20
Mit dem Rücken zum Raum stand Luke am Rundum-Transparistahlfenster, als Kyp Durron, Wurth Skidder, Cilghal und die anderen Jedi, die er nach Coruscant gebeten hatte, hereinkamen. Der Saal nahm das oberste Stockwerk des Justizministeriums ein, das zwar nicht das höchste Gebäude im Viertel war, nichtsdestoweniger jedoch einen majestätischen Panoramablick auf die Stadt bot. Das Licht der untergehenden Sonne tauchte den Raum ins gleiche Rotorange, das auch den Himmel draußen färbte.
Offensichtlich war Luke intensiv damit beschäftigt, den endlosen Verkehr von Coruscant zu beobachten. Schließlich drehte er sich um, nachdem alle zwanzig Jedi-Ritter eingetreten waren und an dem runden Tisch Platz genommen hatten oder einfach mit zurückgestreiften Kapuzen herumstanden und darauf warteten, dass Luke ihnen erklären würde, aus welchem Grund er sie aus der halben Galaxis zusammengetrommelt hatte.
»Die Neue Republik hat zwei Überläuferinnen vom Feind in ihrem Gewahrsam«, verkündete er ohne Vorrede. »Bei der einen handelt es sich um eine Priesterin, die andere ist anscheinend ihr Maskottchen oder ihre Gefährtin. Nachdem sie uns mit militärischen Geheiminformationen versorgt haben, die zumindest teilweise für den jüngsten Sieg bei Ord Mantell verantwortlich waren, werden die Überläufer augenblicklich zu weiteren Verhören nach Coruscant gebracht.«
»Na, das ist doch schon mal ein Anfang«, sagte Kyp Durron, während die anderen aufgeregt ihre Überraschung äußerten. »Ich wusste, auch bei den Yuuzhan Vong muss es Unzufriedene geben.« Er lächelte Luke gespannt mit dünnen Lippen an. »Wann bekommen wir Gelegenheit, sie zu verhören?«
»Aber das kann doch nur ein Täuschungsmanöver sein«, sagte Cilghal, ehe Luke etwas erwidern konnte. »Trotz der Geheiminformationen.« Ihre mit Schwimmhäuten versehenen Hände hatte sie in die Ärmel ihrer Robe geschoben, und mit den vorstehenden Augen konnte sie Luke und Kyp gleichzeitig ansehen.
Luke nickte und ging zum Tisch. »Die Neue Republik ist vorsichtig. Wenn die Überläufer weitere Informationen preisgeben, die nützlich sind, wird das ihre Glaubwürdigkeit erhöhen.«
»Haben sie in Aussicht gestellt, weitere Geheimnisse zu verraten?«, fragte Wurth Skidder. Als Einziger trug er keine Jedi-Robe, obwohl er, wenn man seinen wirren blonden Haarschopf betrachtete, die ganze Reise von Yavin 4 hierher mit einer Kapuze auf dem Kopf verbracht haben musste.
»Unter bestimmten Bedingungen.«
Viele der Jedi wechselten Blicke, doch keiner sagte ein Wort. Luke hockte sich auf die Tischkante und stemmte einen Fuß auf den Boden.
»Sie haben um ein Treffen mit uns gebeten.«
Der grauhaarige, bärtige Streen lachte kurz. »Genau das, was ich erwartet hatte.« Er sah Luke an. »Haben sie zufällig auch einen Grund dafür genannt?«
Luke erhob sich und trat auf den Mann zu, der früher als Einsiedler auf Bespin gelebt hatte. »Sie behaupten, im Besitz von Informationen über eine Krankheit zu sein, die Agenten der Yuuzhan Vong eingeschleppt haben, lange bevor die ersten Weltenschiffe auf Helska 4 landeten.«
Schockiertes Schweigen machte sich im Raum breit.
