte er sich, bis ihrer beider Augen auf gleicher Höhe waren. „Aber ich weiß, dass ich dich dazu bringen könnte, willig mit in mein Bett zu kommen - ganz ohne die heiligen Sakramente und das Unglück einer Ehe.“
„Nicht in einer Million Jahren! Das wird niemals geschehen ... zur Hölle, nie im Leben!“ Das Wort „Hölle“ brannte ihr auf der Zunge, aber es war ihr trotzdem über die Lippen gekommen.
MacLean zog die Brauen hoch und brach in ein volltönendes Lachen aus, das sie beide überraschte.
Draußen flaute der Wind ein wenig ab, und Caitlyn seufzte verdrossen. „Ich freue mich, dass du das lustig findest. Ich kann jedenfalls nicht darüber lachen.“
Jetzt grinste er, finster und verrucht. „Manchmal kannst du die Pfarrerstochter einfach nicht verleugnen, Caitlyn.“ Beim Lächeln bleckte er die Zähne fast wie ein Wolf. „Was hältst du von einer kleinen Wette? Wenn ich gewinne, kommst du in mein Bett.“
Sie verscheuchte das Bild, das sie sofort vor Augen hatte: Wie sie in seinem Bett lag und seine großen Hände über ihre nackte Haut glitten. Unvermittelt zog ihr Magen sich zusammen, und ihre Brustwarzen prickelten, als würde er in diesem Moment ihre Brüste umfassen.
Wenn sie die Lider schloss, konnte sie ihn sehen und fühlen -seine warme Haut und seine köstliche Männlichkeit. Einen winzigen Moment fragte sie sich, ob es so schlecht wäre, die Wette zu verlieren ... Dann begegneten sich ihre Blicke, und die Überlegenheit, mit der er sie anschaute, war nicht zu übersehen.
Er glaubt, ich hätte keine Chance! Dieser Teufel! „Und wenn ich gewinne“, fauchte sie entrüstet, „wirst du vor der gesamten Gesellschaft hier im Haus auf die Knie sinken und mich um meine Hand bitten. Vor allen, MacLean.“
Er zuckte mit den Schultern. „Gut. Es spielt keine Rolle, um welchen Einsatz du wettest, denn ich will verdammt sein, wenn ich dich gewinnen lasse.“
„Als könntest du mich aufhalten.“ Ich sehe ihn schon vor mir, wie er mich, auf dem Boden kniend, um meine Hand bittet, während die Duchess mit finsterem Blick danebensteht. Eine absolut köstliche Vorstellung! „Ich sollte so anständig sein, dich zu warnen: Es könnte sein, dass ich beschließe, deinen Antrag anzunehmen, nur um dich zu ärgern. Wie wirst du dich dann fühlen?“ „Dann wirst du einen sehr zornigen Ehemann haben.“
Sie lächelte ihn an. „Wenn du wütend bist, wirst du eine sehr glückliche Frau haben.“
Als sie bemerkte, dass er seine Hände zu Fäusten ballte, glaubte sie für einen erregenden Moment, dass er die Arme ausstrecken und sie wieder an sich ziehen würde, doch stattdessen bemerkte er in eisigem Ton: „Wir haben die Einsätze besprochen. Nenne nun die Bedingungen.“
Bedingungen? Gütiger Himmel - wie legte man die Bedingungen für solch eine Wette fest? Eine Wette, bei der es um seine Freiheit und ihre Ehre ging. Sie schluckte, und als sie erkannte, was sie da taten, war es, als ob sich kalter Nebel über sie legen würde. Verdammt, was nur hatte er an sich, dass sie in seiner Nähe immer wieder ihren Vorsatz vergaß, ruhig und gelassen zu bleiben?
Was auch immer es war, sie würde dieser Sache ein für alle Mal ein Ende bereiten. Sie musste die Bedingungen eindeutig zu ihren Gunsten festlegen und nicht so, dass sie diesem riesigen Kerl in die Hände spielten, der besser reiten, schneller laufen und sie überhaupt in allen körperlichen Dingen übertrumpfen konnte. Aber worum sollte es bei der Wette gehen ? Auf der Suche nach einer Idee schaute sie sich im Zimmer um, fand aber nichts ... bis ihr Blick auf das aufgeschlagene Buch fiel, das auf dem Schreibtisch lag, wo sie es bereits entdeckt hatte, als sie in die Bibliothek gekommen war. Mit überraschender Klarheit formte sich ein Gedanke in ihrem Kopf.
Sie hastete zum Schreibtisch und griff nach dem Buch. „Ich weiß genau, was wir tun werden.“
„Was ist das ? “ Seine Stimme war zwar sanft, es schwang jedoch deutlich Misstrauen mit.
