24
Der Sternkreuzer Thurse, dessen Schäden aus der Schlacht von Ord Mantell noch nicht vollständig repariert waren, erschien blinkend im Realraum auf der randwärtigen Seite des Bilbringi-Systems, und sofort starteten die X-Flügler von ihren Rampen wie Wespen, die aus ihrem Nest schwärmten. Zwischen dem Kreuzer und dem fernen Echoimpuls, der als Yuuzhan-Vong-Kriegsschiff ausgemacht worden war, schwebte die Queen of Empire sowie eine recht betagte Korvette, die an einer der Luftschleusen des Starliners hing.
An der Spitze des Jagdverbandes, der sich nach und nach formierte, betätigte Commander Kol Eyttyn den Helmschalter, mit dem er die Kommandonetz-Funkverbindung herstellte.
»Thurse, wir haben Sichtkontakt zu dem Yuuzhan-Vong-Schiff. Ein flaches Korallenoval. Scheint ungefähr einer Fregatte zu entsprechen. Erinnert mich an die Steine, die ich als Kind übers Wasser hüpfen ließ.«
»Na, passen Sie bloß auf, dass dieses Ding nicht in unsere Richtung hüpft, Commander«, antwortete der Captain des Sternkreuzers.
»Das hoffe ich auch.«
Das Geschnatter der R2-Einheit hinter der Cockpitkuppel verriet ihm, dass die Kurzstrecken-Scans Jäger der Yuuzhan Vong entdeckt hatten – Skips. Eyttyn betätigte erneut den Schalter für den taktischen Funkverkehr.
»Bei den Echoimpulsen handelt es sich um feindliche Schiffe, Korallenskipper«, teilte er den Piloten der Staffel mit. »Deflektorschilde aktivieren. Trägheitskompensatoren auf volle Kraft. Hört auf eure Gruppenführer und bleibt dicht bei euren Kameraden.«
Eyttyn rief die Kontrollen des Lebenserhaltungssystems auf, um das Trägheitskompensatorfeld des Sternjägers auszuweiten. Während der Schutz, den das vergrößerte Feld benötigte, für ausreichend gehalten wurde, um den Kompensator zu überlisten, damit er die von den Yuuzhan Vong erzeugten Schwerkraftanomalien so behandelte wie gewöhnliche, konnte das Feld von großen Dovin Basalen oder durch das Zusammenwirken mehrerer kleiner – etwa durch drei oder mehr Skips – zerstört werden.
Das Gleiche galt für die Sensordatenbanken, die nach den Kämpfen im Äußeren Rand entwickelt worden waren. Während die neu überarbeitete Zielerfassung den Piloten dabei unterstützte, die Korallenskipper ins Visier zu nehmen, wurde die Effektivität dieses Geräts durch die häufig variierende Größe und Form der feindlichen Jäger beschränkt. Daher blieb es dabei: Ein X-Flügler war nur so gut wie sein Pilot und sein Droide.
Eyttyn schob den Regler für die Sensoren hoch und schaltete mit dem Daumen auf Laser um, wobei er die Einstellung so wählte, dass alle vier mit einem einzigen Druck auf den Auslöser abgeschossen wurden.
»Rote und grüne Staffel, ihr bleibt hinten und kümmert euch um Angreifer, die es direkt auf die Thurse abgesehen haben. Blau formiert sich hinter mir zum Kampf gegen das Kommandoschiff. Alle anderen Staffeln halten sich bis auf weitere Befehle in Warteposition bereit.«
Eyttyn zog seinen Sicherheitsgurt fester und wartete auf die Bestätigung seines Droiden, dass der Korallenskipper innerhalb der Reichweite war; dann ließ er die S-Flügel in Angriffsposition einrasten und gab den Befehl loszuschlagen.
Fast gleichzeitig eröffneten die Korallenskipper mit ihren vulkanähnlichen Kanonen das Feuer und entfachten einen Hagel von glutroten Geschossen. Die Piloten beider Seiten begegneten sich in einem wirbelnden Wettstreit aus Täuschungsmanövern, Rollen und Loopings, durch den sich Laserblitze und tödliche Plasmaströme zogen. Über das taktische Netz wurden immer mehr Warnungen, überschwängliche Ausbrüche und dringende Hilferufe verbreitet.
