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Sogar in einer Galaxis wie dieser, die so reich an Wundern war, nahmen die säulenartigen Baumstämme und ihre weit verzweigten Äste, die der Wookiee-Stadt Rwookrrorro als Fundamente dienten, einen besonderen Platz ein. Betrachtete man die Stadt von oben vor dem Hintergrund des unendlichen Waldes, erweckte sie den Eindruck, man habe sie vor der rauen Unterwelt des Planeten gerettet und als Beispiel für das perfekte Zusammenspiel von Natur und Technik in Kashyyyks bewölkten Himmel gestellt.

Am Rande der Stadt, fern der kreisförmigen Gebäude, die sich aus dem sumpfigen Boden erhoben und selbst die Stämme der Riesenbäume klein wirken ließen, auf einem großen Ast, der mehrere Baumwipfel überspannte, fand eine Zeremonie statt, in der der zeitlose Naturzyklus von Leben und Tod gefeiert werden sollte.

Die Teilnehmer, zwei Dutzend Wookiees und Menschen beiderlei Geschlechts, hatten sich in lockerem Kreis um einen runden Holztisch gruppiert. Einige standen, andere hockten auf dem Boden, doch alle trugen ernste Mienen, wenn man einmal von den beiden einzigen Anwesenden absah, die keine Lebewesen waren, die Droiden C-3PO und R2-D2, deren Metallgesichter in allen Situationen neutral blieben.

C-3PO hatte den knolligen Kopf leicht zur Seite geneigt und die Arme auf eine Weise verdreht, die kaum dem Vorbild jener Lebensform entsprach, nach deren Vorbild er entworfen worden war. Dem Droiden allerdings kam diese starre Pose natürlich vor, was mit seiner Konstruktion und den ständig wechselnden Anforderungen der Servomotoren zusammenhing, die ihm zu gestikulieren und zu gehen ermöglichten. Neben ihm stand R2-D2 unbeweglich da, stemmte die drei Beine fest in den Wroshyr-Ast.

C-3PO machte eine beiläufige Bemerkung darüber, welch wirklich außergewöhnlichen Ausblick man von dieser Stelle habe. In den Wipfeln hing dichter Nebel, der die jungen Anpflanzungen der Wookiees in der näheren Umgebung verhüllte und das Morgenlicht streute wie ein Prisma. Diesen Ausblick hätte man – wenn auch nicht er selbst – als atemberaubend bezeichnen können.

[Wirr versammeln uns hier zum Angedenken an Chewbacca, den ehrenwerten Sohn, geliebten Gemahl, hingebungsvollen Vater, treuen Freund und Waffengefährten, Kämpfer und Clanbruder von uns allen, zumindest im Geiste, wenn schon nicht auf die traditionelle Weise.]

Der Wookiee-Redner hieß Ralrracheen, wenngleich C-3PO häufig gehört hatte, dass man ihn schlicht Ralrra nannte. Er war groß und alt, selbst für seine auf Bäumen lebende Spezies. Auffällig an ihm war weniger die ergrauende Schnauze als vielmehr der merkwürdige Sprachfehler. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte C-3PO die Aufgabe gehabt zu dolmetschen, doch an diesem besonderen Morgen war keiner der anwesenden Menschen auf seine polyglotten Fähigkeiten angewiesen.

[In Chewbacca brannte die Flamme des Trotzes am hellsten], fuhr Ralrra fort, wobei seine schwarze Nase zuckte und die langen Arme an den Seiten baumelten. [Auf Kashyyyk oder weit forrt auf fernen Welten, bewies er seinen Mut und seine Unbestechlichkeit – er warr ein Wookiee mit einem Herzen, das fürr zehn, und einer Kraft, die fürr fünfzig gereicht hätte].

