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Han stand am Rand, und die Spitzen seiner kniehohen schwarzen Stiefel ragten über die Kante der natürlichen Brücke hinaus. Die Stimmen seiner Freunde kamen aus solch großer Entfernung, dass er sie nicht verstehen konnte. Der Nebel, der den ganzen Morgen in den Riesenbäumen gehangen hatte, fiel nun herab wie fette Tropfen. Plötzlich stieg ein widerlicher Gestank auf, und Han wurde vom Atem der gefährlichen und undurchdringlichen Unterwelt Kashyyyks schwindelig. In der Nähe nutzten zwei Kroyie-Vögel den Aufwind und flogen im schräg einfallenden, verhangenen Sonnenlicht nach oben.
Überlegt und voller Absicht ließ Han ein Stück Wroshyr-Rinde fallen, mit dem er herumgespielt hatte, und schaute ihm nach, bis es nicht mehr zu sehen war. Dieser Teil der Brücke hatte kein Geländer, und nichts befand sich zwischen ihm und dem Abgrund.
»Den nächsten Schritt solltest du dir besser gut überlegen«, sagte Leia von hinten.
Han zuckte zusammen, drehte sich jedoch nicht um. »Das Lustigste ist, der Nullpunkt ist immer näher, als man denkt.«
Leia ging auf ihn zu. »Selbst wenn du damit Recht hättest, wärst du vielleicht trotzdem gut beraten, über ein Paar robuster Repulsorstiefel nachzudenken.«
Er grinste sie schief über die Schulter an. Durch die Feuchtigkeit Kashyyyks hatte sich Leias langes Haar in eine regelrechte Mähne verwandelt, und die Aufwinde zerrten an ihrem weiten Rock und der ärmellosen Bluse.
»Mach dir keine Sorgen, Liebling. Ich bin schon so gut wie unten.«
Leia trat an seine Seite und spähte vorsichtig über die Kante.
»Und ich dachte, mir sei schon mulmig zumute, wenn ich aus unserer Wohnung nach unten gucke…« Sanft ergriff sie Hans Arm und zog ihn von der Kante zurück. »Du machst mich nervös.«
»Das passiert dann wohl zum ersten Mal.« Er lächelte gezwungen. »Mir geht’s gut.«
Leia runzelte die Stirn. »Ach ja, Han? Ich habe von der Geschichte mit Malla und Waroo gehört.«
Er schüttelte den Kopf und regte sich wieder auf. »Diese Sache mit der Lebensschuld muss ein für alle Mal ein Ende haben.«
»Immer mit der Ruhe. Sie werden es schon begreifen. Weißt du noch: Ich konnte nicht einmal auf die Toilette gehen, ohne dass Khabarakh oder einer der anderen Noghri darauf beharrte, mich zu begleiten.«
»Ja, und die Noghri laufen dir immer noch als Leibwache hinterher. Nicht, dass ich damit herabsetzen will, was sie für dich getan haben.«
»Ich weiß, worauf du hinauswillst.«
Han schüttelte den Kopf. »Ä-hm, du weißt ganz und gar nicht, worauf ich hinauswill. Den Noghri könntest du vermutlich befehlen, sich von dir fern zu halten. Aber Wookiees sind da etwas anders. Wenn du glaubst, Lowbacca und Waroo würden sich einfach so abwimmeln lassen, irrst du dich gewaltig.«
Leia verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. »Okay. Sobald wir nach Coruscant zurückgekehrt sind, werde ich Cal Omas oder jemand anderen bitten, ein Gesetz über die Befristung der Lebensschuld eines Wookiees einzubringen.«
»Willst du riskieren, Senator Triebakk zu verärgern? Vergiss es. Ich werde die Sache auf meine eigene Weise regeln.«
Von Hans finsterer Miene entmutigt, wurde Leia ernst. »Ich wollte mich nicht über dich lustig machen, Han. Natürlich kann ich sehr wohl deine Gefühle verstehen. Das war heute bestimmt nicht leicht für dich.«
Er wandte den Blick ab. »Wenn ich meine Gefühle nur verstehen würde. Ich dachte, die Zeremonie würde die Sache irgendwie abschließen. Vielleicht wäre das der Fall gewesen, wenn man Chewies Leiche gefunden und es eine Art Bestattung gegeben hätte…« Er ließ die Worte verklingen, ehe er wütend den Kopf schüttelte. »Was rede ich eigentlich. Es geht nicht bloß darum, dass wir irgendein Ritual nicht durchgeführt haben.«
Leia wartete geduldig.
