VIER

 

 

Quent öffnete die Tür zu seinem Zimmer und rannte hinein. Wo zum Teufel habe ich die– 

Er blieb wie angewurzelt stehen, die Haare an seinen Unterarmen stellten sich auf, sein Magen verkrampfte sich … er schloss mit voller Absicht die Tür hinter sich ab. 

Aber nein. Sie war erst gestern Morgen gegangen und ihr Duft lag einfach noch in der Luft. Reines Wunschdenken. 

Aber jetzt erkannte er das leise Sssssschsssssssch von Duschwasser. Da – hinter der Badezimmertür. Und was auch noch zu ihm ins Zimmer drang – zusammen mit der schwachen Wärme von Wasserdampf – ... er roch ... Orange. Und Gewürze. Weibliche Gewürze. Kardamom, Zimt, was auch immer es genau war... 

Als er Pfeil und Bogen sah, ihre Schuhe und ein kleines Paket, die alle nebeneinander auf dem Boden lagen, machte sein Magen einen Salto und fiel dann irgendwo ganz weit runter. Und dann ließ er endlich das Lächeln kommen. Und diese innere Hitze blühte in ihm auf. 

Was für ein Glück, dass ich noch nicht nach Redlow aufgebrochen bin. 

Er schuldete Theo Waxnicki dann wohl ein Riesendankeschön: dafür, dass er drauf bestanden hatte, einen Tag zu warten, so dass er einen Apparat für ihn bauen konnte, den er mitnehmen und damit das Kommunikationsnetzwerk weiterbringen konnte, das sie gerade ausbauten. 

Quent ging jetzt auf die Tür zu, warf die Sandalen von sich und fing schon an sein Hemd aufzuknöpfen. Eine angenehme Explosion von Wärme und Feuchtigkeit traf ihn im Gesicht und er trat schnell ein und schloss die Tür. Orange und Gewürze füllten die Luft, nicht klebrig, sondern raffiniert. 

Er erhaschte einen Blick auf sie hinter der milchigen Tür der Dusche – lang, kurvig, geheimnisvoll – und er schluckte schwer. Das Herz hämmerte ihm wie verrückt und er konnte sich nicht rühren. 

In dem Augenblick öffnete sich einer der beiden Duschtüren und sie steckte den Kopf heraus. Haar, schwarz wie Tinte, war zurückgeglättet und gab die Sicht auf ihre atemberaubenden Gesichtszüge frei, Wassertropfen glitzerten auf ihrer Haut, ihr Mund verzog sich zu einem sehr einladenden Lächeln. 

„Nun, worauf wartest du noch Scheiße nochmal?“, sagte sie, ihre Augen heiß. Sie stieg mit einem langen Bein aus der Dusche, setzte einen zierlichen Fuß auf einem dünnen, weißen Handtuch ab und packte ihn am Arm. Und zog. 

Er folgte. 

Ehe er sich’s versah, war Quent in der Dusche mit all ihren Dämpfen, seine Hände voll von warmer, glatter Frau, seine Kleider klebten an manchen Stellen an ihm ... und waren staubtrocken an anderen ... während die Dusche weiter auf sie niederprasselte. Sie war groß und warm und stark, zog ihn nach oben gegen sie, drängte sich mit einem Bein zwischen seine und er ließ sich gehen. 

Heiße, nasse Münder, Zungen tanzten und verhakten sich – da war nichts Keusches oder Kokettes hier, keine Zurückhaltung. Sie verhungerten, sie wollten und sie nahmen voneinander, Hände kämpften darum, die ersten zu sein, ihre zerrten an den Knöpfen seines Hemds und glitten dann darunter, über seine Brust ... seine füllten sich mit ihren Brüsten, ihrem Hintern, ihren Hüften und der tiefen, süßen Kurve ihres Rückens, alles so heiß und feucht an ihn gedrängt. 

Zoë spürte die kühlen Kacheln an ihrer Haut, die Kraft von Quent, als er sie dagegen und nach oben schob, seinen Mund, der sich alles nahm ... und nahm ... von ihrem. Sie legte ihre Hände auf die glatten, muskulösen Flächen seiner Brust, ihre Finger tauchten ein in das Haar, das dort wuchs, golden und braun und dicht, und sie lehnte ihren Kopf zurück gegen die Wand, als er sich anschickte, die hervorstehenden Sehnen an ihrem Hals aufs Sinnlichste zu malträtieren, die zarte Haut hinter ihrem Ohr und an ihrem Hals. 

Sie zitterte unter seinen Händen und seinem Mund und fühlte, wie ihr ganzer Körper sich immer mehr zusammenzog, ihre Brustwarzen waren hart und bereit, der warme Ansturm von Lust übertünchte sogar den Wasserstrahl, der ihr auf Gesicht und Schultern prasselte. Er stöhnte etwas Unverständliches an ihrem Hals und der tiefe, kehlige Laut, fast wie Verzweiflung, schickte ihr einen scharfen Lust-Schmerz bis nach unten, ganz nach unten, hart und ein Versprechen zugleich. 

„Oh, ja“, flüsterte sie in sein Haar hinein, dicht und tropfnass und warm an ihrem Gesicht. 

„Zoë“, murmelte er. „Ich...“ 

„Sag nichts“, befahl sie, schon an seinen Hüften beschäftigt, wo sie an der klatschnassen Jeans zog, deren Knopf schwer aufging. 

Er lachte an ihrer Schulter, kehlig und warm, und stieß dann nach vorne zu, um ihren Mund mit einem langen, tiefen, besitzergreifenden Kuss gefangen zu nehmen, der machte, dass ihre Hände herabfielen und sich dann an seine Schultern klammerten, um nur nicht den Halt zu verlieren. Oh Gott. Sie konnte nicht atmen, sie wollte nicht atmen ... sie wollte, dass das hier nie aufhörte. Niemals aufhörte. 

Seine breiten, starken Schultern, so fest und so verlässlich, bewegten sich ohne Unterlass unter ihr, als er jetzt unten zwischen ihnen an seiner Hose und ihren Knöpfen zerrte, und schließlich musste Zoë ihren Mund losreißen, um nach Luft zu schnappen. Dann ging sie wieder dorthin zurück, um ihn zu schmecken, sein Kinn und seine Wangen, nass und etwas rau von Bartstoppeln, dann wieder seine vollen, hungrigen Lippen. 

Er verlagerte das Gewicht, dort, direkt an ihr. Und auf einmal war er da, Hände an ihren Hüften, hob sie hoch, sein Mund zerquetschte ihren fast, ihr Atem vermischte sich mit dem immer noch herunterprasselnden Wasser ... er brachte sie an der Kachelwand in Position, ihr Rückgrat flach und stabil, und dann ... oh. 

Zoë schrie auf, in seinen Mund hinein, genau als er stöhnte. Ja, ja, oh, Quent. Er füllte sie, restlos, perfekt – und dann, seine Hände an ihren Hüften, ihre Beine um seinen Dusch-nassen Körper gewickelt, ... dann bewegte er sich. Er wartete nicht, er machte weiter. Hart, schnell, verzweifelt. 