»Blau Vier, an dich hat sich ein Skip gehängt.«
»Danke für die Warnung, Drei. Ich denke, den kann ich abschütteln.«
»Ich decke dir die Flanke, Vier.«
»Blau Acht, kannst du mir die Position von Blau Zehn durchgeben?«
»Negativ, Zehn. Es geht im Moment alles viel zu schnell.«
»Fünf, Achtung an Steuerbord. Drei Skips stürzen sich auf dich!«
»Schere rechts vor dir, Fünf, sie haben es auf dich abgesehen!«
»Ich kann sie nicht abschütteln! Schilde sind runter auf dreißig Prozent!«
»Halt durch, Fünf. Ich bin unterwegs!«
Obwohl er sie alle hörte, ignorierte Eyttyn die Rufe, so gut er konnte. Für die Blaue Staffel ging es vor allem darum, Treffer zu vermeiden und Feuerkraft zu sparen. Während die X-Flügler von Individuen gelenkt wurden, glaubte man von den Yorik-Korallen-Jägern, dass sie zumindest teilweise von organischen Elementen an Bord der Kommandoschiffe gesteuert wurden – die der Feind Yammosks oder Kriegskoordinatoren nannte –, wie die Droidenschiffe der alten Zeiten. Eyttyn erwartete nicht, dass es der Blauen Staffel gelingen würde, das Schiff abzuschießen, nicht einmal mit Protonentorpedos, doch wie die Streitkräfte der Neuen Republik immer wieder festgestellt hatten, konnte man mit Ablenkungsmanövern oft Aufruhr unter den Korallenskippern stiften und ihre Reaktionen verlangsamen.
Yuuzhan-Vong-Piloten verließen sich jedenfalls weniger auf Ausweichmanöver als vielmehr auf die Fähigkeiten ihrer Dovin Basale, die Schilde zerstören konnten. Indem er durch den Schwarm steuerte, spürte Eyttyn die Wirkung dieser biogenetisch erzeugten Technologie, die mit unsichtbaren Fingern an den Schilden des X-Flüglers zerrte. Auch die R2-Einheit bemerkte dieses Zerren und signalisierte ihr Unbehagen mit einem Schwall übersetzter Kodes, der über das Display im Cockpit lief.
Das sollte ich auch besser ignorieren, schärfte sich Eyttyn ein.
Da sich ihm zwei Skips näherten, rollte er den X-Flügler um 180 Grad und drehte nach Steuerbord ab. Zur gleichen Zeit legte sich sein Staffelpartner abrupt in die Kurve und tauchte dann ab, um sich auf dem ursprünglichen Annäherungsvektor wieder zu Eyttyn zu gesellen. Zwei Korallenskipper stießen neben ihm herab, doch nur einer nahm die Verfolgung auf und ließ sich leicht abhängen.
Eyttyn schaute auf sein Zielsuchgerät. Die Fregatte wurde bereits größer, aber sie hatte das Feuer noch nicht eröffnet und würde das vermutlich auch erst tun, wenn die Blaue Staffel mit ihrer Attacke begann.
Zu Eyttyns Linker begann Blau Vier zu flattern, da sich zwei Skips an ihn drangehängt hatten. Eyttyns Partner ließ sich zurückfallen und feuerte auf das eine Schiff, doch das nahm den Köder nicht an. Eyttyn hoffte, die Verfolger von Blau Vier würden seinen Weg kreuzen, und verlangsamte die Geschwindigkeit, aber der Korallenskipperpilot durchschaute Eyttyns Taktik und verschwand in einem Blitz außer Sicht.
Mit einer wilden Abfolge von Ausweichmanövern löste sich Blau Drei vom Geschwader und eilte seinem Kameraden zu Hilfe. Auf halbem Wege dorthin erwischten ihn jedoch zerstörerische Geschosse und bliesen den X-Flügler in die Luft.
Die beiden Korallenskipper, die Blau Vier jagte, beschleunigten, nahmen Schussposition ein und feuerten. Blau Vier verschwand in einem Ball aus rotem Feuer und weißem Gas.
Eyttyn rief seine verbliebenen Schiffe in eine kreisförmige Formation, in der sie sich gegenseitig Deckung geben konnten. Laserblitze von Blau Acht und Neun schlugen Bruchstücke von einem Skip ab; schwer beschädigt trudelte das Schiff nach Backbord davon und explodierte.
Im nächsten Moment erwischte Blau Sechs einen Feind, geriet jedoch kurze Zeit später ins Zentrum heftigen Gegenfeuers. Die Schilde wurden schwächer, und der X-Flügler musste einen Treffer nach dem anderen einstecken, ehe er plötzlich verschwand.