Chewbacca war sechs Standardmonate zuvor gestorben, bei einer unglückseligen Rettungsaktion auf dem Planeten Sernpidal, den die Yuuzhan Vong vernichtet hatten. Dass es nicht gelungen war, seinen Leichnam zu bergen, stimmte alle Anwesenden sehr traurig; anderenfalls hätte man für Chewbacca eine richtige Bestattungsfeier abhalten könnten – wenn auch nur im engsten Familienkreis. Was die Wookiees mit ihren Toten machten, blieb ein streng gehütetes Geheimnis. Manche Experten vermuteten Einäscherung, andere dagegen glaubten an Begräbnisse in Baumlöchern oder das Herabsenken der Leichen in die trüben Tiefen, aus denen die Spezies aufgestiegen war. Wieder andere behaupteten, die Toten würden mit heiligen Ryyycklingen zerteilt und auf ausgewählten Wroshyr-Ästen ausgelegt, um von Katarns, großen Raubtieren, oder Kroyie-Vögeln gefressen zu werden.

C-3PO begriff durchaus, dass man ihm die Teilnahme an der Bestattung wohl in keinem Falle erlaubt hätte. Jeder, der bei dieser Gedenkfeier zugegen war, gehörte zu Chewbaccas Großfamilie, jedoch würde man ihn – und R2-D2 noch weniger – wohl kaum dazu zählen. Trotz ihrer Liebe zu Maschinen, ob nun mit Intelligenz ausgestattet oder nicht, benahmen sich diese Wesen aus Fleisch und Blut ausgesprochen eigensinnig, was Familie und Verwandtschaft anging.

Gleich neben Ralrra hockten Chewbaccas Vater Attichitcuk und seine Schwester Kallabow mit ihrem kastanienbraunen Fell. Bei ihnen saßen auch Chewbaccas Witwe Mallatobuck und ihr Sohn Lumpawarrump, der den Namen Lumpawaroo – kurz Waroo – angenommen hatte, nachdem er sein Initiationsritual erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Zu den weiteren Wookiees gehörten Freunde, Brüder, Cousins, Nichten und Neffen – unter ihnen auch Lowbacca, ein Jedi-Ritter.

Menschen waren nur sechs anwesend: Master Luke, Prinzessin Leia, Master Han und die drei Abkömmlinge der Solos, Anakin, Jacen und Jaina. Auffallenderweise fehlte Lando Calrissian, der, zu Master Hans größter Beunruhigung, eine Nachricht geschickt hatte, dass unerwartete und nicht näher erläuterte Ereignisse seine Anwesenheit verhindern würden. Master Lukes Frau Mara wäre ebenfalls zugegen gewesen, wenn nicht ein plötzlicher Rückfall ihrer geheimnisvollen Krankheit sie gezwungen hätte, auf Coruscant zu bleiben.

Der kunstvoll gearbeitete Tisch in der Mitte des Kreises ruhte auf einem Teppich aus Wroshyr-Blättern, der Sockel war mit dunkelgrünen Kshyy-Ranken geschmückt, die runde Tischfläche mit Kolvissh-Blüten, Wasaka-Beeren, Orga-Wurzeln und den gelb glänzenden Blüten der Syren-Pflanze bestreut. In der kühlen Luft hing der Duft von glimmendem Baumharz-Weihrauch.

[Hier auf Kashyyyk wurde Chewbaccas Mut bereits in seiner Jugend bekannt], fuhr Ralrra fort. [Mit seinem verstorbenen Freund Salporin] – er hielt inne und nickte Salporins Witwe Gorrlyn zu – [verließ Chewbacca die sichere Stadt und wagte sich über den Rryatt-Weg zum Brunnen des Todes im Herzen des Schattenwaldes. Ausschließlich mit einer Ryyycklinge bewaffnet, trat err mutig dem falschen Shyrr, Jaddyyk-Sumpf, Nadelkäfern und Schattenwächtern entgegen und erntete die Fasern des Fleisch fressenden Syren, wodurch er gleichzeitig das Recht erlangte, ein Bandelier und eine Waffe zu tragen und den Namen zu bestimmen, unter dem er bekannt sein wollte. Auch in die große Anarrad-Grube wagte sich Chewbacca – nicht nur ein- oder zweimal, sondern gleich fünfmal, und bei drei dieser Jagden brachte er den Krallenkatarn zur Strecke. Einmal dagegen erlitt er eine Verletzung von der Bestie.] Ralrra zeigte auf eine Stelle an seinem zotteligen Oberkörper. [Hier, auf der linken Brust.

