12. Kapitel

Ach, es ist nur Altweibergewäsch, dass Frauen nach Lust und Laune ihre Meinung ändern. Frauen ändern ihre Meinung, wenn es nötig ist, und damit hat es sich.

So sprach die alte Heilerin Nora von Loch Lomond in einer kalten Nacht zu ihren drei Enkelinnen.

MacCready stand neben dem Kleiderschrank bereit.„Welche Kleidung soll es heute sein, Sir? Vormittagsgarderobe, Reitanzug oder die Baumbesteigungskleider ? “

„Werden Sie nicht unverschämt!“

„Das würde ich niemals wagen, Sir. Schließlich möchte ich nicht, dass Sie den Himmel öffnen und es auf mich niederregnen lassen.“

Alexander runzelte die Stirn. „Ihnen ist hoffentlich klar, dass ich Sie jederzeit ersetzen könnte. Ich fände jederzeit einen jüngeren, nicht ganz so geistreichen Kerl, der mir die Stiefel putzt, die Krawatten bügelt und auch sonst alles erledigt.“

Schmerzlich verzog MacCready das Gesicht. „Es ist das ,Sonstalles, das eine solche Last ist.“

Alexander grinste. Er fühlte sich an diesem Morgen voller Energie. Je mehr Zeit er mit Caitlyn verbrachte, umso entschlossener war er, sie in ihrem eigenen Spiel zu schlagen. Am vergangenen Abend war es ein sehr befriedigendes Gefühl gewesen, ihr das verdammte Stück vom Bienenstock zu geben, ganz gleich, was es ihn gekostet hatte, es zu bekommen.

„Ich habe aus sicherer Quelle erfahren, dass Miss Hurst sich von ihrer Zofe und von Mrs Pruitt, der Haushälterin, hat helfen lassen“, verkündete MacCready naserümpfend.

„Ich weiß. Sie hielten im Flur Wache, während Miss Hurst die Schnupftabakdose seiner Gnaden stahl.“

„Und Sie haben sie ihm zurückgegeben?“

„Natürlich, und seitdem hat er sie nicht mehr erwähnt.“

„Das sind sehr gute Neuigkeiten, Sir. Darf ich zu hoffen wagen, dass alle weiteren Aufgaben, die Sie Miss Hurst zu stellen gedenken, sich im Rahmen des Gesetzes bewegen werden - einfach nur so der Abwechslung halber?“

„Bei der nächsten Aufgabe für die lästige Miss Hurst geht es eher um eine Mission, bei der Höflichkeit vonnöten ist, jedoch kein Diebstahl.“

„Hervorragend, Sir! Und ich hoffe, die Aufgabe, die Miss Hurst für Sie auswählt, verlangt weniger körperlichen Einsatz. Ihre Hose musste ich ins Feuer werfen. Ich kann zwar kleine Wunder bewirken, aber ich kann keine völlig zerfetzten Lumpen flicken.“ „Die Hose ist mir völlig egal; ich bin froh, dass ich mir nicht das Genick gebrochen habe.“

„Ich hoffe, dass Sie sich bei zukünftigen Unternehmungen der Hilfe einer“ - MacCready verzog die Lippen - „sagen wir, wendigeren Person versichern.“

„Ich selbst bin wendig genug“, brummte Alexander. Verdammt, warum versuchte jeder ihm einzureden, dass er alt wurde? „Ich war kaum zwei Meter über dem Boden. Als die Bienen aus dem Stock kamen, bin ich einfach nur erschrocken.“

„Natürlich, Sir. Es ist ja auch äußerst überraschend, in einem Bienenstock Bienen anzutreffen. Genauso könnte man ja auf den Gedanken kommen, dass in einem Vogelnest möglicherweise Vögel sind, Pferde im Pferdestall, Füchse im Fuchsbau ...“ Alexander starrte ihn ausdruckslos an.

Der Kammerdiener seufzte. „Versprechen Sie einfach nur, dass Sie sich in Zukunft Hilfe holen, wenn es um Gegenstände geht, die sich deutlich über Ihrem Kopf befinden.“

„Ich brauche keine Hilfe.“

„Ihre Feindin Miss Hurst scheint nichts gegen Hilfe zu haben. Vielmehr hat sie fast jeden weiblichen Dienstboten dazu gebracht, sich auf ihre Seite zu schlagen.“

„Ihre Seite? Worum geht es hier? Um einen Krieg?“

„Das sollte man fast meinen. Mrs Pruitt und die Zofe haben unter den Dienstboten gut Wetter für Miss Hurst gemacht, und zwar auf eine Weise, die wenig schmeichelhaft für Ihren Ruf war, Sir. Es ist eine Art Aufstand. Mr Hay und ich haben getan, was wir konnten, um ihn niederzüschlagen, doch man hat uns unmissverständlich erklärt, wir seien ,auf Seiten des Feindes.“

Alexander runzelte die Stirn. „Ich weigere mich, mich in die Händel im Dienstbotenzimmer verwickeln zu lassen.“

