19

 

Showolter zog eine Grimasse, während er beobachtete, wie die Ooglith-Maske, die ihnen auf Wayland in die Hände gefallen war, sich über Elan stülpte und an ihr festsaugte, wobei mikroskopisch kleine Widerhaken und Tentakel in Poren, Schweißdrüsen, Runzeln und Falten eindrangen. Elan, die nackt war, hatte ihm den Rücken zugekehrt, aber an ihren Verrenkungen und dem unfreiwilligen Zucken ihrer perfekten Muskeln erkannte er, dass es qualvoll sein musste, diese lebende Hülle anzulegen – eine exquisite Qual, wenn man Elan glaubte.

Da ihr seine Neugier aufgefallen war, hatte sie ihn gefragt, ob er zuschauen wollte, und dabei hatte sie es gleichzeitig geschafft, sich ihm gegenüber gleichgültig zu zeigen und mit ihm zu flirten. Jedenfalls konnte er ihr schmerzvolles Stöhnen nicht lange ertragen und schaute aus dem einzigen Fenster ihres Unterschlupfes auf eine Baumgruppe hinaus, deren hoher Metallgehalt diesen Punkt auf Myrkr zu einer Herausforderung für jeden Sender und andere Kommunikationsgeräte machte.

»Fertig«, verkündete Elan stoisch, und Showolter drehte sich um. Sie trug nicht nur ihre zweite Yuuzhan-Vong-Haut, sondern auch die Robe, die er ihr gegeben hatte. Noch nie hatte sie so sehr einem Menschen geähnelt.

Elan massierte sich Wangen, Stirn und Kinn, als wollte sie kleine Falten glätten. »Sehen Sie, Showolter, keine Spur mehr von meinen Abzeichen, kein Hinweis darauf, wer und was ich eigentlich bin.«

Showolter bemerkte, dass er die Luft angehalten hatte, und atmete weiter. »Und, gibt es nur eine Größe für alle?«

»Wollen Sie es ausprobieren?«

»Nein«, entgegnete er rasch. »Habe mich nur gefragt, ob es männliche und weibliche Versionen gibt.«

»Wozu sollte das gut sein?«

Er kratzte sich den Kopf. »Also, vermutlich hat nicht jeder Yuuzhan Vong Ihre Figur.«

Elan warf Vergere, die neben ihr hockte, einen Blick zu, und die beiden wechselten ein undurchschaubares Lächeln. Vergere war lediglich mit einem locker sitzenden Gewand getarnt, das ihren gefiederten Körper und ihre Beine verbarg. An ihrem exotischen Gesicht konnte man nicht so viel ändern, aber da es hier so viele Flüchtlinge vom Äußeren Rand gab, waren Zoll- und Passbeamte daran gewöhnt, jeden Tag eine neue Spezies zu sehen.

»Stimmt etwas nicht mit meiner Figur, Showolter?«, wollte Elan schließlich wissen.

»Eher im Gegenteil.« Er lachte verlegen.

»Aber sicherlich mögen Sie meine Gesichts- und Körperzeichnungen nicht.«

»Oberfläche«, sagte er und ließ es wie einen Scherz klingen.

Sie tippte sich an den Kopf und sah ihn offen an. »Vielleicht haben Sie das Zeug zu einem Yuuzhan Vong – trotz ihrer Abneigung dagegen, die Ooglith-Maske auszuprobieren.«

»Das möchte ich bezweifeln. Obwohl ich möglicherweise bereit wäre, mich tätowieren zu lassen.«

Ihr Lächeln verschwand. »Wenn Sie glauben, das Tätowier-Verfahren der Yuuzhan Vong sei weniger schmerzhaft, liegen Sie komplett falsch.«

Er zuckte mit den Schultern. »Opfer müssen eben sein.«

»Aber gewiss, Showolter.« Sie ließ die Bemerkung einen Augenblick lang in der Luft hängen, ehe sie hinzufügte: »Aber ich fürchte, mein Atem könnte Ihre Nase beleidigen. Er ist ein bisschen verunreinigt von…«

»Vom Essen«, unterbrach Vergere sie. »Wir sind nicht daran gewöhnt, so viele sterilisierte Lebensmittel zu essen.«

Showolter blickte sie an. »Tut mir Leid, aber daran kann ich leider nichts ändern.« Er betrachtete die Tarneigenschaften der Ooglith-Maske und schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ein Nerf in Taopari-Kleidung«, murmelte er.

