Erdbeben — Nützliche Tätigkeit zur
Regenzeit
Gegen Abend war es nicht kühler geworden: Die Schwüle hatte sich trotz der späten Stunde noch nicht verzogen, und Robinson, die treuen Lamas zu seinen Füßen, wälzte sich unruhig auf seinem Lager. Immer drückender wurde die ungewohnt warme Nachtluft, und fast schien es, als berge das tiefe Schweigen ringsum etwas Drohendes. Robinson fuhr verstört empor — der Traum hatte ihn, wie schon oft, in sein Elternhaus geführt. Eben hatte er sich wieder ausgestreckt, als er vor Schreck in die Höhe schnellte: die ganze Höhle erzitterte, und ein so entsetzliches Rollen und Krachen kam aus dem Erdinnern, als tobe dort das schlimmste Gewitter. Robinson wußte vor Angst und Entsetzen nicht, was er tun sollte. Ein neuer Erdstoß ließ alles ringsum erheben, ein zweiter folgte, ein dritter — und kaum hatte sich das furchtbare Getöse gelegt, als sich ein Sturmwind erhob, dessen entsetzliche Gewalt Robinson sogar in seiner geschützten Höhle spürte. Die ganze Natur war plötzlich mit solcher Urgewalt in Aufruhr geraten, wie Robinson es sich nie hätte vorstellen. können.
War es der Weltuntergang, der sich ankündigte?
In seiner Todesangst rannte Robinson aus seiner Höhle hinaus. Er stürzte auf den Hofplatz, hinter ihm die Lamas; auch sie waren wie von Sinnen. Nur wenige Augenblicke später lösten sich riesige Felsstücke oberhalb der Höhle und stürzten herab — unmittelbar auf das Lager, auf dem Robinson eben noch geruht hatte. Zitternd vor Angst kroch Robinson durch die Öffnung der Hofwand ins Freie.
Heraus aus der Enge, das war der einzige Gedanke, den Robinson hatte, hinaus, wo er sicher war vor einstürzenden Felsen oder berstenden Bäumen. Er wollte zu dem Berg hinüberrennen und ihn von der Seite besteigen, wo sich auf der Höhe die kahle Ebene anschloß. Schon wandte er sich in jene Richtung, als er plötzlich zurückfuhr. Vor seinen Augen öffnete sich an der Bergspitze ein weiter Schlund, und flammender Rauch, Steine und eine glühende, dickflüssige Masse quoll daraus hervor. Wie ein Strom ergoß sich die glühende Lava nun zu Tal, und rings um Robinson her fielen Felsstücke wie Regen zu Boden.
Fast außer sich vor Schrecken, hastete Robinson davon. Wie ein Wunder schien. es, daß er nicht verletzt war. Aber wohin sollte er sich wenden?
Er rannte zur Küste. Doch hier bot sich ihm noch weniger Schutz. Ein ungeheurer Wirbelwind fuhr vom Meer herüber und riß Bäume und Sträucher aus dem Boden, brach Baumkronen, als seien sie Spielzeuge, und schleudeste alles wild durcheinander. Robinson konnte sich in dem Wüten der Elemente nicht aufrecht halten, aber er getraute sich noch weniger, sich auf den Boden zu legen, weil er ja fürchten mußte, von einem der fallenden Baumstämme erschlagen zu werden.
Aber noch hatte das Unwetter sich nicht ausgetobt. Mit dem Orkan, der unvermindert von der See her brauste, kam ein Wasserguß, daß Robinson der Atem verging. Mit letzter Kraft rettete er sich unter einen überhängenden Felsen und. beobachtete, wie seine armen Lamas von der unbarmherzig niederprasselnden Wasserflut weggerissen wurden. Er war zu schwach, um auch nur den Arm zu heben. Was hätte er denn tun sollen bei diesem Wüten der entfesselten Elemente? Die Minuten wurden ihm unendlich lang. Er spürte, wie seine Kräfte erlahmten.
Sollte das wirklich das Ende sein?
Da plötzlich begannen Regen und Sturm sich zu legen, als streiche eine Zauberhand über das höllische Toben. Der feuerspeiende Berg schien in seiner Kraft nachzulassen, und das drohende Getöse aus dem Innern der Erde verklang in der Ferne. Bald war das Wasser versickert, und der Himmel zeigte sein heiteres, ungetrübtes Blau. Wären nicht ringsum die Zeugen der furchtbaren Verwüstung, das von der glühenden Lava vernichtete Land, die abgebrochenen Bäume und die weit verstreuten Steine gewesen, so hätte Robinson geglaubt, ein schreckliches Trugbild habe ihn genarrt.
