Gewusst wo
Es war ein heißer Sommertag, und wir saßen in unserem Stammcafé schon eine geraume Weile stumm nebeneinander. Ich beobachtete den Heuschnupfen, der langsam die Dizengoff-Straße herunterkam und knapp vor mir haltmachte. Jossele fing eine Fliege und entließ sie gegen Kaution.
Dann nahm er das Gespräch wieder auf:
»Ein Tonbandgerät? Du hast ein Tonbandgerät bekommen?«
»Ja. Zum Geburtstag. Onkel Egon hat es mir aus Amerika geschickt. Und jetzt soll ich 230 Pfund Zoll dafür zahlen.«
»Kommt nicht in Frage.« Jossele schüttelte den Kopf. »Was hast du dagegen unternommen?«
»Gestern war ich zum sechstenmal auf dem Zollamt. Ich bat, ich bettelte, ich flehte, ich heulte, ich habe sogar einen Tobsuchtsanfall produziert. Nichts zu machen.« »Kein Wunder. Um eine Zollangelegenheit zu erledigen, geht man nicht zur Zollbehörde.»
»Wohin denn sonst?«
Statt einer Antwort griff Jossele nach dem Telefonbuch und ließ seinen Finger über das Verzeichnis der überaus zahlreichen Regierungsstellen gleiten: »Bürgerrechtskommission . . .
Statistisches Büro . . . Straßenbau . . . Bewässerung . . . halt, ich hab's!« »Was?«
»Das offizielle Fremdenverkehrsamt. Komm!« Nachdem wir dem Taxi entstiegen waren, zerraufte Jossele seine Frisur und stürzte mit wild rollenden Augen in die Amtsräumlichkeiten:
»Wer ist für diesen Laden verantwortlich?« brüllte er. »Ich will mit dem Chef sprechen! Sofort! Ich verlange mein Recht! Wo ist der Chef? He, Sie dort!«
Herr Siedort, ein kleiner Mann mit großer Brille, merkte auf den ersten Blick, dass er keinen Touristen vor sich hatte, war infolgedessen ratlos und begann zu stottern:
»Was . . . wie . . . was kann ich für Sie tun?«
»Das werden Sie gleich erfahren!« Jossele schmetterte seine Faust auf das Pult, dass die Prospekte durcheinandertanzten. »Ich werde es Ihnen sehr deutlich sagen, verdammt noch einmal!
Sie unterstehen sich, für ein schäbiges Tonbandgerät 230 Pfund Zoll zu verlangen - und dann fragen Sie noch, was Sie für mich tun können? Unerhört!«
Die amerikanischen Touristen, die auf ihre Gruppenführung durch das Heilige Land warteten, beobachteten mit einer Mischung aus Angst und Neugier, wie Herr Siedort dem wutschnaubenden Jossele verzweifelt klarzumachen versuchte, dass er sich an der falschen Adresse befände und dass hier keine Zollangelegenheiten behandelt würden. Aber damit goss er nur Öl in Josseles Feuer:
»Was?! Sie als offizielle Regierungsstelle sind für eine offizielle Regierungssache nicht zuständig?
Das wagen Sie mir ins Gesicht zu sagen? Herr! Wenn Sie diese Sache nicht sofort in Ordnung bringen, schlage ich einen derartigen Krach, dass Ihre Kinder noch lange davon reden werden, noch lange nach Ihrer demnächst stattfindenden Beerdigung!«
»Einen Augenblick, bitte.« Der völlig verschreckte Beamte verschwand im Nebenraum. Durch die Glastür sah man ihn den Telefonhörer abheben.
Nach einigen Minuten kam er zurück, noch ein wenig zitternd, aber mit einem Lächeln im bleichen Gesicht: »Ich habe mit dem Leiter der Zollbehörde gesprochen. Es handelt sich um einen Irrtum. Sie können Ihr Tonbandgerät zollfrei in Empfang nehmen.«
»Ihr Glück!« brummte Jossele, während wir uns zum Gehen wandten. »Fragen Sie nicht, was sonst geschehen wäre!«
Wieder im Kaffeehaus angelangt, beschlossen wir, demnächst eine der vom Fremdenverkehrsamt veranstalteten Autobusfahrten durch Galiläa zu unternehmen. Morgen gehen wir zur Zollbehörde und reservieren unsere Plätze.