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Auf Coruscant betrat Han besorgt die Landebucht 3733 von Eastport und berührte den an der Wand angebrachten Schalter. Ein Leuchtring, der konzentrisch zum inneren Rand der Andockbuchtkuppel verlief, flammte auf und tauchte den Millennium Falken in grelles Licht. Durch die vielen Verbindungen zu den verschiedenen Diagnose- und Überwachungsgeräten sah das Schiff aus wie ein Patient auf der Intensivstation. Der Leuchtring summte laut, und die Luft roch schwach nach Ozon. Der Boden war mit Schmieröl, Brandflecken und Sprühfarben übersät.
Bucht 3733 war an einen gewissen Vyyk Drago vermietet, doch trotz Hans Bemühungen, die Sache geheim zu halten, wusste fast der gesamte Verwaltungsbezirk von Coruscant darüber Bescheid, dass der Falke hier untergebracht war. Vor einer Woche hatte Jaina das Schiff exakt auf den verblassten roten Landekreis gesetzt. Nachdem, was auf Kashyyyk passiert war, hatte Han diese Zeitspanne gebraucht, um Mut zu sammeln und den Falken aufzusuchen. Drei Tage an Bord eines schrottreifen Frachters hatten ihm auch nicht weitergeholfen.
Während er jetzt auf den kastenförmigen Bug des Falken zuschritt, erinnerte er sich daran, wie er zum ersten Mal einen Blick auf das Schiff geworfen hatte, vor nunmehr fast dreißig Jahren auf der Hutt-Welt Nar Shaddaa. Damals hatte es Lando gehört, der es gewonnen hatte, und zwar, so erzählte man sich, bei einem Sabaccspiel in Cloud City auf Bespin. Obwohl Han bereits unzählige YT-1300 gesehen hatte, war es hier Liebe auf den ersten Blick gewesen, denn der Falke hatte etwas Einzigartiges an sich. Es versprach nicht nur eine erstaunliche Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit, sondern war offensichtlich gebaut, um Abenteuer zu bestehen, und stolz auf seine wechselhafte Vergangenheit. Han hatte den Entschluss gefasst, in den Besitz des Schiffes zu kommen, und zwar um jeden Preis.
Ironischerweise erhielt er seine Chance ausgerechnet in Cloud City bei einem viertägigen Sabacc-Turnier, wo Lando und Han sich am Ende gegenübersaßen, wobei Han einen reinen Sabacc auf der Hand hielt, während Lando nur bluffte. Da Lando knapp an Credits war, bot er eines seiner Schiffe an, worauf Han bereitwillig einging. Erschrocken über Hans Sieg versuchte Lando, ihm eines der leichteren und neueren Modelle wie den YT-2400 anzudrehen, doch Han entschied sich für den Falken.
Noch immer dachte er gern an die ersten Augenblicke im Pilotensessel, wo er voller Respekt vor der Kraft der Sublichttriebwerke und des enormen Hyperantriebs Platz genommen hatte. Es war schnell, ja, doch brauchte es noch Muskeln und Tarnung. Und so hatte ein Prozess fortwährender Modifikationen und Aufrüstungen begonnen, der zwanzig Jahre andauerte. Für Han stellte der Falke ein stets in der Entwicklung befindliches Kunstwerk dar, das niemals vollendet sein würde.
All die Jahre hindurch hatte er ihn mit seinem eigenen Leben beschützt, hatte sich um ihn gesorgt wie ein Vater und ihn vermisst. Einmal hatten sich Egome Fass und J’uoch auf Dellalt mit ihm davongemacht; dann hatte der Falke am Heck des Sternzerstörers Avenger gehangen; schließlich waren Lando und Nien Nunb mit dem Schiff gegen den zweiten Todesstern geflogen…
Maras Bereitschaft vor einigen Jahren, ihre geliebte Jades Feuer in eine Festung auf Nirauan stürzen zu lassen, war eine Entscheidung, die er niemals begreifen würde.
