6

 

Mara erhob sich von der Couch und begrüßte Luke, der gerade ihre Wohnung auf Coruscant betrat. Er ging mit offenen Armen auf sie zu.

»Es wurde auch Zeit«, sagte sie, schloss die Augen und hielt ihn fest.

R2-D2 folgte Luke herein, trillerte Mara grüßend zu und machte sich sofort zur Ladestation der Wohnung auf.

»Ich wäre längst zurück gewesen, wenn Streen mich nicht gebeten hätte, nach Yavin 4 zu fliegen.«

»Gibt es Schwierigkeiten?«

»Könnte sein. Nachdem die Yuuzhan Vong jetzt Obroa-skai erobert haben, entdecken sie möglicherweise auch die Akademie. Wenn das passiert, müssen wir uns überlegen, wo wir die jüngeren Jedi unterbringen. In der Zwischenzeit halten Streen, Kam und Tionne die Augen auf.«

Sie waren nur eine Standardwoche getrennt gewesen, dennoch erschrak Luke darüber, wie zerbrechlich sich Mara in seinen Armen anfühlte. Er überlegte kurz, ob er sie mithilfe der Macht erforschen sollte, fürchtete jedoch, sie würde es bemerken und sich gegen sein Eindringen wehren. Stattdessen genoss er die Umarmung noch einen Augenblick, ehe er sich von ihr löste und sie ein Stück zurückschob. »Lass mich dich anschauen.«

»Wenn es sein muss«, sagte sie und erduldete es.

Ihr Gesicht war bleich, unter den Augen hatte sie dunkle Ringe, doch ins rotgoldene Haar war ein wenig des alten Glanzes zurückgekehrt, und ihre grünen Augen funkelten lebendig.

»Wie lautet die Diagnose, Doktor?«

Luke gab vor, das Zittern in ihrer Stimme nicht zu bemerken, aber Mara durchschaute sein Spiel. Sie konnten kaum etwas voreinander verbergen, obwohl gerade eine der verheerendsten Wirkungen von Maras Krankheit in der Störung der Tiefe und Intensität ihrer Beziehung lag.

»Sag du sie mir.«

»Es war nicht unbedingt meine beste Woche.« Sie lächelte matt und presste dann verärgert die Lippen aufeinander. »Ich weiß nicht, wieso ich mich von dir habe überreden lassen, hierher zu kommen – und sag nicht, du hättest mich in einem schwachen Moment erwischt.«

»Das wollte ich auch gar nicht.«

Schon vor Monaten hatte Mara entschieden, dass sie am besten gegen diese Krankheit angehen könnte, wenn sie sich weiterhin eine Beschäftigung suchte und mit der Macht in Einklang bliebe. Jedoch nach dem brutalen Mord an Elegos A’Kla und den Verwüstungen auf Ithor hatte sich ihr Zustand verschlechtert. Selbst wenn Lukes und Maras Instinkt sie trog und die Krankheit nicht mit etwas zu tun hatte, das die Yuuzhan Vong in die Galaxis eingeschleppt hatten, so schien ihre Lebenskraft trotzdem immer in direkter Beziehung zum Verlauf des Krieges zu stehen. Nach den kleineren Siegen auf Helska und Dantooine hatte sie sich stärker gefühlt, Ithor dagegen hatte zu einem neuen Tiefpunkt geführt, was allerdings nicht nur für Mara, sondern für alle anderen ebenso galt.

Luke schlüpfte aus seinem Mantel, und die beiden betraten Arm in Arm das bescheiden möblierte Wohnzimmer ihres Apartments. Er, in schwarzer Hose und schwarzem Hemd, bildete einen scharfen Kontrast zu Mara in ihrem weißen Gewand. Sie setzte sich in eine Ecke der Couch und zog die Beine unter sich, fasste ihr langes Haar mit einer Hand und warf es über die Schulter, dann starrte sie einen Augenblick lang hinaus auf den vorbeieilenden Verkehr. Die Wohnung lag nicht weit vom Großen Versammlungszentrum entfernt, doch das schalldichte Glas schirmte den Lärm ab.

