23
»Sie dürfen nicht zulassen, dass sie uns finden!«, jammerte Elan Han ins Ohr, während sie sich durch die Masse der Flüchtlinge schlängelten und drängelten.
Han drehte den Kopf gerade weit genug, um ihr einen warnenden Blick zuzuwerfen. »Entweder, Sie halten den Mund, oder ich übergebe Sie denen persönlich!«
Elan sah ihn böse an.
Doch Han schnaubte lediglich. »Ist das das Beste, was Sie draufhaben?«
»Sie sollten lieber ein bisschen Respekt vor mir haben«, erwiderte sie.
»Sparen Sie sich die Drohungen auf für jemanden, den sie interessieren, Schätzchen. Ich mache nur mit, weil sich Showolter für Sie beinahe hat erschießen lassen, da er Sie anscheinend für ziemlich wichtig hält.«
»Wichtiger, als Sie glauben.«
»Das werden wir ja noch sehen. Aber im Augenblick habe ich die Verantwortung für Sie, und deshalb tun Sie, was ich sage, verstanden.«
Sie ließ sich zu einem trotzigen Nicken herab.
Obwohl der Kapitän ausdrücklich um Ruhe gebeten hat, brach überall Chaos aus. Piraten wurden selten mit Begeisterung empfangen, da jedoch die meisten Passagiere der Queen die Yuuzhan Vong bereits aus erster Hand kennen gelernt hatten, war alles noch schlimmer. Die meisten versuchten, sich in Abstellräumen, Luftschächten, Frachtcontainern und den kleinen Wandschränken der Kabinen auf den unteren Decks zu verstecken. Dies hatte zur Folge, dass massenweise Passagiere und Mannschaftsmitglieder die Gänge und die Transferschächte zwischen den Decks verstopften. Viele stürzten zu den Rettungskapseln, die allerdings blockiert waren; andere stürmten zu den oberen Decks, wo sie jedoch von bewaffneten Schiffsoffizieren zurückgewiesen wurden. Mit der deutlichen Absicht, die Einsicht zu ignorieren, dass Aufgabe gegen Piraten die beste Überlebensstrategie ist, verwandelten die Flüchtlinge die Queen in eine übervölkerte Katakombe.
Trotz allem schafften es Han und seine Begleiter zum Deck mit den Andockbuchten, wo das Durcheinander nicht ganz so groß war wie auf den anderen Ebenen. Schlimmstenfalls, so redete sich Han die ganze Zeit ein, würde er jetzt bald in der gleichen Klemme sitzen wie Roa und Fasgo.
Von einer Backbordkuppel aus konnte man die Ankunft des Piratenschiffs beobachten, das sich von achtern näherte. Es schien sich um ein langes, zylinderförmiges Schiff zu handeln, das von der Größe her einem alten Blockadebrecher ähnelte.
Während es sich langsam in Reichweite der Außenbordbeleuchtung der Queen schob, entdeckte Han – zu seinem größten Erstaunen –, dass es sich bei dem Schiff tatsächlich um eine alte corellianische Korvette handelte, die allerdings stark umgebaut worden war und eine Lackierung erhalten hatte, die kaum Licht reflektierte. Zusätzlich zu den Standardturbolaserbatterien an Heck und Unterseite trug das fassförmige Schiff an den Seiten Taim-&-Bak-H9-Kanonen, und die Kuppel, in der normalerweise die Kommunikationsanlage untergebracht war, hatte man erweitert und einen Störfeldgenerator von beträchtlichen Ausmaßen eingebaut – oder den Dovin Basal der Yuuzhan Vong, der die Queen aus dem Hyperraum geholt hatte.
Drei zwanzig Jahre alte Shuttles der Martial-Klasse lösten sich aus dem Bauch der Korvette und hielten auf das Andock-Deck an der Unterseite der Queen zu. Die Triebwerke der Korvette flammten auf, um sie auf die Luftschleuse des Liners an Backbord auszurichten, und Han konnte die Steuerbordseite betrachten, wo sich hinter dem Cockpit-Modul am mattierten Rumpf das Symbol der Friedensbrigade befand, die beiden ineinander greifenden Hände.
Die Worte von Big Bunjis aqualischanischem Leutnant kamen ihm in Erinnerung. Sie haben eine Operation auf Bilbringi geplant.
»Reck!«, sagte Han verblüfft zu sich selbst.
Die Friedensbrigade war hinter den Überläufern her. Reck befand sich möglicherweise schon an Bord der Queen, dachte er. Mit ein bisschen Glück war der Söldner sogar derjenige, den Showolter angeblich getötet hatte.
