PROLOG

 

Landsitz Brummell-Marcombe 

Wiltshire, England 

April 1997 

 

Quentin prickelte es tief unten am Nacken, eine böse Vorahnung. Er drehte sich um und sah seinen Vater dort im Türrahmen stehen, eine Reitgerte in seiner linken Hand. Er klatschte damit seitlich gegen sein Hosenbein und das Geräusch breitete sich im Zimmer aus, wie ein bedrohliches Versprechen. 

„Du hast wohl gedacht, das sei komisch“, sagte Parris Fielding, während er über die Schwelle in Quentins Schlafzimmer trat. Klatsch. „Mich bloßzustellen.“ 

Obwohl seine Hände ihm feucht geworden waren, blieb Quentin reglos sitzen. Mit seinen siebzehn Jahren war er größer als sein Vater, auch breitschultriger und kräftiger ... aber Fielding hatte eine Gerte in der Hand. 

Hinten an seinen Oberschenkeln waren immer noch die Striemen vom letzten Mal. 

Quentin war klug genug sich nicht zu verteidigen. Noch versuchte er auch nur zu ergründen, welche Verfehlung auch immer sein Vater ihm heute zum Vorwurf machte. Nichts, was er sagte, machte einen Unterschied. Er presste die Finger in seine Handflächen und fragte sich, ob dieses Mal das alles entscheidende Mal sein würde. Ob Fielding ihn endlich töten würde. 

Klatsch. 

Vor drei Jahren war er nahe dran gewesen. So nahe, dass Quentin eine Woche im Krankenhaus blieb, wegen einem „Skiunfall“. 

Es war auch in der Tat ein Skistock gewesen, der ihm die Wunden zugefügt hatte. Aber es war nicht Quents Hand gewesen, die ihn gehalten hatte. 

Quents Mutter, das Film-Starlet Tamrit Brummell-Fielding, hatte sich zu einem einzigen Besuch herabgelassen, war aus Venedig eingeflogen, wo sie gerade einen Film drehte. Und am gleichen Tag wieder zurückgeflogen. 

Parris Fielding hingegen war jeden Tag dort gewesen. Stundenlang. Hatte die Medien über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten, hatte widerwillig Fotos von sich machen lassen, wie er im Krankenhaus ankam und es wieder verließ. Bedeckte sich das Gesicht, als wolle er seinen Kummer und seine Sorgen vor der Presse verbergen. 

Er hatte sogar, was eigentlich nie vorgekommen war, eine wichtige Vorstandssitzung von Brummell Industries verschoben, damit er am Bett seines einzigen Sohnes sitzen konnte. 

Klatsch. 

Quentin hob das Kinn und ließ in dieser Geste seinen ganzen Hass auf den Mann deutlich erkennen, der ihm das Leben geschenkt hatte. Noch drei Monate. Dann wäre er achtzehn ... und frei. 

Würde er dann noch am Leben sein? 

Fielding trat nahe an ihn heran und, ohne dass er es wollte, schlug Quentins Herz schneller. 

„Vielleicht hinterlasse ich diesmal Spuren in deinem hübschen Gesicht“, sagte er. Seine Augen sprühten vor finsterer Wut und Quent sah den matten Schimmer auf seiner Stirn. Abgesehen davon sah er aus, als käme er gerade von einer Vorstandssitzung – kein Haar am falschen Platz, messerscharfe Bügelfalten und sein Hemd ordentlich in der Hose. 

Nein, sein Vater betrank sich nicht übermäßig. Er spritzte sich nichts. Sein Laster war das freigiebige Austeilen mit Händen und Fäusten ... und, seit sein Sohn größer und stärker geworden war, hatte er die Hände ergänzt – durch Reitgerten, Gürtel und Skistöcke. Und einmal auch einen Neuner Golfschläger. 

