Franzi ist menschlich
Wenn wir schon bei Menschheitsträumen sind: es gibt noch einen anderen, und zwar die unstillbare Sehnsucht des Menschen, die Sprache der Tiere zu verstehen. Was, so fragt sich die Krone der Schöpfung, was denken die Tiere von uns? Wie geht es zu, wenn sie sich über uns unterhalten? Sehen sie in mir, dem Homo sapiens, ein intelligentes Lebewesen und einen gutaussehenden Vertreter des menschlichen Geschlechts - oder lediglich einen Ausrutscher der Tierwelt, ein seltsames Monstrum? Das sind komplizierte Fragen, zu deren Beantwortung die zoologische Forschung bisher nur wenig beigetragen hat. Es gibt Menschen, von denen man angebellt oder angeknurrt wird, und man versteht genau, was sie meinen. Hier berichte ich erstmals über den Fall eines verständlich sprechenden Hundes. Aber es wäre mir lieber gewesen, er hätte das Maul gehalten.
Vor ein paar Tagen erschien mir im Traum eine Fee. Sie war etwas über sechzig, sah aber noch recht gut aus. »Ich komme mit einer erfreulichen Mitteilung«, sagte sie. »In unserer Neujahrslotterie wurde Ihre Nummer gezogen. Sie haben drei Wünsche frei. Also?«
Da ich schon lange auf das Erscheinen einer Fee gewartet hatte, brauchte ich nicht lange nachzudenken: »Erstens wünsche ich mir, dass die israelische Regierung mir in Hinkunft die Steuer für Auslandsreisen erlässt. Zweitens möchte ich die Sprache der Tiere verstehen, wie einstmals König Salomon. Und drittens möchte ich, dass von jetzt an alle meine Wünsche erfüllt werden, ohne Widerrede.«
»Hm«, machte die Fee. »Lassen Sie mich überlegen. Hm. Das mit der Auslandsreisesteuer wird sich leider nicht machen lassen. Gegen die Steuer kämpfen selbst Feen vergebens. Und Ihr dritter Wunsch ist eine kindische Provokation. Bleibt also die Sprache der Tiere. Hm. Gut, bewilligt. Sie werden die Sprache der Tiere ab sofort verstehen.«
Sodann berührte sie meine Stirne mit ihrem ein wenig abgenutzten Zauberstab und verschwand.
Ich wandte mich an unsere erstklassig rassengemischte Hündin Franzi, die neben meinem Bett lag:
»Na, was sagst du dazu?« fragte ich.
Franzi räkelte sich. Ihre Stimme klang schläfrig:
»Die war vorher auch bei mir, mit ihren drei Wünschen. Ich wünschte mir drei Hammelkoteletts, und da sagte die alte Hexe, dass die Küche bereits geschlossen sei. Zum Ersatz offerierte sie mir die Zauberkraft, meinen Herrn zu beherrschen. Dazu brauche ich keine Fee, erwiderte ich. Meinen Herrn beherrsche ich sowieso.« »Wen? Mich?«
»Wen sonst? Habe ich dich vielleicht nicht gut dressiert? Ich riskiere die Behauptung, dass du einer der bestdressierten Hundebesitzer im weiten Umkreis bist.«
Es verwirrte mich ein wenig, Franzi mit mir reden zu hören, als wäre sie der Schriftsteller und ich die Rassenmischung. Andererseits freute es mich, dass ich tatsächlich jedes Wort verstand.
»Wenn wir schon dabei sind«, fuhr Franzi fort. »Du hast dich besonders in den Disziplinübungen als sehr gelehrig erwiesen.«
»Von welcher Disziplin sprichst du?«
»Zum Beispiel von der Nahrungsdisziplin. Ich habe viel Geduld für dich gebraucht, das gebe ich zu, aber jetzt folgst du aufs Wort. Einige der mit mir befreundeten Hunde meinen sogar, ich hätte die Sache übertrieben und dich in einen geistlosen Roboter verwandelt. Dem halte ich entgegen, dass du ganz einfach von Natur aus gelehrig bist. Das habe ich eines Tages durch Zufall entdeckt, bei deiner mittäglichen Nahrungsaufnahme. Als ich mich auf die Hinterbeine stellte und mit dem Schwanz wedelte, hast du sofort reagiert und hast mir mit dem Ausruf >Hopp, hopp, hopp!< ein paar Fleischstücke zugeworfen. Seither funktioniert diese Methode mit absoluter Sicherheit. Ein Musterfall von Dressur.« »Komisch«, sagte ich. »Ich habe immer geglaubt, dass du mit dem Schwanz wedelst, weil ich dir etwas zuwerfe.«
»Nein. Du wirfst, weil ich wedle. Du reagierst auf meine Wünsche. Ich brauche nur ein paarmal um dich herumzuspringen - und schon rufst du >Platz! Platz!<, als ob ich auf einen Knopf gedrückt hätte.
Ich habe dich auch darauf dressiert, mich rechtzeitig auszuführen. Du nennst es >Gassi gehen<.
Pünktlich um halb sieben reibe ich meine Schnauze an deinem Bein und sehe dich an.
Das ist das Zeichen für dich, die Leine zu nehmen und mir auf die Straße zu folgen. Dort erledige ich, was ich zu erledigen habe, während du danebenstehst und wartest, ohne dich zu rühren. Du bist wirklich sehr folgsam, ich sagte es ja schon.«
»Und ich dachte, dass d u . . . «
»Ein Selbstbetrug. D u bist es, der m ir gehorcht. Es ist ein automatischer Reflex, das wurde von diesem russischen Forscher, diesem Pawlow, einwandfrei festgestellt. Du hast sicherlich von den Experimenten gehört, bei denen der Hund die Reflexe des Professors kontrolliert hat. Es war ein musikalischer Hund, der besonders gerne das Klingeln von Glöckchen hörte. Und wenn er es hören wollte, brauchte er nichts weiter zu tun, als ans Fressen zu denken, also ein wenig Magensäure anzusammeln - und schwupps! sprang der gut dressierte Professor auf, um das Glöckchen zu holen.
Was dich betrifft: du bist nicht auf Glöckchen eingestellt, sondern auf Stock. Ich nenne das Freiluft-Training. Kaum kommen wir an den Strand, melden sich deine Reflexe, du suchst nach einem Stock und wirfst ihn ins Wasser. Ich kann ihn zurückholen, sooft ich will - du wirfst ihn immer wieder ins Wasser.«
»Aber es macht dir doch Spaß, den Stock zu holen!« »Wer hat dir das eingeredet?«
»Ich glaubte es dir anzumerken.«
»Eben ein Irrtum. Aber das ist nicht schlimm. Im ganzen gesehen, bist du gutes Material. Nicht gerade brillant, aber anpassungsfähig. Manchmal rührst du mich sogar.«
»Naja«, machte ich geschmeichelt. »Du weißt ja, wer der beste Freund des Hundes ist.«
»Von Freundschaft kann hier keine Rede sein«, wies mich Franzi kühl zurecht. »Ich brauche dich zur Hebung meines Selbstbewusstseins, das ist alles. Und jetzt kannst du weiterschlafen, mein Kleiner.«
»Ich möchte noch -«
»Platz!«