Eyttyn sah auf seinen Hauptmonitor. Hellrote Zeichen für Verluste sprenkelten den Schirm. »Bleibt bei der Staffel«, warnte er über das Netz. »Haltet Euch mit dem Feuern so lange wie möglich zurück, bis wir das Ziel erreicht haben.«
Er machte eine Rolle und holte sich so einen Yuuzhan-Vong-Jäger vor die Mündung. Mit dem Bauch nach Steuerbord gedreht, hatte er den Korallenskipper vor sich und legte den Mittelfinger auf den Auslöser. Obwohl sich die Laser des X-Flüglers schneller drehten als im Einzelfeuermodus, leuchtete jeder Blitz mit derartiger Intensität, dass man die Reduzierung des Energieausstoßes nicht erkennen konnte. Die Aufgabe, die schwereren, tödlichen Blitze von den eher harmlosen der Vierfachlaser zu unterscheiden, überforderte den Dovin Basal des gegnerischen Schiffs, und einige von Eyttyns Energiepfeilen trafen ihr Ziel.
Der Korallenskipper brach auseinander wie Bimsstein.
Nachdem Eyttyn Blau Sechs gerächt hatte, jagte er durch die Trümmerwolke aus glühenden Staubpartikeln, die von dem Yuuzhan Vong übrig geblieben war, und hielt auf den nächsten Korallenskipper zu. Ein Dauerfeuer aus den Flügelspitzen des Jägers erwischte den Feind unvorbereitet und zerstörte ihn ebenfalls.
Da die Blaue Staffel nun auf neun Schiffe reduziert war, formierte Eyttyn die Jäger zu einem Keil. Doch kaum hatten sie sich der Fregatte genähert, wurde aus den kraterähnlichen Geschützluken das Feuer auf sie eröffnet. Ein weiterer X-Flügler wurde zerstört, dann noch einer, und schließlich war Eyttyn in Position, um seine Bordwaffen einzusetzen. Er wich nach Backbord aus, schoss zwei Protonentorpedos ab und beobachtete verblüfft, wie die funkelnden Kugeln in den leeren Raum davontrieben.
Er hatte sich daran gewöhnt, dass Laserstrahlen und Torpedos von Schwerkraftanomalien verschluckt wurden, aber dies war etwas Neues. Man konnte glauben, das feindliche Schiff sei verschwunden.
Hektisch blickte er sich innerhalb der Kuppel um und dachte schon, er habe irgendwie die Orientierung verloren und die Fregatte befinde sich über ihm. Doch in alle Richtungen sah er lediglich Sterne und Dunkelheit. Die Datenlisten des R2 erklärten ihm, das Schiff der Yuuzhan Vong habe die Position verändert, aber offensichtlich hatte sich der Droide getäuscht. Kein Schiff konnte sich so schnell bewegen – nicht einmal mit Mikrosprüngen.
»Wo ist das verdammte Ding hin?«, fragte er über das Netz.
»Weiß nicht, Commander«, antwortete Blau Zwei. »Ich war genau auf der Sechs, als es verschwand – so schnell wie ein Blinzeln.«
»Tarnvorrichtung?«, schlug Blau Elf vor.
»Danach sah es aus«, sagte Eyttyn, »aber ich nehme doch an, wir würden noch Reste von Gravitation messen können bei einem Schiff dieser Größe.«
»Hyperraum«, warf Blau Zehn ein.
»Nicht, ohne mich mitzureißen«, meinte Eyttyn. »Es ist…«
»Commander«, unterbrach ihn Blau Zwei. »Ich habe es geortet.«
Eyttyn richtete die Fernsichtgeräte des X-Flüglers auf die Koordinaten aus, die Blau Zwei geliefert hatte, und da war die Fregatte tatsächlich – in zweitausend Kilometern Entfernung.
Blau Elf pfiff beeindruckt. »Das Schiff ist zweitausend Klicks in Bruchteilen einer Sekunde gesprungen.«
Eyttyn stieß einen tiefen Seufzer aus und packte sein Steuer fester. »Kurs korrigieren«, befahl er. »Wenn sie unbedingt Fangen mit uns spielen wollen, dann sollten wir ihnen den Gefallen tun.«
Der Millennium Falke trat auf der gegenüberliegenden Seite von Bilbringis orbitalen Wohnstätten und Minenplanetoiden in den Realraum. Leia und Luke saßen auf den vorderen Sitzen, Mara hinter Luke auf dem Platz, der gewöhnlich für den Kommunikationsoffizier reserviert war, und C-3PO auf dem Sessel des Navigators. R2-D2 hatte sich an der Rückwand des Cockpits platziert und hielt sich mit dem Greifarm an einer dünnen Leitung fest.
Im fächerförmigen Sichtfenster sah man die Queen of Empire auf der Steuerbordseite. Randwärts bot sich im Raum ein pyrotechnisches Schauspiel aus Laserstrahlen, leuchtenden Geschossen, Geschützfeuer und wilden Explosionen.