Aber noch war er völlig niedergeschlagen. Er hatte weniger Mut und Kraft denn je. Sollte das nun das Ergebnis seines bisherigen Lebens und Arbeitens sein? Nie schien seine Lage kläglicher und trostloser gewesen zu sein als in diesem Augenblick. Sicherlich war seine Höhle, die ihm so sicheren Aufenthalt geboten hatte, nun gänzlich verschüttet, und seine treuen Hausgefährten, die Lamas, die ihm in seiner Einsamkeit soviel bedeuteten, hatten wohl die Fluten hinweggeschwemmt.
Bedrückt blickte Robinson zum Berg hinüber. Er hatte zwar aufgehört, seine Feuermassen zu entladen, aber noch stieg aus dem offenen Schlund dicker, schwarzer Rauch empor. Würde der Berg seine feuerspeiende Tätigkeit wiederaufnehmen? Müßte Robinson nicht jeden Tag ein neues Erdbeben, einen neuen Ausbruch der Lava befürchten? Die Sorgen wollten ihn fast niederzwingen. Mit unendlich schwerem Herzen schritt er, fast wie im Traum, seiner Behausung zu, die er völlig verwüstet anzutreffen glaubte. Da zuckte er zusammen. Eine freudige Überraschung riß ihn aus seiner Erstarrung. Eben hatte er das Blöken der Lamas vernommen. Er rannte los. Da kamen ihm nahe dem Hofplatz seine drei Hausfreunde entgegengesprungen. Noch ganz ungläubig, betastete er sie und streichelte liebevoll ihren Rücken. Es gab keinen Zweifel, seine Lamas standen tatsächlich vor ihm. Sie leckten ihm die Hände, hüpten blökend um ihn herum und brachten so ihre Wiedersehensfreude zum Ausdruck.
Dieser Empfang schien Robinson ein gutes Zeichen zu sein, und so faßte er neuen Mut, als er im Gefolge der drei lieben Tiere seiner Behausung zustrebte.
Und wirklich, der Schaden war bei weitem nicht so groß, wie er befürchtet hatte. Fast schämte er sich seiner Kleinmütigkeit, als er die Höhle in recht brauchbarem Zustand antraf. Das Pelsstück, das die Decke bildete, war zwar eingestürzt und hatte viel Erde mit herabgerissen, aber Robinson, an Arbeit gewöhnt, sah mit einem Blick, daß sich diese Trümmer hinausschaffen ließen, und er sah mehr noch: seine Wohnung würde doppelt so geräumig und bequem sein wie vorher. In seinem Eifer ging er sogleich an die Arbeit, füllte seine Körbe mit Erde und schleppte sie hinaus. Das war bald geschehen. Aber wie sollte er die beiden Felsblöcke entfernen, die mitten in der Höhle lagen? Sie waren — das zeigte ihm ein vergeblicher Versuch viel zu schwer für ihn. Tief in Gedanken stand er da. Sollte er Stricke um die Steine legen und die Lamas als Zugtiere einspannen? Da kam ihm wieder eine Erleuchtung. Als Junge hatte er beobachtet, daß Arbeiter beim Heben und Fortbewegen großer Lasten einen Hebel benützten.
So ging er ans Werk und schlug sich eine lange, dicke Stange und schob das eine Ende unter den riesigen Stein, legte dann auf der anderen Seite einen kleinen Klotz darunter und drückte die Stange mit aller Kraft herab. Erstaunt sah er die Wirkung. In ganz kurzer Zeit schaffte er die beiden Felsblöcke, die vier Männer nicht von der Stelle bewegt hätten, zur Höhle hinaus.
Froh blickte er sich um. Die Mühe hatte sich gelohnt, denn seine Behausung war nun doppelt so geräumig wie vorher, und offenbar war sie völlig sicher, denn nicht nur die Wände, sondern auch die Decke bestanden nun aus festem Gestein, das nirgends auch nur den kleinsten Riß aufwies.
Aus dem feuerspeiendm Berg stieg immer noch dunkler Qualm auf. Robinson wagte, sich vorsichtig zu nähern, und staunte über die Fülle des geschmolzenen Gesteine, das überall umhergeflossen war und sich noch nicht ganz abgekühlt hatte. Zu seiner Bestürzung merkte er außerdem, daß der Lavastrom in die Richtung vorgedrungen war, wo seine Kartoffeln wuchsen. Hatte der feurige Fluß etwa den Ort verwüstet? Er rannte hinüber, fand aber, daß die Pflanzung unversehrt geblieben war. Robinson nahm sich vor, an verschiedenen Stellen der Insel Kartoffeln anzupflanzen, denn für ihn war diese nützliche Nahrung unentbehrlich geworden.