Elan runzelte die zarte Stirn.

»Ein Wortspiel«, erklärte er. »Eigentlich heißt der Spruch: Ein Taopari in Nerf-Kleidung – ein Raubtier im Gewand eines Grasfressers, um sich an die Herde heranzuschleichen.«

Elans Augen strahlten, als sie begriff. »Ich bin also ein Grasfresser im Gewand eines Raubtiers.«

»Ich habe an den Attentäter gedacht, den man auf Sie angesetzt hat.«

»Natürlich.«

Showolter räusperte sich und reichte ihr Unterwäsche, ein einfaches Kleid, eine Jacke und Schuhe. »Jedenfalls sollten Sie dies anziehen.«

Elan begutachtete die Kleidungsstücke eines nach dem anderen. »Wen soll ich darstellen, Showolter?«

»Meine Ehefrau. Wir sind Flüchtlinge, die von einem Planeten namens Sernpidal fliehen mussten und mit unserer Dienerin reisen.«

»Die ich wäre«, meinte Vergere, »wie immer.«

Elan blickte erst Vergere, dann Showolter an. »Ich kenne mich mit den Pflichten einer Ehefrau nicht aus.«

»Niemand erwartet von Ihnen, dass Sie wirklich meine Ehefrau sind. Sie sollen nur die Rolle spielen. Die Einzelheiten sprechen wir vor unserem Aufbruch durch.«

»Nur wir drei?«, fragte Elan.

»Auf dem Schiff werden wir Verstärkung bekommen.«

»Geht die Reise zu einer etwas bevölkerteren Welt?«

Er nickte.

»Zeigen Sie mir dort die Sehenswürdigkeiten?«

»Das könnte einige Umstände bereiten. Aber ja, natürlich.«

»Herrlich.«

Showolter ließ sie allein, damit sie sich anziehen konnte, und trat ins Nebenzimmer, wo er sich die beiden dreiköpfigen Doppelgänger-Teams anschaute. Die zwei weiblichen Agenten, deren Gesichter mit Wirbeln und Spiralen bemalt waren und die bereits die gleiche Kleidung trugen wie Elan, zeigten eine fast übernatürliche Ähnlichkeit mit der Yuuzhan-Vong-Priesterin. Was allerdings kaum für die Mrlssi und die Bimm galt, die er als Doppelgängerinnen für Vergere ausgesucht hatte.

»Vielleicht sollten wir doch lieber zwei Drall nehmen«, meinte er, während er die beiden kostümierten Aliens begutachtete.

»Was ist mit mir, Showolter?«, sagte eine der Frauen im Scherz. »Würde ich nicht als Miss Überläuferin durchgehen?« Sie nahm eine übertrieben verführerische Pose ein und schlug die Lider auf. »›Zeigen Sie mir dort die Sehenswürdigkeiten?‹«, fragte sie und äffte Elans Stimme nach.

Alle außer Showolter lachten. Er gab Waffen aus und dazu die letzten Instruktionen auf einer Durafolie, die sich nach dem Lesen selbst zerstörte.

»Lassen Sie sich in Hyllyard City ruhig sehen«, erklärte er den Mitgliedern des ersten Teams, »bloß übertreiben Sie die Sache nicht. Wenn Agenten der Yuuzhan Vong in der Nähe sind, werden die sich nicht leicht täuschen lassen.« Er reichte ihnen die Reisedokumente. »Sie werden von Myrkr nach Gyndine fliegen, und von dort nach Thyferra.«

Ein weiterer Stapel Dokumente ging an das männliche Mitglied des zweiten Teams. »Von Myrkr über Bimmisaari nach Kessel.«

Er schob einen Blaster in sein Schulterholster. »Alle bleiben mit dem Hauptquartier in Kontakt. Sobald unsere Informanten Coruscant erreicht haben, werden Sie benachrichtigt und können die Scharade beenden.«

»Wie schätzen Sie die Chancen ein, Major?«, fragte der Anführer eines Teams.