Bei seinem Gang um das Schiff bemerkte Han jetzt die eine oder andere Spur von Modifikationen, die er und andere vorgenommen hatten. In Shug Ninx’ »Raumdepot« in der corellianischen Sektion von Nar Shaddaa hatten Han und Chewie einen Vierlingslaser und Raketenwerfer am Bug eingebaut. Shug hatte mit einem Makroschweißgerät knapp hinter dem steuerbordseitigen Andockarm ein kleines Stück Panzerplatte von dem Sternzerstörer Liquidator angebracht.
Dank einer Gruppe illegaler Techniker, die im Korporationssektor arbeiteten, verfügte der Falke außerdem über verstärkte Deflektorschilde, Hochleistungs-Beschleunigungskompensatoren, übergroße Luken für die Korrekturtriebwerke und eine illegale Sensorphalanx. Damals hatte das Schiff die Ehre, gegen mehr Zulassungsvorschriften der Behörden des Korporationssektor zu verstoßen als jedes andere Schiff seiner Klasse.
Bei ihrem Aufenthalt auf Kashyyyk während der Yevethan-Krise hatte Jowdrrl vier transparente, optische Wandlertafeln eingebaut, um die Sichtfähigkeit nach hinten und vorn zu verbessern.
In letzter Zeit, als die verbliebenen Überreste des Imperiums langsam verschwanden – und zwar nicht durch Hans Schuld –, war der Falke zu einem freundlicheren, friedlicheren Schiff geworden. Eine Routinewartung bei einem wohlmeinenden, doch stümperhaften Bootsbauer auf Coruscant hatte fast zu einer kompletten Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands geführt. Kabel waren verlötet worden, mechanische Teile stoßsicher befestigt und elektrische Anlagen geerdet und abgesichert worden. Ein Verstärker von Sienar Systems war an die Triebwerksmatrix gekoppelt worden, ein Mark 7 an die Traktorstrahlanlage, ein Motivator der 401-Serie an den Hyperantrieb. Sensorlinsen waren ersetzt worden, Dellen ausgebeult, die Frachträume neu mit Teppich ausgelegt worden… Han hätte beinahe durchgedreht.
Ihm gefielen all die Kratzer und Narben an dem Schiffsrumpf, denn auch sein eigenes Äußeres wäre von Narben und Kratzern geprägt gewesen, gäbe es nicht Bacta-Tanks und Synthfleisch. Manchmal fragte er sich, wie er jetzt aussehen würde, wenn er alle Verletzungen normal hätte ausheilen lassen wie diejenige an seinem Kinn, die von einem Messerstich aus einem anderen Leben herrührte und eine Narbe hinterlassen hatte.
Den schlimmsten Schaden hatte der Falke jedoch vor gerade sechs Monaten erlitten, als Chewbacca den Tod gefunden hatte. Was dem Schiff nun fehlte und was es für unbestimmte Zeit am Boden festhalten würde, ließ sich nicht einfach durch eine Modifikation beheben.
Plötzlich überwältige Han die Trauer; reglos stand er unter dem sechseckigen Steuerbord-Andockring und verlor jegliches Zeitgefühl. Der Falke war so sehr mit Erinnerungen überfrachtet, so sehr eine Chronik seiner und Chewies Abenteuer und Missgeschicke, dass er das Schiff kaum anschauen, geschweige denn an Bord gehen konnte. Kurz darauf gab er trotzdem den Zugangskode mit der Fernbedienung ein, und die Schiffsrampe klappte herunter und lud ihn zum Eintreten ein.
Als er schließlich hineinstieg, fühlte er sich wie jemand, der neu gehen lernt.
Die Rampe führte direkt in den kreisförmigen Korridorring. Han blieb stehen und strich über die jetzt makellose Polsterung des Gangs. In den vergangenen fünf Jahren war der Falke ein so todschickes Schiff geworden. Die Bodenroste waren erneuert worden, die Innenbeleuchtung funktionierte, in der Kombüse gab es stets Vorräte, und in der Luft hing ein angenehmer Duft. Die abgeschirmten Schotten für Schmuggelgut vorn am Ende des Gangs zum Schacht der Leiter, in denen früher Gewürze oder Personen befördert worden waren, hatten in letzter Zeit nur noch das Gepäck für Familienausflüge beherbergt oder folkloristisches Kunsthandwerk, das Leia von Reisen für ihr Zuhause auf Coruscant mitgebracht hatte.