»An dem, was auf Sernpidal passiert ist, kann ich nichts mehr ändern, aber ich muss mir eben persönlich die Schuld daran geben, dass ich uns überhaupt in dieses Schlamassel gebracht habe.«
»Du wolltest nur Leben retten, Han.«
»Und dabei ist wirklich eine Menge Gutes herausgekommen.«
»Hast du Anakin gesagt, du hättest dich damit abgefunden, dass er Chewie nicht retten konnte?«, fragte Leia vorsichtig.
Verbittert verzog Han das Gesicht. »Das war mein größter Fehler – ihn auf den Pilotensitz zu setzen.«
»Han…«
»Es war nicht Anakins Fehler, das will ich damit nicht sagen. Aber ich hätte nie die gleiche Entscheidung getroffen wie er.« Er lachte schnaubend. »Wir wären alle draufgegangen – Chewie, Anakin, ich… Und jetzt dieser Wahnsinn mit der Fortsetzung der Lebensschuld.« Er machte ein paar Schritte und fuhr plötzlich wieder zu ihr herum. »Auf gar keinen Fall werde ich die Verantwortung für einen weiteren Todesfall in dieser ehrenwerten Familie übernehmen, Leia.«
»Du warst nicht verantwortlich.«
»War ich doch«, fauchte er. »Wer weiß, was Chewie für ein Leben geführt hätte, wenn ich ihn nicht dazu gebracht hätte, durch die ganze Galaxis zu ziehen und Gewürze, Chak-Wurzeln und sonst was zu schmuggeln.«
Leia runzelte die Stirn. »Was willst du mir damit sagen, Han? Dass du ihn nicht aus der Sklaverei hättest retten sollen? Damit Chewie in einem Arbeitslager des Imperiums verreckt oder bei irgendeinem Arbeitsunfall ums Leben gekommen wäre? Das kannst du dir doch nicht ernsthaft einreden. Außerdem erzähl mir nicht, Chewie hätte nicht seinen Spaß gehabt, während er sich mit dir herumgetrieben hat – und das hat überhaupt nichts mit der Lebensschuld zu tun. Du hast gehört, was Ralrra gesagt hat: Der Grund, weshalb Chewie Kashyyyk verlassen hat, war Abenteuerlust. Er und du, ihr seid aus dem gleichen Holz geschnitzt.«
Han presste die Lippen zusammen. »Ich denke, das weiß ich selbst. Trotzdem…« Traurig schüttelte er den Kopf.