Showolter zog die Mundwinkel nach unten und schüttelte den Kopf. »Nach dem jüngsten Rückschlag auf Ord Mantell werden die Yuuzhan Vong diesen Sektor vielleicht meiden. Außerdem«, fügte er hinzu und knöpfte die Jacke über dem Holster zu, »was sollten Sie auf einem alterschwachen und mit Flüchtlingen überfüllten Starliner suchen wollen?«

 

Während sich der bis an die Bullaugen voll gestopfte Shuttle entlang des einst prächtigen Luxusliners in die Andockposition schob, begriff Han plötzlich, was C-3PO ihm auf Ord Mantell hatte mitteilen wollen.

So viele Schiffe gibt es, murmelte er vor sich hin, als die verblichene und verschrammte Legende von einem Schiff in Sicht kam. »Und ich lande ausgerechnet auf der Queen of Empire.«

Ursprünglich hatte die Queen der Haj-Schifffahrtslinie gehört, deren Loyalität zum Imperium oder zur Allianz immer davon abgehangen hatte, wer mehr bieten konnte, und das Schiff war für Passagiere von Corellia nach Gyndine die erste Wahl gewesen – inklusive zahlreicher Zwischenlandungen. Gelegentlich war es auch randwärts bis nach Nar Hekka im Hutt-Raum geflogen.

Das Schiff, ein wenig größer als ein Sternzerstörer der Imperium-Klasse, hätte zehntausende Passagiere aufnehmen können, doch stattdessen beschränkte man die Zahl auf lediglich fünftausend, wodurch es einen beispiellosen Komfort bot, der sich durch außergewöhnlichen Service und ein riesiges Freizeitangebot auszeichnete. Für jede Spezies gab es spezielle Schwimmbecken und Bäder, Restaurants und Einkaufszentren, Klimazonen und Sportstätten, Barbiersalons für die Zotteligen und Nackträume für die Glatthäutigen, Jizz-Lounges und Null-G-Diskotheken, Casinos, Observationskuppeln und Amüsiermeilen… das alles auf so vielen Decks, wie man auf einem einzigen Kreuzer kaum vermuten mochte. Der feudalste der vielen Nachtclubs war die Star Winds Lounge gewesen, wo fünfzehn-fingrige Rughjas den besten SwingBob gespielt hatten und wo reiche Passagiere bis in den frühen Morgen den Margengai-Glide getanzt hatten.

In ihren besseren Tagen hatte die Queen eine Konkurrenz für die ältere Quamar Messenger und den Mon Calamari Starliner Kuari Princess dargestellt und sogar neuen Schiffen wie der Tinta Palette und der Jewel of Churba als Vorbild gedient. Leider war sie häufig das Ziel von Piraten geworden, hatte Meteoriten wie ein Magnet angezogen und war einmal für fünf Tage im Hyperraum gestrandet. Seitdem waren für die Queen harte Zeiten angebrochen.

Han war noch nie an Bord gewesen, doch er hatte von Lando alles über das Schiff erfahren, denn der hatte Hans erste Liebe Bria Tharen auf der Queen kennen gelernt. Bria war damals ein hochrangiges Mitglied des corellianischen Widerstands gewesen, Lando dagegen, wie immer, ein Playboy.

Diese Erinnerungen beschäftigten Han während des Transfers zum Liner, und so bemerkte er erst an Bord, wie tief die Queen gesunken war.

Nur er und eine Hand voll anderer Passagiere besaßen tatsächlich Tickets, ansonsten war das Schiff von Kriegsverletzten und Flüchtlingen überfüllt, die zuvor auf Ord Mantell und dem Rad gestrandet waren und nun, zum großen Teil dank Leias Bemühungen, zu unterschiedlichen Kolonien und Kernwelten unterwegs waren.

Ein babylonisches Sprachgewirr herrschte in den einst prächtigen Ballräumen und Salons, die vorübergehend zu Lagern umfunktioniert worden waren, wo sich Angehörige von hundert verschiedenen Spezies in provisorischen Zelten und Unterkünften drängten und wachsam ihre Kinder, Tiere und die wenigen Vorräte und Habseligkeiten hüteten. Zwischen ihnen gingen Wachleute und Soldaten Streife, schlichteten Streitigkeiten über Deckplätze und angebliche Diebstähle oder beendeten hässliche Kämpfe, zu denen es durch Beleidigungen oder andere Provokationen gekommen war. Außerdem waren zahlreiche Droiden und Händler unterwegs, wobei sich Letztere häufig von Leibwächtern schützen ließen, wenn sie Fertigmahlzeiten, Hautpräparate, dubiose Arzneimittel und Eintrittskarten für die fahrbaren Hygieneeinheiten, die einige der Gänge säumten, zu exorbitanten Preisen verkauften.

