13
Die nächsten Tage verstrichen in vom Gift verursachten Schlaf, der nur von dem fetten Eunuchen unterbrochen wurde, wenn er zum Essen rief. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so viel geschlafen hatte. Ganz gewiss jedenfalls nicht mehr seit meiner Kindheit im Töpferclan. Ich genoss den vom Gift tiefen Schlaf in der Nacht und selbst am Tage, fühlte mich übersättigt, und dennoch gierte ich nach mehr. Oh, welch ein Segen, ohne den Geist zu existieren! Oh, du finsteres Entkommen!
Ich sprach in diesen Tagen mit niemandem, und niemand sprach mit mir. Jeder Tag glich dem vorhergegangenen: Wir wurden von den Eunuchen gefüttert und entsprechend mit Wasserrationen belohnt; sie führten uns zu den Latrinen, brachten uns dann in die Gewölbekammer der Viagand zurück. Dort schliefen wir.
Manchmal erwachte ich benommen aus dem Schlaf, hörte das fröhliche Pfeifen des jungen Eunuchen, wenn er fegte oder Moos und Flechten von den Wänden kratzte. Ab und zu hörte ich auch ein Gespräch zwischen apathischen Stimmen. Um den vom Gift abgestumpften Verstand der Frauen zu schärfen, damit sie die Erinnerungen der Drachen besser interpretieren konnten, drängte der fette Eunuch sie gelegentlich, eine Leinwand mit Farbe zu beschmieren, eine Parodie auf die Schaffung eines Kunstwerkes, oder zwang sie zu einem Spiel Darali Abin Famoo mit dem Schicksalsrad. Zumeist jedoch war alles, was ich hörte, ein welkes, klammes Schweigen, das die Ohren wie feuchte Streu verstopfte. Wir lagen alle in unseren kleinen Nischen und schliefen. Gaben uns der Flucht hin.
Manchmal jedoch durchdrangen auch andere Geräusche meinen Schlummer.
Es waren irgendwie vertraute Geräusche, die ich, wenn ich wach wurde, für das Gurren wilder Tauben hielt, das Kratzen von Federn über Stein, das feuchte Klatschen von Farnwedel gegen Farnwedel.
Diese Geräusche kamen im Traum zu mir, durchwoben mit den goldenen Fäden der Erinnerung: Ich träumte von der Paarungshütte meines Geburtsclans. Ich träumte von seinen mit Papierwänden abgeteilten Verschlägen, von dem Keuchen, dem Stöhnen und den feuchten, sanften Schlägen, die ich als Kind gehört hatte, wenn ich gegenüber der Kammer schlief, in welcher sich meine Eltern befanden, in diesen heißen Nächten, in denen sie sich dort trafen.
Am Anfang waren diese Geräusche tröstend. Sie beschworen die Sicherheit und Wärme einer Kindheit, die schon lange verloren war.
Doch je länger sich die Tage und Nächte erstreckten, desto stärker weckten diese Geräusche erwachsene Gefühle in mir, die von dem Gift in meinen Adern hundertfach verstärkt wurden. Von da an schlief ich nicht mehr friedlich. Ich träumte von Dono, der meine Brüste betatscht hatte, kniete, während ich stand, mich mit seiner Zunge liebkoste, bis ich mich vor Lust bog und mit unersättlicher Gier meine Finger in seinem Haar vergrub.
Ich fing an, die Frauen um mich herum genauer zu betrachten, jedes Mal, wenn wir uns zum Essen in der Kammer versammelten.
Empfanden sie dasselbe wie ich, wenn sie sich in ihren Nischen zusammenrollten? Wurden auch sie von dieser schmerzlichen Sehnsucht gepackt, dieser Einsamkeit, die nur Gift und die Vereinigung mit einem Drachen lindern konnte? Ich konnte es nicht erkennen, nicht einfach nur durch einen Blick auf sie. Die Frauen sahen zu Boden oder auf eine Wand, mieden sorgfältig jedes Gespräch, jede Berührung, ja selbst den Blick der anderen.