»Warst du bei Dr. Oolos?«, fragte Luke schließlich.

Sie wandte sich ihm zu. »Ja.«

»Und?«

»Er hat mir das Gleiche gesagt wie Cilghal und Tomla El vor sieben Monaten. Eine solche Krankheit hat er noch nie gesehen, und er kennt keine Therapie dagegen. Aber das hätte ich dir vorher sagen können – und damit hätte ich uns die Unannehmlichkeit erspart, hierher zu kommen. Dass mich nur die Macht am Leben erhält, wollte Oolos zwar nicht direkt eingestehen, aber er machte entsprechende Andeutungen.«

»Es gibt da diesen einen anderen… Fall«, setzte Luke an.

Mara schüttelte den Kopf. »Er ist gestorben. Kurz nachdem du nach Kashyyyk aufgebrochen bist.«

Luke gab sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. Ism Oolos war ein Ho’Din und nicht nur ein berühmter Arzt, sondern auch ein Wissenschaftler von gutem Ruf, den er sich mit seinen Forschungen über die Todessaatseuche vor zwölf Jahren geschaffen hatte.

»Konnte er etwas über den Käfer sagen?«

»Den schrecklichen Belkadan-Käfer«, erwiderte Mara scherzhaft und schüttelte den Kopf. »Nicht mehr, als dass er so etwas noch nie gesehen hat. Die Tests, die er durchgeführt hat, weisen nicht auf eine Verbindung zwischen dem Tier und meiner Krankheit hin.«

Luke wurde nachdenklich. Vor vielen Jahren hatte die machtsensitive Cilghal von Mon Calamari die Staatschefin Mon Mothma nach einem Attentat mit Nanozerstörer-Viren geheilt. Wieso nur standen sie, Oolos und der Ithorianer Tomla El, dieser Molekularkrankheit machtlos gegenüber, die Mara befallen hatte? Sie konnte nur von den Yuuzhan Vong eingeschleppt worden sein, redete sich Luke ein. Und so fochten er und Mara innerhalb dieses alles umfassenden Konflikts ihren eigenen Krieg.

»War die Gedenkfeier anstrengend?«, erkundigte sich Mara, weil sie ganz offensichtlich von ihrer Krankheit ablenken wollte.

Luke schaute auf und holte tief Luft. »Nicht für Chewbaccas Familie. Wookiees haben eher einen lockeren Umgang mit dem Tod. Aber wegen Han mache ich mir große Sorgen.«

Mara runzelte verständnisvoll die Stirn. »Han ist zwar mit deiner Schwester verheiratet, aber Chewbacca war sein erster Offizier; mit ihm ist er durch dick und dünn gegangen. Einen solchen Verlust zu verwinden, braucht einfach seine Zeit.«

»Ich war jedenfalls nicht sehr hilfreich. Als ich ihm vorschlug, sich der Macht zu öffnen, hat er mir nur mal wieder unter die Nase gerieben, dass er kein Jedi ist.«

»Noch ein Grund dafür, weshalb Chewbacca und er sich so nahe standen«, meinte Mara. »Er ist von allen Seiten umzingelt.« Sie verstummte, wurde nachdenklich und schaute Luke schließlich an. »Ich habe mich gerade daran erinnert, wie dein Vater einmal jemanden wütend gepackt und an die Wand geschleudert hat, weil der Kerl sich respektlos über die Macht geäußert hat.«

»Ich glaube, bei Han hätte man mit solchen Mitteln wenig Erfolg«, erwiderte Luke trocken.

»Allerdings sind es genau die Mittel, die man von den Jedi gegen die Yuuzhan Vong erwartet.«

»Ja. Von genau den gleichen Leuten, die befürchten, wir könnten die Galaxis übernehmen oder uns der dunklen Seite ergeben.«

Mara lächelte matt. »Die Dinge entwickeln sich nicht ganz so wie geplant, oder? Auch nach dem Friedensabkommen habe ich nie bezweifelt, dass es neue Herausforderungen geben und mal gut und mal schlecht laufen würde. Allerdings habe ich schon geglaubt, wir könnten alle Feinde der Neuen Republik in die Flucht schlagen. Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher.«

Luke nickte und fragte sich, ob Mara damit vor allem ihren persönlichen Feind meinte. Falls sie das mit ihren Worten andeuten wollte, verlor sie offenbar an Zuversicht, die Krankheit in den Griff zu bekommen.