Leia legte ihm die Finger unter das Kinn und drehte seinen Kopf herum. Sie zwang ihn dazu, ihr ins Gesicht zu sehen, und lächelte breit. »Soll ich dir sagen, woran ich mich am besten erinnern kann? Daran, wie sich Chewie mich vor die Brust gebunden und unter Rwookrrorro hindurchgetragen hat. Als wäre ich ein Kleinkind.«
Han schnaubte. »Schätze dich glücklich. Ich musste einmal in einer Quulaar-Schlinge auf Tarkazza reiten.«
Leia schlug sich die Hand auf den Mund, musste aber trotzdem lachen. »Auf Kataras Vater – dem mit dem Silberstreifen auf dem Rücken?«
»Genau dem.« Han lachte mit ihr, jedoch nur ganz kurz. Dann drehte er sich um und schaute über die Baumwipfel hinaus. »Für einen Moment geht es besser, und dann denke ich doch gleich wieder dran. Wie lange dauert das noch, Leia? Bis man es hinter sich hat?«
Sie seufzte. »Wie soll ich es ausdrücken, ohne abgedroschen zu klingen? Das Leben ist ein Prozess ewigen Wandels, Han. Schau dich nur mal in der Welt um: Luma-Pfähle haben Phosfloh-Laternen verdrängt, Fahrzeuge mit Repulsortriebwerken ersetzen Banthas… Das Leben schlägt immer gerade dann eine neue Richtung ein, wenn man es am wenigsten erwartet. Aus Feinden werden Freunde, Gegner werden zu Verbündeten. Die gleichen Noghri, die mich töten wollten, sind heute meine Beschützer. Gilad Pellaeon, der einst herkam, um die Wookiees zu versklaven, hat auf Ithor an unserer Seite gegen die Yuuzhan Vong gekämpft. Hätte irgendwer das vorhersagen können?« Leia streckte die Hände aus, um seinen Nacken zu massieren. »Irgendwann lässt auch die Trauer nach.«
Hans Muskeln spannten sich unter ihrem Griff an. »Genau darin liegt das Problem. Die Trauer lässt nach.«
Er setzte sich auf den Brückenrand und ließ die Beine baumeln. Leia hockte sich hinter ihn und legte die Arme um ihn. Eine Weile lang blieben die beiden still sitzen.
»Ich verliere ihn, Leia«, sagte er verzweifelt. »Ich weiß, er ist tot, aber bislang konnte ich ihn in meinem Inneren spüren, als wäre er ganz in der Nähe und nur einfach unsichtbar. Als würde ich ihn sehen, wenn ich mich schnell genug umdrehte. Ich konnte ihn auch hören, ganz deutlich, sein Lachen, oder sein Brüllen, wenn er sich beschwert. Ich schwöre dir, ich habe ganze Gespräche mit ihm geführt, so wie jetzt mit dir. Aber irgendetwas hat sich verändert. Ich muss mich stark darauf konzentrieren, wenn ich ihn sehen oder hören will.«
»Dein Leben geht weiter, Han«, sagte Leia leise.
Han lachte knapp. »Mein Leben geht weiter? Ich glaube nicht. Nicht bis ich dafür gesorgt habe, dass sein Tod einen Sinn hatte.«
»Er hat Anakin das Leben gerettet«, erinnerte Leia ihn.
»Das meine ich nicht. Ich werde die Yuuzhan Vong für das zahlen lassen, was sie auf Sernpidal angerichtet haben – und für all ihre anderen Verbrechen.«
Leia wurde starr. »Ich könnte verstehen, wenn Anakin so etwas sagt, Han, weil er jung ist und noch nicht so viel Lebenserfahrung hat. Von dir möchte ich solche Sachen nicht hören.«
Er löste sich aus ihrer Umarmung. »Aus welchem Grund bist du so sicher, dass ich mehr über das Leben weiß als Anakin?«
Sie ließ die Hände sinken und erhob sich. »Darüber habe ich leider nie nachgedacht, Han.«
»Vielleicht solltest du es erst mal tun«, grollte er, ohne sich umzudrehen.
Wo Augenblicke zuvor noch Bilder der Opferung projiziert worden waren, drängten sich nun zwanzig Gefangene in einem Sperrfeld, das von zwei kleinen blutroten Dovin Basalen erzeugt und aufrechterhalten wurde. Im Zentrum der aus verschiedenen Spezies bestehenden Gruppe stand der Gotal-H’kig-Priester, dem Harrar einen baldigen Tod versprochen hatte. Der Rand des Feldes schimmerte wie das Flimmern von aufsteigender Hitze.
