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Falls das Zentralgestirn des Systems von den Ereignissen, die sich auf dem vierten seiner Planeten und in dessen näherer Umgebung zugetragen hatten, in Mitleidenschaft gezogen worden war, so ließ sich dies mit bloßem Auge nicht erkennen. Während der Stern den nahen Raum in goldenes Licht tauchte, wirkte er ebenso unbekümmert wie vor der Schlacht. Nur die eroberte Welt hatte gelitten, wie die zerstörte Oberfläche im schräg einfallenden Sonnenlicht zeigte. Einstmals grüne, blaue oder weiße Gebiete erschienen jetzt aschgrau oder rotbraun. Unter gehetzten Wolken stieg Rauch von ausgelöschten Städten und ehemals grünen Wäldern auf, in denen Feuerstürme gewütet hatten. Dampf erhob sich aus überhitzten Gletscherseen und seichten Meeren.

Durch diesen Schleier aus Asche, Dampf und Rauch zog das Kriegsschiff dahin, das die Hauptverantwortung für die Verwüstungen trug. Die schuppige, schwarze Oberfläche des eiförmigen Gefährts aus massiven Yorik-Korallen wurde an manchen Stellen von weicherem Material aufgelockert, das wie Vulkanglas glänzte. In den Vertiefungen verbargen sich Raketenwerfer und Plasmawaffen. In anderen, eher kraterähnlichen Löchern waren die Laser absorbierenden Dovin Basale untergebracht, die das Raumfahrzeug antrieben und vor Schaden schützten. An Bug und Heck ragten blutrote und kobaltblaue Arme wie Tentakel hervor, an denen Jäger hingen. Kleinere Schiffe umschwirrten summend das große. Manche erledigten Reparaturen in beschädigten Bereichen, andere luden leere Waffensysteme, und einige wenige brachten Plündergut von der versengten Planetenoberfläche nach oben.

Ein ganzes Stück abseits des Schlachtfelds schwebte ein kleineres Schiff, das aussah wie ein polierter und facettierter Edelstein. In bestimmten Intervallen pulsierte ein Licht durch das Schiff und leuchtete nacheinander in verschiedenen Schattierungen auf, als würden Informationen von einem Sektor in den nächsten transferiert.

In einer Kanzel an der Unterseite des eckigen Bugs saß eine hagere Gestalt im Schneidersitz auf Polstern und begutachtete das Treibgut, das eine launische Gravitationsströmung in seine Nähe geweht hatte: Stücke von Großkampfschiffen und Sternjägern der Neuen Republik, den Rumpf eines zivilen Fahrzeugs, der Beschriftung zufolge die Penga Rift.

Nicht weit entfernt schwebte das verkohlte Skelett einer Verteidigungsplattform. An einer Seite drehte sich ein Kreuzer auf einer kleiner werdenden Umlaufbahn und ergoss seinen Inhalt in den luftleeren Raum wie ein Topf mit einem Riss, aus dem Körner rieseln. An einer anderen Stelle wurde ein Transportschiff, das auf der Flucht von dem riesigen Stachel eines aufgeblähten Kaperschiffs geschnappt worden war, zu einem gigantischen Kriegsschiff geschleppt.

Die sitzende Gestalt betrachtete dies alles ohne Freude und ohne Bedauern. Diese Verwüstungen waren von den Umständen diktiert worden. Was geschehen war, hatte geschehen müssen.

Ein Akolyth stand im hinteren Teile der Kommandokanzel und übertrug die neuesten Berichte, die von einem schmalen, lebendigen Apparat empfangen wurden, der mit sechs Insektenbeinen an der Innenseite seines Unterarms befestigt war.