»Unidentifizierter corellianischer Frachter«, brüllte eine gereizte Stimme über das Kom, »hier spricht Captain Jorlen vom Sternkreuzer Thurse der Neuen Republik. Sie sind in eine Kampfzone geraten. Ich empfehle ihnen, sich entweder gut festzuhalten oder dorthin zurückzukehren, wo sie herkommen.«
»Captain Jorlen«, antwortete Leia, »hier spricht Botschafterin Organa Solo.«
»Botschafterin, was zum Teufel machen Sie hier?« Der Captain klang überrascht, aber kaum erfreut. »Und wann wird Ihr werter Gatte endlich einen genehmigten Transponder einbauen?«
»Ich werde ihn fragen, sobald ich ihn sehe, Captain. Er ist an Bord der Queen of Empire. Wir sind gekommen, um Ihnen unsere Hilfe anzubieten, falls Ihnen daran gelegen ist.«
»Negativ, Botschafterin. Ich muss Sie auffordern, ihre Position zu halten. Hier in der Gegend hüpft eine Fregatte der Yuuzhan Vong herum. Und nach allem, was wir bisher wissen, könnte sie nach dem nächsten Sprung genau in ihrem Schoß landen.«
»Habe verstanden, Captain, wir rühren uns nicht von der Stelle. Zunächst einmal«, fügte Leia im Flüsterton hinzu. »Haben die Piraten bereits irgendwelche Forderungen gestellt?«
»Wir konnten noch keinen Kontakt zu ihnen herstellen«, antwortete Jorlen ungeduldig. »Wir nehmen an, sie sind wegen der Passagiere gekommen – um die Yuuzhan Vong mit Opfern zu versorgen.«
»Und warum dann das Yuuzhan-Vong-Kriegsschiff, Captain?«
»Eine gute Frage«, antwortete Jorlen nachdenklich.
»Dort draußen ist etwas«, sagte Luke und zeigte fort von dem Starliner und dem Gefecht.
Zuerst war Leia sich nicht sicher, ob er etwas mithilfe der Macht spürte oder schlicht eine Beobachtung machte, doch als sie in die angezeigte Richtung schaute, sah sie, was er meinte, und lud sich eine vergrößerte Darstellung auf den Bildschirm der Konsole. Der Monitor zeigte ein Objekt mit stumpfer Nase, das an einen Korallenjäger erinnerte, der jedoch mit einer Art polierter schwarzer Panzerung verstärkt war.
»Ein kampfunfähiges Schiff?«, schlug Mara vor.
»Könnte sein«, meinte Luke und starrte nicht auf den Bildschirm, sondern durch das Sichtfenster. »Doch ist spüre noch etwas…«
»Eine Raummine?«
Luke schüttelte den Kopf. »Eine Leere.«
Leia und Mara setzten die Macht ein und konnten die Leere bestätigen, die Lukes Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Luke wollte gerade antworten, als sich erneut das Kom meldete.
»Botschafterin Solo«, erstattete Jorlen Bericht, »gerade hat die Queen of Empire Kontakt mit uns aufgenommen. Die Piraten haben uns ein Ultimatum gestellt. Solange sich nicht alle Truppen der Neuen Republik zurückgezogen haben, werfen sie Passagiere durch die Luftschleusen nach draußen.«
»Oh, nein, oh, nein!«, entfuhr es C-3PO bestürzt.
R2-D2 piepte zuerst schrill, dann wimmerte er.
Leias Blick trübte sich. »Wie haben Sie darauf geantwortet, Captain?«
Es dauerte einen Augenblick, bis Jorlen reagierte. »Es widerspricht den Prinzipien der Neuen Republik, auf Forderungen von Piraten einzugehen, Botschafterin. Es tut mir Leid, dass Ihr Mann an Bord ist, aber der Kampf geht weiter. Wenn die Piraten tatsächlich gekommen sind, um Gefangene zu machen, wäre dies eine leere Drohung, da die Passagiere der Queen auf die eine oder andere Weise den Tod erleiden müssten.«
»Das wird die Menschen an Bord wohl kaum trösten, Captain.«
»Entschuldigen Sie, Botschafterin. Doch solange das Yuuzhan-Vong-Schiff anwesend ist, wird es keine Verhandlungen geben.«
»Dann sollten wir daran etwas ändern.«
Leia hatte das Gespräch kaum beendet, da sagte Luke: »Was immer das für ein Objekt ist, es unterstützt die Korallenskipper irgendwie.«
»Ein Kriegskoordinator?«, spekulierte Leia.