Ich fragte mich, welche der beiden Frauen, die mir geholfen hatten, mich hinzulegen, bevor Großmutter mich instruierte, meine Stirn geküsst hatte. Ich wünschte, ich hätte genauer darauf geachtet, wer von ihnen wer war, aber bedauerlicherweise hatten sie für mich alle gleich ausgesehen.
Das war jetzt anders.
Sie sahen nicht gleich aus, überhaupt nicht. Sicher, sie bewegten sich alle mehr oder weniger mit demselben, fast leblosen Schlurfen fort, und gewiss, ihre Augen trugen alle die Zeichen des Drachengiftes. Aber während die Tage ineinanderzufließen schienen, wurde mir klar, dass jedes dieser teigigen, feuchten Gesichter sich von dem anderen unterschied. Diejenigen, die am längsten in der Viagand waren, hatten die blasseste Haut, bewegten sich am langsamsten, litten am meisten unter Haarausfall, wurden vom drängendsten Durst gequält und zeigten das geringste Interesse an Speisen.
Großmutter sah am ältesten aus, allein schon durch ihre fehlenden Zähne und die zahlreichen grauen Strähnen in ihrem langen, dünnen Haar. Doch ein Kern aus Stahl schien sie aufrecht zu halten. Ihre Entschlossenheit, ihre Gefangenschaft so lange wie möglich zu überleben, die sich mit ihrer Überzeugung paarte, zu Recht in dieser Lage zu sein, machte sie für mich zu einer der beeindruckendsten Personen, die ich jemals kennengelernt hatte.
Sutkabde und Kabdekazonvia, das siebenundsechzigste und das zweiundsiebzigste Mädchen, sahen aus wie Statuen aus weichem Talg, und ihre Augen, die von geschwollener Haut umringt waren, die Sekrete absonderte, wirkten qualvoll. Während jedoch Kabdekazonvia kaum mehr als einen Bissen herunterbekam, erlaubte Sutkabde dem Eunuchen, ihr so viel Essen in den Mund zu löffeln, wie Großmutter verzehrte. Sie würgte häufig dabei, und einmal erbrach sie alles, was sie gegessen hatte. Prinrut erklärte eine solche Verschwendung rasch zu einem Fehlverhalten, das zu melden sie beanspruchte.
Prinrut war vor mir der letzte Neuankömmling gewesen. Sie sah beinahe normal aus und verhielt sich auch so. Ich sage absichtlich beinahe, denn sie litt unter Anfällen einer von Furcht ausgelösten katatonischen Erstarrung; der Gestank der Angst hing nach dem der Resignation ebenso deutlich wie das Aroma des Giftes in der Luft unserer Kammer. Prinruts schulterlanges Haar lockte sich unordentlich um ihr Gesicht und ließ ihre bleiche Gesichtshaut und das Rot ihrer entzündeten Augen erträglicher wirken. Ihre demütige Stimme vermittelte den Eindruck, dass sie vor ihrer Gefangennahme eine anständige, etwas plumpe und fügsame Frau gewesen war. Ich fragte mich, welchen Verbrechens sie wohl beschuldigt worden war, dass sie in einem solchen Gefängnis wie dem hier landete.
