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Thomas Timber öffnete die Bürotür und sah den Fremden am Fenster stehen, die Hände gegen das Glas gedrückt. Er erkannte ihn sofort. Rasch zog er die Tür zurück und beobachtete durch einen Spalt, wie der Student seiner am Schreibtisch sitzenden Pflegetochter zaghaft zuwinkte.
Der Tischlermeister ging zurück in die Werkstatt. Er hatte nicht
erwartet, daß der Mann noch im Ort war. Mußte der Kerl ausgerechnet
hier die Reparatur seines Wagens in Weinstein abwarten?
Wahrscheinlich wohnte er im Gasthaus, weil es hier billiger war
(oder der Wirt es ihm eingeredet hatte!). Nun, zwei oder drei Tage
würde es Thomas Timber schon gelingen, dem Mann aus dem Weg zu
gehen. Notfalls verzog er sich in seine Anglerhütte am Lichter
Moor. Das fiel nicht auf, war nichts Besonderes. Mehrmals im Jahr
verbrachte er mehrere Tage dort, um auszuspannen. Er lachte bei dem
Gedanken. Sein Wunsch nach Ruhe wurde von allen respektiert –
niemand wagte ihn in der Hütte zu stören.
Katharina Freitag hatte den Fremden am Fenster sofort bemerkt, wollte ihm aber kein Zeichen des Erkennens geben. Sie spürte, daß ihr Pflegevater sie durch die angelehnte Tür beobachtete. Doch das allein war nicht der Grund, den Studenten zu ignorieren. Jakob Finn war ihr so gleichgültig wie jeder andere Mann, solange er nicht versuchte, sich ihr zu nähern. Männer, die das taten, bekamen ihre Verachtung, ihren Haß, und wenn sie zu weit gingen, ihre Wut und ihre kräftigen Muskeln zu spüren. Eine Methode, die ihr schon während ihrer Schulzeit alle potentiellen Verehrer vom Leibe gehalten hatte. Sie bedauerte ihre Kameradinnen, die sich mit halbwüchsigen Jungen einließen, jenen Wesen, die ausschließlich von ihren Trieben beherrscht wurden und die nur an das eine denken konnten; um dieses bei einer Frau zu erreichen, waren Männer bereit, zu lügen, zu betrügen und zu töten. Viele Freundinnen besaß Katharina aufgrund ihrer Einstellung nicht. (Genaugenommen keine einzige.) Was hätte sie mit den anderen auch bereden sollen? Deren Gespräche kreisten nur um Jungen. Diese kichernde Bande lernte es nie. Dabei war das Ergebnis, gab eines der Mädchen dem Drängen eines Jungen nach, immer das gleiche: Tränen der Enttäuschung. Wenn es so etwas wie die Liebe überhaupt gab, dachte sie, warum war das Ziel dieser Liebe dann ein so banaler, und von seiten der Männer zwanghafter sexueller Akt? Etwas war falsch an dieser Welt, und Katharina wußte, was es war: Die Liebe der Männer war eine Lüge. Sie waren willenlose Bündel ihrer Triebe und deshalb nichts wert. Beweise dafür gab es genug; so erinnerte sie sich genau, wie sie vergangenen Sommer am Lichter Moor baden gegangen war und plötzlich einen Mann im nahen Gebüsch entdeckte, der angesichts ihres halbnackten Körpers seinen Trieb befriedigte. Er hatte nicht einmal großen Wert darauf gelegt, es vor ihr zu verbergen. Ihr Ekel hielt sie davon ab, den Mann zu verprügeln. Ein anderes Mal hatte sie bei einem ihrer Spaziergänge unbemerkt drei vielleicht sechzehnjährige Jungen beobachtet, die auf dem Weg zur Schule in einem Graben hockten und dort, über das Bild einer nackten Frau gebeugt, gemeinsam das gleiche taten. Was gab es an Menschen zu bewundern, die so zwanghaft handelten, deren gesamtes Denken und Fühlen so unfrei war? Nein, sie würde sich niemals mit einem Mann einlassen. Keiner bekam eine Chance. Auch dieser Student nicht. Da konnte er noch so gut aussehen, so witzig sein und am Fenster winken und herumhampeln. Verschwinde, hier gibt es keinen Blick, geschweige denn ein freundliches Lächeln! Sei froh, daß ich dich nicht ansehe. Weißt du, sonst geht es dir wie diesem Bauernjungen, der mich im vorigen Herbst im Wald gejagt und ins Heu geworfen hat. Er hat mir die Kleider vom Leib gerissen. Und das gelang ihm nur, weil ich überrascht war von soviel Brutalität. Nur einen winzigen Moment habe ich überlegt, es unbeteiligt über mich ergehen zu lassen und ihm dann den Hals umzudrehen. Aber ich bin keine Mörderin, verstehst du? Nun, hör mir gut zu, was ich mit ihm gemacht habe: Als er seine Hosen herunterzog, bin ich zum Angriff übergegangen. Die Nase und den Arm habe ich ihm gebrochen und das linke Ohr halb abgerissen. Ich wollte gnädig sein. Wozu das Ganze nehmen? Und dieser Schwachkopf humpelt ins Dorf – jawohl, humpelte, ich habe ganz vergessen zu erwähnen, daß ich ihm das Knie ein bißchen zertrümmerte – und behauptet, er sei gestürzt. Oh, ich habe dafür gesorgt, daß jeder im Dorf die Wahrheit erfuhr. Seitdem habe ich Ruhe. Ist das klar? Und nun verschwinde vom Fenster. Und sollte irgendeiner glauben, er kann mich mit Gewalt nehmen, so erlebt er sein blaues Wunder.