Er wandte den Blick von dem Sichtfenster ab und sah seine Schwester an. »Ein Dovin Basal.«
Leia setzte eine entschlossene Miene auf und beugte sich über die Kontrollen. »Ein lebendiger. Aber nicht mehr lange.«
Während fortgesetzte Explosionen die Queen erschütterten, spähte Han um die Ecke des Gangs zu einer Luke, die zur Andockbucht führte. Zwei mit Blastern und Betäubungsnetzen bewaffnete Männer bewachten die Tür. Han dachte daran, seinen eigenen Blaster herauszuholen, der in seiner Reisetasche steckte, doch dann fiel ihm siedend heiß ein, dass er seinen Akku immer noch nicht geladen hatte.
»Überhaupt nicht gut«, sagte er zu Droma und der neu verkleideten Yuuzhan Vong. »Sie bewachen alle Zugänge.« Er zog sich zurück, drückte sich mit dem Rücken an die Wand und schaute nach rechts und links. »Wir müssen uns irgendwo verstecken. Bei dem, was da draußen los ist, wird die Friedensbrigade bald aufgeben oder einen Fluchtversuch unternehmen.«
»Falls es dir bislang entgangen ist«, meinte Droma, »die Transportröhren wurden deaktiviert.«
»Dann müssen wir eben ein Seil finden«, sagte Han, »bis ganz nach unten sind es doch nur… sagen wir… fünfzig Meter?«
Droma sah ihn skeptisch an. »Es könnte genauso gut von hier bis nach Coruscant sein.«
Schritte, die sich näherten, bereiteten ihrer Diskussion ein Ende. Die vier schlichen von den Schächten zu einem der Nebengänge, wo sie weitere Schritte hörten, und dazu gereizte Stimmen. Also eilten sie zur nächsten Ecke und versteckten sich dahinter.
Die entschlossenen Schritte näherten sich rasch, und einen Augenblick später kamen die Besitzer der verärgerten Stimmen in Sicht. Han spähte hinter der Ecke hervor und betrachtete die Piraten einen nach dem anderen. Nach all den Jahren konnte man Reck immer noch an seinem großspurigen Gang und den Tätowierungen am Arm erkennen. Bei ihm befanden sich fünf gut bewaffnete Halunken der Friedensbrigade und ein spindeldürrer Schurke, der hervorragend einen Yuuzhan Vong hätte abgeben können, wenn er nicht schon einer gewesen wäre, einer, der sich mit einem langen Mantel tarnte.
Reck ließ einen seiner Männer an der Korridorkreuzung zurück und zog weiter.
Han spürte, wie ihm das Blut durch die Adern rauschte und ihm der Puls in den Ohren dröhnte. Er dachte an Chewie und an Lwyll, an Roa und an Fasgo. Die Reisetasche glitt ihm aus der Hand auf den Boden, und er hockte sich hin und holte seinen leeren Blaster hervor.
Droma beobachtete ihn voller Sorge. »Ich dachte, wir hätten eigentlich vor, einen Shuttle zu stehlen und hier abzuhauen.«
»Das kann warten«, knurrte Han, »hier handelt es sich um eine persönliche Angelegenheit.«
»Persönlich?«, flüsterte Droma scharf. »Ich fühle mich verpflichtet, dich daran zu erinnern, dass deine Waffe…«
»Spar dir deine Belehrungen für jemanden auf, der sie hören will«, fuhr ihn Han an.
Er betrachtete den Blaster, presste wütend die Lippen aufeinander, holte tief Luft und stand auf.
»Was macht er?«, erkundigte sich Elan besorgt bei Droma.
Der zuckte nur resigniert mit den Schultern. »Er kann einfach nicht ohne Streit leben, sogar wenn er überflüssig ist.«
Han fuhr zu ihnen herum. »Sucht euch lieber ein Versteck. Ich bin gleich zurück.«
Mit dem nutzlosen Blaster in der Hand ging Han auf die Kreuzung des Ganges zu, wo Reck und seine Leute durchgekommen waren. Der Mann, den Reck zurückgelassen hatte, bemerkte Hans Gegenwart erst, als er die Mündung des Blasters an der Schläfe spürte.
»Keinen Laut!«, warnte Han.
Der Mann zuckte und schluckte hörbar.
Han holte sich mit der Rechten den Blaster des Piraten. »Ich erleichtere dich mal um deine Waffe, Soldat.«
Der Mann nickte. »Ganz wie du willst.«
Grinsend erwiderte Han: »Du begreifst schnell.«
»Und jetzt?«
Han drückte dem Kerl den geladenen Blaster in den Rücken, nahm seine eigene Waffe am Lauf und hob sie über den Kopf. »Das könnte ein bisschen wehtun«, sagte er.