Zur Vorbereitung seiner Hochzeit, die ebenfalls auf diesem Ast stattfand, stieg Chewbacca zur fünften Ebene hinunter, fing dort mit bloßen Händen einen Quillarat und schenkte ihn Malla als Ausdruck seiner Liebe. Und als die Zeit für Waroos Initiation gekommen war, unterstützte Chewbacca seinen Sohn und ermutigte ihn dabei, so gut er konnte.]

Während einige von Chewbaccas Taten auf seiner Heimatwelt C-3PO durchaus bekannt waren, fehlten in seinem Speicher jedoch bestätigende Daten, weshalb er Erinnerungen an seine eigenen Erlebnisse mit dem Wookiee hervorkramte und sofort mit einem Schnellfeuer von Bildern überzogen wurde, von denen manche fünfundzwanzig Standardjahre zurückreichten.

Die erste Erinnerung: Chewbacca, der wie ein zimtfarbener Turm in der Andockbucht im Raumhafen von Mos Eisley auf Tatooine steht… dann Chewbacca als schlechter Verlierer bei einem Dejarik-Turnier… Chewbacca in Bespins Cloud City, wo er C-3POs Kopf falsch aufsetzte, nachdem Ugnaughts den Kopf zum Spielen benutzt hatten… Master Hans Behauptung, Chewbacca denke stets nur mit dem Magen…

Viele Male war Chewbacca als »von Flöhen zerbissene Pelzkugel«, »übergroßer Mopp«, »Teppich auf Beinen« und »lärmendes Untier« bezeichnet worden, manchmal sogar von C-3PO selbst – natürlich nur, um Menschen zu imitieren – und stets voller Zuneigung angesichts von Chewbaccas empfindlicher Natur und seiner enormen Körpergröße.

Plötzlich befiehl C-3PO ein seltsames Gefühl, und er war nicht mehr in der Lage, weitere Erinnerungen abzurufen. Eine unnatürliche und fast unangenehme Hitze breitete sich in seinen Schaltkreisen aus und veranlasste ihn, die Diagnoseprogramme zu starten, die am Ende jedoch den Auslöser der Störung nicht ausfindig machten konnten.

[Seine angeborrene Neugier brachte Chewbacca dazu, Kashyyyk in jungen Jahren zu verlassen, doch wie wir alle geriet er bald in die Sklaverei des Imperiums. Glücklicherweise erlangte Chewbacca seine Freiheit mithilfe eines Mannes von gleicher Stärrke und Ehrre zurück – unserres geliebten Bruderrs Han Solo. Zusammen mit Han Solo, dem er die Lebensschuld geschworen hatte, sollte Chewbacca eine entscheidende Rolle in der Rebellion spielen und in den Ereignissen, die am Ende zum Sturz des Imperators Palpatine führten.]

C-3PO fokussierte seine Photorezeptoren auf Master Han, der die rot geränderten Augen zusammengekniffen hatte und mit der Rechten die Hand seiner Tochter Jaina hielt. Die dunkelblaue Hose im Militärstil, die Master Han trug, ähnelte jener zerschlissenen, die er für die Nachwelt hatte erhalten wollen, die sich allerdings am gestrigen Tag als zu eng für Master Hans leicht an Umfang zugenommenen Bauch erwiesen hatte und ohne Hoffnung auf Reparatur geplatzt war. C-3PO, der dabei gewesen war, was Master Hans Verärgerung eher noch vergrößert hatte, half dabei, die Ornamente, die unter dem Namen corellianische Blutstreifen bekannt waren, an dem Ersatzstück zu befestigen.

Gegenüber von Vater und Tochter standen Master Jacen und Mistress Leia, die den Kopf ihrem ältesten Sohn auf die Schulter gelegt hatte und deren Wangen vor Tränen glänzten. Ganz in der Nähe hockte Master Anakin und brütete zurückgezogen vor sich hin, zusammen mit Master Luke, dem der Tod gewiss kein Fremder war, hatte er doch sowohl seine natürlichen Eltern, Adoptivvater und -mutter als auch Obi-Wan Kenobi und Yoda verloren, zwei seiner Jedi-Lehrer.