Wie das Erdbeben ihm zu einer geräumigeren Behausung verholfen hatte, so erwies sich auch sonst, daß das fruchtbare Unwetter Segen gespendet hatte. Große Mengen Holz, die der Wirbelsturm zu Boden geworfen hatte, ersparte ihm die Mühe, Bäume zu fällen, und unter dem Gestein, das der Krater ausgespien hatte, entdeckte Robinson Kalksteine, die er zum Bau der Küche gut verwenden konnte. Begoß er sie nämlich mit Wasser, so ergaben sie gelöschten Kalk. Robinsons Aufgabe bestand nur darin, die Kalksteine in ein Erdloch zu werfen und Wasser darüberzugießen. Die Masse, die er durch Umrühren gewann, ließ sich gut als Mörtel verwenden. Er brauchte nur etwas Sand darunterzumischen.
Nach kurzer Zeit rauchte der Vulkan nicht mehr. Robinson wagte es, bis zum Krater emporzuklettern, und fand die ganze Oberfläche des Berges mit abgekühlter Lava bedeckt. Er durfte nun hoffen, daß das unterirdische Feuer erloschen und künftig kein neuer Ausbruch zu befürchten war.
Eifrig rüstete er sich jetzt für den Winter, der bevorstehen mußte. Um sich Vorräte zu beschaffen, ging er häufig auf Jagd, und schon nach kurzer Zeit hatte er acht Lamas gefangen. Nur ein Männchen überließ er seinen drei zahmen Tieren zur Gesellschaft; die anderen schlachtete er und hängte das Fleisch zum Räuchern in seiner Küche auf. Vorher hatte er es einige Tage lang eingesalzen, wie er es daheim bei seiner Mutter beobachtet hatte. So besaß er nun schon einen beträchtlichen Vorrat an Fleisch. Ob dieser Vorrat aber ausreichte, wenn der Winter rauh und anhaltend werden sollte, konnte er nicht voraussagen. Es gelang ihm auch nicht, weitere Lamas zu fangen, denn die Tiere waren scheu geworden, seitdem immer wieder einige aus der Herde verschwunden waren.
Robinson fand aber bald ein neues Mittel, um die Tiere zu fangen. Wenn die Lamas vor ihm flohen, rannten sie immer über einen kleinen Hügel, den eine kleine Hecke umschloß. Schon oft hatte er beobachtet, wie sie über dieses Gesträuch mit einem Satz hinabsprangen, und darauf baute er seinen Plan. Er legte an jener Stelle eine tiefe Grube an, bedeckte sie, um die Tiere zu täuschen, mit Sträuchern, und schon am nächsten Tag hatte er Erfolg. Zwei ziemlich große Tiere waren in die Grube gestürzt.
Mit Fleisch war er nun hinlänglich versorgt. Das furchtbare Unwetter hatte ihm mit dem Erdbeben auch einen geräumigen Keller verschafft, denn in der Nähe seiner Höhle war eine Schicht des Berges einige Meter tief eingesunken und hatte eine zweite Höhle entstehen lassen, deren Öffnung ebenfalls in Robinsons Hofplatz mündete. Was konnte er sich als Hausherr noch mehr wünschen! Wohnung, Küche und Keller lagen ganz dicht beieinander, als hätte man sie so angelegt!
Wie ein rechter Hausvater sorgte er weiter für den Winter, trug mit Hilfe seiner Lamas Heu in den Hof, das er unter einem Rohrdach aufhäufte, stapelte Brennholz auf und grub Kartoffeln aus, um sie im Keller aufzubewahren. Auch Zitronen pflückte er, um sie für den Winter zu lagern.
Nun brauchte sich Robinson um seinen Unterhalt in der rauhen Jahreszeit keine Sorgen zu machen.
Aber diese kalte Jahreszeit wollte noch immer nicht kommen, obwohl nach Robinsons Kalender schon der Oktober zu Ende ging. Statt dessen begann es zu regnen, und zwar so unaufhörlich, als hätte sich die Luft in Wasser verwandelt. Robinson hatte niemals gedacht, daß ein Regen so lange andauern könnte. Schon vierzehn Tage hatte er keinen Fuß vor seine Wohnung gesetzt, kaum daß er zum Heuschober und zum Brunnen eilen konnte, um für sich und seine Lamas Lebensmittel und Wasser zu holen. Wie ein Gefangener mußte er die übrige Zeit verbringen.
