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Die Hosken-Brüder haben es zuerst gesehen. Sie holten gerade draußen vor Lanyon-Head ihre Hummerkörbe ein. Pete sah es, und Pete sagte kein verdammtes Wort. Auf See spricht Pete nie. An Land auch nicht viel, wenn ich's mir recht überlege. Sie hatten an diesem Tag einen guten Fang gemacht. Vier Prachtexemplare, zusammen zehn Pfund schwer, meine Lieben.
Jedenfalls fuhren Pete und sein Bruder Redfers in ihrem alten Postauto nach Newlyn und verkauften die Hummer gegen bar, denn etwas anderes als Bargeld nahmen sie nie. Und auf der Rückfahrt nach Porthgwarra drehte Pete sich zu Redfers um und sagte: »Haste heute morgen in dem Haus am Lanyon das Licht gesehen?«
Und es stellte sich heraus, daß auch Redfers es gesehen hatte, aber nicht dabei gefunden hatte. Wahrscheinlich irgendso ein Hippie, hatte er gedacht, ein New Ager oder wie die sich nennen, einer von diesen Irren aus dem Buslager drüben bei St. Just.
»Vielleicht ein Yuppie aus dem Norden, der das Haus gekauft hat«, fiel Redfers noch ein, während sie weiterfuhren. »Steht ja lange genug leer. Fast ein Jahr schon. Hier bei uns hat ja keiner solln Haufen Geld.«
Pete wollte nichts davon wissen. Er fühlte sich durch diese Andeutung tief gekränkt. »Wie soll man ein Haus kaufen, wenn man den Arsch von Besitzer nicht finden kann?« fragte er seinen Bruder schroff. »Das Haus gehört Jack Linden. Wer dieses Haus kaufen will, muß erstmal Jack Linden finden.«
»Dann ist Jack vielleicht wieder zurück«, sagte Redfers.
Pete hatte das gleiche gedacht, aber nicht ausgesprochen. Folglich sagte er höhnisch zu Redfers, er sei ja bescheuert.
Während der nächsten Tage sprachen die Brüder nicht mehr über das Thema, weder untereinander noch mit irgend jemand anderem. Wenn das Wetter einmal schön ist und die Makrelen anbeißen - und die Brassen, falls man weiß, wo man sie zu suchen hat -, was soll man sich da über irgendein Licht oben in Jack Lindens Schlafzimmerfenster den Kopf zerbrechen?
Erst eine Woche später, als sie eines Abends ein letztesmal eine von Petes Lieblingsstellen absuchten, eine Untiefe zwei Meilen südöstlich von Lanyon, und der ablandige Wind ihnen den Geruch von Holzfeuer in die Nase wehte, erst da faßten sie jeder für sich den heimlichen Entschluß, einmal ganz zwanglos dort hinzuschlendern und herauszufinden, wer zum Teufel da jetzt wohnte - höchstwahrscheinlich dieser widerliche alte Tippelbruder, Slow-and-Lucky, mit seinem blöden Köter. Und Lucky hatte da nichts zu suchen. Nicht in Jack Lindens Haus. Der nicht. Das wäre nicht richtig.
Sie wußten schon lange, bevor sie die Haustür erreichten, daß es nicht Lucky war oder so jemand. Wenn Lucky ein Haus bezog, mähte er nicht gleich das Gras am Eingangsweg und polierte auch nicht die Türklinke, Mann. Und er stellte auch keine hübsche braune Stute auf die Koppel - Mannomann, die war so hübsch, daß sie einen fast angelächelt hat, verdammich! Lucky hängte auch keine Frauenkleider auf die Wäscheleine, auch wenn er tatsächlich ein bißchen abartig ist. Und er stand auch nicht reglos wie ein blöder Bussard am Wohnzimmerfenster - eher ein Schatten als ein Mensch, aber ein vertrauter Schatten, obwohl er ganz schön abgenommen hatte - und ließ einen näher herankommen, damit er einem die Beine brechen konnte, wie er es damals, als sie auf Hasenjagd gehen wollten, um ein Haar mit Pete Pengelly gemacht hätte. Er hatte sich einen Bart wachsen lassen, stellten sie fest, bevor sie kehrtmachten und hastig zurückgingen: einen schmutzigen, einen gewaltigen Bart, wie er in Cornwall getragen wird, eher eine Maske als ein Bart. Gott steh uns bei! Jack Linden mit einem Jesusbart!
Doch als Redfers, der in diesen Tagen Marilyn den Hof machte, seinen Mut zusammennahm und Mrs. Trethewey, seiner künftigen Schwiegermutter, mitteilte, daß Jack Linden an den Lanyon zurückgekehrt sei, nicht als Gespenst, sondern leibhaftig, setzte sie ihm den Kopf zurecht.
»Das ist genauso wenig Jack Linden, wie ich es bin«, fuhr sie ihn an. »Also mach bloß keine Dummheiten, Redfers Hosken. Das ist ein Gentleman aus Irland mit seiner Frau. Sie wollen hier Pferde züchten und Bilder malen. Sie haben das Haus gekauft und ihre Schulden beglichen, sie wollen ein neues Kapitel in ihrem Leben aufschlagen, und dir kann ich nur raten, das auch zu tun.«
»Für mich hat er wie Jack ausgesehen«, widersprach Redfers mutiger, als er sich fühlte.
Mrs. Trethewey schwieg kurz und überlegte, wieviel sie einem dermaßen beschränkten Jungen gefahrlos anvertrauen konnte.
»Jetzt hör mal zu, Redfers«, sagte sie. »Jack Linden, der vor einiger Zeit hier aufgetaucht ist, ist über alle Berge. Der Mensch, der jetzt am Lanyon wohnt - na ja, ich gebe zu, er könnte mit Jack verwandt sein, schon möglich, und diejenigen von uns, die Jack nicht so gut gekannt haben, sehen vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit. Aber ich hatte die Polizei im Haus, Redfers. Einen sehr überzeugenden Gentleman aus Yorkshire, ungeheuer charmant; der ist den ganzen Weg von London hierhergekommen und hat mit gewissen Leuten gesprochen. Und was für manche von uns wie Jack Linden aussehen mag, ist für etwas klügere Leute ein harmloser Fremder. Also laß nur ja in Zukunft deine unpassenden Bemerkungen, wenn du nicht zwei lieben Menschen weh tun willst.«