Mit einer Hand in seinem dichten Haar, ihrem Kopf wieder nach hinten gelehnt, so dass sie atmen konnte, schreien konnte und keuchen, mit der Erregung am Höhepunkt, schloss Zoë die Augen, um ihre ganze Lust zu sammeln. Ihr Körper spannte sich um ihn herum immer mehr an, sie fühlte, wie sein Herz unter ihrer anderen Hand raste, sie benutzte ihren Körper als Hebel, drückte sich gegen ihn, mit ihm, kämpfte in diesem zeitlosen Rhythmus ... packte sich das, was sie brauchte. Sie spürte, wie er bereit wurde, sich anspannte ... und ihren eigenen Höhepunkt genau ... da. Ganz .... genau ... da. 

Vielleicht hatte sie seinen Namen laut gerufen, als sie es auffing, vielleicht hatte sie laut aufgeschrien, aber es war ihr egal, denn die Welt war gerade explodiert, heiß und stark, und sie war mit ihm, an diesem warmen, verlässlichen Körper, der an ihrem erzitterte und stöhnte. Mit ihr zusammensackte, der sie beide aufrecht hielt, mit einem kraftvollen Arm und dem Knie gegen die nasse Wand. 

Nach einem kurzen Moment der pochenden Sättigung tief drinnen und Wasser überall öffnete sie mühsam die Augen, um festzustellen, dass seine auf sie runter starrten. Das war das erste Mal, dass Zoë sie wirklich sah. Bei Tageslicht. Blau gesprenkeltes Braun, trübe vor Lust, und dann noch ein Schatten darin, der vielleicht Besorgnis war. Seine Wimpern klebten in dem Wasserrauschen aneinander und sein Kiefer zitterte etwas, als ob er um Worte ringen müsste. 

„Ah, Quent“, schaffte sie noch mit einem schwachen Atemzug zu flüstern. Oh Gott. Oh mein Gott. Sie waren immer noch vereint und sie schaute hoch und schenkte ihm das Lächeln ... das Lächeln, das ihm sagen würde, was sie fühlte, wie tief und wundervoll und vollendet sie sich fühlte. 

„Zoë“, flüsterte er, das Wasser rann ihm immer noch hinten über die Schultern und den Hals. „Mein Gott ... es ... tut mir so Leid.“ Er sah tief bekümmert aus. 

„Es tut dir Leid?“, wiederholte sie, obwohl sie bereits ahnte, was er meinte. „Wie kann dir so etwas Leid tun?“ 

Seine Lippen bewegten sich, vielleicht ein Lächeln – ein sehr befriedigtes – vermutete sie, wenn er sich nicht vorher gebremst hätte. „Zoë, ich habe die Kontrolle verloren. Ich–“

„Du hast was verloren? Den Verstand? Das war Scheiße nochmal ein Kompliment, falls du das nicht bemerkt hast“, sagte sie spitz, aber sie versuchte dem einen koketten Blick beizumengen, während er ihr half, sich von ihm zu lösen, und ihre Füße wieder auf dem Boden anlangten. „Entschuldige dich nicht bei mir oder ich werde richtig pissig.“ 

„Zoë“, sagte er, seine Stimme kräftiger. „Wir können nicht einfach verge–“ 

Sie nahm etwas Abstand zu ihm, ihre Hand jetzt wieder flach an seiner Brust, aber diesmal war die Hitze da verebbt. „Vergiss es einfach, okay? Jetzt bist du gerade verdammt nochmal dabei, alles zu verpfuschen.“ 

Sein Gesicht wurde angespannt. „Also dann. Ja denkst du denn ich werde das hier einfach hinnehmen? Die Möglichkeit, dass du vielleicht schwanger wirst? Bist du denn total beschissen bekloppt jetzt?“ 

Zoë holte einmal tief Luft, Angst jagte durch sie hindurch. Wie konnte ein so sattes, schönes Gefühl sich so schnell in Panik verwandeln? Sie rang um ihre Fassung, trat zurück, kämpfte darum, cool und distanziert auszusehen anstatt panisch, wie sie sich in Wirklichkeit anfühlte. Panisch, das ... das hier ... zu verlieren. 

Das auch noch. 

Heiße Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Sie hoffte Hölle noch mal, dass er es für Überbleibsel von der Dusche hielt. Einen kurzen Moment lang standen sie sich unversöhnlich gegenüber. Das Wasser rauschte um sie herum und sie streckte die Hand nach hinten aus, um den Hahn zuzudrehen, ihre Bewegungen abrupt und zittrig. 

Er tat dasselbe mit dem anderen Hahn und auf einmal war alles still in diesem kleinen dämpfigen Raum, bis auf die letzten Tropfen, die runterplatschten. Der raue Atem von ihnen beiden, als sie tief die heiße, wässrige Luft einsogen. Zoë trat aus der Dusche, griff sich ein Handtuch, während sie unablässig ihr Herz in ihren Ohren hämmern hörte. 

Sie wickelte das Frottee um sich und drehte sich um, um Quent anzuschauen. Er stand immer noch mit einem Arm an eine Wand gestützt, Muskeln gespannt, den Kopf gesenkt, das Gesicht zur Seite gedreht, um sie anzuschauen. 

„Ich weiß, du magst es nicht zu reden“, sagte er, seine Worte kamen exakt und abgehackt raus. Sehr starke Betonung. Dann wurde der Ton schärfer. „Du magst nichts sonderlich viel, außer zu vö–“ Er unterbrach sich, bevor er den Satz zu Ende sprach, aber sie wusste, wohin es ging. 

Heiße Wut überkam sie ... und verebbte dann wieder. Sicher. Was sollte er sich denn sonst bei all dem denken? 

Zoë war immer und überall absolut, unerbittlich ehrlich – auch sich selbst gegenüber. Sie wusste nicht, wie man mit Leuten zusammen sein sollte. Wie man mit ihnen umging. Mit ihnen interagierte. Und es war auch egal, denn sie hatte eine Aufgabe. Eine lebenslange Aufgabe und die würde sie für nichts und niemanden aufgeben. Niemanden. Selbst ... für das hier nicht. 

„Jep“, sagte sie. „Du hast mich voll gecheckt. Oder sollte ich sagen gefickt?“ Ihr Lachen klang etwas rostiger, als sie es gern gehabt hätte, und sie hob das Kinn an, um sicher zu gehen, dass sie ihm direkt in die Augen schaute. So konnte er sehen, dass sie es für sowohl grob als auch witzig hielt. „Und du hast Recht. Ich rede nicht gern. Können wir also nicht einfach ein bisschen in den Laken herumtollen und dann wieder zu dem zurückgehen, was wir sonst so treiben? Es schien doch super zu laufen.“ 

Da setzte er sich in Bewegung, schob sich von den Kacheln weg und kam auf sie zu. Groß, elegant, mit goldener Haut und geschmeidig ... und reichlich angepisst. Seine großen Hände legten sich auf ihre Schultern und obwohl sie eine große Frau war, fühlte sie sich klein und zart unter ihnen. 