Während Harrar, Nom Anor, Raff, Elan und ihr Liebling von der Kommandoplattform aus zuschauten, betrat ein jugendlicher Yuuzhan-Vong-Krieger in weinfarbener Kleidung den Raum, verbeugte sich vor dem erhabenen Publikum und trat auf das Feld zu.
»Ein Attentäter«, flüsterte Elan überrascht Vergere zu.
»Noch ein Lehrling«, korrigierte Harrar. »Von dem es heißt, aus ihm könne nicht viel werden – obwohl die Aufgabe, die er nun ausführen wird, ihn in den Augen vieler erhöht.«
Die nichtmaterielle Oberfläche des Sperrfelds kräuselte sich, als der Krieger die nur in eine Richtung durchlässige Abschirmung betrat. Die Wachen in der Nähe hoben die Amphistäbe, da sie verzweifelte Übergriffe von den Gefangenen erwarteten, doch weder Angst noch Neugier brachten auch nur einen der Eingesperrten dazu, sich zu regen. Im Inneren des Feldes rührte sich auch der Krieger nicht mehr, sondern drehte sich nur leicht in Richtung des Priesters.
»Passen Sie genau auf«, sagte Harrar zu Elan.
Eine winzige Geste von Harrars rechter Hand war das Zeichen für den Attentäter zu beginnen. Zischend leerte der Jugendliche ganz gemächlich seine Lungen und bewegte sich derweil im Kreis.
Augenblicklich zeigte sich die Wirkung auf die Gefangenen. Alle wichen zurück, zunächst überrascht, dann mit verblüffter Erkenntnis und schließlich in Todesfurcht, und sie umklammerten ihre Kehlen, als wäre plötzlich jegliche Atemluft aus dem Sperrfeld gesaugt worden. Einige Gesichter nahmen eine grünliche Totenblässe an; andere wurden schwarz, wie von Feuer versengt. Glieder und Anhängsel zuckten, und manchen fiel das Fell büschelweise aus. Dann marmorierte Blut das Fleisch und sickerte langsam durch geplatzte Kapillaren. Einige der Gefangenen fielen auf die Knie und spuckten Blut; die Widerstandsfähigeren taumelten still umher, stießen gegen andere und gingen am Ende zuckend und nach Luft schnappend zu Boden.
Nur der Attentäter blieb stehen, doch nicht lange. Er wusste, dass er nicht atmen durfte, daher wollte er den abgesperrten Raum schnell verlassen, doch die Dovin Basale, welche das Feld aufrechterhielten, verweigerten ihm den Austritt. Einen Augenblick lang hastete er an den Rändern entlang, weil er ein Loch zu entdecken hoffte, das ihm die Flucht erlauben würde. Dann dämmerte ihm endlich, in welch aussichtsloser Lage er steckte. Er wandte sich Harrar zu, richtete sich zu voller Größe auf, schlug mit geballten Fäusten und gekreuzten Unterarmen an die jeweils gegenüberliegende Schulter und atmete tief ein. Aus Nase und Augen strömte Blut. Die Qualen verzerrten sein Gesicht zu einer grausigen Maske, dennoch gab er keinen Laut von sich. Sein Körper zitterte von Kopf bis Fuß und fiel der Länge nach vornüber auf das Deck.
Sofort begann das Sperrfeld von hunderten Exemplaren einer spontan entstandenen Lebensform zu wimmeln, die nicht größer als Phosflöhe war. Sie huschten über die am Boden liegenden Leichen, sammelten sich an den Rändern des Feldes und suchten so eifrig wie der Krieger nach einem Ausweg.
Harrar gab einem seiner Akolythen einen Wink, nach vorn zu gehen. »Fang ein Exemplar ein und bring es mir – aber rasch!«
Der Akolyth verneigte sich und eilte zu dem Feld. Mit einem Handschuh geschützt langte er durch die unsichtbare Barriere, holte eines der Krabbeltiere heraus, hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger und eilte zurück zur Kommandoplattform. Noch ehe er die Stufen erreichte, ließ die hektische Aktivität in dem Feld nach, als habe der Schwarm plötzlich seine Energie verausgabt und sterbe.