Der Schatten am Fenster verschwand. Katharina blickte auf. Die Schnauze von Trivial hob sich für einen Moment über die Fensterbrüstung. Er blinzelte ihr zu wie ein Verbündeter. Dabei war er ein Rüde, aber ja sowieso ein Tier.
Sie bedauerte ihre Pflegemutter Petra Timber und verstand nicht,
wieso sie den Tischlermeister geheiratet hatte. Nicht einmal der
Wunsch nach einem Kind konnte hinter ihrer Entscheidung gestanden
haben. Das war der einzige Grund, den sie noch akzeptierte, wenn
sich eine Frau mit einem Mann einließ. Ein Baby – das wäre schon
etwas. Doch zur Erfüllung solcher Wünsche gab es heutzutage andere
Methoden. Bei Petra Timber war schon vor der Hochzeit bekannt
gewesen, daß sie keine Kinder bekommen konnte. Was hatte sie also
bewogen, Thomas Timber zu ehelichen, dessen Willen sie sich
jederzeit wortlos unterzuordnen hatte? Liebe? Was für eine Liebe
war das, bei der einer von beiden zu schweigen und zu leiden
hatte?
Der Tischlermeister nickte seinen beiden Gesellen zu. Sie waren dabei, zwei neue Fenster für den Gutshof zu verleimen. Er dachte an sein gutgefülltes Auftragsbuch. Der Herzensacher Bau- und Möbeltischlerei war es niemals schlecht gegangen, seit seine Vorfahren 1812 hier siedelten. Sie waren mit den van Gruntens hergekommen, und sein Urahn war ursprünglich Schiffszimmerer auf einem Piratenschiff gewesen. Thomas Timber hatte nichts dagegen, der Gedanke gefiel ihm sogar. Sein Großvater hatte noch Ahnenforschung betrieben. Nach dessen Ergebnissen verlief sich die Spur der Familie Timber in Frankreich. Warum nicht, man konnte seinen Namen französisch aussprechen. Auch sein Vater, Otto Timber, der jetzt oben in seiner Dachkammer saß und wie ein Schwachsinniger vor sich hin döste, hatte versucht, alte Unterlagen zu beschaffen, um den Stammbaum zu ergänzen. Zuletzt war er auf eine Spur in Holland gestoßen. Aber dann war er krank geworden. Kein Arzt konnte die Ursache des seltsamen Leidens mit Sicherheit benennen. Stunden verbrachte er regungslos im Lehnstuhl. Es war kein Schlaf, denn er verharrte mit offenen Augen und registrierte alles. Irgendwann kam er für Stunden oder Minuten zu sich und war dann durchaus in der Lage, sich selbst zu versorgen. Doktor Andree betreute ihn und vermutete eine Vergiftung des Gehirns durch die Lösungsmittel bestimmter Holzleime, Holzfarben oder Ätzmittel, die heute nicht mehr benutzt wurden.