„Exakt, Zoë. Ich bin jederzeit für das Herumtollen in den Laken zu haben oder den schnellen Fick in der Dusche“, sagte er. Seine Worte waren wie Ohrfeigen. „Aber wenn hierbei noch etwas anderes rauskommt, dann werde ich da nicht so beschissen unverbindlich bleiben. Ich weiß nichts von deinen verdammten ‚anderen Malen‘ oder deinen anderen Liebhabern, aber das hier ist keine beschissene Spaßeinlage für mich.“ 

„In Ordnung“, sagte sie etwas ruhiger und widerstand dem Drang, sich auf die Lippe zu beißen, und konzentrierte sich darauf, das schreckliche Brennen in ihren Augenwinkeln unter Kontrolle zu halten. Was zum Teufel ist mit mir los? „Das ist ... fair, denke ich.“ 

„Und wenn du noch mit Ian Marck herumvögelst oder mit irgendjemand anderem, wie willst du denn dann wissen, von wem es ist?“ 

„Ian Marck?“ Zoë konnte ihren Schock nicht verbergen. Dachte er etwa das von ihr? „Dem Bastard würde ich mich nur mit einem spitzen, langen Pfeil nähern, Scheiße und nochmals Scheiße, Quent. Sein Vater–“, sie verstummte und schluckte schwer. „Ich weiß nicht, wer dir diese lächerliche, bescheuerte Idee ins Hirn geschissen hat, aber der Typ wird nie im Leben die Gelegenheit bekommen mir so nah zu sein, dass er mir auch nur ins Ohr flüstern könnte.“ 

„Nicht?“, fragte er, seine Stimme plötzlich ganz leise. „Okay. Ich gebe zu, ich bin echt erleichtert das zu hören. Und was ist mit ... den anderen? Zoë.“ 

„Wie zum Teufel stellst du dir vor, dass ich das hier aufrechterhalte und immer noch ... die anderen Dinge erledige, die ich tun muss ... und auch noch mit anderen herummache? Du bist wohl total durchgeknallt? Glaubst du nicht, ich habe mit dir schon alle Hände voll zu tun?“ So. Das war alles, was sie ihm jetzt geben würde. Alles, was sie sich eingestand. Und selbst dieses Beinahe-Geständnis schmerzte, verursachte ihr Übelkeit und ein seltsam saures Gefühl im Mund. 

Er sah sie für einen Moment an, forschend. „Okay, das wäre also das. Alles Klar.“ Sein Mund, voll an genau den richtigen Stellen, nicht zu hübsch, um feminin auszusehen, entspannte sich ein bisschen. Dann fingen seine Augen ihren Blick ein, jetzt waren sie eher blau als braun – oder vielleicht lag das auch nur am Licht – und auf einmal konnte sie nicht mehr atmen. 

Zoë riss sich los und beugte sich hinab, um ihre Kleider aufzusammeln. Als sie sich umdrehte, um das Badezimmer zu verlassen, wackelten ihr die Knie – aber sie war sich nicht sicher, ob das noch ein Nachhall ihrer Lust oder einfach Ängstlichkeit war. 

„Zoë“, sagte er hinter ihr. 

Sie war wieder im kühleren Schlafzimmer, ihr Kleiderbündel presste sie an ihren feuchten Körper, eingewickelt in dieses Handtuch. „Hmm?“, sagte sie, ohne sich umzudrehen. Ihr Haar tropfte immer noch wie verrückt auf ihre Schultern, von wo das Wasser dann in jede Richtung rann. 

„Gehst du ... jetzt weg?“ 

Sie setzte sich auf das Bett und das Handtuch, unter ihren Armen festgesteckt, löste sich. Ja. Nein. Ich will nicht. Ich muss scheißschnell von hier verschwinden. Was soll all dieses beschissene Gerede? Können wir die Dinge nicht einfach auf sich beruhen lassen? 

Zoë steckte das Frotteetuch wieder fest, wobei sie geistesabwesend feststellte, dass dieses hier viel flauschiger war als die, die sie hatte. Er war aus dem Badezimmer hereingekommen, selber eingewickelt in ein um seine Hüften geschlungenes Handtuch. Und jetzt stand er da, seine langen, nackten Füße standen vor ihr auf dem Boden. 

Sie schaute langsam hoch, an seinen muskulösen Waden entlang, bedeckt von goldbraunem Haar, zu dem Handtuch, sauber aber etwas altersschmuddelig, an dem flachen Bauch hoch, der seitlich etwas einwärts kurvte, an männlichen Hüftknochen, die ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Sie bewunderte die immense Breite seines Brustkorbs und die glatten Muskelpakete seiner Arme, nicht zu wuchtig, aber zweifellos kraftvoll und einsatzbereit. 

„Bist du jetzt fertig?“, fragte er mit einer tiefen, rauen Stimme. „Denn ich glaube, ich habe die Antwort schon.“ 

Ein Blick nach unten verriet ihr, dass er das Handtuch da schon wieder gut ausbeulte, und das ihr bereits bekannte Stechen aus Schmerz-Lust schoss ihr mitten durch die Magengrube. Sie schaute hoch, ihr Herz hämmerte ... aber in ihr schnurrte eine Leere zusammen. 

Genau in dem Moment unterbrach ein lautes Klopfen an der Tür die Anspannung im Zimmer und machte, dass sie überrascht hochschreckte. 

„Quent!“, ertönte eine Männerstimme. „Bist du da drin?“ 

„Mist“, murmelte Quent mit einem Blick zur Tür. Er eilte hinüber zur Kommode, riss ein paar Schubladen auf. „Wo zum Teufel habe ich es hingepackt?“, fluchte er vor sich hin. 

„Quent! Was zum Teufel? Ist alles okay bei dir da drin?“ 

„Ja, ja“, rief Quent zurück, er riss immer noch Schubladen auf, wühlte im Inhalt, wobei er sich ab und zu unterbrach, um sich mit den Händen durchs Haar zu fahren. 

„Na, zum Teufel, wir hatten schon befürchtet, dass dir etwas passiert ist. Was machst du denn so lange da drin? Wir warten schon. Machst du jetzt endlich diese Scheißtür auf?“ Diese letzte Frage klang mehr als nur ein bisschen verärgert. 

„Kommt nicht in die Tüte“, murmelte er. Dann ging er – mit einem erleichterten Schnauben – zum Wandschrank und wenige Sekunden später hatte er ein dickes Buch draus hervorgezogen. Zoë sah kurz ein Bruchstück vom Titel – etwas mit Monte Christo –, bevor er zur Tür ging. 

Er öffnete sie gerade weit genug, dass er drin stehen konnte, um so auch die Sicht auf Zoë oder das Bett komplett zu versperren. „Hab’s gefunden“, sagte er, als er das Buch an irgendjemanden da draußen übergab. 

„Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“ 

„Ja doch, Wyatt. Ich bin okay. Ich wurde nur etwas abgelenkt.“ 

Zoë hörte Wyatt von hinter der Tür schnauben und sie stellte sich den hartgesottenen Mann vor, wie er die Augen verdrehte. Sie hatte alle von Quents Freunden schon mal gesehen im Laufe der Zeit, obwohl sie noch keinen wirklich getroffen hatte. 