»Ich möchte niemanden von euch zum Narren halten«, sagte Luke einen Moment später. »Von ganzem Herzen hoffe ich, dass es sich um die Krankheit handelt, an der Mara leidet.«
»Falls es die gleiche wäre«, sagte Cilghal, noch immer von dieser Enthüllung beeindruckt, »dürften wir dann davon ausgehen, dass die Yuuzhan Vong von Maras Erkrankung wissen?«
Luke presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, diesen Schluss sollten wir nicht ziehen.«
»Natürlich wissen sie Bescheid«, sagte Wurth entschlossen. »Und ich würde sogar behaupten, sie benutzen Mara, um uns auf die gleiche Weise zu erledigen.«
»Woher willst du das wissen«, entgegnete Anakin scharf. »Die Überläufer wurden eingehend untersucht, und sie werden nochmals eingehend überprüft, ehe wir uns mit ihnen treffen.«
Verdutzt ließ sich Wurth in seinem Stuhl zurückfallen und starrte Luke an. »Dann ist das Treffen also längst beschlossene Sache?«
Luke nickte knapp. »Unter anderem, um der Neuen Republik gefällig zu sein – eine Möglichkeit, um zu demonstrieren, dass wir die Zusammenarbeit wollen.«
Erneut wurden bedeutungsvolle Blicke gewechselt.
»Wir wissen das natürlich zu schätzen, Meister«, sagte Ganner Ryhsode, »aber wenn wir es schon machen, dann für Mara und nicht für die Neue Republik. Persönlich kümmert es mich, nach allem, was vorgefallen ist, wenig, ob ich dem Militär oder dem Senat behilflich bin.«
Zustimmendes Gemurmel machte sich breit. Luke wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war, ehe er sagte: »Ich würde vorschlagen, dass sich die Überläufer mit mir und Mara allein treffen.«
Jacen sprang auf. »Du hältst es auch für eine Falle!«
Luke wandte sich ihm zu. »Ich weiß nicht, ob es eine ist oder nicht.«
»Dann sollen sie sich mit Streen oder Kam Slusar treffen«, schlug Jacen vor. »Jeder von uns würde bereitwillig sein Leben riskieren, um Mara zu helfen.«
Cilghal sah Jacen und Luke an, und ihr großer Mund stand leicht offen. »Dein Neffe hat Recht, Meister. Wenn es ein Risiko gibt, seid ihr, Mara und du, die Letzten, die es auf sich nehmen sollten.«
Luke blickte sich um. »Willst du damit vorschlagen, das wir uns alle mit ihnen treffen sollen?«
»Auf mich kannst du zählen«, warf Kyp ein. »Mir wäre nichts lieber, als einige Augenblicke mit einem Yuuzhan Vong allein zu sein.«
»Kyp spricht genau das aus, was ich denke«, meinte Wurth.
Lowbacca brüllte gewaltig. Em Tede, der Miniatur-Übersetzerdroide, der mithilfe seiner Repulsortriebwerke neben Lowies Schultern schwebte, dolmetschte: »Wir stehen alle für einen. Gemeinsam sind wir mehr als die Summe unserer individuellen Kraft.« Von Chewbacca konstruiert und von C-3PO programmiert, sprach Em Tede mit der Stimme eines Protokolldroiden, doch ohne den manchmal piepsigen, pikierten Tonfall.
»Ich stimme Lowbacca zu«, sagte Streen. »Wenn wir Einblick in das Wesen der Yuuzhan Vong gewinnen können, sollten wir das gemeinsam tun.«
»Das denke ich auch«, fügte Tenel Ka hinzu.
Luke verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schritt zum Fenster. Die Solidarität ermutigte ihn. Er dachte an die frühen Jahre der Akademie zurück, und wie seine Schüler sich zusammengetan hatten, um den Geist eines dunklen Jedi zu bekämpfen, der versucht hatte, die Kontrolle über Yavin 4 zu erlangen. Manche der Anwesenden waren auch damals schon dabei gewesen – Cilghal, Streen, sogar die Kinder. Und einige, die sich an dem Kampf beteiligt hatten, waren tot, zum Beispiel Cray Mingla, Nichos Marr, Miko Reglia, Daeshara’cor…
Mit einem Seufzer drehte sich Luke schließlich um und nickte. »Ich werde den Geheimdienst der Neuen Republik über unsere Entscheidung in Kenntnis setzen. Wir treffen uns mit den Überläufern, sobald sie auf Coruscant eingetroffen sind.«
»Eine für den Menschen«, sagte der Kartengeber und drückte einen Sabacc-Kartenchip aus dem Halter.