»Mon Mothma hat mich einmal gefragt, ob meine Schüler am Ende eine Elitepriesterschaft bilden würden oder eine Gruppe Kämpfer. Würden sich die Jedi von anderen isolieren oder im Dienst der Bedürftigen agieren? Würden sie sich als Bürger betrachten oder nicht?« Er kniff die Augen zusammen, während er daran zurückdachte. »Sie stellte sich Jedi vor, die kräftig mit anpacken würden, und zwar in allen Bereichen des Lebens – Medizin, Gesetzgebung, Politik und Militär. Als meine Pflicht sah sie es an, ein Beispiel zu geben und ein echter Anführer zu werden, nicht nur eine bloße Galionsfigur.«

»Heute wäre sie die Erste, die zugeben würde, wie unbegründet ihre Besorgnis war.«

»Tatsächlich? Obi-Wan und Yoda haben nie darüber gesprochen, was die ferne Zukunft für mich bereithielt. Hätte ich mich in den letzten Jahren nicht so viel damit beschäftigt, wie man die Ysalamiri überwinden kann oder wie ich mein Lichtschwert so einstelle, dass es Cortosis-Erz schneidet, wüsste ich, welchen Weg die Jedi heute einschlagen sollten. Es ist die dunkle Seite, die stets nach Aggression und Rache schreit – auch gegen die Yuuzhan Vong. Je stärker man wird, desto größer wird die Verführung.« Luke sah seine Frau an. »Möglicherweise hat Jacen Recht, wenn er meint, es gebe Alternativen zum Kampf.«

»Jedenfalls hat er das nicht von seinem Vater.«

»Eben weil er ganz von allein darauf gekommen ist, finde ich es noch bemerkenswerter. Er ist der Meinung, ich hätte der Macht als Kraftquelle zu viel Aufmerksamkeit gewidmet und mich zu wenig bemüht, die einigende Seite der Macht zu verstehen.«

»Jacen ist ein junger Mann.«

»Er ist jung und trotzdem ein tiefer Denker. Und außerdem hat er Recht. Ich habe mich immer mehr mit den Geschehnissen des Hier und Jetzt befasst als mit der Zukunft. Der Kampf gegen mich selbst ist mir schwerer gefallen als der Kampf gegen meinen Klon.«

Luke erhob sich und trat ans Fenster. »Die Jedi haben stets Frieden gestiftet. Nie haben sie Söldnerdienste geleistet. Aus diesem Grunde habe ich versucht, unsere Unabhängigkeit zu bewahren und zu verhindern, dass wir der Neuen Republik den Treueid schwören. Wir sind kein Teil des Militärs, und dazu werden wir auch niemals verkümmern.«

Mara wartete, bis er ausgeredet hatte. »Langsam klingst du wie diese Fallanassi-Frau, die dich zu dieser wilden Suche nach deiner Mutter gedrängt hat.«

»Akanah Norand Pell«, sagte Luke. »Ich wünschte, ich wüsste, wohin es ihr Volk verschlagen hat.«

Mara schnaubte. »Selbst wenn du diese Leute finden würdest, glaube ich kaum, dass die Yuuzhan Vong wie die Yevethaner auf die Illusionen der Fallanassi hereinfallen würden.«

»Nach allem, was wir über sie in Erfahrung gebracht haben, nicht.«

Mara lachte ironisch. »Akanah. Akanah, Gaeriel Captison, Callista… die Verflossenen des Luke Skywalker. Nicht zu vergessen die auf Folor…«

