Erfolgreiche Entdeckungsreise

Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als sich Robinson von seinem Lager erhob und sich für die Entdeckungsreise rüstete. Er hängte die selbstgefertigte Tasche um, steckte sein Steinbeil in den Strick, den er sich umgebunden hatte, und nahm den Sonnenschirm zur Hand. Mit gutem Mut machte er sich auf den Weg. Von der Kokospalme, die ihm soviel Nahrung geliefert hatte, holte er sich einige Nüsse und steckte sie als Marschverpflegung in seine Jagdtasche. Dann eilte er zum Strand hinunter, um Muscheln zu sammeln, und trank an seiner Quelle von dem frischen Wasser. So war bestens für sein leibliches Wohl gesorgt, und voller Zuversicht begann er seinen Erkundungsmarsch.

Der Morgen war herrlich. Eben erhob sich die Sonne über den fernen Horizont und tauchte die Wipfel der Bäume in gleißendes Gold. Unzählige Vögel in buntschillerndem Gefieder sangen in ihrer Freude über das Erwachen des jungen Tages ihr Morgenlied. Die Luft war so herrlich rein und erquickend, als habe Gott gerade eben erst sein Schöpfungswerk vollendet, und aus Kräutern und. Blumen strömte ein süßer Duft. Robinson wurde so froh, daß er in das Morgenlied der Vögel hätte einstimmen mögen.

Aber noch galt es, vorsichtig zu sein, denn Robinson mußte sich ja noch immer vor wilden Menschen und Tieren hüten. So verhielt er sich lautlos und mied beim Weiterwandern das buschige Gehölz und die Wälder. Er hielt sich im offenen Gelände, das ihm nach allen Seiten hin freie Aussicht bot. Aber zur Nahrungssuche war diese Gegend nicht geeignet, denn es waren gerade die unfruchtbarsten Teile der Insel. So wanderte er eine Zeitlang dahin, ohne etwas zu finden, bis er ein seltsames Gewächs entdeckte. Es waren Krautbüsche, die dicht gedrängt standen und ein niedriges Wäldchen bildeten. Die einzelnen Stauden trugen rötliche, blaue und auch weiße Blüten; andere hatten bereits Früchte angesetzt, kirschengroße, grüne Äpfelchen. Gespannt kostete Robinson davon, aber sie waren ungenießbar. Er wurde unwillig und riß das Büschel aus, um es wegzuwerfen. Doch da bemerkte er, daß an der Wurzel kleine Knollen hingen. Wahrscheinlich sind diese Knollen die eigentliche Frucht dieser seltsamen Pflanze, dachte er überrascht. Er biß hinein, doch sie waren ganz hart. Vielleicht lassen sie sich doch irgendwie verwerten, vermutete er und steckte einige davon in seine Tasche.

Langsam und vorsichtig schritt er weiter. Bei jedem Windhauch, der durch die Bäume strich, zuckte er zusammen und griff erschrocken nach seinem Beil. Wenn seinem Leben Gefahr drohen sollte, war er entschlossen, sich bis zum letzten Atemzug zu verteidigen. Da kreuzte ein frischer Bach seinen Weg, und. hier im Schatten dichter Bäume beschloß er, Mittagsrast zu halten.

Wunderbar schmeckte nach dem langen Marsch das einfache Mahl. Robinson biß mit Behagen in das schmackhafte Fleisch der Kokosnüsse, als ihn plötzlich ein seltsames Geräusch aufhorchen ließ. Es kam von ferne, doch sehr schnell näherte es sich ihm. Jetzt erkannte er, was ihn so erschreckt hatte: es war eine große Herde wilder Tiere, die durch das Unterholz brach, eine ganz seltsame Mischung von Hirsch, Kamel, Pferd und Schaf. Ihr Hals war lang und dünn, ihr Kopf wie der eines Füllen, der Körper schlank wie der eines Hirsches und das Fell weich wie feinste Wolle. Es waren Lamas, die man in ihrem Ursprungsland, dem südamerikanischen Peru, Guanakos nennt und die dort wie Esel zum Lastentragen benutzt werden.

Beim Anblick dieser friedlichen Tiere schwand sofort Robinsons Furcht. Das gäbe einen herrlichen Braten, dachte er. Allzulenge hatte er ja auf Fleisch verzichten müssen. Sorgsam mied er jedes Geräusch, um das Wild nicht zu verscheuchen, und stellte sich, das Steinbeil in der Faust, hinter einen Baum, um die Gelegenheit zu nutzen. Er konnte nur hoffen, daß eines der Tiere so nahe herankommen werde, daß er es mit dem Beil treffen konnte. Das ]agdglück lachte ihm tatsächlich. Die Tiere waren hier offenbar noch nie gejagt worden und bewegten sich sorglos und ohne alle Furcht auf den Bach zu. Gespannt beobachtete Robinson ein Jungtier, das auf den Baum zulief, hinter dem er angriffsbereit stand. Als es neben ihm stand, schlug er es mit seiner Waffe so heftig in den Nacken, daß es sogleich leblos zu Boden stürzte. Die übrigen Tiere stoben in wilder Furcht auseinander.

Mit einem saftigen Braten hatte Robinson gerechnet, als er das Wild erblickte, doch erst jetzt, da die Beute zu seinen Füßen lag, fragte er sich zweifelnd, ob die Zubereitung des Fleisches ihm gelingen würde. Wie sollte er sie ohne Feuer zustande bringen?