Ein ithorianischer Croupier schob seine paddelförmige künstliche Hand unter die mit Mikroschaltkreisen bestückte Karte und legte sie mit der Vorderseite nach oben vor Han.
»Sechs, Schwert«, verkündete der Geber den anderen Spielern am Tisch.
Han berechnete die Summe der drei Karten, die er hielt, und machte mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand ein ablehnendes Zeichen, um dem Geber zu signalisieren, dass er genug hatte.
Der Geber, ein Bith, dessen gegengreifende Daumen und kleine Finger fürs Kartenhalten wie geschaffen waren, blickte den Sullustaner an, der links neben Han saß, und wartete auf dessen Ansage. Das Wesen mit den Hängebacken und den abstehenden Ohren klopfte einmal mit der Faust auf den langen Tisch mit der rutschsicheren Oberfläche. Es gelang ihm nicht, ein Grinsen zu unterdrücken, als ihm der Croupier mit seinem Paddel eine Karte zuschnippte, bei der es sich um die Bildkarte Endurance handelte.
Der Bothan, der als Nächster an der Reihe war, passte, ebenso der winzige Chadra-Fan daneben. Somit spielte Han nur noch gegen den Sullustaner, einen Ithorianer und einen Rodianer – beide abgebrühte Handlungsreisende –, wobei der Letztere bei den zwei Karten geblieben war, die er ursprünglich erhalten hatte. Vor ihm auf dem Tisch lagen keine.
Han lehnte sich zurück und zeigte Droma seine Karten: das Münz-Ass, das fünfzehn zählte, und die Stab-Eins, die der Zufallgenerator gerade aus der Queen of Air and Darkness gemacht hatte. Mit der Schwert-Sechs hatte er insgesamt zweiundzwanzig Punkte, und so fehlte ihm nur noch einer zu einem reinen Sabacc. Er hatte das sichere Gefühl, dass der Sullustaner nicht mehr als zwanzig hatte, trotz der Bildkarte Endurance. Die beiden Karten, die vor dem Ithorianer auf dem Tisch lagen, zählten schon zwölf, und so wie der Alien gesetzt hatte, konnte er nicht mehr als achtzehn oder neunzehn haben. Was den Rodianer anging, so konnten seine beiden Karten gut und gern über zwanzig Punkte wert sein, aber nicht mehr als zweiundzwanzig. Bei einem reinen Sabacc wäre er garantiert vom Stuhl aufgesprungen, und obwohl sein gegenwärtiges Blatt eine gewisse Aufregung bei ihm ausgelöst hatte, ließ sich in seinen glasigen, vorstehenden Augen nicht die Aussicht auf einen Gewinn ablesen.
Niemand hatte den Wert seiner Kartenchips fixiert, indem er sie in das Interferenzfeld in der Mitte des Tisches legte.
Weitere Karten wurden von allen Spielern abgelehnt, und somit wurde zum letzten Mal gesetzt. Solange der Zufallsgenerator nicht alles durcheinander brachte, war Han der Pott sicher.
Dann deckten alle ihre Karten auf.
Hans Gefühl erwies sich als richtig, und er gewann den dritten großen Pott. Unter den aufmerksamen und wachsamen Augen des menschlichen Spielleiters mit verbesserten Sehfähigkeiten, damit er Skifters erkannte – manipulierte Kartenchips, die ins Spiel geschmuggelt wurden – oder Spieler, die versuchten, Farbreflexionen durch die Ionisation des Interferenzfeldes zu erkennen, sammelte der Croupier mit der Paddelhand die Karten ein, und von der Bank wurde Han sein Gewinn in hübschen ordentlichen Stapeln über den Tisch zugeschoben.