„Jep, so viel habe ich geschnallt. Wir warten unten alle auf dich, Scheiße nochmal. Und du gehst dich einfach so duschen. Tickst du noch richtig? Was wissen wir denn, ob du nicht schon wieder in der dunklen Grube liegst, Herrgott nochmal.“ 

„‘Tschuldige, tut mir Leid“, sagte Quent – aber selbst Zoë konnte hören, dass das nicht so ganz stimmte. „Hey, ich komme später nach.“ Er schloss die Tür und drehte sich wieder um, um sie anzuschauen. 

„Worum zum Teufel ging es da denn?“, fragte sie. „Die dunkle Grube?“ 

„Aha, jetzt willst du also plötzlich doch reden“, murmelte er und zog sein Handtuch wieder zurecht. 

„Nun, wir können uns auch mit etwas anderem die Zeit vertreiben“, sagte sie, wobei sie ihre Lippen zu einem frechen Grinsen verzog. 

Quent kam zu ihr her und nahm ihr das Kleiderbündel ab und legte es dann auf den Tisch. Dann setzte er sich neben sie, wobei die Matratze sich mit seinem Gewicht etwas verschob. Aber zu ihrer Überraschung machte er keine Anstalten sie zu berühren. „Was hat Raul Marck dir angetan?“ 

Whupsa. So ein Flankenangriff zog immer. Sie befeuchtete sich nervös die Lippen, zupfte ihr Handtuch zurecht. „Er ist ein Kopfgeldjäger.“ 

Quent nickte. „Ich weiß. Was hat er dir angetan?“ Seine Augen waren so nah. Ernst. Entschlossen. 

Dieses Schimmern der Lust war daraus verschwunden, die Hitze und das Begehren ... verdrängt von etwas anderem. Mitleid? 

Zoës Hals brannte. „Er ... sie sind jetzt hinter einem anderen Kopfgeld her. Jemand hat sie belauscht. Während sie redeten.“ 

„Jemand hat ihr Gespräch belauscht?“ 

Scheiße. Sie hatte nicht vorgehabt ihm von ihrer Verbindung zu Remy zu erzählen. Aber warum nur? Was machte es schon aus? Sie hatten nach Truth gesucht. Du könntest ihm helfen. 

Aber sie ist wunderschön. So wunderschön. Und klug. Und tapfer. 

Sie könnte hier bleiben. Hier. 

Zoë schluckte und stellte fest, wie hässlich und klein ihr Bauch sich anfühlte. Warum macht es dir etwas aus, wenn sie hierbleiben würde? Sie konnte das Bild von Quent mit seinen Händen überall auf dieser blonden Frau auf der Tanzfläche einfach nicht loswerden. 

„Zoë“, fragte er hartnäckig. 

„Sie haben über ein anderes Kopfgeld gesprochen. Eine Frau, sie hat die Elite verlassen. Sie ist weggerannt. Das ist, wie sie die da nennen – die Elite.“ 

„Die Elite?“, sagte Quent, als ob er nach dem Wort in seinem Kopf kramen würde. „Scheiße. Ich habe nie verstanden, was er meinte.“ Er sah bestürzt aus, sein Gesicht plötzlich angespannt und ernst. „Das Schwein.“ 

Zoë runzelte die Stirn. „Wer?“ 

Als Quent sie wieder anschaute, fiel ihr sofort die Abscheu in seinen Augen auf. Nicht gegen sie gerichtet; das sah sie sofort. Abscheu, Verzweiflung ... und Schmerz. 

Etwas, was sie selber im Spiegel gesehen hatte. Gelegentlich. 

„Mein Vater“, sagte er mit grimmiger Stimme. Abgestumpft und grimmig. „Er ist einer der Fremden, oder so scheint es laut ihrer Nomenklatur ... der Elite. Er hat das Wort immer verwendet, wenn er von ein paar seiner Freunde und Kollegen redete.“ Dann schien er es abzuschütteln, sein Mund verzog sich leicht mit einem verärgerten Zucken und sein Gesichtsausdruck wurde noch entschlossener. „Erzähl mir, was Raul Merck dir angetan hat.“ 

Zoë öffnete den Mund, um ihm auszuweichen, aber bevor sie es merkte, purzelten die Worte aus ihr heraus. „Er hat Ganga auf meine Familie gehetzt. Auf jeden einzelnen. Haben sie alle umgebracht, alles zerstört.“ Verdammt. Sie blinzelte ... einmal ... noch einmal, die Tränen brannten und sie schämte sich. „Es war vor über zehn Jahren“, fügte sie hinzu, trotzte den Tränen und ihrer Trauer. „Ich war fast sechzehn.“ 

„Es tut mir so Leid“, sagte er, seine Stimme rau. „Ach, Zoë, es tut mir so Leid.“ Da bewegte er sich und nahm sie – samt Handtuch und allem – an seine warme Brust. Seine Arme legten sich um sie, hielten sie, so dass ihr Gesicht – jetzt feucht vor Tränen – an seiner Schulter vergraben war. 

Sie schloss die Augen, fühlte wie ihre Wimpern kurz über seine Haut streiften, wie jene kleinen, hauchzarten Küsschen, die ihr ihre Mutter immer gegeben hatte. Aber sie behielt ihre Arme weiterhin vor ihrer Brust eingerollt, eng zusammengerollt zwischen ihnen beiden. Abstand war gut. 

Und doch ... in dem Moment konnte sie die Distanz nicht aufrecht erhalten. Sie hatte noch niemandem davon erzählt – nicht einmal diesen einfachen Satz. 

Es hatte niemanden gegeben, dem sie es erzählen konnte. 

„Ich habe als Einzige überlebt“, hörte sie sich selbst sagen. Wann war sie das letzte Mal von jemandem im Arm gehalten worden? Einfach nur gehalten? 

Einfach nur zusammengerollt neben jemandem, einer lebenden, atmenden Person, die nichts von ihr forderte. Es war viel netter, als sich neben Fang ihrem gelegentlichen Haustier zusammenzurollen. Ein wolfsähnlicher Hund, der kam und ging, wie er wollte, genau wie sie wollte, aus der kleinen Heimstätte, die sie geschaffen hatte. Sie lachte kurz leise auf, etwas feuchter als eigentlich höflich war, an seiner Schulter. Wisch dir die Nase, konnte sie Naanaa sagen hören. 

„Ist etwas komisch?“, fragte er und hob sanft ihr Gesicht an. 

