Freundschaftspreis
Geschäft und Freundschaft sind zweierlei, pflegen Geschäftsleute ihren Freunden zu sagen.
Gewiegte Soziologen zweifeln, ob in unserer modernen, gewinnorientierten Konsumgesellschaft überhaupt noch Menschen existieren, die nicht durch uns, über uns oder gegen uns geschäftlich verbunden sind. Ich habe in mir die vage Hoffnung genährt, dass wahre und uneigennützige Freundschaft noch nicht ausgestorben ist, dass es ein paar Menschen gibt, die mich um meiner selbst willen lieben. Und in der Tat: Es gibt sie! Ich bin bereit, jedem Gleichgesinnten eine Liste mit den Namen und Adressen zukommen zu lassen gegen Bezahlung. Bar.
Im Voraus.
Allmählich mussten wir einsehen, dass unser alter Stereo-Plattenspieler, den wir für bare 3000
Israelische Pfund gekauft hatten, nicht mehr der beste war. Genauer gesagt: Er war unbrauchbar geworden. Zum Beispiel beschleunigte er um die Mitte jeder Darbietung seine Drehgeschwindigkeit so rasant, dass Schaljapin sich in einen strahlenden Sopran verwandelte und die ausdrücklich als
»solemnis« bezeichnete Missa in ein zirpendes Kinderlied. Die Versuche, sein Tempo durch Auflegen eines schweren gläsernen Aschenbechers zu bremsen, erwiesen sich als unfruchtbar. Erfolgreicher waren die Mahnungen der besten Ehefrau von allen, das Wrack zu verkaufen. Ich gab ein Inserat folgenden Wortlauts auf: »Erstklassiger Stereo-Plattenspieler, in hervorragendem Zustand, wie neu, familiärer Umstände halber um I£ 4.000,- abzugeben. Einmaliger Gelegenheitskauf !«
Da wir jedoch auf unsere gewohnte musikalische Erbauung nicht verzichten wollten, begannen wir uns vorsorglich nach einem Ersatz für das stillgelegte Gerät umzusehen, wobei uns klar war, dass wir uns nicht etwa an die Verkaufs-Inserate der Tagespresse halten durften, denn diese sind unzuverlässig. Statt dessen bat ich Freunde und Bekannte, ihre Augen offenzuhalten und uns zu benachrichtigen, falls sie etwas Passendes entdeckten.
Alsbald erschien unser Nachbar Felix Seelig mit froher Botschaft: »Ich hab's!« verkündete er jauchzend. »Ein phantastischer Apparat, höchste Qualität, aus erster Hand. Allerdings nicht ganz billig. Der Besitzer verlangt 4.000 Pfund. Überflüssig zu sagen, dass ich selbst mit keinem roten Heller beteiligt bin.«
»Lass es gut sein, Felix«, antwortete ich. »Wer ist der Besitzer?«
Felix ließ es gut sein und gab den Namen des Besitzers mit Uri an, und ich sollte nur ja nicht vergessen, ihm, Uri, zu sagen, dass er, Felix, mich geschickt hatte, vielleicht ginge Uri dann ein wenig mit dem Preis herunter. Außerdem sollte ich unbedingt die Worte »Felix fünf« hinzufügen. Nichts weiter, nur »Felix fünf«. Uri wüsste Bescheid.
Er war, als ich kam, leider nicht zu Hause, aber sein kleiner Bruder versprach mir, ihn zu verständigen. Tatsächlich erschien Uri am nächsten Tag bei mir in der Redaktion, wo er keine langen Umschweife machte: Da ich mit seinem Freund Felix befreundet sei, würde er selbst keinen roten Heller für sich beanspruchen, und der Plattenspieler koste nur 4.300 Pfund.
»Felix fünf«, sagte ich vereinbarungsgemäß. »Felix fünf.«
»Das braucht Sie nicht zu kümmern«, beruhigte mich Uri. »Das macht keinen Unterschied. Es bleibt bei 4.800 Pfund.«
Damit übergab er mir einen verschlossenen Briefumschlag für einen gewissen Friedländer in Jaffa und wünschte mir viel Glück.
Jetzt griff mit blinder Gewalt das Schicksal ein. Die Nagelfeile der besten Ehefrau von allen geriet am Abend zufällig in die Nähe des Briefumschlags, glitt unversehens unter den dürftig gummierten Rand und nötigte mich somit, den Inhalt des Briefs zur Kenntnis zu nehmen. Es waren nur wenige Zeilen, gerichtet von Uri an Friedländer.