„Das ist sehr unklug, Sir, denn von dort kommen Ihre elementaren Annehmlichkeiten.“ MacCready ging zu dem Tablett, das auf einem Tisch vor dem Feuer stand. „Normalerweise bekommen Sie zum Frühstück auf Ihrem Zimmer pochierte Eier, Schinken, Toast, frisches Obst und Kaffee.“ Er nahm eine Servierplatte vom Tablett und deutete darauf. „Zwei Scheiben angebrannter Toast, ein Stück fetter Schinken und eine Tasse lauwarmer Tee.“

„Verdammt noch mal! Ich hätte heute zum Frühstück nach unten gehen sollen. Das hätte ich auch getan, wenn ich nicht so dringend ein Bad gebraucht hätte, um meine Rückenschmerzen zu lindern.“

„Das ist noch nicht alles. Ihre guten Stiefel putze ich selbst und poliere sie mit meiner speziellen Ledermixtur, Ihre anderen Schuhe reinige ich in der Regel nicht. Haben Sie heute Morgen den Zustand Ihres Schuhwerks bemerkt?“

„Ich habe nicht darauf geachtet.“

MacCready erschauderte. „Lassen Sie das um Himmels willen auch lieber sein! Schauen Sie sich hingegen Ihre frisch gestärkten Krawatten an. Diese Arbeit wird von der Wäscherin und ihrer Tochter verrichtet.“

„Und sie haben sie zerknüllt zurückgegeben?“

„Oh nein, Sir. Das sind hervorragend ausgebildete Dienstboten.“ MacCready ging zur Kommode, wo ein Stapel frisch gewaschener Krawatten lag. Er griff nach der obersten und hielt sie in die Luft.

„Gütiger Gott, sie ist steif wie ein Brett!“

„Ganz genau. Wenn Sie sich diese Krawatte umbinden wollen, werden Sie einen Hammer brauchen.“

„Verflucht noch mal! Ich bereue den Tag, an dem ich mich von dieser Frau habe überreden lassen, unseren Zwist auf diese Weise auszutragen.“

„Bitte nicht, Sir! So schwierig die augenblickliche Situation auch sein mag, so ist der neue Plan doch viel besser als der, den Ruf der jungen Frau zu ruinieren, ohne ihr eine faire Chance zu geben, sich zu verteidigen.“

„Sie braucht keine faire Chance! Es ist vollkommen klar, was sie getan hat.“

„Sir, ein junges Mädchen ...“

„Sie geht schon lange nicht mehr zur Schule. Schließlich ist sie dreiundzwanzig.“

„Für mich ist sie ein junges Mädchen“, beharrte MacCready geduldig lächelnd.

„Für mich ist sie eine Plage“, brummte Alexander.

„Mrs Pruitt hat mir erzählt, dass die junge Dame eine Pfarrerstochter ist.“

„Ja.“

„Und dass sie fast ihr ganzes Leben zurückgezogen auf dem Land gelebt hat.“

„Das würde man niemals glauben, wenn man im Salon sieht, wie gekonnt sie ihre Verehrer abwehrt.“

„Genauso ist es, Sir: Sie wehrt sie ab.“ MacCready sammelte die steifen Krawatten ein und legte sie auf einen kleinen Tisch neben der Tür. „Männer in unserem Alter wissen, dass Taten mehr sagen als Worte, Sir.“ Er schwieg einen Moment. „Ich frage mich, ob das die Botschaft ist, die die junge Dame übermitteln will.“ „Die einzige Botschaft, die Caitlyn Hurst zu vermitteln versucht, besteht darin, dass sie ihren guten Ruf braucht, um nach London zurückzukehren, wo sie irgendeinen Dummkopf übertölpeln wird, damit er sie heiratet.“

„Die Ehe ist kein ehrenrühriges Ziel, Sir.“

„Das ist sie sehr wohl, wenn sie auf der Basis von Arglist und Täuschung geschlossen wird.“

„Nach allem, was ich gehört habe, glaube ich nicht, dass Miss Hurst zu dieser Sorte Frau gehört. Wie auch immer, Sie kennen sie besser als ich.“

„Das ist verdammt richtig.“ Alexander hatte MacCready von der Vereinbarung mit seiner schönen Feindin erzählt, aber er hatte nicht den vollen Preis erwähnt, den Caitlyn zahlen musste, wenn sie verlor. Es gab Dinge, die nicht für die Ohren von Dienstboten bestimmt waren. „Wie soll ich diesen Aufstand der Diener niederschlagen, MacCready? Ich lege keinen Wert darauf, dass meine Unterhosen auch noch gestärkt werden.“

„Zum Glück ist Hay zuverlässig auf unserer Seite, seit Mrs Pruitt ihn einen Sack voll modernder Knochen genannt hat, als die Stimmung heute Morgen besonders angespannt war.“

„Das ist wirklich ein großes Glück für uns. Was wollen Sie tun?“ „Mehr Leute auf unsere Seite ziehen, Sir. Da ich die Rebellen nicht niederschlagen kann, werde ich wenigstens die Bastion stärken.“ „Sehr gut. Ein oder zwei Diener, die uns beim nächsten Kampf hilfreich zur Seite stehen, wären ein Segen.“ Sie können dann auf die Bäume klettern.