Das Spiel fand im letzten verbliebenen Casino der Queen statt, wo sich im Hintergrund einige Jubelräder lautstark drehten und ein halbes Dutzend Twi’lek-Frauen mit tätowierten Kopftentakeln zwischen den Tischen umhergingen und Drinks, transdermale Drogen und eine Vielzahl rauchbarer Substanzen kostenlos anboten.
Seltsamerweise hatte Droma sich über Hans Entscheidung, nur den Mindesteinsatz zu riskieren, lustig gemacht – obwohl der fast seine ganzen Credits ausgegeben hatte –, wobei Han dies damit gerechtfertigt hatte, die Rückkehr in seine schmutzige Kabine hinauszuschieben, in der er widerwillig schon die vergangene Nacht und den größten Teil des Tages verbracht hatte, und selbst der gegenwärtige Gewinn änderte nichts an der Geringschätzung des Ryn.
»Eine Tätigkeit, der es an Tiefe fehlt«, ließ sich Droma zu einer Bemerkung herab, während Han mit arroganter Freude seinen Gewinn noch ordentlicher aufstapelte. »Und Menschen sind offensichtlich mehr begeistert davon als andere Spezies, was möglicherweise ihrem evolutionären Glück zuzuschreiben ist.«
Hans Erwiderung bestand aus einem selbstgefälligen Grunzen, und doch drängte sich ihm die Erinnerung an ähnliche Worte auf, die er vor mehr als zwanzig Jahren gehört hatte.
»Von allen Rassen, die ihren Wohlstand auf unsichere Chancen setzten – und davon gibt es nicht viele, statistisch gesehen –, findet man diesen Zug am häufigsten bei Menschen, einer der erfolgreichsten Lebensformen.«
Gesagt hatte dies ein ruurianischer Akademiker namens Skynx, der Han auf der Suche nach den Schatztruhen des Despoten Xim begleitet hatte.
»Lach nur, wenn du Spaß dran hast«, sagte Han zu Droma, »aber ich spiele schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr, und beim Sabacc habe ich einmal ein Schiff und sogar einen Planeten gewonnen.«
»Trotzdem ist es eine Beschäftigung für Narren«, meinte Droma.
Han lächelte eiskalt. »Ich würde jederzeit eine Hand voll Glück einer Schiffsladung Weisheit vorziehen.«
Der Bith lud ein neues Spiel in den Kartenhalter und zeigte seine leeren Hände – ein Ritual, mit dem er versicherte, dass er nichts im Ärmel hatte, und zudem das Signal für den Beginn der neuen Runde.
Im traditionellen Sabacc traten die Spieler gegeneinander an, um möglichst nah an die negative oder positive Dreiundzwanzig heranzukommen, ohne dabei zu sterben, indem sie über dreiundzwanzig Punkte erreichten, oder Karten zu halten, deren Summe null ergab. Natürlich gab es im Casino der Queen die standardmäßigen vier Farben, das Blatt mit sechsundsiebzig Kartenchips, den Zufallsgenerator und das Interferenzfeld, doch zusätzlich verlangte das Haus nicht nur einen Mindesteinsatz, sondern nahm auch noch zwanzig Prozent aller Einsätze – und den kompletten Einsatz, wenn alle Spieler passten –, wovon die Hälfte in einen speziellen Topf für Runden kam, in denen gegen das Haus gespielt wurde.
Auf der Queen gab es außerdem spezielle Regeln, was einen reinen Sabacc betraf. Eine positive Dreiundzwanzig stach eine negative dreiundzwanzig, aber eine Dreiundzwanzig mit zwei Karten ging über eine mit drei, und kein Spieler durfte mehr als drei Karten zu seinen am Anfang erhaltenen zwei verlangen.
In der nächsten Runde startete Han mit vierzehn Punkten, aus denen zwanzig wurden, nachdem der Zufallsgenerator zugeschlagen hatte, aber nur noch dreizehn blieben, als der Zufallsgenerator ihn unerwartet nochmals traf. Doch er zog noch eine Münz-Fünf und schaffte es durch geschicktes Bluffen, drei seiner Gegner bis zum Schluss im Spiel zu halten. Schließlich strich er den Einsatz ein.