Ȇberbringer ist ein Freund von Felix. Sucht einen Stereo-Plattenspieler. Felix verlangt 500 Pfund.
Ich bekomme 300 und eine Draufgabe für meinen kleinen Bruder, der die Sache vermittelt hat.«
Ich verschloss den irrtümlich geöffneten Brief und trug ihn am folgenden Morgen zu Friedländer nach Jaffa. »Einem Freund von Uri bin ich immer gern gefällig«, sagte Friedländer. »Der Plattenspieler, den ich für Sie im Auge habe, ist ein wahrer Fund. Ich werde sofort meine Braut anrufen. Ihr Mann kennt den Besitzer.« »Friedländer begab sich ins Nebenzimmer und versperrte die Tür, aber einige Gesprächsfetzen drangen doch an mein Ohr: »Hallo, Liebling . . . alten Plattenspieler auftreiben . . . Uri will 400 . . . ich möchte 300 haben . . . also gut, 200 . . . wir müssen auch Mama beteiligen . . . und natürlich deinen Mann . . . alles klar.«
Anschließend gab mir Friedländer die Telefonnummer des Gatten seiner Braut - der, wie sich zeigte, Platzanweiser in einem Kino in Beersheba war - und erklärte mir, dass der Preis des Apparats ein wenig gestiegen sei, Inflation und so, das müsste ich verstehen, und ihm persönlich bringe die Sache keinen roten Heller.
Nachts telefonierte ich mit Beersheba.
»Da Sie mit dem Bräutigam meiner Frau befreundet sind«, sagte der Platzanweiser, »bekommen Sie diesen hervorragenden Plattenspieler um 5.700 Pfund.«
Ich nahm einen raschen Überschlag vor: Felix - 500. Uri 300. Kleinerer Bruder - 100. Friedländer -
200. Mama 50. Braut - 250. Platzanweiser - 100. Rechnete man den Apparat hinzu, der ja auch etwas kostete, so ergab sich eine Gesamtsumme von 5.500 Pfund, nicht 5.700. Auf die Differenz aufmerksam gemacht, führte mein neuer Geschäftspartner die Anwaltskosten seiner Scheidung von Friedländers Braut ins Treffen und meinte, dass für einen fabrikneuen Stereo-Plattenspieler selbst 5700 Pfund ein lächerlich geringer Preis wäre.
Meine zurückhaltende Reaktion veranlasste den Platzanweiser, am nächsten Tag eigens aus Beersheba herüberzukommen, um den Kontakt zwischen mir und dem in Tel Aviv wohnhaften Besitzer des Apparates persönlich herzustellen.
»Der Idiot hat keine Ahnung von den Preisen, die jetzt gezahlt werden«, informierte er mich unterwegs. »Lassen Sie mich unter vier Augen mit ihm reden, und der Fall ist erledigt.«
An dieser Stelle erwachte mein Geschäftssinn. Ich erklärte, dass auch ich eine kleine Beteiligung haben möchte.
»Aber Sie sind doch der Käufer?« wunderte sich der Mann aus Beersheba.
»Macht nichts«, beharrte ich. »Schlagen Sie zum Preis noch 325 Pfund dazu, und die geben Sie mir dann unterm Tisch. Wenn alle beteiligt sind, will auch ich beteiligt sein.«
Wir hatten die angegebene Adresse erreicht. Meine Frau öffnete die Tür und führte uns zu dem Apparat, den wir, vielleicht erinnert man sich noch, loswerden wollten.
»Ein wunderbares Gerät!« flüsterte mir der Platzanweiser zu. »Warten Sie, bis ich mit der Dame gesprochen habe.«
»Sie können auch mit mir sprechen«, sagte ich. »Der Apparat gehört mir.«
»Schön. Was wollen Sie haben?«
»4.000 netto.«
Nach einer kurzen Pause, die er für seine Kopfrechnung brauchte, erklärte sich der Platzanweiser einverstanden: »In Ordnung. Mit Freunden handle ich nicht. Ziehen Sie den Preis des Apparats, also 4.000 Pfund, von der Gesamtsumme ab, zahlen Sie mir 2.025 Pfund, und ich gebe Ihnen Ihre 325
Pfund zurück.«
Das war eine faire Lösung. Außerdem halte ich nichts davon, ein Geschäft scheitern zu lassen, an dem so viele Leute, noch dazu lauter gute Freunde, beteiligt sind. Es gelang mir, noch 25 Pfund für mich herauszuholen. Dann besiegelten wir den Abschluss der Transaktion mit einem Umtrunk.