Unendlich langsam schlich die Zeit dahin. Hätte ihm jemand ein Buch oder Schreibzeug beschafft, so wäre Robinson glücklich gewesen. Das langweiligste Buch wäre jetzt ein Genuß für ihn gewesen, und ein Blatt Papier hätte er mehr geschätzt als ein Königreich.
Die Langeweile trieb den Einsamen zu allerlei Beschäftigungen, die er noch nicht ausprobiert hatte. Schon lange hatte er einen Topf und auch eine Lampe fertigen wollen. Das waren zwei Gegenstände, die seine Lage wesentlich verbessern würden. So scheute er den Weg durch den Regen nicht, um sich einen Klumpen Tonerde zu holen, und sogleich ging er ans Werk. Doch er mußte viel Lehrgeld zahlen, denn viele Versuche mißglückten. Als er endlich nach mehreren Tagen den ersten Topf fertig hatte, war er mit seinem Werk voll zufrieden. Er setzte ihn in der Küche in die Nähe des Feuers, um ihn langsam trocknen zu lassen. Nun entstanden schnell neue Töpfe und Tiegel unter seiner Hand, und je mehr er herstellte, desto größer wurde seine Geschicklichkeit und auch seine Freude an der Arbeit.
Das Regenwetter hielt weiter an. Robinson mußte neue häusliche Arbeiten ersinnen, um sich nicht von der Langeweile erdrücken zu lassen. Er erinnerte sich an den Vorsatz, den er damals gefaßt hate, als er zum ersten Male im Wasser schwamm und die vielen Fissche entdeckte. Ein Netz wollte er knüpfen, um Fische zu fangen. Schon früher hatte er einen ziemlichen Vorrat Schnüre gedreht, und dieser kam ihm nun zustatten. Viel Geduld gehörte dazu, aber Robinson hatte ja Zeit, und er wurde darum nicht ungeduldig, wenn er mehrmals eine Schnur vergeblich knotete. Doch schließlich gelang ihm die Kunst, Knoten zu schlingen, und mit einem Werkzeug, dem er mit seinem Steinmesser die Form einer Nadel gab, brachte er ein Netz zustande, das sich mit jedem Fischernetz messen konnte.
Immer kühner wurden seine handwerklichen Pläne. Jetzt wollte er richtige Jagdwaffen herstellen und Pfeil und Bogen schnitzen. Mit ihnen könnte er Lamas und größere Vögel erlegen und notfalls auch seine eigene Wohnung verteidigen, wenn er etwa von Wilden überfallen werden sollte. Robinson brannte vor Eifer, den Bogen fertig zu sehen, und rannte trotz Regen und Wind davon, um das nötige Holz zu beschaffen. Nicht jedes Holz schien ihm dafür geeignet zu sein. Er suchte einen Stamm, der hart und elastisch zugleich war.
Robinson scheute keine Mühe, denn mit seinem Steinmesser kam er nur ganz langsam voran. Acht volle Tage dauerte es, bis er den Bogen in Händen hielt. Nun bedauerte er, daß er beim Schlachten der lautes nicht die Gedärme aufbewahrt hatte, weil er aus ihnen Saiten hätte drehen können. So mußte er eben zunächst eine Schnur aus Kokosbast winden. Doch sie war zu fest, und Robinson war nicht damit zufrieden.
Aus seiner Schulzeit wußte er, daß die Wilden aus scharfen Steinen oder auch Gräten großer Fische Pfeil- oder Speerspitzen machten. Das leuchtete Robinson ein, und zugleich faßte er auch den Entschluß, sich einen festen Speer zu schnitzen. Er rannte zum Strand, um große Gräten und spitze Steine zu suchen. Dann hieb er einen langen, schnurgeraden Ast ab, der ihm als Speerstange dienen sollte. Klatschnaß bis auf die Haut kehrte er in seine Behausung zurück, aber das kümmerte ihn wenig. Und wirklich waren Speer und Pfeile schon nach ein paar Tagen fertig. An dem Speer hatte er einen spitzen Stein, an den Pfeilen starke, stachlige Fischgräten und am anderen Ende Federn befestigt, die den Flug der Pfeile ausbalancierten.