Der Akolyth übergab seinen winzigen Gefangenen an Harrar, der das verängstigte Ding mit den drei Fingern seiner rechten Hand Elan hinhielt, damit sie es betrachten konnte. Das Geschöpf schillerte ein wenig und war flach wie eine Scheibe, aus der drei mehrgliedrige Beinpaare ragten.
»Bo’tous«, erklärte Harrar. »Sowohl Überträger als auch Nebenprodukte des Toxins. Waren im Atem des Attentäters enthalten. In sauerstoffreicher Umgebung wachsen sie schnell, leben jedoch extrem kurz.«
»Ihre Waffe gegen die Jedi«, sagte Elan.
»Ein geübter Wirt kann viermal Bo’tous ausatmen. Außer einer hermetisch abgeschlossenen Umgebung gibt es keinerlei Schutz – selbst nicht für den Wirt. Begreifen Sie?«
»Ich begreife, dass der Wirt das Risiko eingeht, mit den Opfern zu sterben.«
»Die toxische Wirkung einer Exhalation dauert nur kurz«, fügte Nom Anor hinzu. »Die Wirtin darf sich daher nicht weit von ihrem Ziel entfernt befinden.«
»Wirtin«, betonte Elan.
Harrar blickte ihr in die Augen. »Wir würden es gern so einrichten, dass Sie von den Streitmächten der Neuen Republik gefangen genommen werden. Kommandant Tla hat sich einverstanden erklärt – wenn auch nicht begeistert –, ihnen zu diesem Zweck sogar einen Sieg zu schenken. Nachdem Sie in Gefangenschaft geraten sind, werden Sie um politisches Asyl bitten.«
Elan wirkte skeptisch. »Warum sollten Sie es mir gewähren?«
»Weil wir sie davon überzeugen werden, dass Sie es wert sind«, antwortete Nom Anor.
Harrar bestätigte dies mit einem Nicken. »Sie werden sie mit wertvollen Information versorgen. Informationen darüber, aus welchem Grund wir in ihre Galaxis eingedrungen sind und was wir hinter uns zurückgelassen haben. Außerdem berichten Sie von Differenzen innerhalb unserer Führung – von Streitigkeiten, deretwegen Sie geflohen sind. Und dann überlassen Sie ihnen noch einige Informationen von strategischer Bedeutung.«
»Weiß Kommandant Tla darüber Bescheid?«, unterbrach Raff unsicher.
»Über das meiste«, erwiderte Harrar.
»Dann muss ich Protest einlegen, Eminenz. Ich fürchte, diese Unternehmung wird uns einen zu hohen Preis kosten.«
»Ich übernehme die Verantwortung«, sagte Harrar. »Wir sollten darüber nicht in Streit geraten, Taktiker.«
Taktiker Raff gab nicht so rasch auf. »Eminenz, hat uns Exekutor Nom Anor nicht gerade darüber informiert, dass ein Jedi-Ritter einen früheren Giftanschlag überlebt hat? Aus welchem Grunde sollten Bo’tous sich als wirksam gegen einen von ihnen, geschweige denn gegen ihre Anführer erweisen?« Er blickte Elan an. »Damit will ich nichts gegen die offensichtliche Eignung des Überbringers sagen, den Sie ins Auge gefasst haben.«
Augenblicklich machten sich Zweifel auf Harrars Miene breit. »Sie machen Ihrer Position alle Ehre, Taktiker. Was schlagen Sie vor?«
Raff dachte nach. »Zumindest sollte der Infiltrant mit zusätzlichen Waffen ausgerüstet sein – was immer Exekutor Nom Anor Erfolg versprechend erscheint, falls die Bo’tous ihre Wirkung verfehlen.«
Harrar blickte Nom Anor an, der eine abschätzige Geste machte. »Überflüssig. Aber leicht zu verwirklichen. Es gibt Amphistäbe, die zu solchem Zweck leicht modifiziert und in den Körper implantiert werden können.«
Zufrieden nickte Harrar. »Fahren Sie fort, Exekutor.«