»Der Sieg gehört uns, Eminenz. Unsere Luft- und Bodentruppen haben die wichtigsten Bevölkerungszentren eingenommen, und ein Kriegskoordinator hat sich auf der Oberfläche niedergelassen.« Der Akolyth schaute auf den Empfänger-Villip an seinem Arm, dessen sanfte Biolumineszenz das karge Licht in der Kanzel beträchtlich verstärkte. »Kommandant Tlas Taktiker ist der Meinung, die Sternenkarten und die historischen Daten, die hier gespeichert wurden, werden sich für unseren Feldzug als überaus wertvoll erweisen.«

Der Priester, Harrar, blickte hinüber zum Kriegsschiff. »Hat der Taktiker Kommandant Tla seine Gefühle wissen lassen?«

»Unser Eintreffen missfällt dem Kommandanten, Eminenz. Zwar leugnet er die Notwendigkeit von Opfergaben nicht, doch macht er geltend, dass der Feldzug bislang auch ohne religiöse Aufsicht von Erfolg gekrönt war. Er fürchtet, unsere Gegenwart könne ihm bei der Erfüllung seiner Aufgabe hinderlich sein.«

»Kommandant Tla übersieht dabei, dass wir dem Feind an verschiedenen Fronten gegenübertreten müssen«, erwiderte Harrar. »Man kann jeden Gegner besiegen, aber Unterwürfigkeit ist keine Garantie, dass man ihn für den Glauben gewonnen hat.«

»Soll ich das wirklich dem Kommandanten übermitteln, Eminenz?«

»Das ist nicht Ihre Pflicht. Überlassen Sie das mir.«

Harrar, ein Mann mittleren Alters, erhob sich und trat an den Rand des polygonalen, durchsichtigen Bereichs, wo er stehen blieb und die Hände mit den drei Fingern hinter dem Rücken faltete – die fehlenden Glieder hatte er bei Weihezeremonien und Ritualen geopfert und auf diese Weise seinen Aufstieg erst möglich gemacht. Seine hohe schlanke Gestalt war in geschmeidige Stoffe mit gedämpften Farbtönen gehüllt. Ein gemustertes Kopftuch, das auf traditionelle Weise geknotet war, hielt seine langen schwarzen Zöpfe im Zaum. Im Nacken sah man, wie sich die Wirbel durch die dünne Haut drückten.

Unter ihm drehte sich der Planet.

»Wie heißt diese Welt?«

»Obroa-skai, Eminenz.«

»Obroa-skai«, sagte Harrar grübelnd vor sich hin. »Was bedeutet der Name?«

»Zur Zeit ist die Bedeutung noch unklar. Obwohl man in den erbeuteten Daten sicherlich die richtige Erklärung finden wird.«

Harrar tat die Angelegenheit mit einem Wink ab. »Jetzt spielt es auch keine Rolle mehr.«

Das Aufblitzen einer Waffe am Terminator von Obroa-skai, der Grenzlinie zwischen Licht und Schatten, zog Harrars Blick auf sich. Ein Yorik-Korallen-Kampfschiff schob sich ins Licht und feuerte vom Heck auf ein Quartett Sternjäger mit stumpfer Schnauze, die es augenscheinlich von der dunklen Seite des Planeten verjagt hatten. Die kleinen X-Flügler näherten sich rasch, ihre Triebwerke glühten, und von den Flügelspitzen schossen Energiestrahlen auf das größere Schiff. Harrar hatte gehört, die Piloten der Neuen Republik seien geschickt darin, Dovin Basale zu täuschen, indem sie Frequenz und Stärke ihrer Laserblitze ständig variierten. Die vier Jäger verfolgten das Yuuzhan-Vong-Kampfschiff mit einer Zielstrebigkeit, die auf äußerste Selbstbeherrschung schließen ließ. Solch erbitterte Zuversicht sagte einiges über ihre Qualitäten aus, welche die Yuuzhan Vong im weiteren Verlauf der Invasion nicht unterschätzen durften. Zu leicht vergaß man den feinen Unterschied, und der Kriegerkaste musste man klar machen, dass im Glauben des Feindes der Überlebenswille ebenso fest verankert war wie der Tod im Glauben der Yuuzhan Vong.

