Rotz und Wasser
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ROTZ UND WASSER |
Im normalen Leben heult man im Bedarfsfall Rotz und Wasser, beim Fußball „schwitzt man Rotz und Wasser“! – Eine feine Umschreibung für das Ausscheiden von Körperflüssigkeiten – und natürlich nicht wirklich wahr. Denn, um dieser Ausdrucksweise ihre bewusst verniedlichende Attitüde zu nehmen, muss man in aller Deutlichkeit feststellen: Beim Fußballspielen schwitzt man „wie ein Schwein“! Und wenn man mit großem Einsatz und der richtigen Einstellung zu Werke geht, dann läuft die „Suppe“ wie verrückt.
Und diese trübe Brühe, die man dabei in so großen Mengen ausscheidet, die würden nicht einmal Menschen, die aus Überzeugung ihren Urin wieder in sich zurückschütten, trinken. Das alles kann bei empfindlichen Gemütern doch ein leichtes Unbehagen auslösen.
Dieses beim Fußball zu überwinden, ist aber nicht wirklich eine Herausforderung. Im Gegenteil, dieser Sport macht erst richtig Spaß, wenn man das Gefühl hat, auf rein gar nichts mehr achten zu müssen. Die Haare klebrig und fettig zugleich, am ganzen Körper transpirierend, freut man sich über jede Steigerung. Damit verbreitet sich ein Gefühl von Freiheit und Ursprünglichkeit. Keine Konventionen, keine Ausgeh- oder Arbeitsuniformen, nur eine knappe, zielgerichtete und zum Glück ja auch immer noch als notwendig erachtete Verkleidung.
So gesehen sind manche aktuellen High-Tech-Produkte der Sportartikelindustrie eigentlich eine völlige Fehlentwicklung. „Membranen“ sollen dafür sorgen, dass der Schweiß durch einen ausgeklügelten Kapillareffekt im Trikotmaterial nach außen transportiert wird – also ganz anders als beim traditionellen Vereinsdress, der nur einem Ziel dient: den „Schweiße deines Angesichts“ – und damit auch die eigene Leistung – zu verwischen.
Kein Wunder, dass manch einer angesichts dieser Verhältnisse sich körperlich eben nicht mehr so reinhängt. Er hat ohnehin keine Chance gegen die beharrlich und gleichmäßig arbeitenden Trikotfasern. Der oft vermisste „letzte Einsatz“ könnte nur mit „dem letzten Hemd“ wieder zum Vorschein kommen – bzw. um genau zu sein, mit einem der ersten. Die, bei denen die Baumwolle sich irgendwann einfach vollgesogen hatte. Aufnahmebereitschaft besiegt, Trikot besiegt, sich selbst besiegt! Und wer diesen Prozess hatte beschleunigen wollen, der rutschte einfach erwartungsfroh mit Anlauf in die nächstliegende Pfütze, egal ob dadurch der gegnerische Spieler wirklich gestört wurde oder nicht. Aber all das zieht heute nicht mehr: Die Membranen arbeiten dagegen – gegen den Fußballer, gegen Schmutz und Nässe, gegen das Hochgefühl, dem Alltagstrott entflohen zu sein.
Zum Glück sind wir Fußballer kreativ und auf der Suche nach Alternativen schnell fündig geworden. So bevorzugen manche jetzt z. B. die handgreifliche Auseinandersetzung. Wem das zu weit geht, der macht wenigstens bei der so genannten Rudelbildung mit. Denn was immer zieht, um dieses besondere Gefühl zurückzuerobern, sind fachspezifische Fäkalausdrücke, Wutausbrüche und jede Form von lautstarker oder gestenreicher Auseinandersetzung.
Darüber hinaus gibt es noch eine Sache, die proportional zur Qualitätssteigerung der Trikots zugenommen hat, nämlich das massive Entledigen von Körpersubstanzen auf anderem Wege als durch die Poren. Schließlich heißt es ja auch „Rotz“ und Wasser!
Für die Zuschauer war sichtbares Schwitzen zwar deutlich appetitlicher, aber man muss das verstehen: Rotzen ist so etwas wie die letzte Bastion. Und es offeriert sogar zwei Ausführungsvarianten. Entweder wird die Hand seitlich an die Nase gehalten, das eine Loch kurz und abschließend zugedrückt – und dann mit mehreren Atü raus in die Welt. Oder nach einem kurzen Ladevorgang in Mund- und Rachenraum mit einem komprimierten Ausatmer in sichtbarem Bogen durch die Luft. (Manch einer – und das bitte nicht trainieren – trifft sogar haargenau das Gesicht oder wenigstens den Kopf eines Spielers, mit dessen Schweiß er schon so schön in Berührung gekommen ist!)
Aber mal ehrlich: Ist das alles nicht viel unansehnlicher als aufrechtes Schwitzen? Die Textilindustrie hat es jedenfalls nicht anders gewollt – und zu allem Überfluss produziert sie heutzutage nicht nur kaum noch stoffliche Taschentücher, sondern hat auch die Möglichkeit, diese beim Spiel am Mann (oder an der Frau) zu tragen, einfach abgeschafft: Es gibt heute keine Fußballhosen mehr, die wie früher kleine Gesäßtaschen aufgenäht haben. Meine Mutter hat mir in der D-Jugend dort hinein immer ein kleines Taschentuch gesteckt, das ich schon aus Beweisgründen wenigstens einmal benutzt habe. Langer Rede kurzer Sinn: Die Sportartikelindustrie hat eindeutig unseren Fußball unansehnlich gemacht!
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HÄTTEN SIE’S GEWUSST? |
Deutscher Rekordmeister mit 19 Titeln ist der FC Bayern München. Bis 1987, als die Bayern ihre 10. Meisterschaft holten, durfte sich der 1. FC Nürnberg (mit 9 Meisterschaften) Rekordmeister nennen.