»Warum stehen wir hier herum?«, fragte Elan besorgt. »Der Söldner, der entfliehen konnte, wird nach uns suchen.«
»Das ist kein Yuuzhan-Vong-Schiff«, erklärte Han ihr.
»Aber das«, sagte Droma und zeigte weiter nach draußen.
Han folgte dem dünnen, pelzigen Zeigefinger des Ryn. Hoch oben glänzte das Sternenlicht auf der rauen Oberfläche eines flachen Ovals aus Yorik-Korallen, das parallel zur Korvette flog, als hielte es sich für etwas bereit. Bei der Erinnerung daran, wie er vor einigen Monaten gegen die Yuuzhan Vong bei Dubrillion und Helska gekämpft hatte, lief es Han kalt den Rücken hinunter.
Er wandte sich Elan zu. »Ich nehme zurück, was ich gesagt habe. Sie müssen ganz schön wichtig für die sein, wenn sie ein Kriegsschiff schicken.«
»So wichtig für meine Leute wie für Ihre«, antwortete sie ohne jede Spur von Arroganz. »Ich habe lebenswichtige Informationen für Ihre Jedi-Ritter.«
Han runzelte neugierig die Stirn. »Worüber?«
»Über eine Krankheit, die meine Leute eingeschleppt haben.«
Han konnte sich nicht zurückhalten und packte sie grob an den Schultern. »Meinen Sie das ernst?«
Sie nickte, und offensichtlich erschütterte sie der Druck seiner Hände nicht. »Ich bin gegen den Einsatz bakteriologischer Waffen. Mit solchen Taktiken erniedrigen sich die Yuuzhan Vong selbst.«
Han packte sie fester und sah ihr starr in die Augen. »Treiben Sie keine Spielchen mit mir, meine Liebe. Ich war auf Sernpidal und Dubrillion dabei. Ich weiß genau, wozu Ihr Volk fähig ist, und so etwas Nebensächliches wie eine Krankheit bereitet einem Yuuzhan Vong nicht eine Sekunde lang Gewissensbisse.«
Hochmütig hob sie den Kopf. »Mich jedoch hat es veranlasst, in eine Rettungskapsel zu klettern und mich Ihren Streitkräften auszuliefern.«
Daraufhin blickte Han die seltsame Begleiterin der Frau an. »Und Sie?«
Vergere betrachtete ihn ruhig. »Ich gehöre zu ihr.«
Han ließ Elan los und deutete mit dem Daumen auf Droma. »Ja, und der gehört zu mir, aber das sagt nicht besonders viel über ihn aus.«
»Ich hätte es nicht taktvoller ausdrücken können«, murmelte Droma.
Vergere sah Droma an, dann Han. »Ich bin Elans Intima. Wohin immer sie geht, folge ich ihr.«
Han rieb sich das Gesicht. Urplötzlich hatte sich ihm eine Chance gewissermaßen aufgedrängt. Indem er an Bord der Queen bliebe, konnte er vielleicht diese Angelegenheit mit Reck regeln. Aber falls Elan tatsächlich war, was sie zu sein vorgab, würde es für Mara möglicherweise eine immense Hilfe bedeuten, wenn diese Yuuzhan Vong Coruscant heil erreichte.
Er stieß den Atem aus. Reck musste warten.
»Vielleicht sind Sie tatsächlich die Mühe wert«, sagte er schließlich. »Und deshalb sollten wir Ihnen schnellstens andere Kleidung besorgen.« Er sah Droma an. »Meinst du, du kannst für die beiden was Schickes zum Anziehen auftreiben?«
Droma legte den Kopf von der einen Seite auf die andere. »Vorausgesetzt, sie sind nicht allzu anspruchsvoll, was Größe oder Schnitt angeht.«
»Ansprüche können sie sich nicht leisten.« Han nahm sich einen Augenblick Zeit und studierte Elan. »Ist das Ihr wirkliches Aussehen oder tragen sie eine dieser lebenden Körperhüllen.«
»Ich habe mich mit einer Ooglith-Maske verschönert.«
Han nickte. »Nun, ein Yuuzhan Vong hat mit seiner Maske die Mitglieder des ExGal-Teams auf Belkadan zum Narren gehalten. Wollen wir doch mal schauen, ob das bei der Friedensbrigade auch funktioniert.«
Die Queen erbebte, als die Korvette längsseits festmachte.