Der Mann drehte sich leicht um. »Was könnte…«
Han zog dem Kerl den Blastergriff über den Hinterkopf, woraufhin er auf dem Boden zusammenbrach. Dann ging Han in die Richtung weiter, die Reck eingeschlagen hatte. Während er sich einem weiteren Quergang näherte, hörte er vor sich Stimmen. Er presste sich an die Wand, duckte sich und spähte um die Ecke. Reck und der mutmaßliche Yuuzhan Vong waren nur knapp zehn Meter entfernt. Da er keinen Plan hatte, außer Reck fertig zu machen, trat Han einfach vor. Zu gleichen Zeit hörte er jedoch eine Bewegung hinter sich und fuhr herum. Ein untersetzter Mensch in Raumfahrerkluft hielt einen Tenloss-Disruptor auf ihn gerichtet.
Han warf sich nach rechts und schoss. Der Pirat schoss ebenfalls, aber beide verfehlten ihr Ziel. Han erhaschte einen Blick auf Reck, der sich zu ihm umdrehte, während Han selbst in einen anderen Korridor stürmte, direkt auf die Blastermündungen zweier weiterer Friedensbrigadiere zu. Er duckte sich nach links, feuerte blind, dann sprang er mit den Füßen voran auf den größeren der zwei zu. Der Pirat grunzte vor Schmerz und taumelte rückwärts, wobei er seine Waffe fallen ließ. Han landete auf dem Rücken, härter, als er geplant hatte, und einen Moment lang bekam er keine Luft mehr. Als er sich auf die Knie hochgedrückt hatte, standen der kleinere Pirat und der Kerl mit der Tenloss schon Seite an Seite über ihm.
Han fuhr herum und wehrte sich, so gut er konnte, doch es dauerte nicht lange, bis sie ihn fest im Griff hatten, bäuchlings auf den Boden pressten und einer der beiden ihm den Fuß in den Nacken drückte.
Aus dieser Froschperspektive sah Han Reck und den langen Schurken herbeieilen.
»Also gut, mein Held«, sagte der große Pirat, »steh auf.«
Der Druck im Nacken ließ nach, und Han atmete durch. Er schmeckte Blut und bemerkte plötzlich einen pochenden Schmerz in der rechten Hand. Während er sich aufrichtete, tauchte ein weiterer Pirat auf, der mit seinem Blaster Droma, Elan und Vergere vor sich her scheuchte.
»Die habe ich entdeckt, wie sie verängstigt herumliefen«, berichtete er Reck.
»Wir haben nur nach einer Hygieneeinheit gesucht«, hörte Han Droma freundlich sagen. »Wenn man eine braucht, ist nie eine in der Nähe.«
Reck kam ein paar Schritte heran und betrachtet alle eingehend. Zu Hans Überraschung schien er ihn nicht zu erkennen, doch vielleicht nur deshalb, weil er sich vor allem auf Droma konzentrierte.
»Bist du ein… Ryn?«, riet Reck.
Droma verneigte sich leicht. »Ich fühle mich geehrt, erkannt worden zu sein.«
Reck ignorierte die Bemerkung, blinzelte Vergere an und schüttelte den Kopf. Dann ging er weiter und betrachtete neugierig Elan. Kurz verzog er den Mund zu einem wissenden Lächeln. Er drehte sich um und gab seinem dürren Verbündeten ein Zeichen.
Aus einem stabilen Kasten, den der dünne Mann neben seinen Füßen abgestellt hatte, holte er – am gesträubten Nackenfell – ein übel gelauntes Tier mit scharfen Zähnen hervor, dass aussah wie die Mischung aus einem Ng’ok und einem Quillarat. Han hörte, wie Elan zischend Luft holte, und sah, wie sie die Augen aufriss, als der Kerl das Tier an ihr Schnüffeln ließ. Mit einem Mal schien sich die äußerste Schicht von Elans Haut zu schälen und von Nase, Wangen und Hals in den Kragen der Bluse zurückzuziehen, die Droma für sie besorgt hatte. Dann häutete sich der ganze Körper bis zu den Füßen, und die Haut rollte sich zu einer Kugel zusammen, die davonschlich und Elan in ihrer tätowierten Pracht zurückließ.
Aus den Augenwinkeln sah Han, wie Droma vor Verwunderung die Kinnlade herunterfiel.
»Erwischt«, sagte Reck strahlend.
Zwei Männer traten vor und wollten Elan festnehmen. Plötzlich sprang das Tier, das die Ooglith-Maske erschnüffelt hatte, dem Kerl aus den Armen, rannte der lebenden Hülle hinterher, packte sie mit den scharfen Zähnen und schüttelte sie wütend wie ein Stück Fleisch hin und her. Der Yuuzhan Vong lief ihm nach, packte das Wesen und schob es mitsamt der zerfleischten Maske in den Kasten.