Eines Tages, so befürchtete Quentin, würde er zu seinem Jagdgewehr greifen. Oder der Pistole in seinem Büro. Aber in dem Fall wäre Fieldings Vergnügen von viel zu kurzer Dauer 

Klatsch. 

Fielding ging in aller Ruhe zu den großen Flügeltüren aus Glas, die auf einen riesigen Balkon hinausführten und jetzt weit geöffnet standen, um die frische Frühlingsluft ins Zimmer zu lassen. Er schloss sie mit einem leisen Klick, bevor er sich wieder seinem Sohn zuwandte. Weder atmete er schwer, noch war seine Frisur in Unordnung geraten. Bei seinen Angriffen blieb er selbst in höchster Rage stets ordentlich gebügelt und proper. 

Klatsch. 

Quent schluckte mehrmals und dachte daran, wegzurennen. Unter seiner Haut spannten sich die Muskeln an, sein Magen zog sich zusammen und verdrehte sich allmählich unangenehm. Aber letztendlich tat er es nicht. Er wusste, es käme nur schlimmer, wenn er es doch tat. 

Und egal wie riesig der Brummell-Fielding Landsitz sein mochte, vor seinem Vater gab es kein Entrinnen. 

Nicht bis er achtzehn war. 

Noch drei verfluchte Monate. 

Die Gerte sauste durch die Luft, peitschte an Quentins Ohr vorbei und auf seine Schulter. Er fühlte das Brennen durch das T-Shirt, das er trug, und bevor er Luft holen konnte, sauste sie erneut nieder, als Fielding eine Drehung machte, diesmal schnitt sie ihm quer über den Rücken. Und dann wieder. Und wieder. 

Er stolperte, spürte das Brennen an seinem Rücken, das warme Tropfen von Blut. Er hob die Hand, um den nächsten Hieb abzuwehren. Aber stattdessen fühlte Quent das Brennen an seinem ganzen Unterarm entlang und auf seinem Bauch und konnte ein schmerzhaftes Stöhnen nicht unterdrücken. Fieldings Gesicht war verzerrt und finster, wütend. Seine Augen ausdruckslos. Kalt und stechend. 

„UNICEF eine Geldspende zu machen“, spuckte er. Peitschenhieb. „Eine halbe Million Pfund!“ 

Eine halbe Million Pfund aus Quentins eigenem Treuhandfond ... doppelt so viel, wie sein Vater der gleichen Wohltätigkeitsorganisation gespendet hatte ... und Peanuts in Anbetracht der Brummell-Fielding Billionen. 

Quentin wischte sich mit einer blutigen Hand über das Gesicht, gerade als die Reitgerte seinen Oberschenkel aufschlitzte, und dann seine Hüfte. Er drehte und wand sich, versuchte dem Hagel von Peitschenschlägen auszuweichen, was nur schlimmer wurde, je wütender Fielding war. 

Schweiß und Schmerz ließen ihn blind werden, Furcht und Wut trieben ihn vorwärts und er stolperte zu der Golftasche in der Ecke. Quentin rannte dagegen bei dem Versuch einem weiteren Peitschenhieb auszuweichen, diesmal schlitzte die Gerte seinen linken Arm auf. Als er gegen die Tasche taumelte, brach er auf dem Teppich unter dem Metallgeklapper herausfallender Golfschläger zusammen. Er rollte zur Seite, als Fielding ihm nachsetzte, schneller und härter, und Quents Hand schloss sich um einen schmalen Metallgriff. 

Kühl und schwer in seiner Hand. 

Er packte fester zu, zog ihn heraus und versuchte mühsam, wieder auf die Beine zu kommen ... doch die Gerte war schneller und die schneidenden Worte seines Vaters folgten, der tobte, man habe ihm die Schau gestohlen. 

Der Schläger, so nah. So fest in seinen Händen. Quentin wusste, er könnte ausholen, ihn gegen das Monster krachen lassen, das ihm erbarmungslos zusetzte ... er könnte ihn töten. 

Er könnte ihn stoppen.