Dennoch froh, legte er sich das Wild über die Schulter und machte sich auf den Heimweg. Doch plötzlich warf er die Beute auf die Erde und eilte auf eine Baumgruppe zu. Es waren Zitronenbäume, sechs bis acht an der Zahl, und unter ihnen lagen in Fülle abgefallene Früchte. Sorgsam las Robinson sie auf und vergaß nicht, sich die Stelle genau zu merken. Mit dem Ertrag dieses Tages kann ich zufrieden sein, dachte er, als er seiner Behausung zuschritt.

Sogleich zog er dem jungen Lama das Fell ab. Als Messer diente ihm ein scharfer Stein. Robinson spannte das Fell, so gut es ging, um es an der Sonne zu trocknen. Sicherlich würde es ihm später noch von Nutzen sein.

Jetzt einen Bratspieß! wünschte er sich, nachdem er auch die Eingeweide ausgenommen hatte. Er hieb einen schlanken Baum ab, entfernte die Rinde und spitzte ihn vom zu. Dann wählte er ein paar gegabelte Äste aus, auf die er den Spieß legen wollte, und schlug sie in die Erde ein. Niemals hätte er früher in der Heimat gedacht, daß so viel Arbeit nötig ist, um ein Essen zuzubereiten.

Aber die Schwierigkeit begann erst, als er mit seinem Steinmesser ein Stück Fleisch abgetrennt hatte und nun an die Arbeit des Bratens ging. Wie sollte er sich das Notwendigste, das Feuer, beschaffen? Er wußte, daß die Wilden es mit den einfachsten Mitteln erzeugen, und er befand sich jetzt in der gleichen Lage. Von einem vertrockneten Stamm hieb er zwei Hölzer ab und rieb sie aneinander. Immer schneller bewegte er die Hände, immer schneller rieb er, so daß ihm der Schweiß in großen Tropfen auf die Stirn trat. Aber der Erfolg blieb aus. Zwar war das Holz heiß, aber wenn er vor Ermattung nur einen kleinen Augenblick innehielt, um neue Kräfte zu sammeln, so verlor es so schnell an Wärme, daß alle bisherige Arbeit vergebens war. Um endlich hilflos fühlte sich Robinson in seiner Einöde. Wie schön wäre es, ein menschliches Wesen um sich zu haben, dachte er traurig, und hier empfand er allzu deutlich, was ein Gehilfe für ihn bedeuten würde. Könnte dieser ihn im Reiben der Hölzer ablösen, dann würde es sicherlich gelingen, das Holz zur Entzündung zu bringen. So aber, nur auf seine eigenen Kräfte angewiesen, würde er es nie schaffen.

Betrübt warf er schließlich die beiden Hölzer beiseite und blickte, schwermütig den Kopf auf die Hand gestützt, mit einem tiefen Seufzer auf das herrliche Wild. Sollte es nun für ihn ungenießbar sein? Aller Mut verließ ihn, wenn er an den bevorstehenden Winter dachte. Wie sollte er ihn ohne Feuer überstehen? Die Angst riß ihn empor. Erregt sprang er auf und eilte zur Quelle hinüber, um sich in einer Kokosschale frisches Wasser zu holen. Mit diesem Wasser vermischte er den Saft einiger Zitronen, die er von seinem Erkundungsmarsch mitgebracht hatte, und erhielt dadurch ein wunderbar kühlendes Getränk.

Aber das Verlangen nach seiner Beute ließ ihn nicht los. Zu gern hätte er ein Stück von dem Fleisch genossen. Da gingen ihm alte Geschichten durch den Sinn: von den Reitervölkern der Tataren, die ihre Fleischnahrung unter den Sattel legten, um es mürbe zu reiten. Sollte er das nicht auch auf andere Weise fertigbringen? Ich werd’s versuchen, überlegte er, holte zwei ziemlich breite glatte Steine, legte eine Scheibe Fleisch dazwischen und schlug nun mit seinem Hammer ununterbrochen auf den obersten Stein. Schon nach wenigen Minuten spürte er, wie der Stein heiß wurde. Um so eifriger hieb er drauflos, und ehe noch eine halbe Stunde verstrichen war, konnte er mit Genugtuung feststellen, daß das Fleisch mürbe war. Die Hitze des Steins und das unaufhörliche Schlagen hatten vorzüglich gewirkt. Gespannt führte er das Fleisch zum Mund; es war genießbar. Natürlich schmeckte es nicht wie ein Braten, aber für Robinson, der so lange kein Fleisch mehr gegessen hatte, war es ein herrlicher Leckerbissen. Meine Leute daheim, dachte er, sind oft mit den besten Speisen nicht zufrieden, weil sie ihrem verwöhnten Geschmack nicht entsprechen. Sie müßten nur einmal einige Tage hier sein, dann wären sie für alle Zeiten kuriert und dankbar für jede Gabe, die aus der Hand des Schöpfers kommt!

Um seine Speise noch wohlschmeckender zu machen, träufelte er Zitronensaft darauf, und nun hatte er eine Mahlzeit wie seit langem nicht mehr.

Welche Arbeit war nun wohl am nötigsten? Der Gedanke an den Winter hatte ihn vorher mit solcher Sorge erfüllt, daß er sich vornahm, für Vorrat zu sorgen. Er wollte die nächsten Tage darauf verwenden, möglichst viele Lamas zu erlegen, denn die Felle schienen ihm besonders wichtig für die kommende Kältezeit. Es hatte sich ja gezeigt, daß die Tiere nicht schen waren, und so hoffte er, ohne viel Mühe ans Ziel zu gelangen.

Die Anstrengungen des langen Tages hatten ihn müde gemacht, und mit neuer Lebenshoffnung suchte Robinson seine Lagerstätte auf.