In der folgenden Runde lief es ähnlich, obwohl er den Sullustaner nur um einem Punkt übertraf und mit einer fünfzehn gewann. Zusammen mit dem Mindesteinsatz lagen nun fast achttausend Credits sauber gestapelt auf dem Tisch.
»Wenn sie jedes Mal passen, sobald du auf eine gute Hand setzt, steckst du sie alle ein«, prahlte er vor Droma, gerade laut genug, damit der ihn verstehen konnte.
Er wollte gerade seinen Einsatz für die nächste Runde machen, da rief Droma: »Bank!«
Während Han der Mund offen stand, eilte der Spielleiter los und besprach sich mit dem Kassierer, der verkündete, dass Han 7800 Credits brauchte, um gegen das Haus zu spielen.
Die Mordlust stand Han ihn den Augen, als er zu Droma herumfuhr. »Wächst deine schreckliche Perücke jetzt nach unten ins Hirn? Wenn ich verliere, bin ich pleite!«
Droma zuckte nur mit den Schultern. »Der Zufallsgenerator ist der einzig ernst zu nehmende Gegner in diesem Spiel. Er spielt Schicksal. Wenn du mich beeindrucken willst, musst du gegen ihn spielen.«
»Dich beeindrucken?«, wiederholte Han wütend. »Dich beeindrucken? Warum sollte…«
»Sie haben ›Bank‹ gerufen«, mahnte der Spielleiter in drängendem Tonfall. »Spielen Sie nun oder nicht?«
Alle Blicke lagen auf Han, und zusätzliche Zuschauer versammelten sich um den Tisch. Wenn er einen Rückzieher machte, wäre das nicht nur feige, sondern auch eine Beleidigung der Spieler, denen er fast schon die Hosen ausgezogen hatte. Er schob die Credits in die Tischmitte.
»Bank«, knurrte er.
Während der Bith Karten vom Talon nahm, drängten sich die Zuschauer näher heran. Außerhalb von Turnieren sah man es selten, das auf ein einziges Blatt so viele Credits gesetzt wurden.
Han hob vorsichtig seine zwei Karten und schob sie auseinander: einundzwanzig.
Doch fast im gleichem Moment schlug der Zufallsgenerator zu und reduzierte den Wert des Blatts auf dreizehn.
Er warf den Kolben-Commander mit Wert zwölf ins Interferenzfeld – kurz bevor der nächste Wechsel kam, durch den die Münz-Eins in den Narren mit Wert null verwandelt wurde.
Dann verlangte er eine weitere Karte und zog den Evil One, der negative Fünfzehn zählte, was sein gesamtes Blatt auf negativ drei brachte. Im Flüsterton äußerten die Zuschauer ihre Enttäuschung.
Die Spannung stieg, als Han den Talon anschaute, dann den Zufallsgenerator, dann erneut den Talon. Als er verkündete, er habe genug, schnappte das Publikum nach Luft. Eine Zwölf im Interferenzfeld und eine negative Fünfzehn auf dem Tisch – entweder war er ein höchst inspirierter Spieler oder der geborene Verlierer.
Der Bith gab zwei Karten für das Haus, die Stab-Eins und den Münz-Commander, was eine Summe von dreizehn ergab. Die Regeln des Hauses verpflichteten den Kartengeber, eine dritte Karte zu ziehen, wenn er zwölf oder dreizehn Punkte hatte.
Die Hand des Bith ging zum Talon, und das Publikum hielt den Atem an. Eine Rangkarte, und das Haus käme über dreiundzwanzig; eine Bildkarte konnte das Ganze sogar in ein negatives Ergebnis verwandeln. Han schien eine Chance zu haben. Ihm strömte der Schweiß übers Gesicht und tropfte vom Kinn.
Doch als der Croupier mit seiner Paddelhand die Karte anhob, erhaschte Han einen Blick auf die Reflexion im Interferenzfeld.
Schwert-Neun.
Einundzwanzig für den Geber.