»Die Piraten werden den Überlebenden der Gruppe finden, die Showolter überfallen hat, und dann durchsuchen sie das gesamte Schiff Deck für Deck«, sagte Han und drückte fast die Nase an die Transparistahl-Kuppel. »Möglicherweise setzen sie Sensoren ein oder Betäubungsgas.« Er wandte sich von dem Sichtfenster ab. »Wir müssen uns beeilen!«
»Und wohin geht es?«, erkundigte sich Droma.
»Zur Andockbucht. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, dass wir uns mit einem ihrer eigenen Schiffe davonmachen.«
Ein Mitglied der Friedensbrigade mit scharf geschnittenem Gesicht begrüßte Reck Desh und seine schwer bewaffnete Eskorte, als sie die Andockbucht verließen. Reck selbst war nur mit einem Blaster bewaffnet, seine Helm tragende Truppe dagegen mit Betäubungsknüppeln, Betäubungsnetzen, Flechette-Werfern und weiteren Antipersonenwaffen. An Recks Seite marschierte der Yuuzhan-Vong-Beobachter, den er dazu überredet hatte, an der Rettungsoperation teilzunehmen und der sich in einen Mantel gehüllt hatte, um seine verräterischen Male zu verhüllen.
»Ist die Brücke in unserer Hand?«, erkundigte sich Reck, nachdem er alle um sich versammelt hatte.
Sein Komplize nickte. »Aber es gibt Probleme. Welches willst du zuerst hören?«
Reck sah sich um. »Wo ist Darda? Hat er sie?«
»Darda ist tot. Den Rodianer hat auch ein Blitz erwischt, doch er wird es überleben. Da Capo der Einzige ist, der die Überläufer gesehen hat, haben wir ihn zusammenflicken lassen. Er wartet in der Krankenstation auf dich.«
Plötzlich stieg Reck die Röte ins Gesicht. »Die zwei haben versucht, das Geheimdienstteam allein zu überwältigen?«
»Es waren nur drei Agenten. Capo schwört, zwei von ihnen seien tot, und der dritte ist schwer verwundet. Außerdem habe Darda darauf bestanden.«
»Und Capo hat ihm gehorcht«, knirschte Reck. »Ich werde ihn mir später vorknüpfen.«
»Das hier sollte eine Aktion sein, bei der wir rein- und wieder rausspazieren«, sagte der ungeschlachte Mensch zu Recks Linker. »Um das ganze Schiff zu durchsuchen, haben wir keine Zeit. Ich schlage vor, wir verziehen uns.«
Zwei der anderen Männer stimmten murmelnd zu.
»Maul halten!«, fuhr Reck sie an. »Was noch?«, fragte er den Kerl mit den schlechten Nachrichten.
»Ein Schiff der Yuuzhan Vong ist aufgetaucht.«
»Was?« Reck starrte ihn ungläubig an, dann drehte er sich zu dem Yuuzhan Vong um.
Der Agent des Feindes nickte. »Ich war gezwungen, den Zweck dieser Operation vor meinen Vorgesetzten zu verschleiern. Vermutlich wurde das Schiff geschickt, um uns zu unterstützen.«
Reck machte eine wütende Geste. »Dieses Schiff wird nur die Streitkräfte der Neuen Republik in die Sache reinziehen! Die hätten nämlich ansonsten genug zu tun, um sich auf die Jagd nach ein paar Piraten zu machen. Aber wenn die Yuuzhan Vong auftauchen…«
»Vielleicht kann uns das Schiff den Rücken freihalten, wenn wir mit den Überläufern abhauen«, sagte der Berichterstatter. »Sogar wenn die Truppen der Neuen Republik hier auftauchen. Solange wir es sind, die die Überläufer zurückbringen, bleibt doch alles beim Alten, oder?«
Reck zupfte an seiner mit einem Ring verzierten Unterlippe und nickte schließlich. »Zeit, dass die Passagiere erfahren, was Sache ist.«
Der Berichterstatter deutete auf ein Komlink an der Wand. »Wir könnten eine Verbindung mit der Lautsprecheranlage aufbauen.«
Reck nahm das Komlink, während einer seiner Männer am Wahlschalter für den Kanal herumfummelte. Dann nickte der Mann, als er den richtigen Kanal gefunden hatte, und Reck schaltete das Gerät ein.