Han folgte den Markierungen zu einer engen Kabine, zu dessen Betreten ihn sein Ticket berechtigte. Er hockte sich auf die Kante des winzigen Klappbetts und dachte über seine Situation nach. Der mangelnde Platz in der Kabine machte ihm wenig aus; Bilbringi war nur zwei Sprünge entfernt, und die Queen sollte fahrplanmäßig in drei Tagen dort ankommen. Dort würde er seine alten Kontakte und Bekanntschaften nutzten, nach Reck oder anderen Mitgliedern der Friedensbrigade Ausschau halten und vielleicht sogar einen Hinweis darauf bekommen, was den Opfern des Yuuzhan-Vong-Angriffs auf das Jubelrad geschehen war.

Er döste eine Weile und erwachte hungrig – kein Wunder, denn seit den Knabbereien im Lady Fate Casino hatte er nichts mehr gegessen.

Von regulären Passagieren wurde erwartet, dass sie sich auf dem Oberdeck das exklusive Privileg leisten konnten, in der Cafeteria und dem einzigen Restaurant, das nicht in eine Unterkunft für Flüchtlinge verwandelt worden war, zu speisen. Aber im Gedränge waren jegliche Kontrollen und Sperren überrollt worden, und die Cafeteria war von halb verhungerten Passagieren besetzt. Als Han dort eintraf, war das Speisenangebot schon ausgesprochen beschränkt, und nirgendwo ließen sich Bestecke auftreiben. Man hatte sich damit abgefunden, die Greiforgane zu benutzen, die einem die Natur geschenkt hatte, Hände, Klauen, Scheren oder was auch immer.

Han überlegte gerade, ob der Schmutz an seinen Händen möglicherweise giftig war, als er an das Notfallkit dachte, das Anakin ihm geschenkt hatte – dasjenige, das Chewie gemacht hatte – und das erstaunlicherweise nach all dem, was Han auf dem Rad durchgemacht hatte, noch immer an seinem Gürtel hing. Ganz bestimmt gab es in dem Kit eine Gabel.

Han holte das dreizackige Utensil aus seinem klugen Versteck und gesellte sich zu der Menge, die sich um den Büffettisch drängte. Als er zu den Wärmeplatten kam, sah er, dass nur noch ein einziges Stück Nerfsteak übrig war – ein verbranntes, knorpeliges Stück zudem –, das er sich keineswegs entgehen lassen wollte. Er beugte sich vor und spießte es auf, doch im gleichen Moment durchbohrte es ein krallenähnlicher Nagel, der zu einer samtigen, fünffingrigen Hand gehörte.

Han fuhr herum und stand dem Ryn gegenüber, mit dem zusammen er vom Rad entkommen war. Der mit Greifschwanz ausgestattete Alien trug wie zuvor die grellbunte Hose und Weste und die kecke Baskenmütze.

»Ha!«, rief der Ryn amüsiert und überrascht. »Ich hab Ihnen doch gesagt, wir würden uns wieder sehen.«

Han schnitt eine Grimasse. »In fünf Jahren hätte ich mich mehr darüber gefreut.«

»Gegen das Schicksal kann man sich nicht wehren, mein Freund.«

»Immerhin kann man es versuchen«, knurrte Han. »Was machen Sie überhaupt hier?«

»Ungefähr das Gleiche wie Sie: Weiterreisen.« Er richtete den Blick auf die dünne Scheibe Fleisch. »Also, wer hat ein Anrecht auf die Beute?«

»Ich denke, wir teilen«, sagte Han genervt. »Wobei ich davon ausgehe, dass Sie die Hälfte nehmen, in die Sie den Fingernagel gebohrt haben.«

Der Ryn lachte. »Und da heißt es, hier gebe es keine ehrlichen Leute mehr.«

Han legte das Steak auf einen schlecht gespülten Teller, und die beiden fanden Platz an einem Tisch zwischen einer Gruppe Sullustaner und Bimms.