Das Kampfschiff hatte die Richtung geändert, stieg auf und wollte sich anscheinend in den Schutz von Kommandant Tlas Kriegsschiff begeben. Doch die vier Sternjäger hatten sich entschlossen, es nicht ziehen zu lassen. Sie lösten ihre Formation auf, beschleunigten und zogen die Schlinge um das Kampfschiff enger.

Die X-Flügler-Piloten führten ihr Manöver mit beeindruckender Präzision durch. Sie schossen Laserblitze und leuchtend pinkfarbene Torpedos ab und stellten so die Stärke der Dovin Basale des Kampfschiffs auf die Probe. Für jeden Blitz oder Torpedo, der von den Schwerkraftanomalien der Dovin Basale geschluckt wurde, erreichte ein weiterer sein Ziel und schlug ein Loch in den Rumpf, wobei in alle Richtungen Bruchstücke der rötlich-schwarzen Yorik-Korallen flogen. Wie gelähmt von den unaufhörlichen Einschlägen schwankte das Kampfschiff, hoffte auf einen Augenblick der Ruhe, den ihm die Sternjäger jedoch nicht gönnten. Blaue Energiestöße hämmerten auf das Schiff ein und brachten es von seinem Kurs ab. Die Funktion der Dovin Basale wurde mehr und mehr gestört. Da eine Verteidigung immer hoffnungsloser erschien, lenkte das Schiff die Energie in die Waffensysteme und ging zum Gegenangriff über.

In einer verzweifelten Machtdemonstration eröffnete ein Dutzend Gefechtsstände sein goldenes Vergeltungsfeuer. Aber die Sternjäger waren schlicht zu schnell und zu beweglich. Ein ums andere Mal wichen sie aus und bestrichen den plötzlich verwundbaren Rumpf des Kampfschiffs mit ihren Salven. Die Innereien des Schiffes spritzten aus tiefen Wunden und von Lasern hervorgerufenen Rissen. Die Zerstörung eines Plasmawerfers löste eine Kettenreaktion aus, an der Steuerbordseite folgte eine Explosion der anderen. Geschmolzene Yorik-Korallen blieben hinter dem Schiff zurück wie ein Kondensstreifen. Blendendes, grelles Licht leuchtete im Herzstück auf. Das Schiff wälzte sich auf den Bauch und verlor an Geschwindigkeit. Dann schüttelte es sich ein letztes Mal und verschwand in einem Feuerball, der kurz darauf verglüht war.

Zunächst sah es aus, als würden die X-Flügler nun das große Kriegsschiff selbst attackieren, doch die Piloten ergriffen im letzten Moment die Flucht. Vom Kriegsschiff wurden etliche Salven abgefeuert, allerdings fand keine ihr Ziel.

Harrars gefurchtes Gesicht war starr wie eine schattenhafte Maske, als er sich zu dem Akolythen umdrehte. »Schlagen Sie Kommandant Tla vor, dass seine eifrigen Bordschützen den Kleinen die Flucht gestatten sollen«, sagte er mit erstaunlicher Gelassenheit. »Schließlich muss jemand davon berichten können, was sich hier ereignet hat.«

»Die Ungläubigen haben hart gekämpft und sind tapfer gestorben«, wagte der Akolyth einzuwerfen.

Harrar drehte sich ganz zu ihm um, und seine tief liegenden Augen funkelten amüsiert. »Habe ich da Respekt vernommen?«

Der Akolyth senkte demütig den Kopf. »Nur eine Beobachtung meinerseits, Eminenz. Um meinen Respekt zu erlangen, hätten sie willig die Wahrheit erkennen müssen, die wir ihnen bringen.«

Ein Bote von niedrigem Rang betrat die Kanzel und salutierte, indem er die gekreuzten Fäuste gegen die Schultern schlug. »Belek tiu, Eminenz. Ich komme mit der Nachricht, dass die Gefangenen versammelt sind.«