Han verließ der Mut.
Im gleichen Augenblick kam der dritte Zufallsimpuls. Hans Evil One verwandelte sich in die Stab-Herrin und erhöhte seine Summe auf fünfundzwanzig! Aber dann verwandelte sich der Narr ebenfalls, in die Queen of Air and Darkness, die negative Zwei zählte, und damit hatte er eine Summe von dreiundzwanzig.
Reiner Sabacc.
Jetzt hielt Han den Kopf wieder aufrecht und deckte seine Karten auf. Wilder Applaus brach hinter ihm aus. Er hatte wieder gewonnen.
Der Kassierer schob Han den Gewinn zu und schloss die Runde. Die deprimierten Spieler verließen den Tisch, die Menge zerstreute sich – außer einer Twi’lek, die verzweifelt versuchte, Hans Aufmerksamkeit zu erringen. Han zählte seinen ursprünglichen Mindesteinsatz ab und schob den großen Rest Droma zu.
»Hier«, knurrte er, »kauf dir damit was Neues zum Anziehen – etwas, das nicht ganz so schreiend grell ist.«
Droma grinste und schob die Credits in seine zweifarbige Baskenmütze. »Ich kenne ein paar Leute auf den unteren Decks, die das gut gebrauchen können.«
Han sah ihn mit stechenden Augen an. »Du wusstest, dass ich gewinnen würde?«
»Vielleicht hatte ich so eine Ahnung«, gab Droma zu.
»Also bist du auch ein Spieler.«
Droma schüttelte den Kopf. »Aber ich bin mit Karten vertraut. Die Ryn haben sie erfunden. Jedenfalls die Rang- und die Bildkarten.«
Han verzog das Gesicht. »Das habe ich noch nie gehört.«
»Jede Karte versinnbildlicht bestimmte spirituelle Prinzipien«, fuhr Droma fort. »In der Summe waren sie eine Übungshilfe für spirituelles Wachstum, könnte man sagen – aber sie hatten nie den Sinn, in einem Glücksspiel eingesetzt zu werden.«
Er langte über den Tisch und holte sich eins der ausgemusterten Spiele, fächerte es auf und suchte die Karten mit den Zahlen eins bis elf heraus. Den Rest breitete er im Halbkreis auf dem Tisch aus.
»Die Rangkarten – Commander, Herrin, Master und Ass – repräsentierten Individuen mit besonderen Neigungen, wobei Stab eher mit spirituellen Unternehmungen korrespondiert, Kolben mit emotionalen Zuständen, Schwert mit mentalem Trachten und die Münze mit materiellem Wohlstand. Aber betrachte nur die acht Bildkarten und frag dich, warum in einem Spiel wie Sabacc Karten mit Namen wie ›Balance‹, ›Endurance‹, ›Moderation‹, ›Demise‹, also Gleichgewicht, Erdulden, Mäßigung und Tod enthalten sind.«
Droma zog den Stab-Master aus dem Halbkreis und legte ihn vor Han. »Das bist du«, sagte er, »ein dunkelhaariger Mann mit ansehnlicher Kraft und Intuition, der jedoch oft unüberlegt handelt und viel mit sich selbst beschäftigt ist. Trotz seines Alters nimmt er jede Herausforderung an, gleichgültig, wie die Chancen stehen, und manchmal stößt er sich heftig den Kopf. Dennoch ist er im Herzen jemand, der nach Wissen sucht.«
»Religiöser Hokuspokus«, murmelte Han vor sich hin, doch so laut, dass Droma ihn verstehen konnte.
Grinsend lehnte sich Droma zurück und zwirbelte die linke Spitze seines Schnurrbarts. »Meinst du? Wollen wir mal schauen, was ich sehen kann.«
Er legte den Stab-Master beiseite, sammelte die anderen Rang- und Bildkarten ein, mischte sie kräftig durch, hob mit einer Hand ab und legte den Stapel auf den Tisch. Dann zog er die oberste Karte vom Talon und legte sie neben den Stab-Master.