Sie nickte, während sie ihn aus Augen anschaute, in denen die Tränen schwammen. „Das hier ist viel netter, als mich neben meinem Hund einzurollen.“ 

Sein Mund bewegte sich, aber in seinen Augen sah sie immer noch das Mitgefühl. „Das denke ich auch. Ihre lange Schnauze kommt einem da immer in die Quere.“ Er wischte ein Tränenrinnsal mit einem Daumen weg, seine Fingerkuppen sanft unter ihrem Auge. „Erzählst du mir noch ein bisschen mehr darüber, was passiert ist?“ 

„An dem Abend habe ich mich wegschlichen, um jemanden zu treffen. Einen Typen. Wir sollten eigentlich nachts nicht draußen unterwegs sein, aber wir waren ziemlich nahe bei unseren Häusern. Nahe genug, um die Lichter zu sehen, und außerdem hatte seit Jahren niemand mehr Zombies in der Gegend gesichtet. Es gab ohnehin Bäume, auf die man klettern konnte, wenn wir flüchten mussten. Wir waren nicht total bescheuert,“ fügt sie hinzu. „Da war ein schrecklich sumpfiges Brachland und ich bin gestolpert und hineingefallen. All der Schlamm und alles – es war dreckig und es stank wie Sau und ich bin nicht nur gestolpert, ich bin komplett hineingefallen.“ Selbst jetzt, konnte sie nicht drüber lachen, fand nichts Lustiges an dem Bild von sich selbst über und über bedeckt von Sumpfschlamm. 

Während sie das erzählte, zog sie sich von Quents feuchter Haut weg und jetzt legte sie ihm die Stirn an die Schulter, redete in den Raum da zwischen ihren Körpern. Ihre Finger waren immer noch zusammengerollt, zwischen ihnen, wie die von einem Kind, das raue Haar auf seiner Brust rieb an ihrem Handrücken. 

Er atmete ganz entspannt, regelmäßig, und schien keine Eile zu verspüren sie schneller erzählen zu lassen, also nahm sie sich einen Augenblick Zeit, um zu schlucken und ihre Stimme etwas zu beruhigen, die jetzt gerade schrecklich wackelig klang. „Rick hat mich herausgezogen, aber ich war so saumäßig verdreckt, dass ich nicht den Mumm hatte, zurückzugehen und so auszusehen – und so zu riechen – wie da. Selbst wenn jeder schon schlafen würde, ich wusste, ich konnte es nicht riskieren, denn wir sollten ja nicht in die Nähe vom Sumpf gehen. Was natürlich genau der Grund war, warum wir es taten ... weil man da ungestört war. Also ging Rick zurück, um mir Kleider zum Umziehen zu besorgen und etwas Wasser, um mich zu waschen.“ 

Jetzt brach ihr die Stimme und die nächsten Worte waren kaum hörbar. „Ich habe ihn nie wiedergesehen. Niemanden.“ Sie trieb ihre Stimme weiter vorwärts, jetzt etwas schroffer. „Er ist nicht zurückgekommen und ich wusste einfach, dass der Idiot sich hatte erwischen lassen, also bin ich dann letztendlich wieder heimgeschlichen. Als ich nahe genug dran war, habe ich sie gehört. Das Stöhnen. Das Grunzen. Und die Schreie. Diese schrecklichen Schreie.“ 

Quent schloss die Arme fester um sie und machte dabei eine Art beruhigendes Geräusch, an das sie sich vage aus ihrer Kindheit erinnerte. Von Naanaa. 

„Es tut mir so Leid, Zoë. So unendlich Leid.“ Er schaukelte sie ein bisschen und sie schniefte, war sich bewusst, dass ihr gerade etwas recht Unappetitliches aus der Nase lief, hinunter in den Hohlraum zwischen ihnen. Sie wischte es weg, schluckte tief und wütend und versuchte sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. 

Es war zehn Jahre her. 

„Raul Marck war da. Ich wusste zu der Zeit nicht, wer er war, aber ich werde ihn nie vergessen. Oder das große, schwarze Ding, das er fährt. Er oder die Ganga haben die fünf Häuser in unserer kleinen Ansiedlung in Brand gesteckt, was alle darin hinausgetrieben haben musste. Hinaus in die offenen Arme der Ganga. Bis ich dann zurückkam, war kaum noch etwas übrig.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß immer noch nicht warum.“ 

„Und wenn du nicht in den Sumpf gefallen wärst, wärst du eine von ihnen gewesen“, sagte Quent, der sie jetzt ganz fest hielt. So fest, dass sie kaum atmen konnte. Seine Hand lag ausgestreckt und warm auf ihrer Haut und fing an sie am Rücken zu streicheln, rauf und runter, wobei sie gelegentlich an das Frotteetuch stieß. 

„Nachher dachte ich mir, dass mir das dann wohl das Leben gerettet hat. Die Zombies konnten mich nicht riechen, weißt du, mit all dem Scheißdreck, der da an mir klebte. Ich roch so übel wie die.“ 

„Ich bin froh, dass du in den Sumpf gefallen bist, Zoë“, sagte er nach einer Weile. „Es tut mir Leid, was mit deiner Familie passiert ist, aber ich bin froh, dass du in den Sumpf gefallen bist.“ 

Das wäre dann schon einer von uns. „Es gibt Zeiten, da wünsche ich mir, ich wäre damals zu Hause gewesen, als es passierte.“ Eigentlich die meiste Zeit. 

Sie erwartete jetzt eigentlich so was wie Vorwürfe, aber er schloss sie nur fester in die Arme. „Wenn das passiert wäre, dann wären wir jetzt nicht hier.“ 

Sie begann das tiefe Erwachen, ganz unten drinnen in ihrem Bauch, zu fühlen, die süße Wärme, die sich durch sie pflügte, als sie sich wieder seines Körpers bewusst wurde. Sein Geruch, stärker als das, was seinem Kopfkissen noch anhaftete, seinen festen, verlässlichen Körper, die sehr männlichen Kurven an seinen Armen und Schultern ... den heftigen Puls an seinem Hals. 

Zoë küsste ihn. Sanft, hauchzart. Sie streifte mit ihren Lippen ganz leicht über diese Kurve oberhalb seines Schlüsselbeins. So zart. Er erschauerte und sie fühlte, wie seine Brust sich gegen ihre wölbte, sich dann wieder legte. Sie schloss die Augen, atmete ihn ein und den leichten Duft von Zimtorange aus dem Rezept ihrer Naanaa, sie öffnete die Lippen und strich mit ihnen wieder über ihn. Ein leises Stöhnen kam tief aus seiner Brust und diesmal schlossen sich seine Arme reflexartig fester um sie. Ihre Zunge glitt heraus, zärtlich und doch neugierig an seiner Haut, neckten ihn und schmeckten. 

„Zoë“, flüsterte er. „Was tust du mir nur an?“ 

Sie wusste die Antwort darauf. Sie lächelte. Dort. An ihm. Plötzlich überkam sie etwas Leichtes und Wahrhaftiges, sie küsste ihn genau unter seinem Ohrläppchen ... dann saugte sie daran, während sie die ganz Zeit spürte, wie er sich hochschob und unten gegen sie größer wurde. Er zitterte und bog sich näher zu ihr, als sie mit ihrer Zunge sein Ohr tief erkundete, seine Finger verkrallten sich in ihren Rücken. 

Dann löste er sich, sah mit diesen blaugesprenkelten Augen auf sie herunter und bedeckte ihren Mund mit seinem. Sie hob sich ihm entgegen, ihre Arme um seinen Hals, und sie rutschten aneinander, glitten rückwärts auf das Bett, die Handtücher gelockert und schließlich ganz fort. 