Misutvia, das sechsundachtzigste Mädchen, war ebenfalls recht neu hier, jedenfalls der Zahl ihres Namens nach zu urteilen, und war außerdem am wenigstens von ihrer Zeit in der Viagand gezeichnet. Gelegentlich röteten sich ihre Wangen, meistens dann, wenn sie die Pflicht übernahm, ein Fehlverhalten zu melden, das sich Großmutter beinahe unausweichlich zu Schulden kommen ließ. Ich hatte oft das Gefühl, dass Misutvia uns andere unablässig unter ihrem schwarzen Pony beobachtete, der über ihrer Stirn gerade geschnitten war und sie sehr attraktiv machte. Wenn sie auf einem Diwan lagerte, war ihre Haltung immer provozierend, fast trotzig: Einen Arm hatte sie über ihren Kopf gelegt, die Brüste streckte sie vor, ein Bein baumelte über den Rand des Diwans, und ihre wohlgeformte Wade war entblößt. In dieser Hinsicht erinnerte sie mich an meine Schwester Waivia, obwohl es unmöglich war, die beiden zu verwechseln, wegen Misutvias schrecklich blutunterlaufenen Augen, ihrer Leichenblässe und dem trägen Gang.
Mir fiel auf, dass Misutvia, so rasch sie auch die Pflicht übernahm, ein Fehlverhalten von Großmutter zu melden, niemals die Pflicht für sich beanspruchte, einen Fehltritt einer der anderen Frauen zu melden. Nicht ein einziges Mal.
Mit jedem Tag, der verstrich, wuchs meine Achtung vor Misutvia. Sie behandelte alle, außer Großmutter, respektvoll und normal. Mir fiel auf, wie sie sich verhielt, wenn niemand die Pflicht beanspruchte, das Fehlverhalten einer anderen Frau zu melden, was gelegentlich vorkam. Sie schien mit sich zu ringen, ob sie diese Pflicht für sich beanspruchen sollte, entschied sich jedoch stets dagegen.
Und was hieß überhaupt Fehlverhalten, heho! Die Skala reichte vom völlig Verrückten bis zum Unvorstellbaren, und ich zuckte immer zusammen, wenn eine Frau ihren Anspruch gegen eine andere anmeldete.
»Großmutter, ich habe bemerkt, dass du heute keine Verdauung hattest. Du versagst vor den Drachen und den Drachenjüngern, indem du dir erlaubst, krank zu werden. Das ist ganz gewiss ein Fehlverhalten. Ich übernehme die Pflicht, es zu melden.«
»Misutvia, du hast in der Nacht unruhig geschlafen; du hast die anderen wachgehalten. Das gefährdet ihre Gesundheit. Ich übernehme die Pflicht, dieses Fehlverhalten zu melden.«
»Prinrut, du hast heute Mittag während der Fütterung einen katatonischen Anfall erlitten und dadurch eine Mahlzeit versäumt.«
»Kabdekazonvia, du hast heute noch weniger gegessen als gestern.«
»Sutkabde, du hast seit einer Klaue voll Tagen keine Leinwand mehr kreativ gestaltet. Solche mentale Laschheit ist eine Nachlässigkeit; sie ermuntert Trägheit und körperlichen Verfall.«
Es war sehr lehrreich für mich, ihnen zuzuhören, wie sie ihr Fehlverhalten aufzählten. Ich sorgte dafür, dass ich einmal am Tag verdaute, ganz gleich, wie sehr ich mich anstrengen musste. Ich schmierte trockene, klumpige Farbe auf eine Leinwand, um das Fehlverhalten mentaler Laschheit zu vermeiden. Ich aß reichlich, obwohl mein Appetit mit jeder Gabe des Drachengiftes abnahm, die mir der fette Eunuch verabreichte. Ich dehnte meine Glieder in Anwesenheit der andren, und zwar vor jedem Mittagsmahl, damit man mir nicht den Vorwurf machen konnte, mich nicht rasch genug von der Vorbereitungszelle zu erholen, um die Drachenjünger zu erfreuen.
Wie gesagt, zu allen anderen Zeiten rollte ich mich in meine Steinnische und entfloh dem Leben im Schlaf.
Das war der sicherste Weg, mit meiner ungeheuerlichen Situation klarzukommen: die Realität so gut zu ignorieren, wie es ging, ganz ähnlich, vermute ich, wie Prinrut es mit ihren katatonischen Anfällen tat.