Die ersten Versuche zeigten, daß Robinson mit seinem Werk zufrieden sein konnte. Natürlich empfand er es als nachteilig, daß ihm eiserne Werkzeuge fehlten. Als er den ersten Vogel im Flug herunterholte, war er stolz, und bei dem Gedanken an die Verteidigung, die vielleicht einmal nötig werden würde, empfand er ein Gefühl der Sicherheit. Wenn es so weit kommen sollte, daß er einmal mit Wilden zu tun hätte, würde er sich kräftig verteidigen.
In der Zwischenzeit waren auch seine Töpfe und Lampen ausgetrocknet. Er legte einen Klumpen Lamafett in einen der neuen Tiegel, um es in flüssigem Zustand anstatt Öl als Brennstoff für seine Lampe zu verwenden.
So einfach war die Sache allerdings nicht, denn als das Fett geschmolzen war, drang es in den Ton des Tiegels ein und quoll an der Außenseite wieder heraus.
Woran mochte das wohl liegen? Sicher hatten die anderen Töpfe denselben Fehler, und so war es tatsächlich. Das war eine große Enttäuschung für Robinson, denn er hatte sich schon so sehr darauf gefreut, nicht mehr im Dunkeln hocken zu müssen und eine warme Suppe zu essen wie einst zu Hause bei seiner Mutter. Was ihn bald wieder in gute Stimmung versetzte, war seine Ausdauer. In solcher Einsamkeit lernt der Mensch, geduldig zu werden, und Robinson hatte ja längst erfahren, daß nur Beharrlichkeit und Ausdauer zum Ziel führt.
Was war nun der Grund, weshalb die Töpfe, die sonst verwendet wurden, die Flüssigkeit nicht durchließen, denn jene Töpfe waren auch aus Ton hergestellt? Sie erschienen Robinson allerdings härter zu sein, und außerdem waren sie ja mit einer blanken Glasur überzogen. Das war sicherlich der Grund.
Woher aber sollte sich Robinson in seiner Einöde dieses Material beschaffen? Er erinnerte sich, daß Sand und Ton Stoffe enthalten, aus denen durch hohe Hitzegrade Glas entsteht. Es schien ihm also gar nicht so schwer, den Töpfen im glühheißen Zustand eine solche Masse beizugeben. Sobald der Ton anfing zu schmelzen, wollte er den Topf schnell aus dem Ofen ziehen.
Er machte also in der Küche ein starkes Feuer an, und als es lichterloh brannte, stellte er seinen ersten Topf hinein. Nur wenige Augenblicke stand er gespannt vor seinem Ofen, da machte es »knack!«, und mit dem Tontopf zersprang auch Robinsons Hoffnung.
Lange überlegte er hin und. her, warum sein Experiment nicht gelang. Er suchte nach Vergleichen und forschte in seinem Gedächtnis, wo er schon einmal ähnliches erlebt hatte. Ein Abend in der Heimat trat ihm vor Augen, als er im kalten Winter ein Glas mit kaltem Wasser auf die heiße Ofenplatte gesetzt hatte, um es zu erwärmen, und zu seinem Schrecken — und zum Gelächter der Familie, die ihre Freude an seinem verdutzten Gesicht hatte — war das Glas entzweigesprungen. Und warum? Einfach deshalb, weil die Wärmeunterschiede zu groß waren. Man durfte den Topf nicht zu plötzlich der Glut aussetzen, sondern mußte ihn nach und nach erwärmen.
Solche Erfahrungen sammelte er nach seinen vielen Versuchen, die mit der Zeit erheblich‘bessere Resultate zeitigten, und wenn er auch verhüten konnte, daß das Gefäß zersprang, so wollte es doch nicht gelingen, daß sich aus dem Ton eine gläserne Substanz abschied. Ihm schien die Hitze nicht stark genug zu sein, denn wenn das Feuer in freier Luft brannte, so breitete sich die Hitze nach allen Seiten aus und verflog viel zu schnell.
Da faßte Robinson den Entschluß, einen Schmelzofen zu bauen. Er würde günstigere Witterung abwarten, denn bei der immer noch herrschenden Regenzeit konnte er nicht mit einem Erfolg rechnen.
Über zwei Monate dauerte es, bis der Himmel sich langsam aufzuklären begann. Das bedeutete, daß der Winter, der in jenen Breiten als Regenzeit auftritt, beendet war. Mit ungläubigem Staunen erlebte Robinson, wie statt des erwarteten Schneefalls Blumen und neue Kräuter aus dem Boden brachen.