Seine Hand bewegte sich, zerrte das Frotteetuch weg und griffen dann nach ihr. Ehe sie sich’s versah, hing er über ihr, aufgestützt, küsste sie sanft an ihrem eigenen Schlüsselbein entlang, sein Mund zärtlich und leicht ... so anders. Süß an der empfindlichen Haut an ihrem Hals, was ihr explosionsartige Schauer durch den Körper jagte, ihre Brustwarzen hart werden ließ, so dass sie fast schmerzten, dorthin, zu ihrem innersten Kern hinunterschoss, wo sie die Hitze und die Nässe und das Pochen spürte. 

„Quent“, murmelte sie, streckte die Arme nach ihm aus, schloss ihre Finger um seinen Schwanz und hob ihre Hüfte hoch. „Bitte...“ 

Sie wusste kaum, wo sie war, was sie tat, nur dass das hier Quent war und dass er sie alles vergessen ließ. Er ließ sie in etwas hineingleiten, so heiß und so warm und so vertraut, dass sie niemals weggehen wollte. 

„Zoë“, sagte er und sie spürte das Zittern in seinem Mund, als er sich herunterbeugte, um ihren zu streifen, „bleib bei mir.“ 

Sie schloss die Augen vor dieser Versuchung, küsste ihn wild, erstickte, was auch immer er da gerade sagen wollte, und führte ihn zu sich, in sich hinein. 

Sie seufzten beide auf und stöhnten, als er tief hineinglitt. Sie drückte sich nach oben gegen seinen Bauch, rau mit all seinen Haaren ... und dann bewegten sie sich gemeinsam, der eine kannte den Rhythmus des anderen, Haut glitt an Haut entlang, leises Keuchen und Stöhnen und raue Atemzüge. 

Zoë schaute ihn einmal an, sah die tiefe Lust, etwas Verlockendes und Verzweifeltes darin, so intensiv, dass es ihr wie Stiche in den Bauch fuhr ... und dann schloss sie ihre Augen. 

Denn sie wagte nicht, ihn sehen zu lassen, was in ihren stand. 

 

.   .   .

 

Etwas später spürte Quent, wie Zoë sich von ihm löste. Das Laken zog sanft. Er verkrampfte sich, während er seine Augen geschlossen hielt. Das Herz hämmerte ihm jetzt heftiger, als sie sich sachte wegschob. Langsam, vorsichtig. 

Dann fiel das Laken neben ihm sachte zusammen und die Matratze hob sich. 

Quent beobachtete zwischen zusammengekniffenen Lidern, wie sie zum Badezimmer ging. Der Streifen Tageslicht, der zwischen den Vorhängen erschien, war zu einem schwachen Nachmittagsglühen abgeklungen. Wie lange waren sie beide hier oben gewesen? Drei, vier Stunden. 

Nicht annähernd lang genug. 

Sie kam wieder raus, ihr Haar fiel ihr in wüsten Spitzen ums Gesicht, ihr nackter Körper geschmeidig und anmutig, diese Orangenwürze hing wieder in der Luft. Sie schaute rüber zum Bett. Er fühlte, wie ihre Augen über ihn glitten, ihr Zögern und das leichte Stolpern in ihrem Gang. 

Aber es war nur das – ein kleines Stolpern. Sie ging einfach weiter. Auf ihre Kleider zu, auf dem Tisch, neben dem Bett. 

Er hatte einen kurzen, jähen Moment der Versuchung: die Hand ausstrecken und ihren Arm packen ... aber das hatte er bereits einmal getan. Und sie war trotzdem weggegangen. 

Das zu wissen erfüllte ihn mit Leere. 

Während er zusah, stopfte sie die Kleider in ihr kleines Bündel und zog neue heraus. Leise, rasch streifte sie sich ein dunkelrotes Hemdchen über, genauso eng um ihre knackigen Brüste wie ein BH. Dann den Rest ihrer Kleider – Höschen aus langweiliger, weißer Baumwolle und die gleiche dunkle Cargohose mit Taschen überall. Alles ganz lautlos, bis auf das weiche Wuuusssch von Stoff und dem leisen Klick von einem Verschluss, der zuschnappte. 

Quent spähte, als sie die Pfeile fest packte, um sie davon abzuhalten, gegeneinander zu stoßen, als sie Köcher und Bogen hochhob und sich ihr Bündel über den Rücken warf. Dann hielt sie an und schaute zum Bett. 

Da öffnete er die Augen und Zoë erstarrte. 

„Ich nehme an, wenn ich anbiete uns etwas Essbares zu beschaffen, würdest du deine Meinung auch nicht ändern“, sagte er. „Pizza?“ Sie hatte zuvor einmal erwähnt, eine Schwäche für Pizza zu haben, und er hatte ihr eine aus dem Pub hochgebracht. 

Sie schüttelte den Kopf. 

„Wohin gehst du, wenn du von hier fortgehst? Was tust du dann?“ 

Zoë spreizte die Finger. An einer Hand war das etwas unbeholfen, weil sie da ihre Waffen hielt. „Ich gehe auf die Jagd.“ 

„Ganga. Und Raul Marck.“ 

Sie nickte, während sie nach der Türklinke griff. „Ich muss los.“ 

„Ich komme mit dir.“ 

Nein.“ Das Wort knallte wie ein Peitschenhieb. 

Er hatte zwar nichts anderes erwartet, aber er hatte auch nicht mit einer derartig heftigen Antwort gerechnet. Nicht gerade gut für ein männliches Ego. Geradezu abträglich. Er öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Auf keinen Fall betteln oder flehen. Gehört sich für einen Fielding nicht. 

„Pass auf dich auf“, sagte er stattdessen. Obwohl es ihn einiges kostete die Worte gelassen klingen zu lassen. 

Zoës Haltung lockerte sich etwas, als hätte sie einen größeren Streit erwartet. „Quent“, sagte sie, während sie den Griff runterdrückte und dann zögerte. Sie holte tief Luft und fuhr fort. „Danke, dass du mir zugehört hast – meiner Geschichte.“ 

Geh nicht. „Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast.“ 

„Ich habe das noch niemandem erzählt.“ 

„Nie?“ 

Sie schüttelte den Kopf. „Nie.“ Der Türhebel schnappte ein, als die Tür sich öffnete. 

„Was hättest du gemacht, wenn ich nicht hier gewesen wäre? Als du kamst?“ Er setzte sich auf, fühlte sich wie ein Weichei – mit „Verzweiflung“ deutlich auf die Stirn gekritzelt. 

Ein Achselzucken von ihr und sie zog an der Tür. „Wäre scheißenttäuscht gewesen.“ 

Dann ging sie hinaus. Die Tür fiel hinter ihr schwer ins Schloss, die Metallzunge schnappte hörbar ein. Und endgültig. 

Quent schnappte sich das nächstbeste, bewegliche Objekt – ein Kissen – und schleuderte es durch die Luft. Es wirbelte um die eigene Achse, krachte gegen eine Lampe und alles ging scheppernd zu Boden. 

Scheiße. Scheiße. 

