21.
Kapitel
Am
anderen Ende von Hazy Hassocks starrte Essie zornig aus dem Fenster
ihres Twilights-Appartements und kochte, sowohl vor Hitze als auch
vor Wut.
»Verdammtes blödes Weib!«, schimpfte sie vor sich
hin. »Redet mit mir, als wäre ich ein blödes ungezogenes Kind!
Herrgott, wie ich dieses Heim verabscheue!«
Ärgerlich entfernte sie sich vom Fenster und sank
in ihren Sessel. Das Radio spielte leise. Essie funkelte den
Apparat und die flötende Stimme der Moderatorin zornig an. Immerhin
noch besser als Fernsehen. Dem Fernseher würde sie wahrscheinlich
obszöne Beschimpfungen entgegenschreien.
Sie hatte gerade ein weiteres offizielles Gespräch
mit der enormen Joy als eiserner Lady in Hochform hinter sich
gebracht, und nun konnte sie nicht einmal eine zensierte Fassung
davon ihren Freundinnen schildern, da diese allesamt ausgegangen
waren, mit ihren »enorm netten neuen Gefährten«, wie Joy sie
nannte.
Zuvor hatte Guy Devlin in seinem alten BMW Lilith
zu einem opulenten Mahl im Bootshaus entführt; Amber hatte Bert
abgeholt, und er war vergnügt Hand in Hand mit Jem davongegangen,
der großes Talent im Origami an den Tag legte – weitaus größeres
als Bert, um die Wahrheit zu sagen -, und Prinzessin war zu einem
vergnügten Abend mit Cancan und Aromatherapie bei Sukie.
»Und ich bin wieder mal das blöde Aschenputtel«,
stöhnte Essie. »Jetzt wünschte ich, ich hätte mich mit Slo auf
diese blöden Mobiltelefone geeinigt. So könnte ich wenigstens seine
Stimme hören. Immerhin wüsste ich dann, was los ist. Ach, das ist
alles so ein verdammter Schlamassel.«
Seit dem Debakel beim Augustfeiertag hatte sie Slo
nicht mehr gesehen, und sie vermisste ihn mehr, als sie für möglich
gehalten hätte. In der Hoffnung, dass er nicht die Nase voll hatte
und Schluss mit ihr machte, hatte sie seither vergebens darauf
gewartet, dass er sie besuchte oder sich irgendwie mit ihr in
Verbindung setzte.
Er musste sie aufgegeben haben, dachte Essie. Blut
war eben doch dicker als Wasser, wie es immer hieß. Zudem bildeten
Constance und Perpetua einen Teil seines Lebens, seit, nun, seit er
lebte. Was machte sie sich da überhaupt Hoffnungen, sie könnten
irgendeine Art von Beziehung führen?
Natürlich war es rührend von Phoebe, ihr ein
Zimmer in ihrer Wohnung anzubieten, und auch sehr verlockend,
angesichts der Nähe zu Slos Haus, aber Essie wusste, das würde nie
funktionieren. So sehr sie Phoebes Wohnung auch mochte und diesen
herrlichen kleinen Hinterhofgarten, so sehr sie sich danach sehnte,
am geschäftigen Treiben von Hazy Hassocks teilzuhaben, so sehr es
sie danach verlangte, Slo so oft wie möglich zu sehen, so wusste
sie doch, dass sie Phoebe nicht zur Last fallen durfte.
Selbst wenn sie Twilights verlassen müsste und
obdachlos würde, wäre es einfach nicht fair. Das arme Mädchen hatte
genug durchgemacht und fing gerade an, sich ein neues Leben
aufzubauen. Das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte, war Essie
als Klotz am Bein.
Und natürlich würde es gar nicht nötig werden,
weil die Tugwells mit ihren Drohungen einen Rückzieher machen
mussten. Aber, dachte Essie bitter, sie brannte deswegen nicht
weniger darauf, Twilights endlich verlassen zu können. Ganz im
Gegenteil.
»Also, Essie, Mrs Rivers«, hatte die enorme Joy
keine halbe Stunde zuvor in ihrem Büro gesagt, »Sie sind offiziell
begnadigt. Ist das nicht eine enorm gute Nachricht?«
Essie hatte gar nichts gesagt und wider besseres
Wissen darauf gehofft, dass Joys künstlich aussehendes, von Spray
überzogenes Haar in der Hitze schmelzen oder spontan in Flammen
aufgehen würde oder am besten beides.
Joy, die in marineblauem Rock und Nylonbluse
feucht glänzte, hatte die Zähne gebleckt, was als Lächeln gelten
sollte. »Der Stadtrat hat Tony und mich schließlich in Kenntnis
gesetzt, dass wir Ihren Vertrag mit Twilights nicht kündigen können
– nicht«, – sie lachte schrill und unglaubwürdig – »dass wir das
jemals gewollt hätten, natürlich. Es wurde an jenem Abend enorm
vieles in der Hitze des Augenblicks gesagt – wenn Sie den Kalauer
erlauben – und später bereut, natürlich. Und wir haben durchaus
Verständnis für Ihre … Freundschaft … mit Mr Motion, enorm viel
Verständnis. Aber Sie müssen sich an die Regeln halten, denn wir
können es uns schließlich nicht leisten, es uns mit seiner Familie
zu verderben.«
Essie hatte nach wie vor geschwiegen.
»Also, unser Vorschlag wäre, dass Sie meine, ähm,
etwas übereilte Erklärung, Sie müssten Twilights verlassen,
vergessen.« Sie lachte gekünstelt. »Immerhin, was würden wir ohne
Sie tun? Wie Sie wissen, sind Sie eine unserer geschätztesten und,
äh, interessantesten Bewohnerinnen, liebe Essie. Und Sie Ihrerseits
müssen uns versichern, dass jegliche Ausflüge, die Sie in Zukunft
unternehmen, angemessen begleitet und organisiert und vorab von mir
oder meinem Männe genehmigt
sind. Und wenn die Damen Motion wirklich enorme Einwände haben,
dass Sie und … und … Mr Motion befreundet sind, aus welchem Grund
auch immer, dann werden Sie sich dem natürlich leider fügen müssen,
nicht wahr?«
Essie hatte sie einfach nur wütend
angestarrt.
Die enorme Joy hatte sich in ihrer klebrigen
Kleidung geräkelt. »Allerdings, da Mr Motion sich seit unserem
wunderbaren Fest nicht mehr gezeigt hat, denke ich, er hat
diesbezüglich bereits eine Entscheidung getroffen, meinen Sie nicht
auch, liebe Essie? All diese Beteuerungen ewiger Liebe in jener
Nacht – ach so süß und doch so trügerisch. Männer sind so enorm
wankelmütig, finden Sie nicht?«
Essie hatte die Zähne zusammengebissen und die
Fäuste geballt, aber noch immer nichts gesagt.
»Also«, war Joy zum Schluss gekommen, »wollen wir
die Vergangenheit ruhen lassen? Wieder gut Freund sein? Schön. Und
wenn die kleine Polly nächstes Mal als Friseurin oder Astrologin
herkommt, was eben als Nächstes dran ist, lasse ich sie wissen,
dass ihr freundliches Angebot einer Unterkunft nicht benötigt wird,
ja? Schön. Enorm erfreulich. Gut, und nun, liebe Essie, haben wir
sicher beide noch einiges zu tun.«
Derart entlassen und immer noch schweigend war
Essie schnellen Schrittes aus dem Büro gegangen, damit sie nicht
womöglich doch noch die Todsünde beging, dem
Margaret-Thatcher-Double eins in die Fresse zu hauen.
»Ach Gott, Slo«, murmelte sie nun vor sich hin und
starrte trübselig in ihr farbloses Appartement. »Wie traurig ist
das alles. All unser Glück im Handumdrehen aus und vorbei. All der
Spaß, den wir miteinander hatten.«
»Und noch haben werden, Schätzchen«, krächzte Slos
nikotinbelegte
Stimme durch den Fensterspalt, »wenn ich nur erst einen Weg finde,
dieses blöde Ding weit genug aufzudrücken, damit ich reinkommen
kann.«
In der Hoffnung, dass sie nicht halluzinierte,
erhob sich Essie rasch aus ihrem Sessel und ihrer Verzweiflung und
eilte freudestrahlend zum Fenster.
Nein, es war kein Trugbild.
Slo, ausgesprochen sommerlich in ausgeleierten
Khakihosen und einem älteren flaschengrünen Poloshirt, stand im
Beet mit welkenden Bodendeckerpflanzen, den Kopf knapp auf Höhe des
Fensterbretts.
»Du siehst richtig hübsch aus«, sagte Essie
strahlend durch den knappen Spalt. »Ich habe dich noch nie zuvor in
Zivil gesehen.«
»Ich wandle auf Freiersfüßen«, antwortete Slo mit
leisem Lachen, das dann in sein typisches keuchendes Krächzen
überging. »Aber ehrlich gesagt ist es heute einfach nur zu heiß für
den schwarzen Anzug. Die Mädels haben immer darauf bestanden, dass
wir Trauerkleidung tragen, damit wir sozusagen allzeit bereit sind,
wenn du verstehst, was ich meine. Wenn zwischen jetzt und
Mitternacht jemand stirbt, dann muss ich los und mich umziehen,
aber ansonsten bleibe ich, wie ich bin. Ach, Essie, Schätzchen, ich
hab dich so vermisst.«
»Ich habe dich auch vermisst. Ich dachte schon, du
wolltest, Schluss machen – es ist über eine Woche vergangen und
…«
»Ach, das tut mir leid, Schätzchen. Zum einen
hatten wir alle Hände voll mit Beerdigungen zu tun. Bei dieser
Hitze sterben die Leute überall in der Gegend wie die Fliegen,
heißes Wetter ist für Todesfälle schlimmer als jeder Kälteeinbruch.
Gut fürs Geschäft natürlich, aber hart für die Hinterbliebenen. Und
zum zweiten – ach, hör mal, Essie, Liebste, kannst du dieses
verfluchte Fenster nicht aufmachen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Verriegelt, damit wir
nicht ausbrechen.«
»Ich kann also nicht rein, und du kannst nicht
raus?«
»Wir müssen bleiben, wo wir sind.«
»So ungefähr wie bei dieser verflixten
Zwiebeldame?«
Essie runzelte die Stirn. »Zwiebeldame? Nein, tut
mir leid, die kenne ich wohl nicht.«
»Saß in alten Zeiten in einem verschlossenen Turm
mit einem kleinen Fensterschlitz. Musste ihren Liebsten durch einen
Spiegel anschauen oder so.«
»Die Lady von Shalott!«
»Ach ja, Schalotten, Frühlingszwiebeln, was auch
immer. Wie in der Geschichte, Schätzchen.«
»Gott, das will ich nicht hoffen!«, antwortete
Essie gequält. »Die Ballade hat kein sonderlich glückliches Ende,
soweit ich mich erinnere. Nein, wir müssen uns nur eben mal wieder
etwas einfallen lassen. Hör mal, wenn du dich vom Haus aus nicht
sehen lässt und zu dem kleinen Wäldchen hinuntergehst, wo wir uns
das erste Mal begegnet sind, dann komme ich in etwa fünf Minuten
dorthin.«
Sie schmunzelte vergnügt, als Slos Kopf
verschwand. Er liebte sie noch! Es war ganz so, als wäre sie wieder
ein junges Mädchen. Wahrscheinlich würde sie heute Abend ein
goldenes Sternchen in ihr Tagebuch kleben – wenn sie noch goldene
Sternchen und auch ein Tagebuch besäße, natürlich.
Nachdem sie rasch überprüft hatte, ob ihre weißen
Hosen und ihre hellblaue Bluse gut aussahen, und sie einige auf
Abwege geratene Haarsträhnen wieder hinter die blauen und weißen
Tücher geschoben hatte, kicherte eine verjüngte Essie ihrem
Spiegelbild zu und schwebte aus dem Appartement.
Die nüchternen beigefarbenen Flure lagen still und
verlassen. Ebenso der unter dem unermüdlichen Feuerball der
Abendsonne brütende Garten. Trotz Rockys größter Bemühungen waren
die Blumen welk, die Sträucher schlaff und farblos, das Gras
verbrannt und struppig.
Essie warf einen raschen Blick über die Schulter,
darauf gefasst, jeden Moment den Alraunen-Schrei der enormen Joy zu
vernehmen, und eilte dann über den Rasen.
»Alles okay, Schätzchen?« Slo nahm ihre Hände in
die seinen und begrüßte sie im paradiesischen Schatten des Kirsch-
und Holundergehölzes mit einem Kuss. »Hat dich niemand unterwegs
aufgehalten?«
»Niemand. Bei der Hitze sind alle zu erschöpft, um
sich von den Ventilatoren im Aufenthaltsraum wegzubewegen. Lilith,
Prinzessin und Bert sind ausgegangen, und die Tugwells haben sich
wohl im Büro verbarrikadiert, um ihr Geld zu zählen oder was auch
immer sie da drinnen tun. Also sind wir hier ganz unter uns. Ach,
das ist wirklich eine unverhoffte Freude.«
»Und ich bin nicht mit leeren Händen gekommen«,
sagte Slo grinsend und nickte zu einem älteren Weiden-Picknickkorb
hinüber. »Mir war klar, dass ich mein Schweigen wiedergutmachen
muss, also setz dich hin. Ich hab uns ein paar Sandwiches gemacht
und so weiter – leider nicht ganz so spannend wie Erdbeeren mit
Champagner.«
»Das ist wunderbar. Vielen Dank. Ehrlich gestanden
hatte ich die letzte Woche über nicht so viel Appetit.« Essie
befreite ihre Hände und hockte sich auf einen umgefallenen
Baumstamm, während Slo an den ausgefransten Lederriemen des Korbes
herumnestelte. »Du verwöhnst mich.«
Mit der Zunge im Mundwinkel sah er auf. »Für dich
ist kein Aufwand zu groß, Schätzchen. Und mir war ganz elend
zumute, dass wir uns nicht sehen konnten. Ich hoff’ ja aber, du
verstehst mich und verzeihst mir, wenn du hörst, was los
war.«
Essies Blick schweifte in die Ferne über die
glühenden Kornfelder, die dunstig verschwommen in der frühen
Abendsonne lagen und sah mit Bedauern, dass die sanft wogenden
Hügel nun ebenso braun verbrannt und verdorrt waren wie der Rasen
um Twilights. In diesem Moment, dachte sie, würde sie Slo
wahrscheinlich so gut wie alles verzeihen.
»Nun mal los, lang nur zu.« Stolz reichte ihr Slo
einen üppig gehäuften Teller mit dicken, unförmigen Sandwiches.
»Eier mit Kresse, Käse mit Tomaten und Roastbeef mit Senf. Und ich
habe reichlich Ingwerbier, um das Ganze hinunterzuspülen. Wie bei
den Fünf Freunden, bloß dass wir nur zu zweit sind.«
»Ach, das ist wunderbar. Wieder einmal. Ein Fest
wie für … einen Bestatter und eine …«
»Königin.« Slo ließ sich neben ihr auf dem
Baumstamm nieder und nahm sich ein schwabbeliges, unförmiges
Riesenbrot mit Eiern und Kresse. »Also, Schätzchen, jetzt isst du
dein Abendbrot, und ich erzähl dir, was vor sich geht.«
Essie aß und trank und lauschte Slos sanft
brummender Stimme, während er erklärte, dass er nach dem
Sommerfest, als im Teezelt der Teufel los war, was Constances Zorn
die Spitze genommen hatte, nach Hause in die Winchester Road
zurückgekehrt war, wo er und Constance – mit mehreren reichlich
stumpfsinnigen Einwürfen seitens Perpetua – einen Höllenkrach
ausgetragen hatten, der fast die ganze Nacht dauerte.
Er hatte sich aber behauptet und ein für alle Mal
seinen Standpunkt klargemacht.
Unsre Constance war anscheinend mächtig verbittert
und hatte ihm alle möglichen Vorwürfe an den Kopf geworfen wie auch
Essies Namen durch den Schmutz gezogen. Slo war unnachgiebig und
ruhig geblieben, und langer Rede kurzer Sinn war, dass Slo seine
Cousinen davon überzeugt hatte, dass Essie
nicht aufs Geld aus war, sich nicht im Entferntesten für das
Vermögen der Motions interessierte, und dass er sich weiterhin mit
ihr treffen würde, ganz gleich, was sie sagten oder taten.
»Und am nächsten Morgen war unsre Constance
bereit, dass wir zur Bank gehen, und zwei Tage später hatten wir
dann einen Termin mit unserem Anwalt und dann mit dem
Finanzberater, dann am nächsten Tag wieder zur Bank und alle
Papiere unterzeichnen, um die Firma durch drei zu teilen. Wir
betreiben die Firma natürlich nach wie vor als die Motions. Nach
außen hin wird man keinen Unterschied merken – es ist nur so, dass
jetzt jeder von uns einen eigenen Anteil hat, eigene Einkünfte und
so weiter, anstelle von einem einzigen Gemeinschaftskonto. Und was
auch immer mit meinem Anteil der Firma passiert, werden unsre
Constance und unsre Perpetua ihre Teile behalten. Das hat die
beiden anscheinend besänftigt.«
»All diese Mühen hast du auf dich genommen – für
mich?« Essie blinzelte plötzlich aufsteigende Tränen fort. »So
etwas hat noch nie jemand für mich getan – aber du hast deinen
Lebensunterhalt aufs Spiel gesetzt, ganz zu schweigen von deiner
Familie und …«
»Nein, Schätzchen. Auch wenn ich’s für dich täte,
aber nein … Unsrer Constance sind Familientraditionen heilig. Sie
würde nicht wollen, dass wir auseinandergehen, das ist der Punkt.
Also sind wir immer noch zusammen, aber doch getrennt. Verstehst
du?«
»Ja, ich denke schon.« Essie furchte die Stirn und
brauchte beide Hände, damit ihr Käse und Tomaten nicht aus dem
Sandwich glitten. »Offenbar braucht all dieses Aufteilen so seine
Zeit, aber …«
»Braucht verdammt viel Zeit – allein alles in Gang
zu bringen
hat die ganze verdammte Woche gedauert, und« – Slo kaute beherzt
auf seinem Roastbeef – »ich wollte es dir erst erzählen, wenn es
ein Fettaklumpi ist, darum hab ich mich nicht gemeldet.«
»Und Constance ist das recht? Auch mit uns
beiden?«
Slo holte tief Luft. Es pfiff und rasselte wie ein
steifer Nordostwind. »Soweit würd ich nicht gehen. Unserer
Constance ist im Grunde nie was recht. Aber selbst wenn du hinter
meinem Geld her wärst, ist Constance jetzt überzeugt, dass es für
ihre Finanzen oder ihre Sicherheit keine Rolle spielt und auch dem
Geschäft nicht schaden kann.«
Essie atmete erleichtert aus. »Also, das hast du
wirklich getan – für mich? Ach, lieber Himmel, Slo, ich bin
überwältigt. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ehrlich
nicht.«
»Du brauchst überhaupt nichts sagen, Essie,
Schätzchen. Ich bin von Herzen froh, dass wir das geklärt haben.
Wir müssen bloß den Tugwells noch mitteilen, dass wir den Segen der
Mädels haben, wenn wir zusammen ausgehen, dann können sie nichts
mehr dagegen sagen und dich nicht mehr ärgern. Allerdings gibt’s da
noch immer einen Streitpunkt – noch Ingwerbier, Schätzchen?«
»Gerne. Danke. Ähm, was für einen
Streitpunkt?«
»Nun, der andere Grund, dass Constance gegen dich
war, ist, dass sie nicht will, dass ich die Familie
auseinanderreiße – nicht nur die Firma, sondern wir drei sollen
zusammenbleiben, wie es immer war.«
»Aber du würdest sie ja nicht verlassen. Nun, noch
nicht … ich meine, das haben wir noch gar nicht richtig besprochen
– es war nur wie ein Luftschloss. Ich meine, wir …«
»Du Gute, du wirst ja rot. Nein, aber sie weiß,
dass wir eines Tages vielleicht, nun ja, ein gemeinsames Heim haben
möchten, und das passt ihr nicht. Ich glaub ja, dass sie weniger
mich
bei sich haben will, sondern vielmehr einen Mann im Haus,
verstehst du? Die Mädels werden ja nicht jünger, und nach dem, was
dir passiert ist, Schätzchen, tja, wir wissen alle, dass da draußen
üble Schurken herumlaufen, die ältere Damen für leichte Beute
halten. Nicht, dass ich bei einer Schlägerei viel hermache, aber
ich schätze, irgendein Mann im Haus ist besser als gar
keiner.«
»Ich bin sicher, du kannst ziemlich Furcht
erregend sein, wenn du willst.« Essie lächelte. »Und ich verstehe
schon, warum Constance und Perpetua nicht alleine leben wollen.
Auch wenn ich gern die ganze Zeit mit dir zusammen wäre …«
»Ich weiß.« Slo verzog das Gesicht. »Ich will auch
die ganze Zeit mit dir zusammen sein. Ich fände es herrlich, wenn
wir unser eigenes kleines Heim hätten und Tag und Nacht beieinander
sein könnten. Und das werden wir auch, Schätzchen, irgendwie. Ich
versprech’s dir. Immer ein Schritt nach dem anderen, hm,
Schätzchen?«
Essie nickte glücklich. So weit, so gut. Es war
ein kleiner Schritt für Constance, aber ein großer für Slo und
sie.
Sie lächelten einander zu und stießen mit ihrem
Ingwerbier an.
»Und jetzt kannst du der kleinen Phoebe sagen,
dass du ihr Angebot nicht annehmen musst. Aber lieb von ihr, so
einzuspringen. Sie ist ein nettes Mädchen. Und kriegt ihr Leben
wieder in den Griff. War ein schöner Tag, als wir bei ihr und Rocky
waren. Er ist auch ein toller Kerl. Wir sollten das wiederholen –
natürlich nur, wenn sie uns haben will.«
»Will sie bestimmt«, sagte Essie seufzend und
schnippte die Krümel von ihrem geleerten Teller. »Ich muss wegen
etwas anderem sowieso mit ihr reden.«
Slo fischte sein schwarzgerändertes Taschentuch
aus der Hosentasche und wischte sich umständlich Mund und Finger
ab, bevor er sich eine Zigarette anzündete. »Wegen irgendwas mit
diesen alten Zaubersachen?«
»So in der Richtung, ja.«
»Weißt du«, Slo zog genüsslich den Rauch in seine
Lungen, »so glücklich bin ich mein ganzes Leben noch nicht gewesen.
Und auch wenn es vorher schon herrlich war, hat sich für uns beide
alles geändert, seit wir Phoebe besucht haben, stimmt’s?«
»Ja.« Essie nickte. »So war es. Und das ist ein
Punkt, über den ich wirklich so bald wie möglich mit ihr sprechen
muss.«