„In Ordnung, Sir. Ich bitte nur um eines: Ich brauche Ihre Versicherung, dass Ihr Verhalten gegenüber der jungen Dame ehrenhaft sein wird.“

Alexander musterte ihn kühl. „Mein Verhalten ist allein meine Sache.“

MacCready faltete die Hände hinter dem Rücken und starrte hinauf zur Decke.

Der Funke eines Gefühls, das ein anderer Mann vielleicht Schuldbewusstsein genannt hätte, brachte Alexander nur dazu, die Lippen aufeinanderzupressen. Bei ihm war es lediglich Ärger darüber, dass er sich rechtfertigen sollte, aber in seinem Mund blieb ein säuerlicher Geschmack zurück. „Ich werde ebenso ehrenhaft sein wie die Dame selber. Wie wäre es damit?“

Strahlend schaute MacCready ihn an. „Das wäre wunderbar, Sir. Wirklich sehr gut.“

„In Ordnung. Nun muss ich mich ankleiden. Denn ich bin mit der jungen Dame verabredet und will nicht zu spät kommen.“

Unten lehnte Caitlyn es ab, zusammen mit den anderen Gästen zu einem Ausritt aufzubrechen. Normalerweise wäre ein Picknick am gegenüberliegenden Ufer des Sees genau die Art von Unternehmung gewesen, die ihr Vergnügen bereitete, aber MacLean hatte ihr eine Nachricht gesandt, in der er um ein kurzes Treffen bat. Sie hätte freudig auf ein Dutzend Picknicks verzichtet, um mit ihm die nächste Runde ihres Wettbewerbs zu besprechen.

Ihr erster Gedanke beim Aufstehen am Morgen hatte der Wette gegolten. Aufgeregt hatte sie dem Frühstück entgegengefiebert, weil sie erwartete, MacLean dort zu treffen, doch er war nicht aufgetaucht.

Caitlyn hatte ihre Enttäuschung geschickt verborgen, doch ihre Gnaden war da anders. Während die Minuten verstrichen und MacLean nicht erschien, war das Lachen der Duchess immer spröder geworden, ihr Verhalten angespannter. Als würde sie vermuten, dass MacLean sie von einem Versteck aus beobachtete, hatte die ältere Frau eine große Sache aus dem Plan für den Ausritt gemacht und heftig mit dem höflichen, gelangweilt dreinblickenden Dervishton geflirtet.

Caitlyn glaubte zu wissen, warum MacLean nicht zum Frühstück erschienen war. Wenn sie von einem Baum gefallen wäre, hätte sie den ganzen nächsten Vormittag im warmen Wasser einer tiefen Kupferwanne verbracht. Doch er gehörte nicht zu den Männern, die zugaben, dass es ihnen nicht gut ging, auch dann nicht, wenn ihr Körper von Prellungen übersät war.

Gähnend lehnte sie sich gegen das Fenster der Bibliothek. Ihre Lider fühlten sich bleischwer an. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Jedes Mal, wenn sie die Augen geschlossen hatte, war die Erinnerung an die Ereignisse des vorangegangenen Tages durch ihren Kopf getanzt - wie ihr Herz bei MacLeans Kuss geklopft hatte, wie geschwollen sein Gesicht und seine Lippe nach seinem Sturz gewesen waren, sein flammender Blick, als sie den Salon verlassen hatte.

Caitlyn wandte sich vom Fenster ab und schlenderte durchs Zimmer. Sie bewunderte die prächtigen Möbel und strich mit der Hand über einige kostbare Bücher, die auf einem niedrigen Holztisch auslagen. Bei einigen von ihnen handelte es sich um alte Texte, die so sorgfältig mit Tinte geschrieben waren, dass die Buchstaben kleine Kunstwerke darstellten. Eines der Bücher enthielt dünne Blätter aus gehämmertem Metall, auf denen im späten 15. Jahrhundert sehr genaue Landkarten aus aller Welt aufgezeichnet worden waren. „Faszinierend“, murmelte sie und strich mit den Fingerspitzen über die eingeritzten Linien. Diese alte Handwerkskunst verblüffte sie sehr.

Sie ging von dem niedrigen Tisch zu dem riesigen Schreibtisch aus Eichenholz, setzte sich dahinter, strich mit den Händen über die polierte Platte und bewunderte den herrlichen Schimmer, der durch das Auftragen verschiedener Schichten Möbelwachs erreicht wurde.

Nach ihrem Aufenthalt hier würde es seltsam sein, wieder nach Hause zurückzukehren. Lächelnd dachte sie an Papas gemütliche, aber unordentliche Bibliothek. Sie war so klein, dass jeder der etwa zehn oder zwölf Teppiche aus dieser herrschaftlichen Bibliothek den Fußboden des ganzen Raumes bedeckt hätte. Der Schreibtisch ihres Vaters war klein und schlicht, die Schubladen klemmten oft, und die Platte hatte einen Riss, den er unter einer großen Schreibunterlage aus Filz verbarg.