Aber ich konnte das Thema dieses Meldens von Fehlverhalten nicht gänzlich meiden, denn jeden Abend, nach dem erzwungenen Abendessen, stand jede Frau, die tagsüber die Pflicht für sich beansprucht hatte, das Fehlverhalten einer anderen zu melden, vor dem fetten Eunuchen. Er notierte mit ernster Miene dieses Fehlverhalten in einem Folianten, in dem er mit einem Gänsekiel schrieb, den er in ein minderwertiges Tintenfass tunkte, dessen graue Glasur beim Brennen rissig geworden war. Er schrieb sowohl den Namen der Frau auf, die das Fehlverhalten begangen hatte, als auch den derjenigen, die es gemeldet hatte.
Ich nahm an, dass es sich dabei um eine Art von Bewertungssystem handelte, bei dem jede Meldung der Fehltritte anderer die Tadel für das eigene Fehlverhalten minderten oder man sogar einen Kredit für die Zukunft aufbauen konnte, falls kein Fehlverhalten neben dem eigenen Namen notiert wurde. Ich fragte nicht, wann oder wie das gemeldete Fehlverhalten bestraft werden würde, und blieb in meiner Nische, bis auf die Mahlzeiten und die kurzen Ausflüge, um mich zu dehnen und Farbe auf eine Leinwand zu schmieren. So mied ich die Gesellschaft anderer, die mich darüber hätten aufklären können.
Denn ich wusste es schon. Ich wusste, wie bedeutsam diese Liste mit gemeldetem und begangenem Fehlverhalten war.
Die Art, wie die Frauen reagierten, wenn sie bei einem Fehlverhalten erwischt wurden, legte nahe, dass die letztendliche Bestrafung keine einfache Kopfnuss sein würde. Jedes Mal, wenn ein Fehlverhalten aufgedeckt und die Pflicht es zu melden von einer Frau beansprucht wurde, hielt die Übeltäterin wie angewurzelt inne und starrte in die Luft. So verharrte sie mehrere Augenblicke, während die Adern an ihrem Hals oder ihren Schläfen deutlich sichtbar pochten. Diese Trance endete immer in geräuschlosen Tränen oder in krampfhaften Schluchzern.
Ihre Angst schürte die meine.
Ich achtete sorgsam darauf, gut genährt zu bleiben, stumm und so unsichtbar wie möglich.
Dann jedoch, mitten in einer schwülen, nach Geißblatt duftenden Sommernacht, als der erste Monsunregen der Zeit der Nässe draußen tobte, beging ich mein erstes Fehlverhalten, und das mit einer gierigen Leidenschaft, die mich erstaunte.
Ich schlief und schlief doch nicht, starrte an die feuchte Decke meiner Nische, die sich nur wenige Zentimeter über meiner Nase befand, unsicher, ob es eine sternenübersäte Nacht oder ein von Quarzkristallen überzogener Fels war. Vielleicht war es ja beides. Ich empfand damals den Fels um mich herum als so unveränderlich wie den endlosen Himmel, und die Quarzbrocken kamen mir so hypnotisierend und brillant vor wie Sterne.
Etwas hatte mich geweckt, ein Gefühl, das mir etwas Verbotenes und Unbekanntes ins Ohr flüsterte. Das Gefühl, das mich pulsierend überlief, kam von dem kleinen Eingang meiner Steinnische und war so vertraut wie mein Name und ebenso verboten.
Ich drehte meinen Kopf. Eine Gestalt kauerte am Eingang meiner Nische, kaum eine Handbreit von mir entfernt.
Ich hielt den Atem an, und mir wurde klar, zu spät, dass ich im Schlaf erneut meiner einsamen Intimität gefrönt hatte: Meine Schenkel waren gespreizt und die Finger einer meiner Hände seidig von meinen weiblichen Säften.