»Fondor«, korrigierte Luke. »Und in Tanith Shire habe ich mich nie verliebt.«

»Trotzdem hast du jede von ihnen in einer Zeit der Krise kennen gelernt.«

»Wann hat jemals keine Krisenzeit geherrscht?«

»Genau darauf wollte ich hinaus. Irgendwie, fürchte ich, steht schon wieder die nächste Krise vor der Tür.«

Luke ging zu ihr. »Es ist unsere eigene Krise, vor der ich mich am meisten fürchte«, sagte er ernst. »Wir brauchen einen Sieg.«

 

»Sie wollen wissen, was wirkliche Ironie ist? Mein Vater hat mir einmal eine Geschichte erzählt, die sich genau hier im Meridian-Sektor zugetragen hat, vor vielleicht zwölf Standardjahren.«

Captain Skent Graff – ein Mensch und sogar stolz darauf, mit breiten Schultern und einem Gesicht, nach dem sich die Leute umdrehten – hockte quasi auf der Komscan-Integratorkonsole der engen Brücke der Soothfast und stützte sich mit einem Bein, das wie das andere in einem hohen Stiefel steckte, am Boden ab. Sein Publikum, insgesamt ein halbes Dutzend Personen, die gesamte Brückencrew des leichten Kreuzers, lauschte gebannt. Durch die schrägen Aussichtsluken des Raumschiffs sah man den von Wolken umhüllten Planeten Exodo II und seinen armseligen Mond sowie in einigen Lichtjahren Entfernung die leuchtenden Staubwolken des Paillet-Schleiernebels.

»Er war an Bord der Corbantis stationiert, außerhalb der Durren-Orbitalstation, als das Schiff den Befehl erhielt, Berichten über einen Piratenangriff auf Ampliquen nachzugehen. Eigentlich wusste niemand genau, ob es sich tatsächlich um Piraten oder um Truppen von Budpock handelte, die ein Friedensabkommen verletzten. Am Ende stellte sich jedoch heraus, dass es eine List der Loronar Corporation war, bei der ein Kontingent Soldaten des Imperiums und ein Kerl namens Ashgad eine Rolle spielten, wobei Letzterer versuchte, im ganzen Sektor eine Seuche zu verbreiten.«

»Die Todessaatseuche«, steuerte die junge Sullustanerin am Navcomputer bei.

»Einen Glitzerstim-Joint für die Lady«, meinte Graff fröhlich. »Sie hat in Geschichte aufgepasst. Jedenfalls hat die Corbantis Ampliquen nie erreicht. Sie wurde von einem Schwarm intelligenter Loronar-Geschosse aufgespießt, und nach einer Bruchlandung in einer Eisschlucht auf Damonite Yors-B – nicht allzu weit von hier – wurde die Besatzung für tot gehalten. Aber dann kamen Han Solo und sein Wookiee-Freund vorbei…«

»Die zufällig in der Gegend waren?«, fragte der Kommunikationsoffizier.

»Eigentlich befanden sie sich auf der Suche nach Staatschefin Leia Organa Solo, die vermisst wurde, aber das ist nebensächlich.« Graff lehnte sich mit dem Ellbogen auf einen deaktivierten R-Serien-Droiden, der am Schott befestigt war. »Solo und der Wookiee untersuchten die Corbantis und fanden siebzehn Überlebende, die von Strahlung schwer verbrannt waren und zu denen auch mein Vater gehörte, und brachten sie in das medizinische Forschungszentrum des Sektors in Bagsho auf Nim Drovis. Zu der Zeit wurde der Laden von einem berühmten Ho’Din-Arzt geführt – ich kann mich nicht mehr an den Namen erinnern, Oolups oder Ooploss, irgendetwas in der Art –, und Ooploss tat alles in seiner Macht stehende für die Patienten. Das größte Problem war der Platzmangel, weswegen einige der Überlebenden in die Bacta-Stationen im Nebengebäude verlegt werden mussten. Und was meinen Sie, passierte dann?«

»Sie erkrankten an der Todessaatseuche«, vermutete die Navigatorin.