»Wie viele?«

»Einige hundert. Möchten Sie die Auswahl für das Opfer beaufsichtigen?«

Harrar richtete sich auf und strich seine elegante Robe glatt. »Mit größtem Vergnügen.«

 

Die durchsichtige Luke der Transportröhre führte in einen riesigen Frachtraum, der mit Gefangenen gefüllt war, die man auf Obroa-skai oder im Luftraum darüber gemacht hatte. Harrars Gefolge aus Leibwachen und Begleitern betrat den Frachtraum vor dem Priester selbst, der auf einem Schwebekissen hockte, ein Bein unter sich geschoben hatte und das andere über der Kante baumeln ließ. Der pulsierende Dovin Basal, der das Kissen in den Schwebezustand versetzte, reagierte auf Harrars leise Kommandos und stieg fast bis zur Gewölbedecke des Raumes auf, als der Priester mehr Höhe verlangte, schob sich auf das eine oder andere entfernte Schott zu, als Harrar vorwärts fahren wollte, und führte auf Befehl das gleiche Manöver rückwärts durch.

Der Frachtraum, der von biolumineszenten Flächen an Wänden und Decke beleuchtet wurde, war in mehrere getrennte Sperrfelder aufgeteilt, die in zwei parallelen Reihen angeordnet waren und von größeren Dovin Basalen erzeugt wurden. Gedrängt standen hier Schulter an Schulter Gelehrte und Forscher von einer großen Anzahl sowohl menschlicher als auch anderer Welten – Bothans, Bith, Quarren und Caamasi –, die in einem Wirrwarr von Sprachen schnatterten, während Wachen in schwarzer Uniform und mit Amphistäben die Verteilungsprozedur beaufsichtigten. Da der Frachtraum eher für die Versorgung der Korallenskipper und weniger für lebende Fracht gedacht war, roch es hier unerträglich nach natürlichen Ausdünstungen, Blut und Schweiß.

Und vor allem lag der Gestank von Angst in der Luft.

Harrar schwebte auf seinem Kissen und betrachtete die Szenerie unter seiner Kapuze hervor. Sein Gefolge blieb hinter ihm zurück, so dass nun der Weg durch den Mittelgang für ihn frei war und er die Gefangenen auf beiden Seiten inspizieren konnte. Um die ersten beiden Sperrfelder zu erreichen, musste der Priester jedoch einen großen Einstiegsschacht umgehen, der über und über mit konfiszierten Droiden gefüllt war, deren mechanische Glieder, Zubehörteile oder sonstige Auswüchse sich vollkommen verknäult hatten.

Als Harrar vor diesem kleinen Berg aus Maschinen den Befehl zum Anhalten gab, erzitterten die obersten Droiden unter seinem prüfenden Blick. Begleitet vom ständigen Surren der Servomotoren fuhren halbkugelförmige, rechteckige oder menschenähnliche Köpfe herum, Audiosensoren richteten sich auf und unzählige Photorezeptoren stellten sich scharf. Dabei kam es zu einem Lawinenabgang, der mehrere Maschinen kreischend kopfüber zum Fuß der Berges unter Deck poltern ließ.

Harrars neugieriger Blick fiel auf einen verdrehten Protokolldroiden, dessen rechter Oberarm mit einem bunten Stoffband umwickelt war. Er befahl dem Kissen, ihn zu dieser bewegungsunfähigen Maschine zu bringen. »Weshalb haben manche dieser abscheulichen Dinger eine Vorliebe für Kleidung?«, fragte er seinen obersten Diener.