Ein lautes Klopfen kam da von der Tür, das ihm das Herz höher schlagen und seinen Körper vom Bett aufspringen ließ. Dann kam er wieder zur Besinnung. Sie würde nicht anklopfen. Sie würde reinstolzieren, verdammte Scheiße. 

„Quent?“ 

Er erkannte Elliotts Stimme. Scheiße, Shit und Scheiße, können die mich denn verdammt nie in Ruhe lassen? 

Da er wusste, dass es nutzlos war, seinen Freund zu ignorieren – und es obendrein auch nicht sehr nett wäre, weil es bestand durchaus eine Chance, dass er jeden Augenblick in jenes dunkle Koma der Erinnerungen gleiten könnte, wenn er den falschen Gegenstand anfasste –, stapfte er zur Türe und riss sie auf. 

„Hmm“, sagte Elliott, dessen Augenbrauen hochschossen, als er Quent von oben bis unten betrachtete – der völlig vergessen hatte, dass er splitterfasernackt war. „Ich denke, du bist okay.“ 

Ohne auf eine Einladung zu warten, drängte er sich ins Zimmer. Quent fluchte leise vor sich hin und schloss die Tür mit einen dumpfen, metallischen Klicken und drehte sich um, genau in dem Moment, als Quent die kaputte Lampe bemerkte. 

„Ist alles in Ordnung?“ 

„Ja, Herr Doktor, siehst du doch. Alles ist verfickt noch mal wunderbar – ich habe nur ein Nickerchen gemacht.“ 

„Verstehe.“ Elliott sprach mit dieser Stimme, die er für Patienten hatte: ruhig, ganz locker, ohne den Hauch von Herablassung ... aber jeder mit ein bisschen Grips konnte die Skepsis da heraushören. Und das Mitgefühl. Der verfluchte Kerl. 

„Also, ähm ... bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?“ 

„Was denn? Hat Wyatt dich jetzt hier hochgeschickt, um mir in die Birne zu schauen?“ 

„Du siehst durcheinander aus.“ 

„Gratuliere Ihnen zu Ihrer Diagnose, Dred. Ich bin durcheinander. Wärst du nicht auch am Arsch, wenn dein Vater die ganze beschissene Welt zerstört hätte?“ 

Elliott seufzte, aber das Mitgefühl leuchtete immer noch warm in seinen Augen. „Ich habe sie gesehen, Quent.“ 

Quent zuckte unverbindlich mit den Schultern und bückte sich, um die kaputte Lampe aufzuheben. Seine Eier schwangen ihm unter dem Arsch hin und her, erinnerten ihn daran, dass er sich besser etwas anzog. 

„Ich war auf dem Weg nach oben, um mit dir über eine Patientin zu sprechen, die heute aufgetaucht ist. Nicht um dich zu überwachen“, sagte Elliott. Aber als Quent ihm einen skeptischen Blick zuwarf, lächelte er. „Nun, auch um nachzuschauen, was du so treibst. Du warst plötzlich verschwunden und das letzte Mal, als du das gemacht hast, haben Jade und ich dich ohnmächtig in einer überwucherten Gasse gefunden.“ 

„Erzähl mir von der Patientin.“ 

„Sie hat eine üble Schnittwunde durch den Muskel und die Sehnen hindurch. Wenn sie ohne Hilfe genug Glück gehabt hätte, nicht zu verbluten, hätte sich die Wunde aber wahrscheinlich infiziert und sie hätte es auch nicht geschafft. Jemand war clever genug, sie hierherzubringen – sie schien über mich Bescheid zu wissen.“ 

„Dein Ruf galoppiert dir voraus“, bemerkte Quent trocken, während er die Lampenüberreste in einen rostigen Abfalleimer warf. Er wühlte in einer Schublade und zog ein paar Unterhosen heraus – Feinripp mit Seiteneingriff, aber in einer postapokalyptischen Welt durfte man nicht allzu wählerisch sein. Man nahm sich, was man finden konnte, was noch nicht angenagt oder verschimmelt war. Nach fünfzig Jahren. „Konntest du ihr helfen?“ 

„Sag Jade bitte nichts davon“, erwiderte Elliott mit einem merkwürdigem Lächeln, „aber ich habe sie geheilt.“ Er zuckte mit den Achseln. „Sie mag es nicht, wenn ich das zu oft mache, weil ... nun, du weißt schon ... es ist nicht nur das Heilen.“ 

Der Ausdruck in Elliotts Gesicht verursachte ein neue Welle der Bitterkeit: Quent erkannte darin ein bisschen Kummer, aber da war auch Zuneigung. Und darunter noch tröstliche Gewissheit, dass – egal was passierte – immer jemand da sein würde. Jemand machte sich Sorgen. 

Dieser Jemand würde nicht wegrennen, sobald der erste Rausch etwas verflogen war. 

Quent wandte sich ab, als er sich eine Cargoshorts griff. Dann – bevor er sich stoppen konnte – fielen die Worte nur so heraus. „Sie heißt Zoë. Sie ist der Bogenschütze mit den besonderen Pfeilen – erinnerst du dich?“ 

Elliott nickte, aber sagte nichts. 

„Sie besucht mich ... ab und an. Für eine schnelle Nummer, so was in der Art. Es ist gegenseitig“, fügte er hinzu und versuchte das Ganze als unverbindlich abzutun, als kleinen Fick. „Ihre Eltern wurden von Ganga getötet. Mit den besten Grüßen von Raul Marck.“ 

Weil Raul Marck Jade entführt und den Fremden – der Elite – übergeben hatte, wurde Elliotts Mund zu einem dünnen, weißen Strich. Aber er schwieg weiterhin. Was Quent mit nichts anderem zurückließ als diesem Drang darüber zu reden. 

„Sie kommt und sie geht. Manchmal geht sie, während ich schlafe. Meistens.“ 

Elliott hatte sich gegen die Tür gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. „Ich kann verstehen, warum dich das vielleicht aufregt.“ 

Normalerweise machte diese Art von Psychosülze, dass Quent dichtmachte, aber heute nicht. Nicht jetzt. „Das ist ja, was so pissig ist. Es macht mir verteufelt viel aus, dass sie sich einen Dreck darum schert, Tschüss zu sagen. Dass sie nie mehr als ein paar Stunden bei mir bleibt.“ 

„Du möchtest, dass sie bleibt.“ 

„Normalerweise bin ich es, der geht. Oder der die Dinge in der Schwebe hält, nix Festes, du verstehst.“ 

„Oder, der bei einer Party mit einer Frau am Arm ankommt und sich dann mit einer anderen während der Veranstaltung davonschleicht. Danach dann die Erste mit nach Hause nimmt.“ 

Quent schmunzelte etwas peinlich berührt. Wenn man es so ausdrückte... „Davon hast du also gehört? Mit Marley Huvane?“ 

„Ich denke, dass du ... ähm ... es einmal erwähnt hast.“ 

„Ah so.“ Quent schüttelte den Kopf. Super. Das war diskret. „Ich muss sturzbetrunken gewesen sein.“ 

„Genauso war es. Du hast bei der Gelegenheit auch deine anderen Eroberungen erwähnen können ... Bonia Telluscride, Lissa Mackley und die anderen. Aber keine Details.“ 

Elliott musste gar nicht weitersprechen. Quent war sich nur zu bewusst, wie Frauen die Wege seiner Vergangenheit pflasterten – Starlets, Modells, Society Girls. Nicht dass er auf ihren Herzen herumgetrampelt wäre oder sie hinters Licht geführt und sie dann sitzengelassen hätte. Nein: er ließ es einfach nicht nahe genug an sich rankommen, damit das eintreten konnte. Du musst schon mehr als eine Nacht oder zwei mit einer Frau verbringen, damit sie die Idee kriegt, es könnte was Dauerhaftes sein. 