»Droma«, sagte der Ryn und streckte ihm die Hand entgegen, als sie sich setzten. »Und meinetwegen können wir uns duzen.«

»Roaky Laamu«, antwortete Han und schüttelte ihm widerwillig die Hand.

»Ich muss sagen, Roaky, du siehst wesentlich besser aus als bei unserem Abschied.«

Han kratzte sich über das rechteckige Synthfleisch, das Leia ihm auf die Stirn geklebt hatte. »Das Wunder des Bacta. Ich wünschte, ich könnte…«

»… das Gleiche über dich sagen?«, ergänzte Droma.

Han schlug auf den Tisch und beugte sich wütend vor. »Ab sofort gibt es zwischen uns eine Abmachung. Ich weiß zwar nicht, wie du das machst, aber von sofort an behältst du meine Gedanken für dich, verstanden.«

»Eine ziemliche Herausforderung«, meinte Droma.

»Das ist dein Problem.« Han starrte ihn einen Augenblick lang an. »Und, wie machst du es?«

»Also, hast du noch nie gehört, das alle Ryn Gedankenleser und Wahrsager sind?«, fragte Droma gewollt witzig.

»Ja, und ich bin ein Jedi-Ritter.«

Droma lachte. »Na, das dürfte eine Übertreibung sein.«

Han runzelte die Stirn und sägte das Steak mit der Klinge des Notfallkits in zwei Hälften – auf der verkohlten Unterseite war der Stempel des Lieferanten zu lesen, Nebula Konsumgüter.

Zögerlich steckte sich Han ein kleines Stück in den Mund. Droma beobachtete Hans Gesicht, während der kaute – oder es zumindest versuchte.

»Nicht ganz das, was du erwartet hast.«

»Ich habe etwas Essbares erwartet«, murmelte Han mit vollem Mund.

»So übel?«

Droma borgte sich das Notfallkit und sägte einen kleinen Bissen von seiner Hälfte ab.

Han schob ihm eine leere Untertasse zu. »Darauf kannst du deine Zähne spucken.«

Droma kaute eine Weile auf dem Fleisch herum, ehe er den Bissen aus dem Mund nahm und unter den Tisch fallen ließ.

Han atmete tief durch. »Also, was hältst du davon, wenn wir das Restaurant versuchen – auf meine Rechnung?«

Droma grinste. »Ich habe schon gedacht, du würdest gar nicht mehr fragen.«

Sie verließen die Cafeteria und gingen das kurze Stück über das Promenadendeck zu dem überfüllten Speisesaal, dem immer noch ein wenig von der einstigen Pracht der Queen anhaftete. Als sie sich gerade setzen wollten, schritt jedoch ein klaatooinianischer Maître ein.

»Es tut mir äußerst Leid, Sir«, sagte er zu Han, »aber wir können den… den Ryn nicht bedienen.«

Han warf dem Humanoiden mit den schweren Lidern und dem langen Kinn einen ungläubigen Blick zu. »Wie bitte, glauben Sie etwa, Sie würden auf der Tinta Rainbow arbeiten? Dies ist ein Flüchtlingsschiff.«

Der Maître schnaubte. »Trotzdem haben wir unsere Prinzipien.«

Hans Nasenflügel bebten, und er holte schon aus, doch Droma hielt seinen Arm fest.

»Eine Prügelei wird auch nichts daran ändern«, meinte Droma, der fast an Hans Bizeps hing.

»Außer meiner Laune«, knurrte Han.

»Aber satt wird man davon nicht.«

Han nahm den Arm herunter und schnappte einem vorbeigehenden Kellner die Speisekarte aus der Hand. Er überflog sie, zeigte mit dem Finger auf den Spezialteller des Hauses und drückte dem Maître die Karte in die langgliedrigen Hände.

»Zweimal dies – zum Mitnehmen!«

Der Klaatooinianer blickte Han herablassend an, dann eilte er davon und kehrte bald mit den gewünschten Gerichten zurück.

Han und Droma gingen mit dem Essen zu den zerschrammten Deckstühlen in der Aussichtskuppel und aßen wortlos, während die Queen sich aus dem Raum um Ord Mantell manövrierte und für den Sprung in die Lichtgeschwindigkeit beschleunigte. Sternenlicht glänzte auf dem schwer beschädigten äußeren Ring des Jubelrads. Han war entschlossen, nicht an Roa und Fasgo zu denken – wenigstens bis Bilbringi.