»Sie haben als Forschungsassistenten gedient, Eminenz«, erklärte der Diener. »Die Bibliotheken von Obroa-skais durften nur betreten wurden, wenn man in einem Vertragsverhältnis mit ausgebildeten Forschern stand. Das Zeichen auf dem Armband der Maschine symbolisierte das so genannte Obroanische Institut.«

Harrar zeigte sich entsetzt. »Wollen Sie damit sagen, dass ernsthafte Forscher sich mit diesen Maschinen auf eine Stufe gestellt haben?«

Der Diener nickte knapp. »Offenbar ja, Eminenz.«

Auf Harrars Miene zeichnete sich Verachtung ab. »Wenn man einer Maschine erlaubt, sich selbst als gleichgestellt zu betrachten, wird sie bald zu der Überzeugung kommen, überlegen zu sein.« Er streckte den Arm aus, riss dem Droiden das Band vom Arm und warf es auf das Deck. »Sucht eine repräsentative Auswahl dieser Monstrositäten für das Opfer zusammen und verbrennt den Rest«, befahl er.

»Wir sind erledigt«, jammerte eine erstickte synthetische Stimme tief im Innern des Haufens.

Arme unterschiedlicher Länge, Farbe und Hautstruktur, diesmal jedoch von Lebewesen, reckten sich Harrar flehend entgegen, als ihn das Kissen zum vorderen Sperrfeld trug. Manche der Gefangenen bettelten um Gnade, die meisten hingegen schwiegen in düsterer Vorahnung. Harrar begutachtete sie gleichgültig, bis sein Blick zufällig auf einen pelzigen Humanoiden fiel, aus dessen vorgewölbten Brauen ein Paar beringter, kegelförmiger Hörner ragte. Die haarlosen Hände und Füße waren von schwerer körperlicher Arbeit rau und schwielig geworden, doch in den klaren Augen offenbarte sich die Intelligenz dieses Wesens. Der Humanoide trug ein sackähnliches, zerlumptes Gewand, das bis zu den Knien reichte und an der Hüfte von einer aus Naturfasern geflochtenen Kordel zusammengehalten wurde.

»Welcher Spezies gehörst du an?«, fragte Harrar in makellosem Basic.

»Ich bin ein Gotal.«

Harrar deutete auf das gegürtete Sackgewand. »Deine Tracht passt eher zu einem Büßer als zu einem Gelehrten. Zu welchem von beiden würdest du dich zählen?«

»Ich bin beides und gleichzeitig weder das eine noch das andere«, sagte der Gotal absichtlich vieldeutig. »Ich bin ein Priester der H’kig.«

Harrar drehte sich begeistert auf seinem Kissen um und wandte sich seinem Gefolge zu. »Was für ein Glück. Wir haben einen Heiligen in unserer Mitte.« Er richtete den Blick wieder auf den Gotal. »Erzähl mir etwas über deine Religion, H’kig-Priester.«

»Was interessiert Sie an meinem Glauben?«

»Nun, wir üben den gleichen Beruf aus. Es wäre sozusagen ein Gespräch von einem Priester zum anderen.«

»Wir H’kig schätzen das einfache Leben«, sagte der Gotal.

»Ja, aber mit welchem Ziel? Um eine reiche Ernte einzufahren, um euch selbst zu erhöhen, um euch einen Platz im Leben nach dem Tode zu sichern?«

»Tugend ist ein Lohn an sich.«

Harrar sah ihn verdutzt an. »Und das behaupten eure Götter?«

»Es ist einfach nur unsere Wahrheit – eine unter vielen.«

»Eine unter vielen. Und welche Wahrheit haben die Yuuzhan Vong dir gebracht? Beteure, dass du unsere Götter anerkennst, und ich bin möglicherweise geneigt, dir das Leben zu schenken.«

Der Gotal starrte ihn leidenschaftslos an. »Nur ein falscher Gott kann so versessen auf Tod und Zerstörung sein.«

»Dann stimmt es also: Ihr fürchtet den Tod.«

»Vor einem Tod, den ich im Namen der Wahrheit, der Erlösung vom Leiden oder der Verbannung des Bösen erleide, habe ich keine Angst.«