Scheiße. 

Hier stand er nun und winselte einer Frau hinterher, mit der er ein paar Wochen lang rumgemacht hatte? Aber sein Mund wollte nicht stillstehen. „Sie ist was Besonderes.“ 

„Und es ist nicht, weil du hier nicht derjenige bist, der die Fäden zieht? Die Oberhand hat?“, fragte Elliott. Es war eine naheliegende Frage und eine, die Quent sich gründlich durch den Kopf gehen ließ. „Eine Ego Sache?“ 

„Ich weiß es nicht“, erwiderte er ganz ehrlich. „Könnte sein. Fühlt sich aber nicht so an.“ Dann lenkte er seine Gedanken woanders hin. „Diese Patientin ... was wolltest du mir über sie erzählen?“ 

Elliott schien zu akzeptieren, dass es Zeit für einen Themawechsel war. „Ich habe sie gescannt.“ 

Quent nickte. Wohingegen er eine psychometrische Fähigkeit erworben hatte, die jedes Mal, wenn er sie in Anspruch nahm, eine Kehrtwende zu machen schien, um ihm in den Rücken zu fallen, war Elliott aus der Sedona Höhle mit einer etwas nützlicheren Gabe aufgetaucht: nicht nur der Fähigkeit zu heilen, sondern auch seine Hände über einen Körper zu scannen und damit dann hineinschauen zu können. Wie ein menschlicher Magnetresonanztomograph, ein MRT. Mit optimaler Farbauflösung. 

„Lass mich raten“, sagte Quent, „sie trägt einen Kristall. Sie ist eine Fremde?“ Das wäre das erste Mal, dass sie eine Fremde – oder eine Elite – in einer Situation hatten, wo sie vielleicht die Gelegenheit erhielten mehr über sie zu in Erfahrung zu bringen. Oder über Remington Truth. 

„Nein. Okay, sie hat einen Kristall, aber sie trägt ihn nicht wie die Fremden. Er steckt nicht in ihrer Haut drin.“ 

Elliotts Gesicht sah jetzt angewidert aus und Quent dachte sich, es hatte mit den jüngsten Ereignissen zu tun, wo Ian Marck Elliott gezwungen hatte, sich um ein sehr krankes Mitglied der Elite zu kümmern, deren eingepflanzter Kristall sich entzündet hatte. 

Sein Freund fuhr fort. „Es ist ein anderer Typ von Kristall. Der hier ist kleiner. Etwa so groß wie eine zehn Cent Münze, und er ist geschliffen. Und er ist leuchtend orange.“

„Glüht er? Und wie hast du ihn entdeckt?“ 

„Soweit ich sehen konnte, glüht er nicht und er ist nicht in ihre Haut eingebettet wie die Unsterblichkeitskristalle. Sie trägt ihn wie ein Nabel-Piercing.“ Er schüttelte den Kopf. „Er ist nicht so groß wie ihr Nabel und von dem, was ich da sehen konnte, ist er in einer Fassung, an der er baumeln kann – er steckt nicht in ihrem Bauchnabel wie bei Bauchtänzerinnen. Richtig gut habe ich mir das aber nicht ansehen können.“ 

„Alles klar. Du denkst also, dass es nicht nur Schmuck ist.“ 

Elliott schüttelte den Kopf. „Ich habe sie durch ihre Kleider hindurch gescannt; sie wollte sie nicht für mich ablegen, außer das Hosenbein hochzukrempeln. Sie weiß also nicht, was ich weiß, aber das ist das, was ich während dem Scan gesehen habe. Ich habe einen echten Energieschub gefühlt, als ich mich dem Kristall näherte, daher denke ich also, es handelt sich dabei um mehr als nur ein auffälliges Schmuckstück.“ 

„Du willst, dass ich den Kristall berühre und nachschaue, was ich sehen kann?“ 

„Nun, ich denke nicht, dass sie irgendjemanden nahe genug an sich heranlässt für so was. Sie war schon ziemlich verärgert, als ich nur meine Hände über ihr hatte, geschweige denn auf ihr. Aber ich habe mir gedacht ... wenn du mit mir zur Krankenstation kommst, kann ich vielleicht etwas besorgen, was ihr gehört, damit du es anfasst. Einen Schuh vielleicht. So könntest du eventuell Informationen bekommen ... denn sie ist keine Fremde, aber sie ist ganz bestimmt etwas. Oder jemand.“ 

„Du hast keinen Namen?“ 

Elliott schüttelte mit dem Kopf. „Es war deine Freundin Zoë – ist das ihr Name? –, die hat sie nach Envy gebracht, aber sie ging wieder, kaum war ich da.“ Er ließ ein rasches Grinsen aufblitzen. „Und jetzt weiß ich, warum sie es so verdammt eilig hatte von dort wegzukommen.“ 

„Du kannst mich mal.“ 

„Die Patientin leider nicht. Und sie hat auch nichts erzählt. Hat getan, als würde sie nicht verstehen, als ich nach ihrem Namen fragte oder von wo sie kommt.“ 

„Sie hat so getan?“ 

„Definitiv.“ 

„Wenn sie dir also auf die Schliche gekommen ist und du sie geheilt hast, dann ist sie vielleicht schon über alle Berge.“ 

Elliott grinste. „Daran habe ich auch gedacht. Sie ist jetzt total einbandagiert und ich habe ihr gesagt, dass sie zwei Stunden still liegen müsste, damit der Heilungsprozess nicht unterbrochen wird. Wir haben also noch neunzig Minuten.“ 

„Nun, ich bin auch dafür, etwas anderes zu tun als meine Eier kalt werden zu lassen“, sagte Quent und winkte zum Aufbruch. „Ich gehe mit dir runter.“ 

Elliott wandte sich zur Tür und griff nach der Türklinke. „Ich kenne dich jetzt seit zehn Jahren – die fünfzig, die wir geschlafen haben, nicht mit eingerechnet – und ich habe dich noch nie so neben der Spur gesehen wegen einer Frau wie bei der hier. Es ist also entweder eine Ego-Sache oder sie ist es. Die Richtige.“ 

Quent gluckste kurz und laut auf. „Da liegt doch ziemlich viel zwischen, Ego oder Seelenverwandte, findest du nicht? Kann es nicht einfach daran liegen, dass sie fantastisch im Bett ist?“ 

Aber Elliott schüttelte mit dem Kopf. „Nix da. Das glaube ich nicht. Nicht wie du gerade aussiehst.“