Außerdem, auch etwas spät, fiel mir auf, dass die Gestalt dort bereits eine Weile kauerte. Mich beobachtete. Ihre eigenen Schenkel waren ebenfalls gespreizt, und sie hatte ihre Finger in ihre feuchte Spalte geschoben.
Wir hielten den Atem an, sie und ich.
Oh, sicher, es war eine Sie, keiner der Eunuchen, nein. Die Gestalt neben mir hatte breite Hüften, Brüste. Das Mondlicht, das in die Gewölbekammer fiel, beleuchtete ihre Kurven unter dem Bitoo.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Frau, die am Eingang meiner Nische auf ihren Hacken saß, schien ebenfalls wie betäubt zu sein, und in ihrer Angst erkannte ich sie, obwohl ihre Gesichtszüge vollkommen im Dunklen lagen. Prinrut.
Im selben Moment fühlte ich mich sicher, denn durch ihr zurückhaltendes, friedfertiges Verhalten war sie für mich die am wenigsten bedrohliche Frau aus der ganzen Viagand. Ich zog meine Hand zwischen meinen Schenkeln heraus und hielt sie ihr hin.
Was mich augenblicklich verwirrte, denn ich hatte das nicht beabsichtigt, war bestürzt über meine Reaktion. Meine Hand zitterte, doch da zog sie die ihre zwischen ihren Schenkeln heraus und packte meine, bevor ich sie wieder zurückziehen konnte.
Ihre Finger waren warm und feucht. Sie umklammerten meine. Mein Griff verstärkte sich. Sie reagierte genauso. Mein Körper schien lebendig zu werden. Die Hitze in meinem Schoß wurde größer, pulsierte, und ich atmete viel zu schnell.
Ich zog sie genau in dem Augenblick zu mir, als sie sich vorbeugte.
Ich drückte meinen Rücken gegen die Wand der Nische, damit sie sich neben mich hineinquetschen konnte, und ich fragte mich, zitternd, was ich da tat, überlegte, ob es zu spät war, es zu verhindern, ob ich es überhaupt verhindern wollte, ob ich verrückt geworden war. Und staunte auch über die Intensität und Spontaneität meiner Reaktion auf ihren Geruch, ihre feuchten Finger in meinen.
Ihr Atem klang laut in meiner kleinen Nische. Ihre Gestalt und Wärme erfüllten die Grotte. Sie lag auf der Seite, neben mir, wir drängten uns aneinander, einander zugewandt. Eines ihrer Knie schob sich zwischen meine Schenkel, ein Arm lag über meinen Rippen. Weil wir keinen Platz hatten, gar keinen, legte ich ebenfalls einen Arm über sie. Meine Hand lag auf ihrer Hüfte, unsicher, wie ein scheuer Vogel, der jeden Moment aufflattern konnte.
Noch nie zuvor war ich mit einer Frau in einer solchen Situation gewesen. Ich war überrascht und entzückt über die Kurven ihres Körpers.
Ihr Atem, von Gift geschwängert, schlug warm gegen mein Gesicht. Sie rückte näher, und ich schwoll an vor Lust. Dann drückte sie ihre Lippen auf meine und … oh, welche Gier entfachte sie da in mir!
Ihre Brüste an meinen fühlten sich so anders an als die harte Brust eines Mannes, so einladend, warm und gebend; beinahe augenblicklich erfüllte mich das Bedürfnis, diese Brüste an meinen zu spüren, ohne den Stoff unserer Bitoo, die uns trennten. Ich zerrte an ihrem Kittel, sie an meinem. Unsere Ellbogen schabten über den Fels, wir keuchten; es war unmöglich, uns in einem so beengten Raum unserer Kleidung zu entledigen. Ich glaubte, das Reißen von Stoff zu hören. Ihr Hals schmeckte salzig und war so weich unter meinen Lippen, so unglaublich weich.
Oh, Re, ich wollte ihre Brust in meinem Mund spüren, wollte ihre Brustwarze mit meiner Zunge liebkosen.