Eifrig blätterte sie in dem Buch. „Es soll in der Wette darum gehen, dass wir der Geschichte von Olwen und Culhwch folgen.“ „Wessen Geschichte?“
Fast hätte sie aufgelacht. Er kannte die Legende nicht, aber sie! Was für ein wunderbarer Vorteil das sein konnte! Rasch blätterte sie eine Seite nach der anderen um, begeistert von dem Gedanken, diesen stolzen, hochmütigen Mann zu ihren Füßen zu sehen. „Mein Vater liebt diese Geschichte und hat sie uns oft vorgelesen, als wir Kinder waren.“
„Was für ein Glück für dich“, meinte MacLean trocken. Caitlyn ignorierte seine Worte. „Olwen und Culhwch aus der Sage um King Arthur. Culhwch, King Arthurs Cousin, wurde von seiner bösen Stiefmutter verflucht, sodass er sich nur in eine einzige Frau verlieben konnte - in Olwen. Das Problem war, dass Olwens Vater ein sehr, sehr großer zorniger Riese war. Lfm Olwens Hand zu erringen, wurde Culhwch ausgeschickt, eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen.“ Sie klopfte mit dem Zeigefinger auf den Text. „Wir werden diesen alten Mythos als Grundlage für unsere Wette benutzen.“
„Das ist absurd.“
Sie zog die Brauen hoch und erklärte kühl: „Du hast gesagt, ich solle die Bedingungen festlegen, nicht wahr?“
„Das habe ich wohl getan“, erwiderte er und starrte sie finster an.
„Culhwchs Aufgaben waren ziemlich einfach: Finde den süßesten Honig, den es in diesem Jahr gibt; hole ein Rasiermesser, eine Schere, einen Kamm und einen Spiegel, die zwischen den Ohren eines wilden Ebers liegen, und Ähnliches.“
„Einen Spiegel zwischen den Ohren eines wilden Ebers hervorzuholen ist einfach?“ Er nahm das Buch und betrachtete es mit gerunzelter Stirn. „Das ist eine lächerliche Idee.“
„Nein, ist es nicht. Die Aufgabe mit dem Honig kann man wörtlich nehmen, das muss man nicht auf etwas anderes übertragen. Die Dinge vom Kopf des Ebers könnten ...“ Sie biss sich nachdenklich auf die Unterlippe, dann strahlte sie. „Ich weiß! Es könnte die Schleife von Lady Kinloss’ Hund sein.“
MacLean schüttelte den Kopf und verzog den Mund jedoch zu einem leichten Lächeln. „Dieser Hund ist tatsächlich wahnsinnig wild und gefährlich.“
Caitlyn bemühte sich, ernst zu bleiben. „Sehr lustig.“ MacLean blätterte in dem Buch. „Wie sollen wir die Sache durchführen? Was schlägst du vor?“
„Jeder von uns muss drei Aufgaben aus der Legende erfüllen.“ „Das klingt fair. Und wer entscheidet, welche es sein sollen?“ „Wir stellen uns die Aufgaben gegenseitig. Außerdem will ich nicht, dass die anderen Gäste etwas von der Sache mitbekommen, und ich denke, dir geht es genauso.“
„Zweifellos.“
Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf das Buch. „Gibt es Aufgaben, die dich interessieren würden?“
Er schaute skeptisch, dann blätterte er einige Seiten um. „Vielleicht.“
„Du stimmst also mit mir darin überein, dass wir die Aufgaben lösen müssen, die in der Geschichte gestellt werden, und auf diese Weise ein für alle Mal die Sache zwischen uns klären?“
Alexander klappte das Buch zu und klopfte mit dem Buchrücken in seine Handfläche, während er Caitlyn betrachtete. Er musste sich eingestehen, dass sie die Idee verführerisch präsentierte, denn es würde seinen Triumph noch süßer machen, wenn er sie nicht nur besiegte, sondern das auch noch in ihrem eigenen Spiel tat.