»Achtung, Achtung, an alle Passagiere«, begann er in Basic. »Um Sie alle zu beruhigen, teile ich Ihnen mit, dass wir nicht die Absicht haben, Geiseln zu nehmen, Sie auszurauben oder Sie gar an die Yuuzhan Vong zu übergeben. Wir sind lediglich auf der Suche nach zwei Passagieren – einer Frau, die wie ein Mensch aussieht, und einem weiblichen nichtmenschlichen Wesen. Beide befinden sich vermutlich in Gesellschaft eines verwundeten Menschen. Wenn die Gesuchten uns allen eine Menge Schwierigkeiten ersparen wollen, sollten sie sich auf der Brücke melden. Wenn irgendwer ihren Aufenthaltsort kennt und an einer anständigen Belohnung interessiert ist, sollte er ebenfalls zur Brücke kommen.
Wenn sich niemand bei uns meldet, sind wir gezwungen, das Schiff Deck für Deck zu durchsuchen, und wir werden dabei ganz bestimmt nicht zimperlich vorgehen. Am Ende landen Sie vielleicht doch noch in den Händen des Feindes.« Reck hielt kurz inne. »Ach, und noch etwas an die Adresse der beiden, die wir suchen: Wir haben Mittel, Sie zu identifizieren. Wenn Sie glauben, Sie könnten sich verstecken oder in der Masse untertauchen, haben Sie sich getäuscht.«
Das Ei aus Yorik-Korallen, das mit kegelförmigen Geschosswerfern ausgestattet war und von einem Dovin Basal der höchsten Stufe angetrieben wurde, gehörte als Kommandant Malik Carrs persönliches Schiff zu den schnellsten seiner Flottille. Von der Brücke aus wandte sich Nom Anor mithilfe eines Villips an den Kommandanten und an Harrar. Durch das kristalline Sichtfenster sah er nicht nur das Schiff der Friedensbrigade und die Queen, sondern auch einige mit Kratern übersäte Planetoiden und eine ferne Sonne dahinter.
»Ich habe meine Agenten unter Kontrolle«, sagte Nom Anor. »Die Kapazität des Dovin Basals an Bord der Korvette wurde neutralisiert, und ich habe unseren eigenen Dovin Basal angewiesen, die Trennung von Starliner und Korvette zu verhindern. Sollte die Friedensbrigade Elan finden, wird jeder Versuch, mit ihr abzulegen, fehlschlagen.«
»Auf dieser Korvette befinden sich vielleicht Sternjäger, die starten können«, erwiderte Harrars Villip mit einer Grimasse.
»Drei Fahrzeuge haben das bereits getan und an dem Starliner angelegt. Ich werde unseren Basal anweisen, ihre Rückkehr zum Mutterschiff zu vereiteln.«
»Machen Sie einen Dovin Basal bereit, damit Sie beide Aufgaben erledigen und sich zum Rückzug vorbereiten können«, übermittelte Kommandant Carrs Villip. »Bis Ihre Agenten begreifen, was passiert ist, werden die Schiffe der Neuen Republik dem Starliner bereits zu Hilfe eilen.«
Harrars Villip sagte: »Ohne Zweifel wird Ihren fehlgeleiteten Agenten unsere Anwesenheit auffallen. Sobald sie feststellen, dass sie nicht ablegen können, werden sie sich wundern, warum Sie ihnen nicht zu Hilfe kommen, und möglicherweise versuchen sie dann, Kontakt aufzunehmen.«
»Sollen sie sich nur wundern«, fauchte Nom Anor. »Ich will lediglich die Neue Republik davon überzeugen, dass diese Aktion der Friedensbrigade eigentlich unser Versuch ist, Elan zurückzuholen.«
Er wurde durch seinen Stellvertreter auf der Brücke unterbrochen, der die Fäuste gekreuzt gegen die Schultern schlug, um sich für die Störung zu entschuldigen.
»Ein Schiff nähert sich aus dem Hyperraum, Exekutor.« Der Untergebene deutete durch das Sichtfenster auf die Sonne des Systems. »Unser Signal-Villip hat es als Sternkreuzer der Neuen Republik identifiziert.«
Nom Anor wandte sich an die Villips. »Das Eintreffen dieses Schiffes vereinfacht die Sache erheblich. Wie vorgeschlagen, positioniere ich den Dovin Basal hier. Die Friedensbrigade wird einen Fluchtversuch unternehmen, dabei jedoch gefangen genommen werden, und Elan bleibt in Gewahrsam.«
Er wandte sich an den Brückenoffizier. »Bereiten Sie den Angriff auf die Sternjäger des Feindes vor. Es wird Ihnen vielleicht nicht gefallen, aber es muss so aussehen, als würden sie uns vertreiben. Sie haben mein Wort darauf, dass man Ihnen aus der Niederlage keinen Vorwurf machen wird.«