Dann waren ihre Finger in mir, ich keuchte, bog mich ihrer Hand entgegen. Schmolz. Ihre Hand bewegte sich, schnell. Meine Lust wuchs. Ich brauchte den Drachen, brauchte seine Zunge, wollte sein Lied.
Ich glaube, ich erlebte einen Höhepunkt, aber er war so unvollständig, das Verlangen, das ihm folgte, war so heftig, dass ich meine Scham gierig gegen ihre Hand drückte. Mir wurde bewusst, wie groß auch ihr Verlangen war; ich sehnte mich nach Erfüllung, suchte ihre feuchte Tiefe in der Hoffnung, etwas von dem ungeheuren Verlangen stillen zu können, das in uns beiden toste.
Wie neu und warm und einladend ihre feuchte Spalte war. Wie berauschend der Druck ihrer Muskeln, die weichen Kurven ihrer Brüste, ihrer Hüften und ihres Bauchs.
Wir drangen immer und immer wieder mit den Fingern ineinander ein, bis ich geschwollen war und wund und vor Erschöpfung kaum noch atmen konnte. Schweißgebadet lagen wir uns in den Armen.
Bis sich unser Atem schließlich verlangsamte.
Da bewegte sie sich, legte ihre Lippen an mein Ohr.
»Jemand wird uns gehört haben«, flüsterte sie, so leise, dass ich ihre Worte fast erraten musste. »Trotz des tosenden Monsuns draußen. Bitte, darf ich unser Fehlverhalten morgen früh melden? Bevor jemand anders es tut? Wirst du mir dieses Geschenk machen?«
Mir wurde kalt. Ich war wie betäubt.
»Jemand hat uns ganz bestimmt gehört«, wiederholte sie, und an ihrer erstickten Stimme merkte ich, dass sie weinte.
Sie hatte Angst. Angst davor, dass jemand dieses Fehlverhalten melden würde, was unausweichlich war. Sie hatte Angst vor dem Zeichen, das der fette Eunuch in seinem dicken Folianten hinter ihren Namen setzen würde.
Sie bat mich, ihr zu erlauben, morgen früh allen unsere Intimität zu verkünden, damit sie sich dadurch eine Gunst verdienen konnte, einen Tadel abziehen konnte, der gegen uns beide aufgeschrieben würde. Außerdem nannte sie damit unsere wunderschöne, leidenschaftliche Umarmung ein Fehlverhalten, was es, das wusste ich in meinem tiefsten Herzen, nicht war.
Verwirrt zuckte ich mit den Schultern.
Einverstanden.
Mir wurde erst später klar, dass ich die Pflicht, unser Fehlverhalten zu melden, selbst hätte beanspruchen und damit die Strafe, die schon bald auf mich zukommen würde, hätte lindern können.
Diesen Fehler sollte ich nicht noch einmal machen.
Kurz nachdem sie sich weinend an meiner Wange bedankt hatte, kroch Prinrut aus meiner Nische und verschmolz mit der Dunkelheit, verschwand in ihrer eigenen Grotte.
»Naji hat letzte Nacht unruhig geschlafen,« verkündete sie am nächsten Morgen, noch bevor alle von uns überhaupt aus ihren jeweiligen Nischen herausgekrochen waren. Sie wich meinem Blick aus. »Ich beanspruche die Pflicht, ihr Fehlverhalten zu melden.«
»Du hast ebenfalls ruhelos geschlafen und Lärm gemacht, der den dringend benötigten Schlaf anderer gestört hat«, sagte Großmutter. Ihre weißgefleckten Iriden schwammen in blutroten Augäpfeln. »Ich beanspruche die Pflicht, dieses Fehlverhalten zu melden.«
Da wurde es mir schließlich klar.