Reck hätte nicht zufriedener sein können.
»Das ist das Problem bei Ooglith-Masken«, sagte er zu Elan, die nun enthüllt war, »man kann sie so leicht in Angst und Schrecken versetzen wie…«
Reck sprach seinen Satz nicht zu Ende, stattdessen blieb sein Blick an Han hängen. Dann riss auch er ein wenig die Augen auf, wobei sich in dieser Miene angenehme Überraschung und plötzliche Sorge mischten.
»Han?«, fragte er. »Han, bist du das wirklich? Ein bisschen grauer, schwerer, der gleiche alte schiefe Mund und die gleichen alten Ladykiller-Blicke.«
»Tag, Reck.«
Der grinste breit und deutete auf Hans Kinn. »Ich kann mich gar nicht an diese Narbe erinnern.«
»Ich hätte sie wegmachen lassen können, Reck, aber sie erinnert mich daran, dass meine Vergangenheit sich wirklich ereignet hat.«
Einen Moment lang wirkte Reck verwirrt, dann lachte er. »Han Solo.« Er schüttelte den Kopf hin und her und drehte sich zu seinem Kameraden um. »Ist das zu glauben? Han Solo.« Nachdem er sich allerdings einmal um die eigene Achse gedreht hatte, war an Stelle des Lächelns Verärgerung getreten. »Ich schätze, man hat dir diese beiden anvertraut.«
»Ganz so war es nicht, Reck.«
»Kann ich mir vorstellen.« Er deutete auf den Kasten des Yuuzhan Vong. »Was hältst du von diesem Demaskierer?«
»Ich würde sagen, du machst nicht viele Fehler.«
Reck schnaubte. »Hey, die erlauben sie mir auch nicht.«
»Hast du schon einmal einen Blick nach draußen geworfen, Reck? Wie weit, denkst du, wirst du mit ihnen kommen?«
»Ich brauche lediglich das Yuuzhan-Vong-Schiff zu erreichen.«
»An deiner Stelle würde ich mir noch einmal gut überlegen, wem ich die Treue halte.«
»Treue?«, sagte Reck voller Abscheu. »Welchen Wert hat Treue schon auf dem freien Markt?« Erneut lachte er, diesmal jedoch verbittert. »Bei Jungs wie dir wird mir übel, Han. Profitmacher, denen der Schneid fehlt, die Seiten zu wechseln, und die sich plötzlich Patrioten nennen. Ich weiß, wer diesmal gewinnen wird, und ich tue alles, um am Ende zu überleben.«
»Du sprichst von Verrat, Reck.«
»Und das geht mir ganz locker über die Lippen, mein Freund.«
Han unterdrückte mühsam den Drang, Reck an die Gurgel zu springen. »Erinnerst du dich noch an Chewbacca?«
»An den Wookiee? Klar. Der Allerbeste.«
Han schluckte. »Deine neuen Arbeitgeber haben ihn umgebracht. Haben ihm einen ganzen Mond auf den Kopf geworfen.«
Recks Augenbrauen zogen sich zusammen. »Der Wook war auf Sernpidal?« Er stieß die Luft aus und schüttelte den Kopf hin und her. »Tut mir Leid, das zu hören, Han – ehrlich. Aber mit der Operation hatte ich nichts zu tun.«
»Und mit der Operation auf Atzerri, Reck? Wo Roas Frau Lwyll während einer Aktion der Friedensbrigade draufgegangen ist.«
»Roas Frau?« Reck blinzelte, dann schüttelte er protestierend den Kopf. »Die Operation sollte eigentlich ganz anders ablaufen.«
Han starrte ihn mit stechendem Blick an. »Kannst du die Wahrheit dadurch leichter ertragen?«
Jetzt runzelte Reck die Stirn. »Jeder Mensch braucht irgendeine Arbeit.«
Han warf sich auf ihn, schaffte es jedoch nicht, die Hände um Recks Hals zu schließen, denn zuvor schlug ihn jemand nieder.
»Ich bin nicht sauer auf Leute, die ihr Mäntelchen nach dem Wind hängen, Reck«, sagte Han und blickte hoch, während er aufstand, »aber Zweitklassige kann ich nicht ausstehen. Du bist eine Schande für den Söldnerberuf.«
Reck lächelte daraufhin nur. Er zog sein Komlink hervor und drückte mit dem Daumen auf die Tasten. »Wir haben sie«, sagte er ins Mikrofon. »Es geht sofort zurück zum Schiff.«
»Wird wohl nicht ganz klappen«, antwortete eine brüchige Stimme. »Wir können nicht von der Luftschleuse ablegen. Alle Systeme, selbst Sublicht und Repulsoren, sind zusammengebrochen. Keine Reaktion von dem Dovin Basal. Es ist, als wäre das Ding komplett ausgefallen.«
Reck fuhr zu dem dünnen Kerl mit dem Demaskierer herum, der ihn entgeistert anstarrte.