Die älteren Dorfbewohner waren anderer Ansicht. Otto Timbers lebendiges Totendasein hing ihrer Meinung nach damit zusammen, daß er eine Zeitlang Särge gebaut hatte. Und jeder, der sich noch an das Begräbnis von Thomas Timbers Großvater erinnerte, war fest davon überzeugt, daß dem alten Tischler ein Fluch oder eine Gottesstrafe auferlegt worden war.
Als Otto Timbers Vater starb, hatte der alte Tischler einen besonderen Sarg haben wollen. Kein Modell aus dem Katalog des Weinsteiner Beerdigungsunternehmens hatte ihn zufriedengestellt, so daß er schließlich für seinen Vater selbst einen Sarg zu zimmern begann. Aus unerfindlichen Gründen war geschehen, was in einem solchen Fall nicht geschehen darf: Der Sarg war zu kurz geraten, die Zeit bis zur festgesetzten Beerdigung aber nicht lang genug, um einen neuen zu bauen. Über die Ursache des zu klein geratenen Sarges gab es zwei Spekulationen unter den Dorfbewohnern. Die einen behaupteten, Otto Timber habe die Größe seines Vaters einfach geschätzt. Die anderen waren der Meinung, der Tischler sei selbst in die Falle gelaufen, die er jedem neuen Lehrling stellte: ein Zollstock, dem in der Mitte fünf Zentimeter fehlten. Er ließ sie damit zu Beginn der Ausbildung etwas ausmessen, um anschließend zu befehlen, die Leiste oder das Brett fünf Zentimeter länger zu schneiden. Folgten die Lehrlinge, so paßte das Holzstück – und Otto Timbers Autorität erreichte bei ihnen die eines Magiers. Natürlich ließ der Tischler diesen speziellen Zollstock danach solange verschwinden, bis der nächste Auszubildende kam.
Was auch immer der Grund gewesen sein mag, nun galt es, die Schande des zu kurzen Sarges zu vertuschen. Otto Timber entfernte die Polsterung. Es genügte nicht; der Kopf oder die Füße seines Vaters lagen noch immer auf der Sargkante auf. In der Nacht vor der Beerdigung ging das Licht in der Tischlerei nicht aus. Nicht nur seine Familie und die Tischlergesellen, sondern das ganze Dorf kannte die Schwierigkeit und nahm Anteil. Am Morgen aber war das Problem gelöst. Wie, das erfuhr keiner. Der Sarg war unzweifelhaft derselbe, und er schien nicht verlängert worden zu sein. Er war geschlossen, vernagelt, und die Leiche des Vaters lag nach Auskunft des Tischlers darin. Die Beerdigung konnte pünktlich stattfinden.
Obwohl der erste Sarg Otto Timbers in der Ausführung verunglückt war, begann er mit einer kleinen Sargproduktion. Seine eigene Unzufriedenheit mit den Katalogmodellen hatte ihn zu dem Schluß verleitet, vielen anderen ginge es ähnlich. Sie alle würden jene Ausführung vermissen, die er für seinen Vater entwickelt hatte: einen Sarg mit seitlich heller Holzmaserung, dessen Deckeloberseite im Gegensatz dazu mit dickem schwarzem Klavierlack versehen war; Lack, der an der Unterseite des Sarges wieder auftauchte und dort in Hunderten von kleinen Stalaktiten herabzutropfen schien. Ein außerordentliches Modell, von dem Otto Timber fünf Muster für die Ausstellungsräume großer Beerdigungsinstitute herstellte, doch keinen einzigen verkaufte. Nach zwei Jahren gab er die Sargtischlerei wieder auf.
Es blieb trotz Doktor Andrees Diagnose ungewiß, ob Otto Timbers Krankheit in den Leimen und Farben der Särge ihren Ursprung hatte. Die Vertrauensärzte der Berufsgenossenschaft wollten dies in ihrem Gutachten nicht bestätigen. Jetzt gab man ihm keine lange Lebenszeit mehr. Und da er seine eigenen Mustersärge längst vernichtet hatte, war ihm leider nur ein gewöhnlicher Sarg aus dem Katalog sicher.
Sollte Otto Timber letztlich durch das Holz beziehungsweise an den Spätfolgen der Holzbearbeitung sterben, würde er einer Tradition seiner Familie folgen.