»Der Kolben-Master«, sagte Droma. »Eine Vaterfigur, ein Beschützer oder ein naher Freund. Liebevoll, hinwendungsvoll, treu, manchmal zu treu.« Er nahm eine weitere Karte und legte sie quer über den Kolben-Master. Dann runzelte er die Stirn. »Gekreuzt vom Evil One. In einigen Fällen eine schädliche Sucht, häufiger jedoch ein mächtiger Feind.«
Han schluckte, sagte aber nichts.
Die dritte Karte – Demise – kreuzte Hans Karte auf die gleiche Weise. Han spürte, wie Droma ihn anstarrte.
»Du hast einen Freund verloren – einen Beschützer?«, fragte Droma.
Han setzte sein bestes Sabacc-Gesicht auf. »Na, nur weiter mit der kleinen Weissagung.«
Droma legte eine Karte links neben den Stab-Master. »Der Narr. Der Beginn einer Reise oder einer Suche, meist auf unbekannten Wegen. Manchmal sogar ein beunruhigender Sturz ins Unbekannte.« Die nächste Karte krönte den Master. »Moderation – aber auf dem Kopf. Ein Verlangen nach Vergeltung oder Rache.«
Han nickte und schnaubte. »Du bist gut, wirklich gut. Du beobachtest genau und merkst dir, was jemand sagt. Auf diese Weise bekommst du ein Gefühl dafür, was derjenige gerade durchmacht. Dann verpackst du es hübsch« – er deutete auf die Karten – »und machst eine Geschichte daraus. Genauso wie bei diesen Vorausahnungen, was jemand sagen wird.«
Droma zog ein langes Gesicht und spielte den Erstaunten. »Ich lege lediglich Karten.«
Han machte eine wegwerfende Geste. »Die Karten hast du beim Mischen sortiert.«
Droma hob die Hände und deutete mit dem Kopf auf den Talon. »Zieh in rascher Folge vier Karten und leg sie neben den Stab-Master.«
Han zögerte, tat es jedoch schließlich. Aber ehe Droma sprechen konnte, zeigte er auf die erste Karte des Quartetts. »Sag mir nicht, was sie bedeutet, sondern nur, wofür der Platz steht.«
»Für jemanden, der von deinen Handlungen betroffen sein könnte.«
Besorgt zog Han die Mundwinkel nach unten, als er die Karte betrachtete. »Der Schwert-Commander«, sagte er leise. »Vielleicht eine jüngere Version des Masters. Eigensinnig, klug…«
»Und tapfer«, fügte Droma hinzu. »Ein tüchtiger Kämpfer.«
Anakin?, fragte sich Han. Er ging mit dem Finger zur nächsten Karte.
»Das ist der Platz für unvorhergesehene Folgen oder verborgene Gefahren«, erklärte Droma.
»The Queen of Air and Darkness«, stellte Han fest und suchte das Bild nach Hinweisen ab. »Könnte eine Person sein, die etwas verbirgt. Oder vielleicht steht eine Illusion dahinter.«
Droma nickte. »Etwas, das sich noch verhüllt.« Er zeigte auf die nächste Karte in der Reihe. »Wie man am besten weitermachen sollte.«
»Balance«, sagte Han. »Die Fähigkeit, auf den Füßen zu bleiben, wenn es hart auf hart kommt und der Boden unter dir bebt.«
»Die Anpassung an die Schläge des Lebens«, führte Droma aus. »Beharrlichkeit in Notzeiten. Und spirituelle Kraft.«
Hans Finger senkte sich auf die letzte Karte. »Die Zukunft?«
Droma bewegte den Kopf vor und zurück. »Der wahrscheinliche Ausgang. In diesem Fall, was der Narr finden könnte.«
Han zog eine düstere Miene und betrachtete die Karte. »Der Star. Aber auf dem Kopf – umgekehrt.« Er sah Droma an. »Nicht alles, was es hätte werden können. Nicht der ganze Erfolg.«
Droma lächelte mit den Augen und nickte. »Gratulation, Roaky. Das Schicksal hat dir einen Blick in seine innersten Strukturen gewährt.«