Graff nickte. »Sie erkrankten an der Todessaatseuche. Womit ich Ihnen lediglich eines klar machen will: Selbst wenn Sie es entgegen aller Wahrscheinlichkeit geschafft haben, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, sind Sie statistisch gesehen eben bei der nächsten Katastrophe dran.«

»Und jetzt kommen Sie nach all den Jahren genau hierher zurück«, sagte die Navigatorin, »dorthin, wo Ihr Vater war, und machen den Boden sicher für die Zwilhändler von Drovis.«

»Zwil?«, hakte der Twi’lek nach, ein Unteroffizier an der Station für Bedrohungseinschätzung.

»Ein Rauschgift«, erklärte Graff.

Die Mundwinkel der Navigatorin zuckten zu einem schwachen Lächeln kurz nach oben. »Für diejenigen, deren membrangesäumte Atemschläuche dick genug sind, um…«

»Captain«, unterbrach ihn der Kom-Offizier. »Durren meldet, dass ihr Hyperraumorbiter Cronau-Strahlung in unserem Sektor gemessen hat. Es liegt nahe zu vermuten, dass ein großes Schiff in den Realraum wiedereingetreten ist. Die Interrogativmodule erwarten eine Telesponder-Antwort.«

Graff sprang auf und stürzte zu seinem Drehstuhl. »Haben wir Sichtkontakt?«

»Noch nicht, Sir. Das Ganze ist außerhalb unserer Sensorreichweite passiert.«

Graff wandte sich an den Komsec-Offizier. »Sammeln Sie das Gauntlet-Geschwader und ordnen Sie allgemeine Einsatzbereitschaft an.«

Im gesamten Schiff heulten Sirenen, und die Brücke wurde in rotes Licht getaucht.

Der Komsec-Offizier blickte Graff über die Schulter an. »Sir, die vordere Tech-Station meldet, dass die Abwehrmaßnahmen erfolgreich eingeleitet wurden; die Schilde sind oben, bei voller Leistung.«

»Wir erhalten die ersten Daten«, verkündete der Unteroffizier. »Die Größe des Schiffes ist unbekannt. Radar und Lasercomputer bauen gerade ein Bild auf.«

Graff fuhr zu dem Holoprojektor herum, wo sich geisterhaft das Bild eines riesigen, facettierten Polyeders abzeichnete, der schwarz wie Onyx war und langsam Form annahm.

»Yuuzhan Vong?«

»Unbekannt, Sir«, erwiderte der Unteroffizier. »Es ist in unserer Datenbank nicht verzeichnet.«

»Bringen Sie uns aus dem stationären Orbit heraus.«

»Sir, die Antriebsprofile des Eindringlings passen zu denen eines Schiffes der feindlichen Flotte, die Obroa-skai angegriffen hat.«

»Gauntlet-Geschwader ist gestartet, um die Position auszukundschaften.«

»Irgendwelcher Funkverkehr von dem Yuuzhan-Vong-Schiff?«, fragte Graff.

»Negativ, Sir. Nein, warten Sie. Die Scanner zeigen jetzt zwei Schiffe.«

Erneut fuhr Graff zu dem Holoprojektor herum, wo sich ein zweites, kleineres Polyeder neben dem ersten bildete. »Ist das ein Neuankömmling oder haben wir es da mit einer Art Mitose zu tun?«

»Es scheint ein Teil des größeren Schiffs zu sein, Sir. Schiff eins ändert den Kurs und hält auf die Durren-Orbitalstation zu. Die Einheit beschleunigt, um unsere Sternjäger abzufangen. Gauntlet löst die Formation auf und teilt sich in separate Angriffselemente auf.«

»Stellen Sie mich zum Anführer von Gauntlet durch«, befahl Graff der Kom-Offizierin.

»Verbindung mit Gauntlet-Anführer hergestellt«, meldete die Frau.

