16.
Kapitel
Der
Augustfeiertag würde, wie Joy Tugwell jedem erklärte, der ihr
zuhörte, ein enorm heißer Tag werden.
Phoebe, die sehr früh nach Twilights gekommen war
und all ihr Madame-Suleika-Zubehör sowie eine Kühlbox mit
Mineralwasser in Essies Appartement deponiert hatte, saß außerhalb
der sengenden Hitze im lichten Schatten der das Grundstück
säumenden Bäume. So weit das Auge sah, erstreckte sich der Himmel
in wolkenlosem Kornblumenblau, und die ohnehin schon stehende Luft
war drückend und schwül. Müßig beobachtete sie die hektischen
Vorbereitungen für das Sommerfest.
Die Tugwells schienen sämtliche ausstehenden
Gefälligkeiten eingefordert zu haben, und so gut wie jedermann im
Umkreis von fünfzig Meilen, der ihnen nützlich sein konnte, huschte
über die Grünanlagen, errichtete Stände, hängte Wimpel auf, baute
Zelte zusammen, nagelte Plakate an und schleppte einen endlosen
Strom von Kisten mit Fressalien aus Twilights herbei.
Es wimmelte nur so von geschäftigem Treiben, und
die heiße Luft wurde nur bewegt vom Hämmern auf Pfosten und
Klangfetzen herzhaften Fluchens oder noch herzhafteren
Gelächters.
Während sie dem geschäftigen Hin und Her zusah,
überlegte Phoebe erneut, ob sie irgendwelche Schuldgefühle hegen
müsste, weil sie den Geburtstagszauber auf Slo und Essie
angewendet hatte, doch bei Prüfung ihres Gewissens fand sie es nach
wie vor ganz rein.
Als Slo und Essie aus ihrem Mittagsschläfchen im
Hinterhofgarten aufgewacht waren, hatten sie erst nicht so recht
gewusst, wo sie sich befanden, waren ein bisschen verlegen gewesen,
dass sie in Gesellschaft eingenickt waren, hatten sich jedoch mit
freundlichem Lächeln und leise gemurmelter Konversation einander
gegenüber ganz normal verhalten. Sie hatten den ganzen Nachmittag
lang im kühlen Hof gesessen, ab und zu ein wenig gedöst, sich mit
Phoebe und Rocky wie auch untereinander unterhalten und waren noch
zum Tee geblieben.
Phoebe hatte den Nachmittag sehr schön gefunden,
war jedoch ein wenig enttäuscht, dass auf die Geburtstagsmagie hin
keinerlei Sternenschauer, himmlische Trompetenfanfaren und
hierniederrieselnder glitzernder Zauberstaub aufgetreten waren.
Vielleicht hatte sie etwas falsch gemacht. Vielleicht hatte Essie
sich geirrt, und sie, Phoebe, besaß die Gabe eben doch nicht.
Bei ihrem späteren Gespräch über dieses Thema mit
Rocky hatte er gesagt, er sei doch sehr erleichtert gewesen, dass
Slo und Essie nicht mit Ausrufen ungezügelter Rentner-Leidenschaft
übereinander hergefallen wären.
Nein, dachte Phoebe und streckte die nackten Beine
aus, entweder wirkte der geheime Geburtstagszauber nicht, oder die
Beziehung entwickelte sich nur ganz allmählich. So oder so bereute
sie das Experiment in keiner Weise.
Da weder sie selbst noch Essie Slo seither gesehen
hatte, wussten sie nicht, was für einen Empfang seine Cousinen ihm
nach seiner Flucht bereitet hatten. Auch wenn sie mit den
Feinheiten der Familienpolitik bei den Motions nicht vertraut
war, so hoffte Phoebe doch sehr, dass Slo sich wie ein Mann
verhalten und Constance und Perpetua erklärt hatte, sie sollten
sich verdammt noch mal um ihre eigenen Angelegenheiten
kümmern.
Wie alle Dorffeste in Berkshire nahm das
Sommerfest aus anfänglichem Chaos allmählich Gestalt an. Phoebe
beobachtete, wie inmitten des Tumultes eine kleine, mit Seilen
abgetrennte Arena entstand, mehrere Pavillons wie Pilze aus dem
Boden wuchsen, Verkaufsstände einen Kreis bildeten, während
Elektriker mit riesigen Kabeltrommeln hin und her flitzten, um die
Lautsprecheranlage und die Beleuchtung zu installieren. Sogar
Clemmies Mann Guy und seine Feuerwerks-Mannschaft von The Gunpowder Plot waren vor Ort und gruben am
hinteren Ende der Grünanlagen die Abschussrohre für das abendliche
Höhenfeuerwerk ein.