Seit der Ansiedlung im Dorf hatten die Timbers ununterbrochen im Holz gearbeitet, anfangs sogar die Herzensach gestaut, um eine Sägemühle zu betreiben. Nachdem einer der Söhne durch das von Wasserkraft angetriebene Sägeblatt eine Hand und ein zweiter den ganzen Arm verloren hatte und daran verblutet war und wenig später bei einem Überfall Räuber den Vater mit dem mächtigen Sägeblatt köpften, sprengte der dritte Sohn die Mühle. (Nach Thomas Timbers Meinung eine übereilte Handlung.)
Die Grundmauern des Sägewerks und Reste der Stauanlage sind heute noch zu finden.
Die Familie zog ins Dorf und beschäftigte sich mit der Herstellung von Fenstern und Türen, Holzfußböden sowie gelegentlich von Schränken, Tischen und Stühlen. Trotzdem zollte jede Generation dem Holz Tribut. »Die Arbeit frißt mich auf«, hatte Otto Timber jeden Freitagabend gesagt. Und tatsächlich raubte ihm die Fräsmaschine eines Tages ein Stück vom Oberschenkel. Sein Vater wiederum hatte schon als Lehrling zwei Finger in der Kreissäge gelassen. Von jedem Timber forderte der Beruf ein Stück seines Körpers. Warum nun von Otto Timber nicht auch mal das Gehirn?
Als der jetzige Tischlermeister Thomas ohne linken großen Zeh geboren wurde, fürchtete man eine Zeitlang, nun hätte sich der regelmäßige Verlust von Körperteilen in den Genen der Familie niedergeschlagen. Die anfängliche Panik wich einer seltsamen Hoffnung. Nicht die Ärzte beruhigten die besorgten Eltern, sondern folgender Gedankengang: Vielleicht war Thomas Timber ja wegen des bereits fehlenden Gliedes vor weiteren Verlusten gefeit! Bis heute hatte sich dies jedenfalls bewahrheitet.
Die Möglichkeit, diese Vererbungstheorie zu überprüfen, war – wenn nicht noch etwas Außergewöhnliches geschehen würde – leider nicht gegeben: Thomas Timber war der unterste und zugleich der Höhepunkt auf der Ahnentafel. Danach würde keiner mehr kommen.
Außer verstümmelten Vorfahren entdeckte Thomas Timber in der
Ahnenreihe zwei Kunstschnitzer. Einer von ihnen war nach Bayern
gegangen und dort mit seinen Heiligenfiguren zu einigem Ruhm
gekommen. Diese Tradition setzte der Tischler in seiner Freizeit
fort. Er kaufte eine ehemalige Anglerhütte am Lichter Moor, baute
sie zu einer kleinen Schnitzwerkstatt aus und ließ niemanden mehr
hinein. Nur eine einzige Arbeit, seine erste, hatten die
Dorfbewohner zu Gesicht bekommen. Es war ein Relief und zeigte
Jesus, wie er mit der Peitsche über die Tische der Geldverleiher
schlug. Er hatte das Werk der Herzensacher Kirche gestiftet.
Thomas Timber lächelte bei dem Gedanken an das Relief. Er verharrte vor der Werkstattür und streckte vorsichtig den Kopf hinaus. Der Student war nicht mehr auf der Straße zu sehen. Der Tischler ging hinaus, um das Eckhaus herum zum Eingang der Wohnung.
Er erinnerte sich noch, mit welchen Worten der Pfarrer seine Arbeit in der Kirche eingeweiht hatte. Von »hoher künstlerischer Ausdruckskraft« hatte er gesprochen und von »ehrlicher, tiefempfundener Auseinandersetzung mit den Grundlagen unserer Religion«. Doch für ihn war das Relief nur eine Übung, eine Vorstufe zu den Werken gewesen, zu denen er sich wirklich berufen fühlte. Fast zwanghaft arbeitete er seitdem an seinen Figuren.
Der Pastor hatte ihn gefragt, wann er denn wieder einmal seine Arbeit sehen könne. Ich habe alles vernichtet, hatte er geantwortet, es war nichts, was mich wirklich befriedigte. Doch, so war es wirklich. Nichts befriedigte ihn. Die Werke zerstört zu haben war allerdings eine Lüge. Es gab einen Journalisten aus Frankfurt, der ihm regelmäßig etwas abkaufte. Niemand in Herzensach durfte davon wissen.
Der Tischler schloß die Haustür auf und hörte eine fremde Frauenstimme aus der Küche im ersten Stock dringen.
»Petra?«
»Thomas? Frau Wischberg ist hier.«
Er stieg die Treppe hinauf. Die Mutter des Wirts saß am Küchentisch.