Dieses Gurren der Tauben, dieses Wispern von Federn, das ich in meinen Träumen gehört und meinen Kindheitserinnerungen zugeschrieben hatte, waren die Küsse und das Keuchen der Frauen der Viagand gewesen, die sich in ihren Nischen ihrem Verlangen hingegeben hatten. Mir wurde viel zu spät klar, dass diese Phrase, die Prinrut und auch Großmutter benutzten, du hast ruhelos geschlafen, der Euphemismus für die Intimität war, die wir miteinander teilten. Es war eine Intimität, die Großmutter nicht beim Namen nennen konnte, denn es war ein Akt, den auch sie in einigen Nächten vollzog, vor unstillbarem Verlangen und aus Einsamkeit.
Ich fragte mich, welche grotesken Phrasen wohl andere Akte verschleierten, die in den Gemächern der Viagand vollzogen wurden.
Und obwohl es mir missfiel, dass Prinrut mein Fehlverhalten melden wollte, und ich vor Wut brannte, weil sie unsere gemeinsame Leidenschaft überhaupt ein Fehlverhalten nannte, zwang ich mich, diesen Ärger zu überwinden und weiterzumachen, auch wenn ich es ihr nicht verzieh. Ich musste meinen Zorn überwinden. Denn mein Bedürfnis nach Prinruts Zuneigung war viel größer als mein Groll gegen sie.
Ich sehnte mich nach Zuneigung. Nach Akzeptanz. Nach einem Gefühl der Zugehörigkeit.
Von da an besuchte Prinrut mich jede Nacht. Sie beantwortete jedoch keine der Fragen, die ich ihr stellte, drehte sich von mir weg, wenn ich meine von der Liebe geschwollenen Lippen an ihr Ohr drückte und ihr meine Frage so leise hineinflüsterte, dass niemand sie hören konnte. Nach einigen Nächten hörte ich auf, ihr Fragen zu stellen. Ihr hartnäckiges Schweigen ärgerte mich und machte sie traurig, und ich wollte ihre Gesellschaft nicht verlieren. Nein. Wären unsere Intimität und der Gifttrank nicht gewesen, den mir der Eunuch jeden Abend verabreichte, hätte ich mich längst dem Wahnsinn der Verzweiflung anheimgegeben.
Nach unserem ersten Mal jedoch war ich klüger geworden: ich weigerte mich schlichtweg, Prinrut das Recht zu geben, ein Fehlverhalten meinerseits zu melden. Wir einigten uns flüsternd darauf, dass wir uns jeden Morgen gegenseitig melden würden. Nach den ersten Malen gelang es mir, mir einzureden, dass die Eintragungen in dem Buch des fetten Eunuchen keine große Bedeutung hatten.
Ich weiß nicht, wie lange ich ohne nachzudenken so weitergemacht hätte, gehorsam den Gifttrunk geschluckt und mich mit Prinrut vergnügt hätte, wenn der fette Eunuch mir nicht eines Abends den Trunk verweigert hätte.
Ich starrte ihn an, der Panik nahe. Wir waren gerade nach einem aufgezwungenen Abendessen von den Latrinen zurückgekehrt. Statt jedoch zu meiner Nische zu watscheln und mir den Gifttrunk zu reichen, war er stehengeblieben, hatte in die Hände geklatscht und eine Ankündigung gemacht.
»Der Rest der Viagand kehrt in zwei Tagen von den Erholungsnischen zurück. Sorgt dafür, dass ihr bei ihrer Rückkehr gut erholt seid.«
Die Frauen um mich herum versteiften sich. Prinrut keuchte. Ihre Augen wurden glasig, und ihre Glieder wurden starr. Ihr Gesicht zeigte sofort den schlaffen, leeren Ausdruck der Katatonie.
Der Eunuch schnalzte gereizt mit der Zunge. »Großmutter, sorg dafür, dass sie morgen früh wieder zu sich kommt, hm?«
Großmutter murmelte gehorsam ihre Zustimmung. Der Eunuch wandte sich zum Gehen.