Satt lehnte er sich in den Stuhl zurück und faltete die Hände im Nacken. »Wo kommen die Ryn eigentlich her?«, fragte er, während Droma sich die Finger sauber leckte. »Ursprünglich, meine ich.«

Droma strich sich die Enden seines weißen Schnurrbarts glatt. »Von einer Welt im Kern, doch selbst wir Ryn wissen nicht mehr, von welcher.«

»Wurdet ihr gezwungen, sie zu verlassen?«

»Dazu gibt es zwei Theorien. Der ersten zufolge stammen wir von einem Stamm von zehntausend Musikern ab, die einer benachbarten Welt gespendet wurden, weil diese aller Künstler beraubt worden war. Nach der zweiten waren unsere Vorfahren Krieger, die gegen eine Bedrohung des Inneren Rands gekämpft haben. Unsere Sprache enthält viele militärische Ausdrücke, zum Beispiel ist das Wort für Nicht-Ryn linguistisch mit dem Wort Zivilist verwandt.«

»Wieso leben so viele von euch im Korporationssektor?«

»Hauptsächlich der Umstände wegen. Nachdem wir den Kern verlassen hatten, lernten die Ryn Landwirtschaft, Metallbearbeitung und andere Fähigkeiten, doch überallhin verfolgte uns das Misstrauen. Mit gefälschten Dokumenten wurde uns erlaubt, auf entlegenen Welten im Korporationssektor zu siedeln. Dabei war es sehr hilfreich für uns, dass wir mit unseren Heiltechniken das Leben eines hohen Beamten retten konnten.

Trotzdem hielten uns andere wegen unseres nomadischen Lebenswandels, unserer Vorliebe für Geheimnisse und des Fehlens geschriebener Aufzeichnungen über uns – was alles nur dem Selbstschutz diente –, für schwarze Magier oder Diebe. Man sagte uns nach, wir würden lebendes Fleisch verschlingen, und in manchen Sektoren wurden Gesetze verabschiedet, die es erlaubten, uns zu jagen, zu brandmarken oder zu töten. Man beschuldigte uns der Verbrechen, die andere begangen hatten. Unsere Sprache wurde verboten, und viele von uns wurden in die Sklaverei verkauft.«

Han erinnerte sich an den Ryn auf dem Rad, der bei ihrer Ankunft seine Dienste angeboten hatte, und das Pärchen, das im Bet’s Off an ihn persönlich herangetreten war und um eine Überfahrt zum Kern gebeten hatte.

»Wie bist du auf dem Jubelrad gelandet?«, fragte er.

»Ich reiste mit einer Karawane von Ryn-Schiffen, die gerade vom Korporationssektor zum Rand unterwegs waren, als die Yuuzhan Vong ins Ottega-System einfielen und Ithor zerstörten.«

»Bist du ein Berufspilot?«

»Ein ganz guter«, sagte Droma, »und außerdem ein Kundschafter und Allround-Raumer.«

»Was geschah nach Ithor?«

»Unsere Schiffe wurden verstreut, unsere Familien ebenfalls. Ich suche seitdem nach meinem Clan, unter anderem nach meiner Schwester und einigen Cousins.«

»Hart«, sagte Han.

Droma nickte. »Und du, Roaky? Du lenkst ein Schiff wie ein Sternjägerpilot – oder wie ein erfolgreicher Schmuggler. Was hat dich hergeführt?«

Han ließ sich einen Augenblick lang Zeit, seine Gedanken zu sammeln. »Ich bin eher ein Mechaniker als ein Pilot. Im Moment mache ich mal Pause vom Alltag, um ein paar Dinge herauszufinden.«

»Also bist du auch auf der Suche nach deiner Familie?«, fragte Droma.

Han sah ihn an. »In gewisser Weise vielleicht.«

Aus dem Restaurant hörte man die Melodie von »Smoky Dreams«, einem Lied, das Bria Tharen mit ihrem Whiskey-Alt perfekt und außerdem häufig gesungen hatte.

»Das Lied erinnert dich an etwas«, meinte Droma, der Han vorsichtig beobachtete.

Han lächelte, ohne dabei die Zähne zu zeigen. »Die gute alte Zeit.«

»Wie alt?«

»Alt genug, um gut zu sein«, erwiderte Han.