Nom Anor wandte sich Elan zu. »Unglücklicherweise kenne ich kein Mittel, das Ihren Erfolg beim Geheimdienst der Neuen Republik garantieren kann. Das hängt ganz allein von Ihnen ab. Sie müssten damit beginnen, dass Sie Informationen über die Coomb-Sporen haben, die ich eingeschleppt habe. Dabei müssen Sie jedoch darauf bestehen, dieses Wissen nur mit den Jedi zu teilen. Seien Sie gewarnt: Die Jedi besitzen eine Art göttlicher Fähigkeit. Jegliche Täuschung werden sie schnell erkennen – selbst bei jemandem, der von Kindheit an darauf gedrillt wurde, zu täuschen und zu betrügen. Deshalb ist auch ein rasch wirkendes Gift notwendig, das von einem rasch denkenden Überbringer verabreicht wird.«
Harrar reichte das zerquetschte Tierchen Elan. »Rasch, Elan, nehmen Sie es in die Hand und schließen Sie die Faust darum.«
Elan starrte ihn an. »Wenn ich das tue, habe ich mich dann einverstanden erklärt?«
Harrar erwiderte ihren Blick. »Ich werden Ihnen nicht befehlen, diese Aufgabe zu übernehmen, Elan. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.«
Elan sah Vergere an. »Wozu würdest du mir raten?«
Vergeres schräge Augen drückten Traurigkeit aus. »Ich würde Ihnen abraten, Herrin. Allerdings warten Sie schon lange auf eine solche Chance. Darauf, dass man Ihnen eine Mission überträgt, die Ihrer Fähigkeiten würdig ist. Leider kenne ich keinen direkteren Weg nach oben.«
Harrar starrte das exotische Schmusetier der Priesterin an. »Nehmen Sie sie mit, wenn Sie wollen, Elan. Vielleicht wird sie sogar hilfreich sein.«
Erneut blickte Elan Vergere an. »Würdest du mich begleiten?«
»Habe ich das jemals nicht getan?«
Elan nahm das kleine, giftige Krabbeltier in die Hand und schloss die langen Finger darum. Als sie die Hand wieder öffnete, hatte sie das Ding absorbiert.
»Es wird in Ihre Lungen wandern und dort heranreifen«, sagte Nom Anor lächelnd. »Sie werden schon merken, wann das Gift die maximale Wirksamkeit erreicht hat. Dann haben sie vier Atemzüge gegen so viele Jedi, wie Sie an einem Ort versammeln können.«
Elan schaute zu Harrar. »Und anschließend, Eminenz?«
»Sie meinen, was dann aus Ihnen wird?« Harrar nahm ihre zarte Hand, in der der Giftträger verschwunden war, und untersuchte sie. »Nom Anor und ich werden alles in unserer Macht Stehende tun, um ständig Ihren Aufenthaltsort zu beobachten, und dennoch kann ich Ihnen nur Erlösung, aber keine Rettung versprechen. Sollten Sie Erfolg haben, könnten Sie leicht mit den Jedi sterben oder später hingerichtet werden.«
Elan grinste schwach. »Diese Entscheidung liegt also bei mir.«
Harrar tätschelte ihre Hand. »In der nächsten Welt dürfen Sie Ihre Belohnung erwarten, Elan. Ich beneide Sie darum, dass Sie kurz davor stehen, dorthin zu gehen.«
Geschützt von Kshyy-Gebüschen und den Sicherheitswächtern der Wookiees stand der Millennium Falke auf der Landeplattform Thiss, Seite an Seite mit der Raumfähre, mit der Luke, Jacen, Anakin und Lowbacca nach Kashyyyk geflogen waren. Ein horizontal abgesägter Wroshyr-Ast dicht am Stamm bildete die feuergeschwärzte Plattform am Rande von Rwookrrorro, die groß genug war, um ein Passagier-Linienschiff aufzunehmen, doch der Falke und die kleine Raumfähre hatten den gesamten Platz für sich. Nicht erst seit Chewbacca den Falken während der Yevethan-Krise nach Kashyyyk geflogen hatte, zog die Stadt viele Besucher, Touristen und Abenteurer an. Von Karyntora, Northaykk, den Wartaki-Inseln und der fernen Thikkiiana-Halbinsel kamen sie, meist in der Hoffnung, einen Blick auf Luke, Han oder Leia werfen zu können oder zumindest den corellianischen YT-1300-Frachter zu sehen, der durch Chewbacca und Han berühmt geworden war.