[Chewbacca wurde schließlich Soldat der Neuen Republik], knurrte und brummte Ralrra. [Er half bei der Befreiung von Kashyyyk nach derr Schlacht von Endorr. Aber stets blieb er vor allem und in erster Linie Han Solo verpflichtet, als Freund und Beschützerr und als Bewacher seiner Frau und seiner drei Kinder.] Ralrra wandte sich Han zu. [Chewbacca hatte die Ehrre, seinen Freund bei verschiedenen Gelegenheiten zu retten, sogar noch jüngst in der Yevetha-Krise, als er Han Solo aus der Gefangenschaft an Bord eines yevethanischen Kriegsschiffs befreite.]

Erneut richtete C-3PO die Photorezeptoren auf Master Han, der den Kopf voller Trauer hängen ließ, während Jaina ihm die Hände auf die Schultern legte. Master Hans Verhältnis zu Chewbacca war ähnlich wie das zwischen C-3PO und R2-D2, obwohl manchmal der Eindruck entstand, die beiden Droiden seien schon länger zusammen als der Mensch und der Wookiee.

R2-D2 beobachtete Master Han offensichtlich ebenfalls, denn der Astromechdroide drehte seinen Monokularrezeptor plötzlich zu C-3PO und wimmerte zittrig, gerade so, als hätte ihn das gleiche rätselhafte Gefühl befallen.

C-3PO veränderte den Neigungswinkel seines Kopfes.

In den vergangenen Monaten hatte er ausreichend Gelegenheit gehabt, das Trauerverhalten der Menschen zu studieren, doch trotz aller Beobachtungen war er dem Verständnis dieses Prozesses nicht näher gekommen als vor Chewbaccas Tod auf dieser grässlichen Welt. Alle Lebewesen starben irgendwann, wenn nicht altersbedingt, dann als Ergebnis von Unfällen oder als Folge einer der vielen Krankheiten, die niemand vollständig aufzulisten vermochte. Der Tod schien in gewisser Hinsicht mit der Deaktivierung oder Speicherlöschung vergleichbar zu sein, tatsächlich indes unterschied er sich vollkommen davon und stellte das totale Ende des Seins dar – mit dem auch alle Abenteuer endeten. Angesichts dieser Enthüllung fühlte sich C-3PO genötigt, sich zu fragen, ob er sich bislang immer über die Bestimmung seines Lebens getäuscht hatte. Falls Droiden, wie er so oft verkündete, zum Leiden erschaffen waren, wie verhielt es sich dann bei diesen Wesen aus Fleisch und Blut?

Vielleicht war es besser, in diese Richtung nicht allzu weit zu forschen.

Aufgrund seiner Konstruktionsweise besaß C-3PO keine Fähigkeit, Tränen zu vergießen oder Herzeleid zu empfinden, wie man es nannte, trotzdem gestattete ihm seine Programmierung ein wenig Trauer, wenn auch nicht bis zu jenem Grad, den man bei Menschen und anderen Lebewesen feststellen konnte. Und plötzlich wurde ihm klar, dass Trauer hinter diesem seltsamen Gefühl steckte, das ihn immer noch plagte. So sehr er sich auch Mühe gab, er brachte keinen vernünftigen Gedanken zustande, und mit jedem Blick auf Master Han wuchs seine Bestürzung.

Als derjenige, der Chewbacca am nächsten gestanden hatte – und vielleicht auch, weil er ein so menschliches Wesen war –, schien Master Han am meisten zu leiden; er schwankte zwischen Schmerz und Wut, Verzweiflung und Erschütterung. Der Mann, den C-3PO einst als unmöglich bezeichnet hatte, war nun wie von Sinnen und so unansprechbar, als wäre er in Karbonid eingefroren, und offensichtlich konnte C-3PO nichts tun, um ihn aufzumuntern. Die Fähigkeit, Millionen von Kommunikationsformen flüssig zu beherrschen, garantierte keineswegs das Verständnis menschlichen Verhaltens, geschweige denn menschlicher Emotionen. C-3PO war schließlich nur ein Droide und kannte sich in diesen Angelegenheiten nicht besonders gut aus.

Als Master Han Prinzessin Leia den Hof gemacht hatte, war er einmal an C-3PO herangetreten, hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt und gesagt: »Du bist ein guter Droide, C-3PO. Es gibt nicht viele Droiden, die ich so gern mag wie dich.« Und daraufhin hatte er C-3PO um einen Rat in einer Herzensangelegenheit gebeten, und C-3PO hatte ihm hocherfreut ein Gedicht rezitiert, um ihn in dem Wettstreit mit Prinz Isolder um die Hand der Prinzessin zu unterstützen.