»Polly!« Die Stimme der enormen Joy zerriss jäh
die Glückseligkeit der morgendlichen ländlichen Idylle. »Möchten
Sie sich ein bisschen nützlich machen?«
»Phoebe. Und, äh, nein«, antwortete Phoebe
lächelnd. »Ich, ähm, sitze hier nur und bereite mich auf nachher
vor, indem ich mein Karma konzentriere.«
»Ah, ja.« Die enorme Joy, in königsblauem
Hemdblusenkleid mit passendem Haarband über der Toupierfrisur,
konnte mit dem Begriff Karma offenbar nicht viel anfangen. »Wir
bräuchten nur jemanden, der sich um Jezebel McFrewin kümmert, wenn
sie ankommt.«
»Jezebel wer?«
»McFrewin. Ach, Sie werden doch sicher schon von
ihr gehört haben? Sie ist unser Promi für die Eröffnungszeremonie
am Mittag und kürt später den Gewinner des Kostümwettbewerbs. Falls
sie schon vor zwölf Uhr eintreffen sollte, wär es mir lieb, wenn
ihr jemand zur Seite stünde, der alle Sinne
beisammen hat und nicht in ihrem Beisein einzuschlafen droht oder
sie mit Sahnepudding vollstopft oder versucht, sie in
handgreifliche Partyspiele zu verwickeln. Mittags wird Tony dann
übernehmen und sie zum Podium geleiten. Kann ich sie Ihnen
zuteilen?«
»Äh, na ja, wenn es sein muss – aber wie soll ich
sie erkennen? Was für ein Promi ist sie denn? Was hat sie denn
Tolles gemacht?«
»Um die Wahrheit zu sagen, ich habe nicht die
leiseste Ahnung«, antwortete Joy nervös. »Tony, mein Männe, hat sie
über eine Agentur aus den Gelben Seiten engagiert. Enorm
preisgünstig. Ich bin sicher, sie genügt für diesen Zweck vollauf.
Wir haben um eine populäre Person gebeten, von daher wird sie wohl
Schriftstellerin oder Sängerin oder Schauspielerin sein oder so
etwas.«
Wahrscheinlich eher eine einsilbige, ausgemusterte
Reality-TV-Show-Verliererin, feixte Phoebe insgeheim. »Ach du liebe
Güte, wenn ich früher gewusst hätte, dass Sie einen Star suchen,
hätte ich Joss Bensons – nein, sie hat ja wieder geheiratet -, Joss
Fabians Mann Freddo fragen können. Er betreibt eine
Künstleragentur. Die beiden wohnen in Bagley-cum-Russet und
…«
Die enorme Joy zog geringschätzig die Nase hoch.
»Ach nein, ich glaube nicht. Ich weiß alles über die Art von
Leuten, die Freddo Fabian vertritt. Rock’n’Roll-Sänger und
dergleichen – die würden wahrscheinlich nur in meinen
Blumenrabatten Ecstasy schnupfen. Nein, nein – ich denke, Tony,
mein Männe, hat bestimmt einen echten Volltreffer gelandet, mit
dieser, ähm …«
»Jezebel McFrewin?«
»Genau.«
»Wollen wir es hoffen – aber ich weiß noch immer
nicht, woran ich sie erkenne.«
»Nun, zum Ersten ist sie nicht aus dieser Gegend –
und die meisten Leute von hier müssten Sie ja kennen. Lassen Sie
sich etwas einfallen, Polly. Sie müssen einfach nur die Augen
offenhalten nach jemandem, der, ähm, tja, eben enorm nach Prominenz
aussieht, ja?«
»Hm, ich werd’s versuchen. Und werden die
Insassen, ähm, die Bewohner mit ihr zufrieden sein?«
»Das wissen die Götter. Sie hatten sich eigentlich
Vera Lynn oder Marlene Dietrich gewünscht. Nun muss ich mich sputen
– viel zu tun und wenig Zeit.«
Jezebel McFrewin?, grübelte Phoebe. Nie gehört.
Aber irgendeine hohlköpfige Barbiepuppe ein paar Minuten lang über
das Festgelände zu führen, dürfte ja eigentlich kein allzu großes
Problem darstellen.
»Hi.« Rocky, der in engen Jeans und einem
AC/DC-T-Shirt ganz schön atemberaubend aussah, tauchte mit einem
großen Pappkarton in den Händen neben ihr auf. »Da du dir offenbar
nicht wie alle anderen hier die Finger wund arbeitest, könntest du
doch vielleicht deine Zwangsneurose mal nutzbringend zum Einsatz
bringen und mir ein bisschen zur Hand gehen?«
»Nö.« Phoebe grinste. »Wie ich eben schon der
enormen Joy erklärt habe, sitze ich einfach nur hier und
konzentriere mein Karma, um mich auf meine Rolle als Madame Suleika
vorzubereiten.«
»So ein Quatsch. Dein Karma ist völlig in Ordnung.
Ich weiß, dass du eine Hexe bist – also stell deinen Besen weg,
konzentrier dich auf deine organisatorischen Kräfte, und hilf mir,
diesen Trödelschnickschnack irgendwie sinnvoll anzuordnen.«
»Okay.« Phoebe schälte sich von der Bank und
schlenderte neben ihm durch die sonnenüberfluteten Grünanlagen.