Wie ein Taurill, der sich einen Weg durch ein Feld üppig wachsender Zottelfarne sucht, drängte sich Han durch eine Ansammlung von Wookiees, die alle nur eins im Sinn hatten: ihm so kräftig auf die Schulter zu klopfen, dass sie ihm fast das Rückgrat brachen, oder ihm mit einer Umarmung den Brustkorb einzudrücken. Als er endlich den abgesperrten Bereich um den Falken erreichte, sah er aus wie jemand, der etliche Runden zu viel in einem Schwerkraftsimulator gedreht hatte. Leia, Luke, die Kinder und die Droiden warteten am Fuß der herabgelassenen Bordrampe.
»Dad, wollten wir nicht erst morgen aufbrechen?«, fragte Jaina ihren Vater.
»Kleine Änderung im Plan«, murmelte er. »Habt ihr das Schiff startklar?«
»Ja, aber…«
»Dann alle Mann an Bord und weg von hier.«
»Warum die Eile, Han?«, wollte Luke wissen und trat ihm in den Weg. Die Kapuze seiner Jedi-Robe hing hinten herab, am Gürtel, mit dem er die schwarze Robe zusammengebunden hatte, trug er sein Lichtschwert. »Müssen wir schnell etwas erreichen oder laufen wir vor etwas davon?«
Han blieb abrupt stehen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Leia zusammenzuckte und sich abwandte. »Was soll das nun wieder?«, fragte er Luke.
Lukes Miene verriet keine Gefühle. »Dringliche Geschäfte auf Coruscant?«
Han schob das Kinn vor. »Morgen, heute, welchen Unterschied macht das schon? Aber wenn du es unbedingt wissen willst, ja, dringliche Geschäfte. Eine Angelegenheit namens Yuuzhan Vong, die das Schicksal der Galaxis betrifft.«
»Han…«
»Augenblick!«, unterbrach ihn Han. Er schluckte hinunter, was immer ihm auf der Zunge lag, und begann mit beherrschter Stimme von neuem: »Luke, ich habe einfach von diesem ganzen Mitleid die Nase voll. Also lass es einfach gut sein.«
»Wie du möchtest, Han.«
Schon auf dem Weg die Rampe hinauf, blieb Han stehen und drehte sich um. »Eins will ich dir noch sagen: Ich weiß nicht, wer schlimmer ist: die anderen, die mich alle unbedingt aufheitern wollen, oder du mit deiner Wichtigtuerei. Vielleicht glaubst du, du hättest mich durchschaut, mein Freund, doch das hast du nicht. Kein bisschen. Oh, ich weiß, du hast ebenfalls Freunde und Familienangehörige verloren, und jetzt ist Mara auch noch krank geworden, aber Chewie hat sein Leben für meinen Sohn gegeben, darin besteht der Unterschied. Davon hast du keine Ahnung, Luke.«
»Ich habe überhaupt nicht behauptet, ich hätte eine Ahnung«, erwiderte Luke ruhig. »Nur, wie du ganz richtig sagst, kenne ich mich schon ein wenig mit Trauer aus.«
Han hielt die Hände in die Höhe. »Fang mir jetzt nicht mit der Macht an – nicht jetzt. Vor langer Zeit habe ich dir einmal gesagt, dass ich nicht an diese eine Kraft glaube, die alles kontrolliert, und vielleicht habe ich am Ende Recht behalten.«
»Nach allem, was wir durchgemacht haben?«