Dennoch war es nicht gut, zu rasch zuzustimmen, also zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß nicht, Caitlyn. Als ich sagte, dass du die Bedingungen bestimmen solltest, ging ich davon aus, dass du eine der üblichen Wetten vorschlagen würdest, wie Karten ziehen oder irgendeine Art von Wettlauf.“
Sie warf den Kopf in den Nacken und trat dicht vor ihn. Ihre dunkelbraunen Augen funkelten angriffslustig. „Was ist los, Mac-Lean? Hast du Angst vor einem kleinen Wettbewerb?“
Alexanders Körper reagierte sofort auf ihre Nähe. „Es ist ein ungewöhnlich großer Aufwand, aber ...“ - er gestattete seinem Blick, auf zweideutige Weise über ihren Körper zu gleiten und erst an ihren Brüsten und anschließend an ihren Hüften hängenzubleiben - „... ich kann mir nichts vorstellen, was ich mehr genießen werde, als dich verlieren zu sehen. Und dir zuzuschauen, wie du dich mit deinen Aufgaben abmühst, wird meinen Triumph nur umso süßer machen.“
„Wir werden sehen, wer verliert.“ Sie schenkte ihm ein verdammt geheimnisvolles, sehr weibliches Lächeln, das ihn noch mehr erregte. Dann wandte sie sich ab, ließ ihre Fingerspitzen an der Kante eines kleinen Beistelltischs entlanggleiten und streifte dabei gedankenverloren ein filigranes Pralinenschälchen aus Silber.
Alexander schaute ihr zu und fragte sich, wie diese federleichten Berührungen sich wohl an seinem Schwanz anfühlen würden, der sich in diesem Moment streckte, als wollte er zu ihr gelangen. Verdammt, sie setzt mich in Flammen!
Caitlyn wandte den Kopf, und einen Moment hob sich ihr klares Profil überdeutlich vom Hintergrund der dunklen Glastüren zur Terrasse ab. „Es wird dir guttun, dich mit jemandem zu messen, der keine Angst vor deinen Launen hat.“
„Die Leute haben keine Angst vor mir.“
„Ach ja?“ Sie schaute ihn über die Schulter hinweg an, und das Verführerische in der Bewegung, mit der sie den Kopf wandte, musste direkt von Eva stammen. „Glaubst du das wirklich? Du braust mit Blitz und Donner über alle hinweg, und dann redest du dir ein, dass dein Fluch niemandem etwas ausmacht.“ Mit einer knappen Handbewegung deutete sie hinaus in den Garten. Er wusste, dass dort überall heruntergebrochene Äste lagen. „Wie sollte das jemanden nicht in Angst und Schrecken versetzen?“ „Du hast keine Angst.“
Sie warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Weil ich mit den Geschichten über dich und deinen Clan aufgewachsen bin. Ich weiß von dem Fluch, seit ich alt genug war, auf den Schoß meiner Granny zu klettern.“
„Ach natürlich. Die alte Heilerin Nora ist deine Großmutter. Hugh erwähnte das, als ich ihn neulich sah.“ Alexander wusste eine Menge über die Heilerin Nora, und er spürte keine Sympathie für sie. Sie war zwar eine begnadete Hexe, das musste er zugeben, und wenn er jemals eine Heilerin bräuchte, würde er bereit sein, ihr sein Leben anzuvertrauen. Er wusste aber auch, dass sie eine Topfguckerin und ein Klatschmaul war und viel zu viel Zeit damit verbrachte, ihre Nase in seine Angelegenheiten zu stecken.
Caitlyn wandte sich ihm wieder zu und ließ eine Hand auf ihrer Hüfte ruhen, während sie ihn mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen betrachtete. „Nun, MacLean? Sind wir uns einig? Die Legende liefert uns unsere Aufgaben. Jeder löst drei, die der andere auswählt. Und es ist nicht erlaubt, die Hilfe der anderen Gäste in Anspruch zu nehmen.“
Ihr Anblick, so elegant und so verdammt verführerisch, brachte sein Blut zum Sieden, und er war überrascht über seinen ersten Impuls, ihr in dieser Sache zuzustimmen und auch in allem anderen, was sie wollte. Verflucht noch mal, was ist los mit mir? Ich bin kein Schoßhündchen, das sich von einem Mädchen, das aussieht, als würde es noch zur Schule gehen, an der Leine herumführen lässt!
Er legte das Buch auf den Schreibtisch. „Ich bin kein Mann, der alberne Spielchen spielt. Wir werden eine andere Wette finden, etwas Vernünftigeres.“
Mit einem mitleidigen Blick bemerkte sie: „Vielleicht hast du recht. Du bist viel zu reif, um dich mit etwas wirklich Unterhaltsamem zu beschäftigen, das Freude macht. Ich nehme an, ein Mann in deinem Alter muss die ganze Zeit auf seine Würde bedacht sein.“
Ein Mann in deinem Alter? Sie dachte, dass er zu alt war? Zu alt, um bei einem albernen Spiel mitzumachen; zu alt, um ihre Aufgaben zu lösen. Zu alt für sie. Er rührte keinen Muskel, doch sein Blut brauste vor Empörung, und der Sturm draußen war das Echo seines inneren Aufruhrs.