»Hast du versucht, mit dem Yuuzhan-Vong-Schiff Kontakt aufzunehmen?«, sagte er ins Komlink.
»Die antworten nicht.«
Reck fluchte. »Also gut«, sagte er kurz darauf. »Ich bringe sie zu meinem Shuttle.«
Der Mann am anderen Ende der Verbindung lachte. »Hier draußen ist die Hölle los, Reck. Du darfst dich schon glücklich schätzen, wenn er dir gelingt, die Startrampe zu verlassen, ohne zerstört zu werden.«
»Sind die Waffen betriebsbereit?«
»Ja, sind sie.«
»Dann schießt du eben den Weg für mich frei. Die Neue Republik wird sich mir nicht in den Weg stellen, solange die Entscheidung über das Leben mehrerer tausend Geiseln in meinen Händen liegt. Nachdem ich mich zum Yuuzhan-Vong-Schiff durchgeschlagen habe, werde ich den Rest von Euch holen lassen.«
Reck schaltete das Komlink aus. Er öffnete gerade den Mund und wollte etwas sagen, da traf ein weiterer Trupp der Friedensbrigade ein und lief hastig in Richtung Andockbucht. Von ihnen gestützt wurde ein verwundeter Rodianer. Das konnte nur Capo sein.
»Ihr solltet doch auf der Brücke sein«, brüllte Reck.
»Dies ist deine Operation, Reck«, antwortete der Größte von ihnen. »Wenn du hier bleiben und Flüchtlinge ins Vakuum werfen willst, bitte sehr. Wir wollen hier nur weg.«
Der Mann, der Han und Droma entdeckt hatte, legte sein Disruptor-Gewehr an, aber Reck hielt ihn zurück.
»Hör auf. Streit untereinander bringt uns jetzt auch nicht weiter. Wir ziehen uns in die Shuttles zurück und fliegen zum Yuuzhan-Vong-Schiff rüber.«
Han grinste. »Die sprichwörtliche Fliege in der Suppe, was, Reck?«
Reck wies zwei der Männer mit einer Geste an, sich um Vergere zu kümmern, dann wandte er sich an Han. »Weißt du, diese Sternjäger bereiten mir viel weniger Kopfzerbrechen als du.«
Er zog den Blaster und befahl Han, zur nächsten Transferröhre zu gehen. Droma ging schweigend neben Han her. Han wich bis zum Rand der Röhre zurück, dann hielt er die Hand hinein.
»Nicht gerade viel Wind«, sagte er.
Reck grinste. »Du warst schon immer ein witziges Kerlchen, Han.«
Der zuckte mit den Schultern. »Na, ja, es heißt immer, eine gute Pointe wäre die beste Rache – wer zuletzt lacht…«
Darüber dachte Reck nach. »Wenn wir uns unter anderen Umständen begegnet wären, könnten wir jetzt gemeinsam ein eiskaltes Gizer trinken. Leider kann ich es nicht riskieren, dass du uns nachschnüffelst oder deinen Freunden von der Neuen Republik Bescheid sagst. Du hast immer ein bisschen zu viel Glück gehabt. Immer.«
»Scheint, als würde sich das ausgerechnet jetzt ändern«, meinten Han und Droma unisono.
Reck blickte von einem zum anderen, dann lachte er kurz. »Ihr beide gebt echt ein hübsches Pärchen ab. Schade, dass ich euch voneinander trennen muss.« Er hob den Blaster. »Runter mit dir, Han. Nächster Halt: Unterster Frachtraum.«
Han schluckte. »Komm schon, Reck, das ist doch nicht notwendig. Um der guten alten Zeiten willen!«
»Oh, ich fürchte doch.« Erneut winkte er mit dem Blaster. »Sei kein Spielverderber. Zwing mich nicht, auf dich zu schießen.«
Han packte die Riemen seiner Reisetasche fester und dachte, sie würde seinen Aufprall vielleicht ein wenig abfedern. Dann zog er die Schultern hoch und atmete aus. Er blickte Reck mit zusammengekniffenen Augen an und trat einen Schritt rückwärts in den Abgrund.
Droma stieß einen erschrockenen Schrei aus und erstarrte.