»Ach, hast du schon mal von Jezebel McFrewin gehört?«
»Nein. Ach, äh, doch. Hat die nicht ›Abbitte‹
geschrieben?«
»Das war Ian McEwan.«
»Ach ja, richtig. Dann nicht. Warum?«
»Weil sie heute als Promi das Fest eröffnet und
ich auf sie aufpassen soll, aber ich glaube nicht, dass ich sie
erkenne und – oh, toller Standplatz. Deine Bude ist direkt neben
dem Teezelt. Die Massen werden sturzbetrunken dort herausströmen
und direkten Weges zu dir torkeln. Da wirst du den ganzen
Nachmittag alle Hände voll zu tun haben – keine Chance auf ein
Päuschen.«
»Vielen Dank.« Rocky ließ den Karton ins Gras
plumpsen. »Ich freu mich schon unheimlich darauf, stundenlang in
tropischer Hitze herumzustehen und einen Haufen Ramsch an Leute
zurückzuverkaufen, die den Kram vorher wahrscheinlich selbst
gespendet haben.«
»Eine der enormen Freuden eines ländlichen
Festes.« Phoebe kramte in der Kiste. »Mensch, was ist das denn? Und
dies? Und was zum Donner soll man mit dem hier anfangen?«
»Verstehst du jetzt, was ich meine?«
Schulterzuckend griff sich Rocky eine weitere Handvoll
zweifelhafter Objekte. »Wie soll ich dieses Zeug hier denn
irgendwie ansprechend präsentieren?«
Phoebe besah sich die zahlreichen anderen Stände,
alle von kleinen Gruppen begeisterter Twilighter und deren zu
Besuch gekommenen Verwandten ähnlich dekoriert. Welch ein Jammer,
dachte sie, dass Essie heute niemanden von ihrer Familie zur
Unterstützung dahatte. Oder recht bedacht, so wie Essies Familie
war, wohl doch kein Schaden. Essie war ohne ihre Kinder eindeutig
besser dran.
Immerhin wussten sie und Rocky nun, warum Essie in
Twilights eingekerkert war. Essies Kinder waren ja wirklich
abscheulich gewesen: hatten ihr das Zuhause gestohlen, waren
nicht einmal nach ihrem Zusammenstoß mit den Rowdys gekommen, um
nach ihr zu sehen, sondern erst wieder aufgetaucht, um ihr die
letzten Spargroschen aus dem Kreuz zu leiern.
Nach dieser Geschichte war Phoebe mehr denn je
wild entschlossen, alles zu tun, um Essie glücklich zu
machen.
»Nach einer kurzen visuellen Marktanalyse«, sagte
sie, »glaube ich, dass alle anderen ihre Stände im kunterbunten
Wühltischdesign gestalten. Da du den ganzen Ramsch gekriegt hast,
den sonst keiner wollte, würde ich es an deiner Stelle vielleicht
mit einem etwas strukturierteren Ansatz versuchen. Auf diese Weise
kannst du immerhin verrückte alte Vogelscheuchen wie die
Banding-Schwestern und Gwyneth Wilkins davon abhalten, schultertief
in den Sachen herumzukramen. Also, wenn wir das ganze Geschirr
hierherstellen … und den Nippes auf diese Seite und dann …«
»Ich wusste, dein zwanghafter Ordnungstrieb würde
sich eines Tages doch noch als nützlich erweisen«, sagte Rocky
grinsend. »Es erstaunt mich nur, dass du noch keine
Draufsicht-Skizze mit drei Listen erstellt hast.«
»Methodisch vorzugehen, hat noch nie geschadet!«
Phoebe streckte ihm die Zunge heraus. »Du hast um Organisation
gebeten, und die bekommst du auch. Also lass uns logisch vorgehen,
bevor der kleine Tony uns alle in den Wahnsinn treibt, indem er die
Lautsprecheranlage mit ›Summer Holiday‹ testet.«
Wie aufs Stichwort dröhnte verzerrt ein
Klangfetzen von »The Floral Dance« aus der Beschallungsanlage. Sie
sahen einander an und lachten.
»Jetzt weiß ich ganz sicher, dass ich auf einer
Berkshire-Fete bin.« Schmunzelnd versuchte Rocky, zwei
Charles-und-Diana-Tassen (leicht angeschlagen) und einen einohrigen
Bakelit-Affen möglichst ansprechend aufzustellen. »Sie spielen
immer
verkratzte Aufnahmen grafschaftstypischer Lieder. Wahrscheinlich
dudelt als Nächstes ›An English Country Garden‹ und ›Winchester
Cathedral‹. Na bitte – hab ich’s nicht gesagt?«
»Und du hättest AC/DC, Led Zeppelin und Rainbow
ausgesucht, oder?«
»Gute Idee. Ach, und deine erste Wahl wären wohl
die Greatest Hits von Ronan Keating?«
»Was denn sonst?! ›Musikalisch trennen uns
Welten.‹ Gut, und was machen wir damit? Ich glaube, das könnte ein
Eierbecher sein.«
Nach einer weiteren halben Stunde Rumkramen und
Abstauben, Lachen und Aufstellen, war der Karton leer und der
Raritätenstand bestückt.
»Weißt du«, Phoebe besah sich ihr Werk mit
zusammengekniffenen Augen, »wenn man nicht allzu genau hinschaut,
sieht es gar nicht so übel aus. War eine gute Idee, die Sachen in
Kategorien einzuteilen – Schmuck, Porzellan, Krimskrams und äh,
Schrott – auch wenn es nach Eigenlob klingt. Nette
Verkaufsstrategie, Phoebe. Aber was ist mit den Preisen? Hast du
irgendwelche Aufkleber?«
»Nein. Ich dachte mir, ich lasse die Leute ein
bisschen feilschen«, sagte Rocky und streckte sich.
Beim Strecken wurde eine hübsche Portion Muskeln
unter gebräunter Haut sichtbar. Phoebe wandte den Blick ab.
»Schön, also, wenn du mein Dekorationstalent und
meine Kategorisierungsfähigkeiten nun nicht mehr brauchst«, sagte
sie energisch, »dann geh ich mal besser und seh nach, ob in meinem
Wahrsage-Zelt auch zwei Stühle und ein Tisch stehen. Anschließend
werde ich auf Essies Angebot zurückkommen und bei ihr duschen,
bevor ich mich in Madame Suleika verwandle. Und danach stehe ich
bereit, um Ms McFrewin vor dem Medienrummel abzuschirmen.«
»Wird es denn welchen geben?«
»Bestimmt. Die enorme Joy und der kleine Tony
machen das hier doch nicht nur zum Vergügen der Twilighter.«
Rocky schüttelte den Kopf. »Vielleicht machen sie
gleichzeitig ja auch ein bisschen Publicity für dein FETA-Projekt
und für die anderen außerplanmäßigen Angebote der Bewohner. Wird
alles dazu beitragen, das Image von Twilights als bestes
Seniorenheim von Berkshire aufzupolieren.«
Phoebe stimmte ihm zu. »Nachdem der Überfall auf
Essie in den Lokalblättern für Schlagzeilen gesorgt hat, werden die
Tugwells sicher jede Möglichkeit der Schadensbegrenzung nutzen.
Viel Glück mit dem Trödel und bis später!«
Rocky bückte sich, um eine heruntergefallene
ET-Handpuppe ohne Gesicht aufzuheben, und sah ihr dann in die
Augen. »Phoebe, was diese Wahrsagerei heute betrifft: Du machst
doch hoffentlich nichts, also, Heidnisches, oder?«
Es gelang ihr gerade noch, sich ein entrüstetes
Schnauben zu verkneifen. »Heidnisches? Ich mache doch nichts
Heidnisches. Für Opferrituale ist Hazy Hassocks nicht der geeignete
Ort.«
»Ich meine diesen Geburtstagszauber und so. Ich
finde, es war schon okay, ihn an Slo und Essie auszuprobieren, denn
schließlich ist es ja ihre, äh, Magie, und du hast gewusst, dass
die beiden zusammen sein wollen und sie den ersten Teil bei Slo
schon angewendet hat, und bei den beiden hat es ja anscheinend gar
nicht gewirkt, aber du kannst das nicht einfach bei irgendwem machen.«
»Natürlich kann ich das nicht und werde es auch
nicht. Soll das etwa heißen, du fängst an, daran zu glauben?«
»Nein, natürlich nicht. Ich sag dir das nur zu
deinem Besten – nur für alle Fälle. Du weißt, wie die Leute in
dieser Gegend hier sind. Ein Mucks, dass du etwas Übernatürliches
bewirken kannst, und es kommt zum Tumult.«
»Danke für die Warnung, aber sie war vollkommen
unnötig.« Phoebe entfernte sich ein paar Schritte, dann sah sie
sich lächelnd noch einmal zu ihm um. »Mir ist sehr wohl bewusst,
dass hier und heute für die Geburtstags-Magie weder die rechte Zeit
noch der rechte Ort ist. Bis später.«
Nachdem sie Berts Origami-Stand erfolgreich
umschifft hatte, im Hof Prinzessins Yoga-Truppe bei waghalsigen
Verrenkungen ausgewichen war und an der Küche vorbeigehend den Duft
von Liliths würzigen Speisen eingeatmet hatte, begab sich Phoebe in
Essies Appartement und nahm ihre Verwandlung in Madame Suleika in
Angriff.
Essie stand am Fenster und beobachtete das
hektische Getümmel mit gelassener Heiterkeit. »Hallo Liebes. Liebe
Güte, du siehst jetzt schon erschöpft aus. Es ist schrecklich
heiß.«
Essie, in cremefarbenen Leinenhosen und weißer
Bluse, dazu silbergraue Tücher im Haar, sah aus wie der Inbegriff
von Cool Chic, fand Phoebe, selbst klamm und verschwitzt, und
wischte sich Schweißperlen von der Oberlippe.
»Hoffen wir mal, dass dieses Sommerfest nicht
wegen der hohen Anzahl an Hitzschlag-Opfern in die Geschichte
eingeht.« Sie nickte zu Essies Schlafzimmer hinüber. »Ist es okay,
wenn ich mich jetzt schnell dusche und dann umziehe?«
»Natürlich«, sagte Essie, ohne sich vom Fenster zu
entfernen. »Ich bin nur froh, wenn ich dir deine Gastfreundschaft
vergelten kann. Tut mir leid, dass die Dusche so sehr eng
ist.«
Phoebe zog eine Grimasse. Alles in Essies
Appartement war sehr eng. Hier bekäme selbst ein Hamster
Platzangst. »Ich werde es genießen, danke.« Phoebe nahm ihre
Taschen und schlüpfte ins Bad. »Dann kann ich meine Tarotkarten und
Planetentabellen in mein Zelt schaffen, bevor ich Jezebel McFrewin
in Empfang nehme.«
»Ja, natürlich, meine Liebe, aber wer ist
…?«
»Sie eröffnet das Fest und entscheidet den
Kostümwettbewerb«, sagte Phoebe einige Minuten später mit
gedämpfter Stimme, nachdem sie aus dem winzigen Badezimmer wieder
aufgetaucht und sich die von Clemmie ausgeborgten Kleider angezogen
hatte. »Irgendeine Halb-Prominente von irgendwo. Hast du schon mal
von ihr gehört?«
»Nein, Liebes, ich glaube nicht. Ach, warte mal.
Hat sie nicht im Fernsehen die Miss Marple gespielt?«
»Das war Geraldine McEwan.«
»Ach ja, natürlich.«
»Äh …« Phoebes Stimme klang noch immer gedämpft,
da sie gerade das dicke Madame-Suleika-Make-up auflegte. »Hast du
was von Slo gehört?«
»Nicht seit du letztes Mal gefragt hast,
nein.«
Mist, dachte Phoebe, während sie die bestickte
Bluse so tief von ihren Schultern herabzog, wie der Anstand es
erlaubte, dann legte sie YaYas riesige Ohrringe an und streifte ein
Kilo Armreifen über. Sie musste bei dem Geburtstagszauber wirklich
irgendetwas falsch gemacht haben.
Aber dieses Kostüm war doch hübsch, dachte sie und
lächelte sich im Spiegel zu. Eine ganz andere Phoebe erwiderte ihr
Lächeln, nicht diejenige, die vor ein paar Monaten noch so
vergrämt, blass und kummervoll ausgesehen hatte. Auch wenn sie im
Inneren noch immer schrecklich litt, machte zumindest ihr Äußeres
erste Schritte auf dem Weg zur Besserung.
Ach was, sie wollte heute nicht an Ben denken.
Heute nicht …
»Ta-dah!« Phoebe bemühte sich, rundum glücklich
auszusehen, ergriff die spitzenbesetzten Säume ihrer Röcke und
Petticoats und wirbelte ins Wohnzimmer. »Die wahrsagende Zigeunerin
steht zu Diensten.«
Essie klatschte in die Hände. »Ach, Phoebe,
Liebes, du siehst
herrlich aus – sogar noch herrlicher als bei unserer spontanen
Kostümprobe. Dieses Make-up ist fabelhaft. Und, bist du bereit für
den vollständigen Auftritt?«
»Ja, ich denke schon. Ich freue mich
darauf.«
»Gut. Also, du weißt, was wir besprochen haben …
nur die harmlosen Sachen.«
»Genau was Rocky mir eben noch eingeschärft hat.
Keine Sorge, ich verwende nur meine jahrelang angesammelten
Astrologie-Kenntnisse und gerate auf keinerlei Abwege in Richtung
Geburtstagszauber. Außerdem habe ich mir aus der Requisite der
Laientheatergruppe in Hassocks eine Kristallkugel ausgeliehen.
Nicht, dass ich je eine Kristallkugel verwendet oder jemandem aus
der Hand gelesen hätte, aber ich mache, was immer gewünscht wird –
bis auf den Geburtstagszauber.«
»Braves Mädchen.« Essie sah wieder aus dem
Fenster. »Ich komme später mal runter und schau, wie du
zurechtkommst. Ach, ich hoffe so sehr, dass Slo sich heute blicken
lässt. Das hier wird ihm sehr gefallen. Ich hoffe, seine Cousinen
machen ihm das Leben nicht allzu schwer. Wir sind ja schließlich
nur gute Freunde.«
»Wünschst du dir mehr als das?«
»In meinem Alter? Nein, wirklich nicht. Nun,
zumindest nicht so, wie du es meinst. Aber ich lie…, äh, ich mag
Slo sehr gern. Er ist ein wunderbarer Kavalier. Und wir hatten sehr
viel Spaß miteinander. Es wäre so schön, wenn wir nur … Nein, ich
bin ja töricht. Aber ach, meine liebe Phoebe, ich vermisse ihn
wirklich!«
Ach Gottchen, dachte Phoebe. Essie war doch in ihn
verliebt. Und es war alles ihre Schuld. Und weil sie mit der
Geburtstagsmagie herumgezaubert hatte, so war sie, auch wenn die
beiden einander körperlich nicht wahnsinnig begehrten, doch dafür
verantwortlich, dass Essie ihn vermisste – dabei
wusste sie selbst doch am allerbesten, wie schrecklich es sein
konnte, jemanden zu vermissen. An Tagen wie diesem fehlte Ben ihr
so sehr – nun gut, an Tagen wie diesem und allen anderen auch. Zu
albernen Dorfveranstaltungen waren sie immer gemeinsam gegangen.
Früher immer – in Zukunft nie wieder.
Verdammt – dabei hatte sie sich doch gerade eben
vorgenommen, heute nicht an Ben zu denken.
»Ich bin sicher, dass Slo noch kommt«, sagte
Phoebe weitaus munterer als ihr zumute war. »Er lässt dich bestimmt
nicht im Stich.«
»Er hat gesagt, wir sollten Mobiltelefone haben,
um in Verbindung zu bleiben«, seufzte Essie. »Ich fand die Idee
damals albern, aber jetzt …«
Phoebe sauste unter Geklimper durch das winzige
Appartement, um sie in die Arme zu schließen, und hoffte dabei
entgegen aller Wahrscheinlichkeit, dass Slo sich nicht als ebenso
unzuverlässig erwies wie Ben.
Von lautem Pfeifkonzert der Elektriker begleitet
stolzierte Phoebe mit dem Köfferchen in der einen und der
Kühltasche in der anderen Hand über den Innenhof von Twilights zu
ihrem Standplatz. Sie lächelte. Es tat einer Frau gut, noch immer
bewundernde Pfiffe hervorlocken zu können. Anerkennendes Pfeifen,
von der EU, der Brigade politischer Korrektheit und feministischen
Gruppierungen allerorten sicher verboten, würde in Hazy Hassocks
zum Glück niemals aussterben.
MADAME SULEIKA – ECHTE ROMA-WAHRSAGERIN stand in
ziemlich wackeligen Großbuchstaben auf dem Plakat vor dem winzigen
grünen Zelt. Als ob das Warenkennzeichnungsgesetz hier Anwendung
finden müsste, dachte sich Phoebe, als sie den Zelteingang
aufschlug.
»Uff! Das ist ja wie im Backofen!« Sie zog die
Klappen zurück, so weit es ging. »Mensch, wenn sich die Leute hier
drin länger aufhalten, werden sie mir vor Austrocknung umkippen,
bevor ich überhaupt dazu komme, ihnen zu erzählen, was ihnen
nächste Woche bevorsteht.«
Sie krabbelte am Boden des Zeltes herum und
schaffte es, die Seitenwände hochzuraffen, damit zumindest ein
bisschen Luft zirkulieren konnte. Ich pfeif auf die Privatsphäre
der Klienten, dachte sie, hier geht’s ums Überleben.
Nachdem sie rasch die Kristallkugel aufgestellt,
die Tarotkarten gestapelt, die Gestirnstandstabellen für Sonne,
Mond sowie die Planeten aufgeschlagen und die Kühlbox unter dem
Tisch verstaut hatte, eilte sie wieder nach draußen, wo es fast
genauso heiß war wie im Inneren des Zeltes. Dieses Wetter ist
aberwitzig, dachte sie. An der Küste mit einer Meeresbrise wäre es
ja vielleicht ganz schön, aber in Berkshire, im Landesinneren, ist
das überhaupt nicht lustig.
Die ausgedehnte Hitzewelle hatte jedoch die
Anwohner ganz und gar nicht davon abgehalten, in wahrer ländlicher
Manier scharenweise aufzukreuzen, um in vollen Zügen zu genießen,
was auch immer der Augustfeiertag zu bieten hatte. Während Phoebe
sich das Gesicht fächelte und um Regen betete, wurde es auf dem
Gelände von Twilights rasch immer voller. In der Ferne funkelte die
späte Vormittagssonne auf den Dächern der vielfarbigen Autoreihen
auf dem Parkplatz, und Menschenmassen begannen bereits durch das
Tor zu strömen. Es sah aus, als würde das Sommerfest ein
sagenhafter Erfolg werden.
Mensch, dachte Phoebe, noch immer mit Blick auf
den Eingang, wo eine Schar Schlange stehender Dörfler sich eben
teilte wie das Rote Meer, um eine Erscheinung in Schwarz
durchzulassen, YaYa ist heute aber früh dran.
Sie blinzelte. Nein, das war nicht YaYa. Nicht
groß genug.
Vielleicht eine ihrer Kolleginnen von den Dancing Queens? Foxy, Honey Bunch, Campari oder
Cinnamon?
Wer auch immer es war, dachte Phoebe, sie wusste
eindeutig, wie man einen Auftritt hinlegt.
In haargenau der gleichen Aufmachung wie Olivia
Newton-John in der geilen Schlussszene von Grease, in hautengen
schwarzen Hosen und Bustier, mit wallendem platinblondem Haar und
Mörderabsätzen, tänzelte die Neuangekommene über den Rasen.
Sämtliche Männer hielten den Atem an und glotzten.
Sämtliche Frauen taten neiderfüllt dasselbe.
Ping! Phoebe hätte beinahe laut losgelacht, als
der Groschen fiel. Das musste Jezebel McFrewin sein. Die
Eröffnungsrednerin. Ihr Schützling. Na, na, vielleicht hatten die
Tugwells ja doch eine echte Prominente gefunden.
Mit gerafften Röcken bahnte sich Phoebe den Weg
durch die Menge. »Ms McFrewin?«
»Was is?« Die Stimme entsprach leider gar nicht
dem Hollywood-Image. Der Akzent war reines Berkshire. »Hä? Ah,
ja.«
Von Nahem besehen war Jezebel McFrewin älter, als
sie zunächst gewirkt hatte, aber eigentlich recht hübsch, dachte
Phoebe. Natürlich viel zu viel Make-up, die Frisur total veraltet,
und für eine Eröffnungsrede wirklich nicht passend gekleidet, aber
im Großen und Ganzen sah sie ziemlich, na ja, promimäßig aus.
»Hallo, ich bin Phoebe Bowler und ich …«
»Ich suche nach Tony Tugwell.«
»Ja, ich weiß. Man hat mich gebeten …«
»Er hat mich gebucht, dieser Tony Tugwell. Ich bin
nur für eine Stunde gebucht. Hab keine Zeit zu vergeuden. Zeit ist
Geld.« Jezebel warf Phoebe einen musternden Blick zu. »Von wo bist
du?«
»Äh, von hier, na ja, natürlich nicht aus dem
Altersheim. Ich meine, an manchen Tagen fühl ich mich zwar ganz
schön alt, aber tatterig bin ich noch lange nicht, äh, ich meine,
ich bin aus Hazy Hassocks.«
»Welche Agentur?«
»Oh nein, keine Agentur. Ich bin nur hier, um
…«
»Verfluchte Freiberuflerinnen.« Jezebel rümpfte
die Nase. »Verderben uns Profis das Geschäft. Möchte mal wissen,
wieso wir keine Gewerkschaft haben. Und dein Kostüm ist ein Heuler,
meine Liebe. Kein Schwein steht mehr auf diesen altmodischen
Sound-of-Music-Look. Ist doch im Fernsehen
bis zum Abwinken gelaufen. Also, wo ist Tony Tugwell?«
»Oben im Haus, aber man hat mich gebeten …«
Jezebel McFrewin stolzierte davon. Phoebe,
reichlich verschnupft über den Verriss ihres
Madame-Suleika-Kostüms, raffte ihre Röcke und folgte ihr.
»Ms McFrewin, Jezebel, bitte«, rief sie keuchend.
»Um so zu rennen, ist es doch viel zu heiß. Wollen wir uns zum
Warten nicht lieber unter die Bäume dort drüben setzen? Ich bin
sicher, der kleine Tony, äh, Mr Tugwell wird jeden Moment
rauskommen. Er will Sie um zwölf Uhr abholen.«
Jezebel zuckte die Achseln. »Okay. Mir ist
verdammt heiß. Hinsetzen und warten soll mir recht sein. Was geht
hier eigentlich ab?«
»Sommerfest.«
Phoebe geleitete die kurvige Jezebel in Richtung
der Bäume. Die Elektriker – zum Teufel mit ihnen – hatten die
Fronten gewechselt und juchzten nun alle lautstark Jezebel
hinterher. »Hat das denn keiner erwähnt?«
»Mir sagt ja nie einer was.« Jezebel furchte die
Stirn. »Ich nehm bloß meine Termine, geh hin, mach, was gewünscht
wird, und verzieh mich wieder.«
»Und, ähm, sind Sie eine Imitatorin?«, fragte
Phoebe fröhlich. »Ein Double von Olivia Newton-John?«
»Spinnst du? Ich bin, was auch immer verlangt
wird. Heute sollte ich bloß ein bekannter Star sein. Ich kann auch
einen auf Marilyn Monroe bis hin zu Lily Allen machen, wenn’s gut
bezahlt wird.«
»Aha, also flexibel.«
»Schätze, so kann man es auch nennen. Oh!«
Plötzlich richtete Jezebel sich auf. »Sag bloß, das ist Tony
Tugwell? Oh, bit-te! Der ist ja heiß! Heiß, heiß, heiß. Verdammt
heiß wie Feuer!«
»Wer?« Von einer Menge Gaffer hin- und
hergeschubst, riss Phoebe die Augen auf. »Oh Gott nein, das ist
…«
Zu spät. Jezebel hatte sich losgeeist und bahnte
sich auf ihren hohen Absätzen etwas unsicher den Weg zum
Raritätenstand.