Aber verflucht sei mein Metallkörper, sagte C-3PO zu sich. Warum hatte ihn sein Schöpfer nicht mit einem Programm ausgestattet, damit er Master Han jetzt helfen konnte? Stattdessen konnte er nur sinnlose Philosophie anbieten.

[Das Abenteuer ist ebenso verlockend und gefährlich wie das Herz der Syren-Pflanze], brüllte Ralrra klagend. [Aber noch in seiner letzten Tat opferte Chewbacca sich auf und gab sein Leben, um jemanden zu retten, der ihm lieb und teuerr war.] Der betagte Wookiee schaute den jungen Anakin an, dann Master Han und Mistress Leia. [Und wie immer zog er seine Klauen in der Schlacht nicht ein. Jetzt wird Chewbaccas Geist sich mit dem unseren vereinen, so wie die Zweige des Wroshyr einander suchen und stützen, und uns beistehen und stärrken fürr die Herausforderungen, die uns noch bevorstehen.]

In C-3POs Existenz hatte es so viele Kriege gegeben, dass ihn die neuerliche Invasion nicht hätte überraschen sollen. Aber irgendetwas war anders an den Yuuzhan Vong und diesem Krieg von galaktischem Ausmaß, den sie führten. Das lag weniger daran, dass sie weder einen Unterschied zwischen verschiedenen Spezies oder Welten machten – Neue Republik, Imperiale Restwelten oder bündnisfreie –, und auch nicht daran, dass ihre organischen Raumschiffe und Waffen solch schreckliche Zerstörungskraft besaßen. Dagegen erfüllte es C-3PO mit tiefer Sorge, dass in diesem neuesten Konflikt selbst Droiden nicht verschont wurden. Demnach würde er möglicherweise schon bald, ob er nun wollte oder nicht, Trauer und Tod richtig verstehen.

 

Der runde Tisch war mit Essen und Getränken überladen – Schüsseln voller Xachibik-Brühe, gegrillte Trakkrrrn-Rippen, Waldhonigkuchen, mit Rillrrnnn-Samen garnierte Salate sowie Wein, Saft und Schnaps. Menschen und Wookiees aßen und tranken in kleinen Gruppen und erzählten sich Geschichten über Chewbaccas Großtaten, die manchmal Gelächter, dann wieder Tränen und Nachdenklichkeit hervorriefen. Die Brise hatte an Stärke zugenommen, ließ die Blätter rauschen und die Windspiele erklingen.

Han saß niedergeschlagen auf einem Holzhocker und stützte sich mit den Ellbogen auf die Knie. »Wisst ihr, ich hätte nie geglaubt, das einmal zu sagen, aber im Augenblick beneide ich C-3PO.«

Jaina folgte dem Blick ihres Vaters zu dem Droiden, der neben seinem zylindrischen Gegenstück stand und vollkommen verständnislos dreinschaute. »Du meinst, es sei besser, kein Herz zu haben.«

»In Zeiten wie diesen jedenfalls.« Müde seufzte Han und rieb sich mit der Hand das Gesicht.

Jaina deutete auf den Tisch. »Ich hole dir etwas zu essen, Dad. Du musst vollkommen ausgehungert sein.«

Er rang sich ein Lächeln ab. »Danke, Liebes, aber ich habe wirklich keinen Appetit.«

»Trotzdem solltest du etwas essen«, beharrte sie mütterlich.

Hans Miene hellte sich ein wenig auf, und er ergriff ihre Hand. »Iss du nur, ich möchte nicht.«

Sie runzelte die Stirn. »Bist du sicher?«

»Positiv.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Tisch. »Geh schon. Iss genug für uns beide.«

Widerwillig trat Jaina auf den Tisch zu. Han beobachtete sie noch kurz, wie sie sich unter die anderen Trauergäste mischte. Während er ihnen zuschaute, fragte er sich, ob er die Macht wohl genauso handhaben könnte wie die Jedi. Würde er auf der lichten Seite bleiben oder würde er die Kräfte der dunklen Seite einsetzen, um den Yuuzhan Vong zu zeigen, was Rache bedeutete? Explosionsartig schossen ihm schreckliche Bilder von Gewalt durch den Kopf, doch er verscheuchte sie rasch. Seit Monaten kehrten diese Bilder nun schon immer wieder, und sie hatten zu nichts geführt. Gleichgültig, was für Rachegedanken er hegte – Chewie würden sie ihm nicht zurückbringen.

