Kaugummi
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KAUGUMMI |
Laut Lexikon:
Feste, durch Kauen gummiartig werdende Masse aus Chiclegummi
(aus dem Saft des Sapotillbaumes vornehmlich in Mittelamerika) oder
synthetischen Gummistoffen unter Zusatz von Zucker und
Aromastoffen. Die Gummimasse kann nicht verdaut werden.
Kaugummi – das ist der Stoff, der in jedem Spiel dabei ist. Ganz legal und während des Spiels total unauffällig. Nein, im Gegenteil: Durch Kaugummi sieht Fußball erst so aus, wie wir ihn verinnerlicht haben.
Man stelle sich ein „kaugummifreies“ Spiel vor: Das zieht sich! Stillstand ist Rückschritt und der ist so ausgeschlossen, denn Kaugummi sorgt für dauerhafte Bewegung. Und ist es nicht das, was wirkliche und selbsternannte Trainer immer wieder von den Akteuren fordern?
Ganz besonders wichtig ist Kaugummi deshalb für den Torwart, insbesondere für den des deutschen Meisters, denn der hat eben am seltensten an schweren Prüfungen durch die gegnerischen Teams zu kauen. Und um bei latenter Beschäftigungslosigkeit nicht in einen träumerischen oder gar schlafähnlichen Zustand zu verfallen, bekommt er mit dem Kaugummi etwas, an dem er zu kauen hat. Nicht zu verwechseln mit „kauern“; am Boden kauern – wenn man einen vermeidbaren Gegentreffer zu verdauen hat. Kaugummi ist im Übrigen ja auch gar nicht zu verdauen, weder vom Magen noch von anderen Menschen.
Letzteres gilt in erster Linie für die Sorte Mensch, die sich nach dem Spiel mit einem weiterkauenden Fußballer ernsthaft zu unterhalten versucht – die Journalisten. Die müssen sich klein vorkommen, hilflos, ja im Extremfall nicht beachtet! Denn während der Journalist eifrig und im besten Fall zielgerichtet seine drängenden Fragen formuliert, ist sein Gegenüber offenkundig mit einer ganz anderen Aufgabe beschäftigt – mit einer Art Sisyphusarbeit, dem permanenten Wegarbeiten einer Masse, die einfach nicht zu bewältigen ist und die die ganze Aufmerksamkeit des Kauenden zu beanspruchen scheint.
Und weil das wahrscheinlich auch meistens so ist, kommt es nicht selten zur maximalen Nichtbeachtung: Während Ober- und Unterkiefer in einem rhythmischen Hin und Her und Auf und Ab schwer beschäftigt sind, wandert der Blick sozusagen als Ausgleich für die permanente Aktivität in der unteren Gesichtshälfte starr auf einen Fixpunkt irgendwo weit entfernt am Horizont in einer imaginären Welt der Ruhe und Entlastung – und damit eben auch weg von den wissbegierigen Augen des Fragenstellers. Wer denkt, das müsse unweigerlich in einer zwischenmenschlichen Katastrophe enden, der irrt. Denn natürlich kennt der geschulte Interviewer dieses Prozedere und macht nicht den Fehler, es persönlich zu nehmen. Denn er weiß ganz genau: Trotz allem bzw. dem Kaugummi zum Trotz wird es eine Antwort, mindestens eine Reaktion geben.
Und die Sätze, die man dann vernimmt, haben eine wohlüberlegte Anmutung allein dadurch, dass sie nicht rasend schnell herausgeschossen werden (was die Gefahr bergen würde, dass mit den Worten auch der Kaugummi Reißaus nehmen könnte), sondern mit Bedacht in Sequenzen zwischen einzelnen Kauvorgängen eingearbeitet werden. Das gibt dem Ganzen den Anstrich einer fundierten Meinungsäußerung! Ja, man ist versucht, auch bislang kaugummiresistenten Sportfreunden das Kauen von Kaugummi zu empfehlen, besonders notorischen Schnellquasslern und solchen, die dazu tendieren, unüberlegt Geäußertes zeitnah wieder zurückzunehmen.
Als Fazit kann man dem Journalisten eigentlich nur raten, sich kurz vor dem Interview ebenfalls ausreichend mit Kaugummi zu bewaffnen. Dann würde alles gut werden. Zumal es jetzt ganz neue Erkenntnisse in Sachen Kaugummi geben soll. Es war nur eine winzig kleine Randnotiz in einer überregionalen Tageszeitung, die eigentlich eine dicke Überschrift verdient gehabt hätte (aber wahrscheinlich fehlte einfach nur der Platz an dem Tag). Darin stand, dass Wissenschaftler (ich meine, es waren Briten) herausgefunden haben, dass Kaugummi-Kauen die Intelligenz fördert. Denn das beständige Kauen regt den Kreislauf und damit auch den Denkapparat an – auch wenn es manchmal nicht so aussieht.
Im Vertrauen: Dem Fußballer und dem Sportjournalisten war das schon lange klar.