Ich trat vor, streckte eine Hand aus. »Mein Gifttrunk?«
Erneut schnalzte er mit der Zunge. »Naji, werde nicht lästig!«
»Bringt Ihr ihn später?«
Er runzelte die Stirn. »Du gehst, du isst, du bist wieder ziemlich gesund. Du hast dich von der Vorbereitungszelle sehr gut erholt. Du brauchst den Trank nicht mehr.«
»Aber …«
»Ein Tadel für dich wegen Aufsässigkeit!«, rief er, zog den Folianten unter seinem schlaffen Bizeps hervor und blätterte ihn eifrig durch.
»Ich beanspruche die Pflicht, ihr Fehlverhalten zu melden!«, sagte Kabdekazonvia.
»Du!«, fauchte der Eunuch sie an. »Ich werde meine Tinte nicht damit verschwenden, dir einen Vorteil aus Najis Unverschämtheit zu gewähren. Du hast jetzt seit drei Tagen nichts gegessen. Nichts! Dummes Mädchen, dummes, eigensinniges Mädchen!«
Kabdekazonvia starrte zu Boden; ihre hängenden Schultern schienen fast von ihrem Oberkörper zu schmelzen.
Der Eunuch kratzte gereizt mit seinem Federkiel in dem Folianten herum, klappte ihn zusammen und schob ihn wieder unter seinen Arm.
»Guten Abend, Mädchen«, sagte er affektiert und riss die Tür der Gewölbekammer auf.
Ich erhaschte einen Blick auf die beiden Wächter; einer der Männer erwiderte meinen Blick und leckte sich lüstern die Lippen. Der Eunuch schloss die Tür hinter sich, und ich erschauerte.
»Naji, Misutvia«, sagte Großmutter müde. »Tragt Prinrut zu ihrer Nische.«
Wir gehorchten, schlangen jede einen Arm Prinruts um unsere Schultern und zerrten sie vorwärts. Ich vermied es, ihrem leeren Blick zu begegnen, verdrängte, wie sehr mich die kühle Steifheit ihres Armes um meinen Hals an den leichenstarren Arm einer Toten erinnerte.
Unter Anwendung von Gewalt gelang es Misutvia und mir, Prinrut in ihre Nische zu schieben. Ich hockte mich vor den Eingang auf die Fersen, wie paralysiert von ihren glasigen Augen und ihrem leeren Gesicht. Ich kam mir ohnmächtig und nutzlos vor.
»Prinrut, wach auf«, murmelte ich und schüttelte ihren Arm. Er fühlte sich an wie der Ast eines gefällten Baumes. Ich fürchtete mich vor einer Nacht ohne sie und mein Gift, wusste nicht, wie ich die Dunkelheit überstehen sollte, wenn mir nur die Realität meiner Gefangenschaft Gesellschaft leistete. »Wach auf, Prinrut!«
»Du bist abhängig von ihr«, erklärte Misutvia, die neben mir hockte. »Es wird schwer für dich, wenn sie geht.«
Mein Herz hämmerte schmerzhaft gegen meine Rippen. Ich betrachtete Misutvias kühle Augen, die von ihrem strengen, schwarzen Pony verschattet wurden.
»Wenn sie geht?«
»Sie wird die Baracken nicht mehr betreten, Naji. Sie hat beschlossen, eher zu sterben, als sich erneut zu unterwerfen. Ist das nicht klar?«
Großmutter tauchte hinter uns auf, ein steifes, zahnloses, blutäugiges Gespenst.
»Du gibst dich nutzlosem Geplapper hin, Misutvia, und vergiftest Najis Verstand mit deinen absurden Spekulationen. Ich beanspruche die Pflicht, dein Fehlverhalten morgen zu melden.«
Misutvia schüttelte sich und schien vor lautlosem Ärger zu pulsieren.
»Selbstverständlich, