13

Fünfhundertsechzig Kilometer entfernt, in der Innenstadt von San Francisco, klingelte Steve Romans Handy. Das Display identifizierte den Anrufer als »FG«.

Er lächelte. Die Anweisung, in die Bay Area zu ziehen, war ein deutliches Zeichen des Vertrauens gewesen, trotzdem fehlten ihm die persönlichen Treffen mit Martin Collins. Vielleicht würde ihn die Kirche bitten, nach Los Angeles zurückzukehren. Oder vielleicht käme Martin hierher für eine weitere große Erweckungspredigt.

»Steve Roman«, meldete er sich.

»Alles in Ordnung?« Martin gab sich bei Telefonaten nie zu erkennen. Es war nicht nötig. Jeder, der eine seiner beeindruckenden Predigten miterlebt hatte, erkannte die charakteristische Stimme. Zum ersten Mal hatte er sie fünfzehn Jahre zuvor gehört, als ein Freund ihn zu einer Predigt im Untergeschoss eines Tattoo-Ladens in Westwood mitgenommen hatte. Seitdem hatte er Martin über viele Stunden predigen hören – persönlich, von Angesicht zu Angesicht, auf Kassetten, später auf CDs und mittlerweile über Audiostream im Internet.

Im Lauf der Jahre hatte sich Steve immer weiter in den innersten Kreis vorgearbeitet. Die Fürsprecher Gottes beschrieben das Verhältnis des Einzelnen zur Kirche insgesamt mit einer Kreismetapher. Es gab keine Hierarchie. Martin stand nicht ganz oben, sondern im Zentrum. Und durch das Zentrum war das Wort Gottes zu vernehmen.

»Ja«, antwortete Steve. »Wie immer danke. Für alles.«

Martin hatte beschlossen, die FG über den ursprünglichen Wirkungskreis der Kirche in Südkalifornien hinaus auszuweiten, und zu diesem Zweck hatte er Steve nach San Francisco abbeordert. Auch wenn Steve die Glitzerwelt des sonnigen Südkaliforniens der windigen und doch eher schwermütigen Bay Area vorgezogen hätte, brachte er jedes Mal seine Dankbarkeit für seine Versetzung zum Ausdruck. Die Kirche hatte ihm ein Einzimmerapartment in der Market Street und Arbeit bei einer Alarmanlagenfirma, Keepsafe, besorgt.

Besonders dankbar war er aber für sein neues Leben. Er nahm keine Drogen mehr. Er fügte anderen Menschen keinen Schmerz mehr zu. Mithilfe von Martin Collins und den FG hatte er zu sich selbst gefunden, indem er dem Herrn und den Armen diente. Sogar körperlich hatte er einen Wandel vollzogen. Vor seinem Besuch im Kellergeschoss des Tattoo-Ladens war er eine ausgemergelte, hagere Gestalt mit langen, zerzausten, häufig ungewaschenen Haaren gewesen. Jetzt machte er jeden Tag hundert Liegestütze und hundert Sit-ups. Er ernährte sich gesund. Er trug seine Haare raspelkurz. Er war durchtrainiert, schlank und rein.

»Brauchen Sie etwas?«, fragte Steve.

Steve sah sich selbst als eine Art Privatdetektiv der Fürsprecher Gottes. Er sammelte alles, womit man ehemalige Kirchenmitglieder in die Schranken weisen konnte, falls sie es darauf abgesehen hatten, dem Ruf der FG zu schädigen. Seine Arbeit kam ihm dabei zugute, da er bei Keepsafe-Kunden unbemerkt ein und aus gehen konnte. Als Martin erfuhr, dass sich ein Bundesstaatsanwalt die Finanzen der Kirche vornehmen wollte, beauftragte er Steve mit der Observierung. Dadurch fand er heraus, dass der Staatsanwalt seine Frau betrog. Steve wusste nicht, wie Martin in dieser Krise im Einzelnen vorgegangen war, aber nachdem er ihm die fotografischen Beweise für die Affäre hatte zukommen lassen, war von den angekündigten Ermittlungen gegen die Kirche nichts mehr zu hören gewesen.

Seine Arbeit für die FG war nicht immer ganz legal, aber Martin – und auch er selbst – hielten sie für unabdingbar. Schließlich musste man über diejenigen, die die Kirche und ihre guten Werke verunglimpfen wollten, auf dem Laufenden sein.

»Ja. Sie müssen jemanden im Auge behalten. Und eine Nachricht übermitteln, wenn es so weit ist.«

Als Steve das hörte, überlief ihn ein Schauder. Er schloss die Augen. Bitte nicht, sagte er sich, nicht das wieder.

Er akzeptierte dieses Leben in seiner lauten Wohnung an einer verkehrsreichen Straße, in einer Stadt, in der er niemanden kannte, weil er hier ein besserer Mensch war als jemals zuvor – als damals, als er noch seine eigenen Entscheidungen getroffen hatte. Es war Jahre her, dass er anderen wehgetan hatte. Was, wenn er das jetzt wieder machen musste und Gefallen daran fand? Zu sehr Gefallen daran fand? Aber dann fiel ihm ein, dass er den obersten Fürsprecher Gottes nicht infrage stellen durfte.

»Was immer Sie wollen.«

So still in meinen Armen
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