»Gauntlet Eins, können Sie uns zeigen, was Sie sehen?«

Über die Kommandonetzverbindung klang die Stimme des Geschwaderführers dünn und wurde immer wieder von statischen Störungen unterbrochen. »Übertragung läuft. Sieht aus, als hätte der größte Decoderring seinen Stein verloren.«

»Wollen Sie sich endlich das Ding anschauen?«, kommentierte jemand auf der Brücke, als die Holosimulation durch einer Echtzeit-Aufnahme ersetzt wurde.

»Sir, in dem kleineren Schiff nimmt die Bioenergie zu. Sie haben uns als Ziel erfasst.«

Graff legte den Sicherheitsgurt seines Sitzes an. »Bereitmachen für Einschlag.«

Strahlend goldenes Licht erfüllte die vorderen Sichtfenster der Soothfast. Das Schiff erbebte wie von einer riesigen Hand geschüttelt.

»Plasmaenergie«, meldete der Unteroffizier. »Stimmt mit Daten über Yuuzhan-Vong-Waffen überein. Kein Schaden an den lebenswichtigen Systemen. Die Schilde halten.«

»Entfernung?«

»Das zweite Schiff bewegt sich in Reichweite unserer Waffen, Sir.«

Graff zog seine Mütze leicht nach unten. »Teilen Sie dem Gauntlet-Geschwader mit, es soll uns aus dem Weg gehen. Steuerbord-Hauptgeschütze, bereitmachen zum Erwidern des Feuers.«

Als umgebautes Schiff der Proficient-Klasse aus corellianischer Produktion war die Soothfast 850 Meter lang, besaß jedoch nur zehn schwere Turbolaser und zwanzig Ionenkanonen, ließ demnach an Feuerkraft zu wünschen übrig. Einige der Verstrebungen, die ursprünglich den Rumpf des Kreuzers verstärkt hatten, waren ausgebaut worden, weil man eine Andockbucht für Sternjäger einrichten wollte, doch selbst mit den Jägern blieb das spitz zulaufende Schiff eine ineffiziente Waffe.

»Gauntlet ist ausgewichen, Sir.«

Graff nickte. »Protonentorpedos bereit machen. Abschuss beim leisesten Anzeichen von Schwerkraftanomalien.«

»Sir, die Torpedos sind mit neuen Protokollen ausgestattet.«

»Die Steuerbord-Turbolaser bereit machen«, befahl Graff.

»Sir, Turbolaser einsatzbereit.«

Graff schaute den Waffenoffizier an. »Wenn dieser ›Stein‹ entsprechend seiner Form operiert, wird er die Torpedos aufsaugen, doch bei den Lasern besteht immerhin die Möglichkeit, dass sie ihr Ziel treffen.«

»Verstanden, Captain.«

Graff drehte sich mit seinem Stuhl herum. »Hauptgeschütze, Feuer frei.«

Blendend grelle Projektile schossen in den Raum, ihnen folgten blaugrüne Lichtlanzen, die weit in der Ferne blitzend einschlugen.

»Treffer.«

»Feuer«, wiederholte Graff.

Erneut schoss das Schiff Torpedos und Lichtstrahlen ab, und die Explosionen um das feindliche Schiff herum wetteiferten mit den Sternen um den Rang der hellsten Himmelserscheinung.

»Feuer einstellen.« Graff blickte seinen Stellvertreter an. »Hoffentlich sind sie jetzt ein bisschen aufgeweicht. Commander, Gauntlet soll mit dem Einsatz beginnen.«

Der stellvertretende Kommandant übermittelte den Befehl über das Kommandonetz. Auf dem Hauptbildschirm der Brücke erschienen Vergrößerungen von T-65A3-X-Flüglern und E2-B-Flüglern, die das steinerne Schiff angriffen. Rotes Laserfeuer sprühte aus den Kanonen an den Flügelenden, und die X-Flügler schossen ihre Protonentorpedos ab, die pinkfarbene Leuchtspuren hinterließen. Aber das feindliche Schiff saugte die Energie einfach nur auf und beantwortete den Angriff mit Geysiren aus geschmolzenem Fels. Wie Spiegelglasscherben flammten einzelne Facetten des Rumpfes auf, verblassten und wurden wieder so schwarz wie der Rest des Schiffes.

»Soothfast, das Ding hat es auf unsere Schilde abgesehen«, berichtete Gauntlet Eins einen Augenblick später.

»Gauntlet Eins, befehlen Sie Ihren Jägern, das Feld der ursprünglichen Kompensatoren auszudehnen, und schalten Sie um auf das neue Such- und Zielprotokoll. Und halten Sie Ausschau nach Korallenschiffen.«

»Schon geschehen, Soothfast. Aber die Schilde können nicht weit genug ausgedehnt werden, um die Zugkraft des Kriegsschiffes zu kompensieren.«

»Schilde einfahren«, sagte eine andere Stimme. »Abbruch der Operation.«

»Bleiben Sie bei Ihren Kameraden«, rief Gauntlet Eins. »Stellen Sie die Laser auf Vierfachbetrieb.«

»Kompensator versagt. Breche Angriff ab.«

»Passen Sie auf Ihr Hinterteil auf, Gauntlet Acht.«

»Captain, im Schiff der Yuuzhan Vong baut sich Energie auf.«

Graff fuhr zu seinem Stellvertreter herum. »Befehl an Gauntlet: Abbruch der Operation.«

»Feindliches Schiff hat das Feuer eröffnet.«

Der Hauptschirm zeigte, wie drei Sternjäger in riesigen Explosionen verschwanden. Die Stimme von Gauntlet Eins klang immer aufgeregter.

»Wir haben Verluste – Zwei, Vier und Fünf. Die Dovin Basale oder die Waffenstellungen können wir immer noch nicht ausmachen.«

»Wovon spricht er?«, wollte Graff schroff wissen.

Der Twi’lek-Unteroffizier warf seine Kopftentakel über die Schultern und studierte die Bildschirme auf der Konsole. »Der Kampfanalysecomputer arbeitet noch dran, Sir. Die feindlichen Waffen und Singularitätsprojektoren sind offensichtlich mobil. Sir, es scheint, als sei der gesamte Rumpf in der Lage, Geschosse abzufeuern und Schwerkraftanomalien zu erzeugen.«

»Captain, das Modul zielt erneut auf uns.«

Der Kom-Offizier hatte kaum zu Ende gesprochen, da wurde der Kreuzer abermals von einem heftigen Schlag erschüttert. Die Beleuchtung auf der Brücke erlosch, flammte wieder auf, und blaue statische Elektrizität tanzte über einer der Konsolen. Durch die Erschütterungen löste sich der R-Serien-Droide aus der Magnethalterung und kippte auf den Boden. Mit einem Klicken schalteten sich Ventilatoren ein und saugten Rauch ab.

»Schadenbericht aus der technischen Station. Der Generator Nummer zwei ist ausgefallen. Deflektorschilde sind geringfügig beschädigt.«

»Befehl an Gauntlet, sich neu zu gruppieren und zurückzuziehen«, sagte Graff rasch. »Reserve- und Bergungsmannschaften sollen sich bereithalten. Feuerleitstelle: Achtung, Turbolaser und Ionenkanonen koordinieren. Dauerfeuer auf das feindliche Schiff.« Ein Blick auf den Bildschirm verriet ihm, was vom Gauntlet-Geschwader noch übrig geblieben war und nun das Heil in der Flucht suchte. »Feuer!«

Wieder wurden Energieblitze von dem Schiff abgefeuert, doch beim Gegner gab es offenbar keine Einschläge.

Graff betrachtete den Bildschirm. »Haben wir sie verfehlt?«, fragte er ungläubig.

»Negativ, Sir. Feindliches Schiff hat die Energie anscheinend absorbiert.«

»Alle Geschütze«, sagte Graff, »Feuer!«

Der Raum draußen leuchtete so blendend hell auf, dass sich alle auf der Brücke von den Sichtfenstern abwenden mussten. Es war, als hätte eine schwere Faust die Soothfast am Kinn getroffen.

»Feindliches Schiff ändert den Kurs und führt Ausweichmanöver durch.«

»Alle Geschütze, Feuer!«, brüllte Graff.