»Tag, Luise«, sagte er, und nach einer Pause: »Die Arbeit frißt mich auf.« Er dachte, damit seinen Rückzug in die Anglerhütte vorzubereiten, doch er redete nicht weiter, denn er sah beiden Frauen an, daß sie etwas mit ihm besprechen wollten.
»Luise ist hier, weil ...«, begann seine Frau, doch Luise Wischberg unterbrach sie. »Es geht um die kleine Wohnung über der Werkstatt, die du damals für deine Eltern ausgebaut hast. Dein Vater ist ja jetzt bei euch im Haus unterm Dach und hier auch besser untergebracht –, und die Wohnung deiner Eltern steht leer. Ich dachte, du willst die Räume vielleicht vermieten.«
»Weiß nicht«, brummte Thomas Timber.
»Es wäre nur für ein Jahr.«
»Ist aber manchmal laut da, wegen der Werkstatt drunter.«
»Ich glaube nicht, daß ihm das was ausmacht.«
»Wem?«
»Ein Student. Er will für seine Doktorarbeit Untersuchungen im Staatsforst machen. Er ist Biologe.«
»Student! Nein. Kommt nicht in Frage.« Er ahnte, um wen es ging, und wollte dessen Einzug auf jeden Fall vermeiden.
»Du bist ein Holzkopf. Das ist ein sehr ernsthafter, seriöser junger Mann, der mit Förster Franke zusammenarbeiten wird.«
»Auch das noch, der ist auch nicht von hier.«
»Ach, fremdenfeindlich! Unser Bürgermeister!« Die Mutter des Wirts fuhr zornig hoch, und Thomas Timber spürte, daß er sich mit seiner Antwort ins Abseits manövriert hatte.
»Man weiß doch, wie die Studenten heute sind.« Der Tischler glaubte damit wieder Einverständnis herzustellen.
»Thomas ...«, wagte seine Frau vorsichtig einzuwerfen. Sie verstand die Ablehnung ihres Mannes nicht, war er doch sonst, wenn es darum ging, zusätzlich Geld zu verdienen, immer schnell bei der Sache.
»Ist das der Student, der hier schon herumlungert?« erkundigte sich der Tischler. »Ich mag den nicht.«
»Er hatte eine Autopanne ...«
»So einer kommt mir nicht ins Haus!«
Luise Wischberg holte tief Luft. »Jetzt will ich dir mal was sagen, du alter Holzbock, deine wurmstichigen Fenster willst du überall und jedem andrehen, da schmilzt du fast vor Freundlichkeit, wenn aber einer mal deine Hilfe braucht, knallst du ihm die Tür vor der Nase zu. Wenn Herzensach ein rückständiges Dorf bleibt, dann liegt es an solchen wie dir. Man muß sich doch fragen, ob so einer der richtige Bürgermeister ist.«
Thomas Timber grinste. (Herzensach war gut, so wie es war!)
»Ich mach dir einen Vorschlag«, sagte er hinterhältig, »ganz demokratisch, ehrlich! Wenn die Mehrheit der Familie dafür ist, dann ...« Er verbiß sich das Lachen.
Luise Wischberg sah Petra Timber an, die wiederum ängstlich zu ihrem Mann aufblickte. »Wenn Thomas es nicht will ... von mir aus, also, mir wäre es ja egal.«
Der Tischlermeister lächelte spöttisch. »Nun, frag Katharina. Ganz demokratisch.«
Er wußte, seine Pflegetochter würde keinen jungen Mann im Haus dulden, und Luise Wischberg wußte es auch.
»Wenn es dir paßt, bist du Demokrat!« schimpfte sie. »Du mußt verdammt aufpassen, daß du nicht allmählich deinem Holzleim immer ähnlicher wirst.«
Ärgerlich verließ sie die Küche. Doch nach wenigen Minuten kam sie atemlos die Treppe heraufgestürzt. Sie stellte sich in die Küchentür und stemmte die Arme in die Hüften.
»Sie hat ja gesagt!« Sie betonte jedes Wort.
Fassungslos sperrte Thomas Timber den Mund auf und bekam kein Wort heraus. Seine Frau runzelte sorgenvoll die Stirn. In der beklemmenden Stille hörte man deutlich das dumpfe Dröhnen von Gottes Stimme aus Pastor Pedus' Maschine.