Rocky hatte eben versucht, ein zu Boden gleitendes
Bündel Fünfzigerjahre-Postkarten von Hastings aufzuhalten, und sah
gerade hoch, als Jezebel mit Phoebe im Schlepptau vor ihm
stehenblieb.
»Danke, lieber Gott.« Er grinste von einem Ohr zum
anderen. »Sämtliche Männerfantasien in einer vereint.«
»Tony Tugwell?«, gurrte Jezebel. »Ich bin Ihr Star
für einen Tag. Na ja, für eine Stunde.«
»Leider, so gern ich auch sagen würde: Ja bitte,
und vielen Dank«, erwiderte Rocky, »bin ich der falsche
Mann.«
»Ach Mist«, stöhnte Jezebel. »Ich hab ja gewusst,
so viel Glück gibt’s nicht.«
Phoebe funkelte Rocky an. »Hör auf zu sabbern. Das
ist Jezebel McFrewin.«
»Wer? Ach, die Prominente.« Rocky grinste noch
immer auf eine für Phoebes Begriffe unnötig lüsterne und
flirtbereite
Art und Weise. »Der kleine Tony hat ausnahmsweise mal ins Schwarze
getroffen. Weiß ja nicht, was die enorme Joy dazu sagen wird, aber
…«
Jezebel sah ihn fragend an. »Schätze, du wärst
wohl nicht interessiert …«
»Mich als John Travolta zu verkleiden? Nee, ist
nicht mein Stil, aber danke für das Angebot. Wenn es um Bon Scott
oder Angus Young ginge, sähe die Sache schon anders aus.«
»Wer?«, fragte Jezebel.
»AC/DC«, warf Phoebe angesäuert ein. »Darauf ist
er total fixiert. Halbnackte Kerle in schwarzen Lederhosen. Obwohl
ich glaube, dass Angus Young manchmal auch Schuluniformen angezogen
hat.«
»Tut mir leid«, sagte Jezebel beleidigt. »Perverse
Sachen mach ich nicht.«
Rocky gluckste. Wütend auf sich selbst wegen
dieses Anflugs stechender Eifersucht starrte Phoebe ihn zornig
an.
»Polly!« Die wenig wohlklingende Stimme der
enormen Joy durchschnitt das aus den Lautsprechern dudelnde Lied »I
Was Kaiser Bill’s Batman«. »Polly! Es ist kurz nach zwölf! Wo ist
unsere Promi- oh!«
Phoebe strahlte. »Mrs Tugwell, das hier ist
Jezebel McFrewin. Jezebel, ich reiche Sie jetzt weiter.«
Joy musterte Jezebel ziemlich entgeistert von Kopf
bis Fuß, hielt sich aber wacker. »Ah, enorm erfreut, Sie kennen zu
lernen, Ms McFrewin. Folgen Sie mir, bitte. Die Bühne steht schon
bereit, und dann geht’s auch gleich weiter mit dem
Kostümwettbewerb. Nicht trödeln – Ihr Publikum wartet schon.«
»Publikum?«, fragte Jezebel bestürzt. »Ich mach’s
nicht vor Publikum. Was ist denn das hier für ein Laden?«
»Die Seniorenresidenz Twilights.« Die enorme Joy
schaltete in den Werbemodus. »Das enorm erstklassige zweite Zuhause
für den Lebensabend. Und dies ist unser Benefiz-Sommerfest. Wie
Ihnen bekannt sein sollte, da mein Männe Sie für die
Eröffnungszeremonie und Prämierung des Kostümwettbewerbs gebucht
hat.«
Jezebel sah sie verständnislos an.
»Mein Männe!«, wiederholte die enorme Joy
hartnäckig und versuchte, Jezebel von Rocky und Phoebe fort in
Richtung Podium zu lotsen. »Tony Tugwell? Klingelt da etwas, meine
Liebe? Sie sind unser Promi für die Eröffnung – und den
Kostümwettbewerb. Tony wartet schon auf Sie mit dem Mikrofon, dem
Band und der Schere. Kommen Sie mit.«
»Bühne? Mikro? Band? Ich glaub, mein Schwein
pfeift!« Noch immer völlig verdattert stolperte Jezebel auf Joy zu.
»Was man als Mädel heutzutage alles machen muss, um ein paar
Brötchen zu verdienen! Und Tony Tugwell ist Ihr Mann, sagen
Sie?«
Joy nickte und schnitt eine »Wie doof ist die
denn?«-Grimasse in Phoebes Richtung.
»Na, was soll’s«, meinte Jezebel achselzuckend.
»Offene Beziehung find ich schon okay. Ist allerdings das erste
Mal, dass ich eine Nummer vor Publikum abziehen soll.«
»Ach, tatsächlich?« Joy seufzte. »War ja klar,
dass Tony ausgerechnet eine Anfängerin an Land zieht.«
»Ich bin keine Anfängerin!«, korrigierte Jezebel
sie scharf. »Passen Sie auf, was Sie sagen! Ich darf drauf
hinweisen, dass ich eine der dienstältesten Hostessen bei der
Velvet-Pussycat-Agentur bin!«