»Mehrfache Treffer. Anzeichen von Trümmern. Der Feind nimmt erneut Kursänderung vor, mit sinkender Geschwindigkeit.«

Graff drehte sich zur Navigatorin um. »Verfolgung fortsetzen. Bleiben Sie dran!«

Dann gab es ohne Vorwarnung in der Ferne eine gigantische Explosion, und die Schirme wurden von weißem Licht überflutet. Sobald die gleißende Helligkeit wieder verschwunden war, schaute Graff zum Sichtfenster hinaus, fand jedoch keine Spur des Yuuzhan-Vong-Schiffs.

»Wo ist es hin? Hat es einen Sprung gemacht?«

»Negativ, Sir«, erklärte ihm der Unteroffizier. »Den Trümmern zufolge muss es sich um eine Totalzerstörung handeln.«

Spontan brachte die Besatzung auf der Brücke in Jubel aus.

»Ruhe!«, rief Graff. »Haben wir einfach nur Glück gehabt, oder haben wir eine Schwachstelle entdeckt?«

»Darüber gibt es keine Informationen, Sir, doch das Schiff ist vollständig zerstört. Wir müssen es geschafft haben. Das Schiff, welches das Modul erzeugt hat, bewegt sich mit voller Kraft von der Durren-Orbitalstation fort.«

Graff zog seine Mütze und kratzte sich den Kopf. »Das verstehe ich nicht.«

»Captain, der Anführer der Gauntlet berichtet, das zerstörte Schiff habe im letzten Augenblick eine Rettungskapsel abgeworfen. Die Kapsel dürfte jeden Moment in Sichtweite kommen.«

Graff wandte sich wieder dem Bildschirm zu. »Volle Vergrößerung.«

Die Navigatorin zeigte auf einen schimmernden Lichtpunkt, der sich rasch bewegte. »Dort, Sir.«

Graff sah etwas, das einem zylindrischen Asteroiden ähnelte. Ein Teil der Oberfläche am Heck war facettiert. »Welchen Kurs hat das Ding eingeschlagen?«

»Direkt auf Exodo II zu.«

»Wäre nicht gerade mein Favorit«, meinte Graff.

»Bei diesem Kurs kommt es in Reichweite von Traktorstrahl Nummer zwei.«

Graff schaute seinen Stellvertreter an.

»Könnte eine Falle sein, Sir. Möglicherweise eine getarnte Bombe.«

Graff nickte grimmig. »Traktorstrahl aktivieren, aber das Ding auf Abstand halten. Commander, warnen Sie Gauntlet. Sagen Sie Ihnen, sie sollen nach Waffen suchen, sich jedoch auf Distanz halten. Selbst wenn sich das Ding als harmlos erweist, will ich niemanden in der Nähe der Kapsel wissen. Und stellen sich mich zum Flottenamt durch.«

Eine neue Stimme knisterte aus dem Kom-Lautsprecher.

»Soothfast, hier ist Gauntlet Drei. Es handelt sich definitiv um eine Rettungskapsel, vermutlich aus Yorik-Koralle. Keine Waffen an Bord, doch wir empfangen Lebenszeichen. Ist nicht größer als ein Landgleiter. Primitive Dovin-Basal-Retros und Steuerung. Facettiertes, aber transparentes Schutzdach. Sieht aus wie eine Art Glimmererde. Erbitte Erlaubnis zu Untersuchung aus kürzerer Distanz.«

Graff dachte einen Augenblick lang darüber nach, dann sagte er: »Drei, grünes Licht für nähere Untersuchung. Aber passen Sie bloß auf.«

»Einverstanden, Soothfast, passe auf.«

Eine Weile lang sagte niemand ein Wort. Schließlich meldete sich wieder der Sprecher.

»Soothfast, ich habe einen Blick ins Innere geworfen. Offensichtlich zwei, wiederhole, zwei Insassen. Einer davon scheint weiblich zu sein. Der andere… Also, Sir, was der andere ist, lässt sich schwer sagen.«