Han ging an der Verbindung zum Ausleger-Cockpit vorbei tiefer ins Schiff. Noch vor einem Jahr hatte er sich ernsthaft mit der Frage beschäftigt, ob er den Falken verkaufen sollte, und aus diesem Grunde hatte er damit begonnen, die vielen Extras auszubauen. Der YT-1300-Frachter war schließlich ein klassisches Modell und für Sammler fast so wertvoll wie der J-Typ 327 Nubian. Obwohl das Schiff an allen Ecken und Kanten klapperte, war es gut in Schuss – und, nicht zu vergessen, von beträchtlicher historischer Bedeutung.
Gleich zu Beginn hatten die Raketenwerfer im Bug dran glauben müssen, weil sie schon immer die Ladelukenklappen behindert hatten. Aber das war, ehe die Yuuzhan Vong wie aus dem Nichts aufgetaucht waren und die Galaxis bedroht hatten. Es war nicht auszudenken, wie viele andere außer Chewie noch im Äußeren Rand draufgegangen wären, wenn er die Vierlingslaser bereits zuvor entfernt hätte.
Han stieg in den vorderen Hauptladeraum und ließ sich niedergeschlagen in den Drehstuhl vor der Steuerkonsole fallen. Ein bunter neuer Teppich bedeckte die glatten Metallbodenplatten und die Roste an der Backbordseite – eine weitere Anpassung an die Familienausflüge. Von hier aus hatte er Luke zugeschaut, wenn der mit seinem Lichtschwert trainierte. Er wandte sich dem Dejarik-Holospielbrett zu, an dem Chewie endlose Stunden verbracht hatte und an dem Leia, Admiral Pellaeon und der jüngst verstorbene Elegos A’Kla erst vor einigen Jahren ihre Friedensverhandlungen geführt hatten.
Han wischte sich mit der Hand über das Gesicht, als könne er so die unerwünschten Erinnerungen auslöschen, dann stemmte er sich aus dem Stuhl hoch, durchquerte den Frachtraum und trat in die Wartungsnische für die Schalttafeln. Hier hatte er Leia zum ersten Mal geküsst, wobei er jäh von C-3PO unterbrochen worden war, der ihm stolz berichtete, er habe die Reversionsenergiefluss-Kopplung oder irgendein anderes verfluchtes Teil ausfindig gemacht.
Vor einer Million Jahre, sagte Han zu sich.
Er schob sich nach achtern durch die Nische und kam auf der Backbordseite des Korridorrings heraus, gegenüber dem Schlafraum, in dem Luke genesen war, nachdem er seine Hand durch einen Lichtschwerthieb seines Vaters verloren hatte.
Unter dem Kabelschacht und dem Ventilationssystem hindurch führte der Korridor zum hinteren Hauptfrachtraum, in dem mehr Veränderungen vorgenommen worden waren als in jedem anderen Teil des Schiffes. Weil der Hyperantrieb hier untergebracht war, hatte dieser Frachtraum nicht die gleiche Größe wie der vordere, und er war bereits auf vielfältigste Weise unterteilt gewesen. Mit einem Sklavenhändler namens Zlarb hatte es hier hinten ein böses Ende genommen.
Die Position der Rettungskapseln war seit den Zeiten im Korporationssektor nicht mehr verändert worden, doch die ursprünglich länglichen Kapseln mit Scharnierklappen waren durch schicke kugelförmige ausgetauscht worden, deren runde Luken sich wie eine Irisblende schlossen.
Han betrat nun den Heckkorridor und ging wieder nach vorn, wobei er an der Kabine vorbeikam, die er häufig persönlich als Quartier benutzt hatte und in der es fast zum Showdown mit Gallandro gekommen war, dem damals schnellsten Blasterschwinger der Galaxis.
Der heute tot war, wie so viele andere aus den guten alten Tagen.
Han hielt sich mit beiden Händen an den Rändern der Luke zur Kombüse fest und beugte sich in die Schiffsküche hinein. Er lachte, als er sich an den Pudding in Coramuscheln und die aromatischen Ariczungen erinnerte, die er für Leia zubereitet hatte, während er ihr querköpfig den Hof machte, obwohl er sie eigentlich am liebsten nach Dathomir gewünscht hätte.
Mit einigen weiteren Schritten hatte er den Kreis bis zum Andockarm vervollständigt. Aber anstatt auszusteigen, ging Han weiter zum Cockpit und betrat es zögernd. Er stellte sich zwischen die beiden hinteren Sitze, lehnte sich mit steifen Armen an die Konsole und betrachtete durch das fächerförmige Sichtfenster die Regale für Ersatzteile, die er mit Chewie erst vor einem Jahr draußen an der Wand der Andockbucht angebracht hatte.
Schließlich ließ er sich in den übergroßen Kopilotensessel fallen und saß dort lange Zeit mit geschlossenen Augen, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können.
Vor einem Monat war Chewie für ihn noch so lebendig gewesen, dass er beinahe das wütende Kreischen oder das fröhliche Nebelhornlachen zu hören meinte. Wann immer sich Han in den Pilotensitz setzte und nach rechts schaute, war Chewie da, lächelte ihn höhnisch an und verschränkte die Arme vor der Brust oder die Hände hinter dem Kopf.
Chewie war nicht der einzige Alien, mit dem er geflogen war – da hatte es zum Beispiel auch den Togorianer Muuurgh in den Jahren auf Ylesia gegeben –, aber nur den Wookiee hatte Han wirklich als Partner betrachtet, und er konnte sich nicht vorstellen, den Falken mit jemand anderem zu steuern. Daher konnte er das Schiff entweder einmotten wie seine BlasTech-Waffen oder es dem Kriegsmuseum der Allianz auf Coruscant stiften, wozu ihn manche Kuratoren schon seit fünfzehn Jahren drängten.
Vermutlich gehörte er selbst ebenfalls ins Museum, dachte Han. Wie der Falke war er ein Teil der Vergangenheit und heute niemandem mehr besonders nützlich.
Er seufzte tief. Das Leben ähnelte einem Sabacc-Spiel: Die Karten wurden ständig neu gemischt, und nur eines war sicher: dass man nämlich auch mit einem Bombenblatt am Ende den Pott verlieren konnte.
Instinktiv griff er unter die Konsole der Kontrollen, nach dem Metallfläschchen mit vakuumdestilliertem Jetjuice, das Chewie und er dort häufig versteckt hatten, aber das war verschwunden – entweder hatten die Kinder es irgendwo anders hingestellt, oder ein diebischer Mechaniker hatte sich daran vergangen.
Seine milde Enttäuschung verwandelte sich urplötzlich in bittere Wut, und er schlug mit der rechten Faust mehrfach auf die Konsole, bis sich seine Hand taub anfühlte. Dann legte er den Kopf in die verschränkten Arme und ließ den Tränen freien Lauf.
»Ach, Chewie«, sagte er laut.
Han war unterwegs zum Eastport-Transportzentrum, als hinter ihm jemand rief: »Slick!«
Ohne den Schritt zu verlangsamen, blickte er über die Schulter, dann blieb er abrupt stehen, fuhr herum und grinste von einem Ohr zum anderen. »Also, den Namen habe ich seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört«, sagte er zu dem stämmigen, grauhaarigen Menschen, der eilig zu ihm aufschloss.
Der Mann ergriff Hans ausgestreckte Hand und zog ihn zur Umarmung fest an sich. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, lächelte Han immer noch breit.
»Wie lange ist das jetzt her, Roa – dreißig Jahre?«
»Also, den Zeitpunkt kann ich dir nicht mehr genau sagen, aber dafür noch den Ort. Das Abflugterminal des Raumhafens von Roonadan im Korporationssektor. Du hast mit einer hübschen dunkelhaarigen Frau an der Seite darauf gewartet, an Bord der Lady of Mindor zu gehen, um nach Ammuud zu fliegen, glaube ich.«
»Fiolla von Lorrd«, antwortete Han. Er deutete mit dem Kinn auf Roa. »Du hast einen weißen Straßenanzug getragen und so eine regenbogenfarbene Schärpe…«
»Und du, mein junger Freund, hattest einen besonders wachsamen Blick aufgesetzt.« Roas blaue Augen glitzerten feucht. »Du hast mir erzählt, du wärst aus dem Geschäft ausgestiegen und würdest eine Inkassovertretung eröffnen. Han Solo & Partner, nicht? Als Nächstes ist mir dann zu Ohren gekommen, du hättest eigenhändig die Schlacht von Yavin gewonnen.«
»Nicht ganz richtig«, sagte Han. »Ich hatte Unterstützung.«
Roa strich sich über das glatt rasierte Kinn. »Und schließlich habe ich gehört, du hättest dich in Karbonid einfrieren lassen – für die Nachwelt, nahm ich damals an.«
Han kniff die Augen zusammen. »Eigentlich wollte ich Pressformen von mir vermarkten.«
Roa lachte, dann huschte leiser Tadel über sein Gesicht. »Ich habe dich davor gewarnt, dich mit den Hutts einzulassen.«
»Besser hättest du Jabba vor mir warnen sollen.«
Han betrachtete Roas askajianischen Anzug, die Chromahautstiefel und die Ringe, die funkelnd seine pinkfarbenen fetten Finger zierten. Roa war bereits der große alte Mann des Schmugglergeschäfts gewesen, als der inzwischen tote Mako Spince ihm Han auf Nar Shaddaa vorgestellt hatte. Ehrenwert, gutmütig und allzu großzügig hatte Roa schon einigen jungen Männern den Weg geebnet, unter anderem eben auch Han, dem er die Kessel-Route gezeigt hatte. Han hatte sogar eine Zeit lang für ihn gearbeitet, zusammen mit Chewie, Lando, Salla Zend und einigen anderen Kerlen von Nar Shaddaa, und war auch bei seiner Hochzeitsfeier dabei gewesen, nach der sich der alte Mann auf Drängen seiner Frau aus dem Schmugglerleben zurückgezogen hatte.
»Und, bist du immer noch im Import-Export-Geschäft tätig?«
»Habe alles verkauft – schon vor fast zehn Jahren.«
Han sah ihn sich genauer an. »Roa, du siehst aus, als wärst du seit Roonadan keinen einzigen Tag gealtert.«
»Du aber auch nicht«, erwiderte Roa und klang beinahe glaubhaft.
Daraufhin lächelte Han nur schief und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schneidezähne. »Sind nachgewachsen.« Er berührte seine Nase. »Die wurde so oft gebrochen und wieder neu gemacht, dass vermutlich kein einziges Stück Originalgewebe mehr dran ist. Dazu ist mein Gesicht noch aus dem Leim gegangen. Dieses Auge ist größer als das andere.«
»Und du meinst, ich habe mein jugendliches Aussehen auf natürliche Weise erhalten?«, fragte Roa mit theatralischer Gebärde.
»Sag mir bitte nicht, du bist ein Klon.«
Roa lachte. »Nahe dran: Verjüngungstherapie, verbunden mit einer täglichen Dosis Myostim.« Er präsentierte sein edles Profil. »Ich habe den Kosmedizinern gesagt, sie sollten mich nur so alt aussehen lassen, dass ich ein wenig vornehm wirke.«
»Und genau das ist ihnen gelungen, du alter Schurke.«
»Außerdem war die Behandlung Lwylls Idee – zum größten Teil.«
Von der blonden, eleganten Frau mit der wohlklingenden Stimme hatte Han ein klares Bild vor Augen. »Wie geht es ihr?«
Roa lächelte schwach. »Sie ist vor einigen Monaten gestorben.«
Han presste die Lippen aufeinander. »Mein Beileid, Roa.«
Roa antwortete nicht sofort. »Und mein Beileid wegen Chewbacca, Han. Ich habe sogar versucht, eine Genehmigung zu bekommen, um nach Kashyyyk zu fliegen und an der Gedenkfeier teilzunehmen, aber du weißt, wie Wookiees sein können, wenn es darum geht, einem Menschen Zutritt zu ihrem Planeten zu gewähren.«
Han nickte. »Sie haben noch lange nicht vergessen, was das Imperium ihnen angetan hat.«
»Nun, wer hätte das schon?«
Einen Moment lang schwieg Han. »Na, und was führt dich nach Coruscant? Ich dachte immer, dich zieht es in den weiten Raum hinaus.«
Roas Blick zuckte hin und her. »Um die Wahrheit zu sagen, du, Han. Eigentlich bin ich wegen dir hier.«
Han spürte, wie ihn ein Schauer durchlief. Über die Jahre hinweg war er Roa mehrfach unerwartet an den abgelegensten Orten wie Nar Shaddaa oder Roonadan über den Weg gelaufen, und daher gehörte der alte Mann zu den Leuten, die Han ungeachtet seiner weiten Reisen daran zweifeln ließen, dass die Galaxis wirklich so groß war, wie man allgemein annahm.
»So etwas hatte ich mir fast gedacht«, antwortete er schließlich.
Roa legte Han die Hände auf die Schultern. »Was hältst du davon, wenn wir irgendwo hingehen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können?«
Han nickte. »Im Transportzentrum gibt es ein Restaurant.«
Sie gingen hinein und unterhielten sich unterwegs über alte Freunde – Vonzel, Tregga, Sonniod, die Briil-Zwillinge – und über Orte, die ihnen beiden vertraut waren, wenngleich Han ganz offensichtlich mit den Gedanken woanders war. Nach all den Jahren konnte er sich noch immer an Roas Regeln erinnern: Ignoriere nie einen Hilferuf; nimm nur denen Geld ab, die reicher sind als du; spiel nicht Sabacc, solange du nicht bereit bist, deinen Einsatz zu verlieren; steuere nie im Rausch ein Schiff; und sei stets auf eine rasche Flucht vorbereitet. Allerdings bedeutete das nicht, dass er Roa uneingeschränkt vertraute.
In der Spacer’s Lounge führte der Empfangsdroide sie zu einem Tisch auf der Terrasse, wo eine Gruppe Duros und Gotals ein Schockballspiel im HoloNetz verfolgten. Zwanzig Jahre alte Jizz-Klassiker bildeten den akustischen Hintergrund. Um der guten alten Zeiten willen bestellten Han und Roa Ebla-Bier – das von Bonadan importiert wurde. Nachdem sie das erste halb geleert hatten, erkundigte sich Han nach dem Grund, weshalb Roa ihn aufgesucht hatte.
»Na, schön«, meinte Roa, stellte seine Flasche auf den Tisch und tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab. »Erinnerst du dich an einen Schmuggler von damals, einen Kerl namens Reck Desh?«
Han dachte einen Augenblick lang nach und grinste. »Ein großer, kräftiger Typ. War stolz auf seinen Körperschmuck, Piercing, Elektrum-Schmuck. Chewbacca und ich haben mit ihm zusammen einen kleinen Job erledigt und Mineralwasser von R’alla nach Rampa gebracht.« Sein Grinsen wurde breiter. »Der Falke wurde gerade von Doc Vandangante überholt, daher hast du uns dein Schiff geliehen, die Wayfarer. Reck behauptete, sie sei schneller als der Falke, und deshalb sind wir anschließend noch einmal nach Rampa, um fünfzig Kisten Gizer-Bier zu holen.«
»Und das Rennen hast du mit dem Wook spielend gewonnen.«
Han nickte. »Reck war ein hervorragender Navigator, doch als Pilot hat er mich nie beeindruckt.«
Roa trank einen Schluck und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Manchmal lernt man einen Soldaten erst richtig kennen, wenn er zum Offizier befördert wird.«
»Soll heißen?«
»Reck ist übergelaufen.«
»Übergelaufen zu wem?«
»Zum Feind, Han«, sagte Roa und beugte sich vor. »Oder zumindest zu einer Gruppe Söldner, die für die Yuuzhan Vong arbeiten.«
»Das kann nicht sein. Reck war kein Verrätertyp. Außerdem ist er prächtig mit Chewie ausgekommen. Auf gar keinen Fall würde er etwas mit den Vong zu tun haben wollen, nach dem, was sie Chewie angetan haben.«
»Vielleicht hat er von der Sache mit Chewie nichts mitbekommen. Oder möglicherweise haben sie ihm zu viele Credits geboten.« Roa hielt kurz inne. »Die Gruppe, der Reck sich angeschlossen hat, nennt sich Friedensbrigade. Es heißt, sie würden überall Ressentiments gegen die Jedi schüren und Welten erkunden, auf denen die Yuuzhan Vong wiederholen können, was sie mit Sernpidal angestellt haben.«
Han kniff gereizt die Augen zusammen. »Warum erzählst du mir das, Roa?«
Roa senkte den Blick. »Weil Lwyll auf einer der Welten umgekommen ist, auf denen die Friedensbrigade aufgeräumt hat.«
Han blieb die Stimme weg. Er starrte seinen alten Freund an.