Er blickte auf seine Hände, die er zu Fäusten geballt hatte. Während er sich die letzten sechs Monate zurückgezogen und vollständig isoliert, in ein dunkles Zimmer oder eine Kneipe auf Coruscant verkrochen hatte, hatten die Jedi zumindest den Kampf gegen den Feind aufgenommen, und genau das musste er jetzt ebenfalls tun.

Im Stillen schalt er sich, holte tief Luft und stieß sie durch die gespitzten Lippen aus. Dann öffnete er die Fäuste, schlug sich auf die Schenkel und stand auf. Er wollte gerade zum Tisch gehen, als Mallatobuck und einige andere Mitglieder von Chewbaccas Familie auf ihn zutraten. Malla hielt eine Holzkiste im Arm, die etwa einen Meter lang war.

[Han Solo], sagte sie und lächelte ihn an, [dies sollst du haben.]

Han legte die Stirn in Falten. Sie stellte die Kiste auf den Hocker und öffnete die feingeschmiedete Metallspange. Im Inneren lag auf einem Bett aus Polstermaterial ein wunderschön geschnitzter Bogenwerfer, dessen zerkratzter und fleckiger Schaft dunkelbraun glänzte. Die Waffe, ein kunstvoll getarnter Magnetbeschleuniger, verschoss Explosivpfeile mit extrem hoher Geschwindigkeit. Zudem war sie mit einem Fernrohr und einem Nachlademechanismus ausgestattet, den nur wenige menschliche Hände würden bedienen können.

»Ich erkenne ihn wieder«, sagte Han und nickte. Er presste die Lippen aufeinander und unterdrückte ein Stöhnen. »Das war einer der ersten, bei deren Herstellung ich ihm zugeschaut habe.«

Malla heulte. [Chewbacca hat ihn kurz nach unserer Heirat gemacht – als du hier warst. Er ist sicherlich nicht sein bestes Stück geworden, doch seine Wärme und seine Kraft stecken darin.]

Han nahm die Waffe in die Hand. »Ich kann sie spüren.« Er umarmte Malla, der er kaum bis zum Kinn reichte. »Ich werde das Stück in Ehren halten.«

Waroo reichte Han ein Tragefutteral aus Leder. [Das hat ebenfalls meinem Vater gehört. Ich weiß, er würde es gern sehen, wenn du es bekommst.]

Han hängte sich das Futteral über die Schulter und wusste sehr wohl, dass es ihm bis über die Knie hing. Malla, Waroo, Lowbacca und die Übrigen brüllten ohrenbetäubend vor Freude. Jaina kehrte gerade rechtzeitig mit einem Teller voller Essen zurück, um in das Lachen einzustimmen.

»Wenn Chewie dich jetzt sehen könnte«, sagte sie und grinste zum ersten Mal an diesem Tag.

Han rieb sich eine Träne aus dem linken Auge, lächelte und legte den Arm um seine Tochter. »Der große Trottel würde sich totlachen.«

Jowdrrl, Chewbaccas kastanienbraune Cousine, knurrte Malla etwas zu, das Han nicht verstand. Malla bemerkte Hans fragende Miene und klärte ihn auf. [Jowdrrl wollte wissen, wann du mit deiner Familie nach Coruscant zurückkehrst.]

Han und Jaina zogen die Schultern hoch. »Darüber habe ich noch überhaupt nicht nachgedacht«, antwortete Han. »Vielleicht morgen irgendwann, nehme ich an.«

Jowdrrl brummte ausgiebig. [Ich frage nur, weil Dryanta und ich noch ein wenig Zeit für die Vorbereitungen brauchen.]

Hans Miene offenbarte seine Verwirrung. »Vorbereitungen? Wofür? Wollt ihr mit uns nach Coruscant kommen?«

Chewbaccas Vater, Attichitcuk, brüllte bedeutungsvoll. [Jowdrrl und Dryanta bereiten das Fest für Waroos und Lowbaccas Abschied vor.]

»Waroo und Lowbacca«, sagte Han nervös.

[Sie übernehmen Chewbaccas Lebensschuld.]

Han fiel die Kinnlade herunter. Er blickte mit wachsendem Unbehagen von einem Wookiee zum anderen. »Aber – aber das geht nicht. Chewie ist tot. Seine Lebensschuld ist damit beglichen.«

Attichitcuk gab ein langes, tiefes Knurren von sich. [Vielleicht hat der Tod die trotzige Lebensflamme meines Sohnes ausgelöscht, doch die Lebensschuld besteht weiter, bis deine Flamme ebenfalls erloschen ist.]

Jaina klemmte die Unterlippe zwischen die Zähne und legte ihrem Vater tröstend die Hand auf den Arm. Han schob sie jedoch zur Seite und schüttelte heftig den Kopf.

»Nein, nein, das kann ich nicht annehmen. Chewie hat mir schon mindestens zehnmal das Leben gerettet. Er starb sogar dabei, als er Anakin rettete.« Während er redete, regte er sich immer mehr auf. »Außerdem bin ich derjenige, der in euer aller Schuld steht.« Er richtete den Blick auf den dunkelbraunen Sohn von Dewlannamapia. »Deine Mutter war besser zu mir als meine eigene.« Er schaute Gorrlyn an. »Dein Ehemann Salporin hat sein Leben gegeben, um Leia vor dem Noghri-Attentäter zu beschützen.« Er wandte sich an Jowdrrl und Dryanta. »Euer Cousin Shoran starb an Bord der Pride of Yevetha und rettete mich dadurch!«

[Und du hättest dein Leben ebenso für ihn gegeben], grollte Attichitcuk und hätte beinahe die scharfen Zähne entblößt. [So ist das eben bei einer Lebensschuld.]

Malla starrte Han ebenfalls böse an. [Du willst doch Chewbaccas Andenken nicht entehren, indem du es uns verweigerst, seine Schuld zu begleichen?]

Jaina schluckte hörbar. »Dad will natürlich seine Andenken nicht entehren.« Sie blickte ihrem Vater in die Augen. »Nicht wahr, Dad?«

Han starrte sie mit halb offenem Mund an. Mallas vibrierendes Knurren hatte die Erinnerung an den Tag nach der Hochzeit wachgerufen, als er Chewie überredet hatte, bei seiner Braut zu bleiben und ihn nicht nach Nar Shaddaa zu begleiten. Er dachte auch an Groznik, einen Wookiee, der seine Lebensschuld von einem Mann namens Throm auf die Renegaten-Pilotin Elscol Loro, dessen Witwe, übertragen hatte.

»Sicher, sicher«, sagte er schließlich und blickte von Jaina zu Malla. »Eher würde ich mir den Arm abhacken, als Chewies Andenken zu entehren. Das wisst ihr. Es ist nur, dass…«

Alle warteten.

»Ich bin noch nicht bereit dafür.« Er schüttelte den Kopf, als wollte er ihn klar bekommen, dann sah er zu Attichitcuk und den anderen auf. »Irgendwie lebt Chewie für mich noch. Ich kann niemandem erlauben, seinen Platz einzunehmen. Das müsst ihr verstehen. Er war einfach mehr als ein Beschützer für mich. Er war mein bester Freund.«

Die Wookiees wechselten mitfühlende Blicke und unverständliche Schreie.

[Er klammert sich an die Erinnerung an meinen Mann], sagte Malla traurig.

[Er braucht Zeit], stellte Attichitcuk knurrend fest und klang dabei nicht einmal bedrohlich.

»Genau«, stimmte Han zu und umklammerte den Strohhalm. »Ich brauche Zeit.«

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Chewbaccas Vater schließlich mit dem riesigen Kopf nickte. [Dann wollen wir dir Zeit gewähren. Eine Lebensschuld besteht nicht nur darin, den Leib vor Schaden zu bewahren. Sie betrifft auch die Seele.]

Han war der gleichen Meinung. »Eben darum geht es mir.«

Malla legte ihm die riesigen Pranken auf die Schultern. [Dann soll es so sein.]