»Leiden?« Harrar lehnte sich bedrohlich zu ihm vor. »Gestatte mir, dir etwas über Leiden zu erzählen, Priester. Der Schmerz ist die wichtigste Stütze im Leben. Jene, die diese Wahrheit erkannt haben, begreifen den Tod als Erlösung vom Leiden. Deshalb gehen wir gern in den Tod, denn wir haben uns mit unserem Schicksal abgefunden.« Er ließ den Blick über die Gefangenen schweifen und hob die Stimme. »Wir verlangen von niemandem mehr als von uns selbst: nämlich jene Opfer, die die Götter bei der Schöpfung des Kosmos erbracht haben, wieder gutzumachen. Wir bieten ihnen Fleisch und Blut, damit sie ihre Arbeit fortsetzen.«

»Unser Gott verlangt keinen anderen Tribut als gute Taten«, entgegnete der Gotal.

»Taten, von denen man Schwielen an den Händen bekommt«, sagte Harrar angewidert. »Wenn mehr von euch nicht erwartet wird, wen wundert es da, dass eure Götter euch verlassen haben, als ihr sie am dringendsten gebraucht habt.«

»Wir wurden nicht verlassen. Schließlich haben wir immer noch die Jedi.«

Zustimmendes Gemurmel breitete sich unter den Gefangenen aus, zurückhaltend zunächst, dann immer zuversichtlicher.

Harrar betrachtete die unterschiedlichen Gesichter: die mit wulstigen und die mit dünnen Lippen, die faltigen und die glatten, die haarlosen und die zotteligen, die gehörnten und die pelzigen. In ihrer Heimatgalaxis hatten die Yuuzhan Vong versucht, solche Vielfalt zu unterdrücken, hatten Kriege begonnen, die Jahrtausende wüteten und unzählige Völker und Welten ausradierten. Diesmal jedoch gingen die Yuuzhan Vong nach einem umsichtigeren Plan vor und vernichteten nur jene, die einer Reinigung im Wege standen.

»Diese Jedi, sind das eure Götter?«, erkundigte sich Harrar schließlich.

Der Gotal ließ sich mit der Antwort einen Augenblick Zeit. »Die Jedi-Ritter sind die Bewahrer von Frieden und Gerechtigkeit.«

»Und diese ›Macht‹, von der ich gehört habe – wie würdest du sie beschreiben?«

Der Gotal grinste schwach. »Das ist etwas, was Sie niemals in die Hände bekommen werden. Obwohl ich, wenn ich es nicht besser wüsste, glauben würde, Sie würden der dunklen Seite der Macht entstammen.«

Damit war Harrars Interesse geweckt. »Die Macht hat eine lichte und eine dunkle Seite.«

»Wie alle Dinge.«

»Und was seid ihr im Vergleich zu uns? Bist du sicher, dass ihr das Licht verkörpert?«

»Ich weiß nur, was mein Herz mir sagt.«

Harrar überlegte. »Dann geht es bei dieser Auseinandersetzung um mehr als nur einen armseligen Krieg. Es ist ein Streit der Götter, in dem du und ich nur Werkzeuge sind.«

Der Gotal hielt den Kopf aufrecht. »Das mag sein. Aber das letzte Urteil ist bereits gefällt.«

Harrar lächelte höhnisch. »Hoffentlich tröstet dich dieser Glaube in deiner letzten Stunde, Priester – die, wie ich dir versichern kann, kurz bevorsteht.« Erneut wandte er sich an die Masse der Gefangenen. »Bis jetzt haben eure Spezies nur die Krieger und die Politiker der Yuuzhan Vong kennen gelernt. Heute jedoch sollt ihr am eigenen Leib erfahren, dass diejenigen eingetroffen sind, die über euer Schicksal entscheiden werden.«

Er winkte sein Gefolge nach vorn. »Diese Macht ist eine eigenartige, widerspenstige Religion«, sagte er leise, nachdem einer seiner Diener an sein Dovin-Basal-Kissen herangetreten war. »Wenn wir hier herrschen wollen, müssen wir herausfinden, wie sie diese vielen Individuen miteinander verbindet. Und wir müssen die Jedi-Ritter ein für alle Mal bezwingen.«