»Wenn wir bloß einen Tag eher aufgebrochen wären«, fuhr Roa fort, ohne Han anzuschauen. »Aber ich hatte noch ein Geschäft laufen.« Er lachte kläglich, dann blickte er Han mit feuchten Augen an. »Immer die Geschäfte. Lwyll starb bei der ersten Angriffswelle der Yuuzhan Vong. Ich gehörte zu den wenigen, die lebend herausgekommen sind.«
Han schloss die Augen und schlug mit der Handkante auf den Tisch. Doch als er Roa wieder anschaute, trat Begreifen an die Stelle des Zorns. »Deshalb kommst du zu mir – es ist nicht nur eine Sache zwischen dir und Reck, sondern auch zwischen dir und mir.«
Roa wich Hans eiskaltem Blick aus. »Ich möchte nicht, dass noch irgendwer wegen Reck oder seines Haufens leiden muss. Die Yuuzhan Vong sind Meister darin, Tragödien zu inszenieren, dazu brauchen sie die Hilfe der Friedensbrigade nicht. Wenn ich mir Reck allein vorknöpfen könnte, wäre das schon geschehen, aber ich bin gebrechlicher, als ich aussehe, Han.«
»Ja, und wer könnte dir besser helfen als ich, hm? Ich, der ich gerade meinen Partner verloren habe.«
»Um es offen zu gestehen: ja.«
Han schnaubte. »Ignoriere nie einen Hilferuf, nicht wahr, Roa?« Er stand auf und ging zu dem hohen Fenster, von dem aus man hinaus auf den Startbereich des Raumhafens schauen konnte. Es verging kein Moment, in dem nicht irgendein Schiff irgendwohin losflog. Schließlich kehrte er zum Tisch zurück, drehte den Stuhl um und setzte sich rittlings drauf.
»Wo ist Reck jetzt mit seiner Truppe?«, fragte er mit gesenkter Stimme.
»Ich weiß es nicht, Han. Aber ich weiß, wo wir es herausfinden können. Der erste Anlaufpunkt wäre…«
Doch Han warf die Hände in die Höhe. »Sag’s nicht. Wenn ich nicht weiß, wo wir hinfliegen, muss ich es auch niemandem erklären.«
»Wir sollten aufbrechen, solange die Spur frisch ist«, meinte Roa.
Han zupfte an seiner Unterlippe und dachte einen Augenblick lang nach. »Hast du dein Schiff hier?«
Überrascht verzog Roa das Gesicht. »Natürlich. Aber soll ich für dich den Piloten spielen? Das wäre ja mal was Neues.«
»Ja oder nein, Roa?«
Roa machte eine versöhnliche Geste. »Versteh mich nicht falsch, Junge, ist überhaupt kein Problem. Nur habe ich natürlich gedacht, du würdest nicht auf den Falken verzichten wollen.«
Daraufhin schüttelte Han den Kopf. »Wie es ein gar nicht so dummer Droide einmal formuliert hat, ist der Falke besser für die Flucht als für den Angriff geeignet. Und außerdem ist er zu einem Geisterschiff geworden.«