»Was wir durchgemacht haben«, gab Han zurück und hielt ihm den Zeigefinger vors Gesicht, »hat viel mehr mit Blasterfeuer als mit Fechtkunst zu tun, und das weißt du ganz genau.«
»Es war die Macht, die das Imperium gestürzt hat.«
»Und wie hilft mir das im Moment weiter?« Han blickte in die Runde, zu Leia, den drei Kindern, Lowbacca, C-3PO und R2-D2, denen offensichtlich unbehaglich zumute war. »Die Fähigkeiten eines Jedi oder die Löschfunktion eines Droiden besitze ich leider nicht. Ich bin nur ein normaler Kerl mit normalen Gefühlen und einem Haufen Macken. Und Chewie kann ich nicht sehen. So wie du behauptest, Obi-Wan, Yoda und deinen Vater gesehen zu haben. Mir stärkt die Macht nicht den Rücken.«
»Natürlich tut sie das, Han. Das versuche ich dir doch gerade zu erklären. Du musst nur deine Wut und Verbitterung fallen lassen, dann wirst du Chewie sehen.«
Hans Mund öffnete und schloss sich. Han machte auf dem Absatz kehrt, eilte die Rampe hinauf, blieb erneut stehen und kehrte wieder um. »Ich bin nicht bereit, darauf reinzufallen«, knurrte er Luke im Vorbeigehen an.
»Han!«, rief Leia.
Er drehte sich um, schaute aber durch sie hindurch zu Jaina. »Bringt den Falken nach Coruscant.«
Jaina riss die Augen auf. Nachdem sie heftig geschluckt hatte, stammelte sie: »Und du?«
»Ich werde schon einen Weg finden zurückzukommen«, rief er ihr über die Schulter zu, während er davonmarschierte.
In der Kommandozentrale von Harrars Schiff krabbelte ein mithilfe von Gentechnik gezüchteter Vierfüßler, etwa so groß wie ein Ewok, in dem Sperrfeld hin und her, setzte seine Nase als Staubsauger ein und entfernte so die Überreste der Trägertiere, die sich nach der Exhalation des Attentäters entwickelt hatten.
Die Leichen der Gefangenen sowie des Attentäters mussten noch beseitigt werden.
Harrar und Nom Anor standen am Rande des separierten Feldes und beobachteten die Aufräumarbeiten. Elan und Vergere hatten den Raum verlassen.
»Von der erfolgreichen Durchführung des Plans hängt eine Menge ab«, merkte Harrar an.
»Mehr, als Sie sich vorstellen können«, stimmte Nom Anor zu. »Durch Präfekt Da’Garas Versagen bei Helska hat mein Ansehen ebenfalls erheblich gelitten.«
»Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen, Exekutor.«
Nom Anor neigte dankbar den Kopf. »Glauben Sie, Elan wird sich entschließen, mit den Jedi zu sterben, oder hat sie irgendeine Chance, dass die Neue Republik ihr Leben schont?«
»Ich vermute, sie wird den Tod mit den Jedi wählen.«
»Und sind Sie deswegen besorgt? Schließlich ist ihre Domäne sehr mächtig. Ihr Vater genießt immerhin das Vertrauen des höchsten Oberherrn Shimrra, nicht wahr?«
»Er ist ein Hohepriester«, antwortete Harrar und seufzte. »Nur Elan kann diese Aufgabe erledigen. Ich werde ihren Tod betrauern. Doch häufig muss man den Köder opfern, um die Beute zu fangen.«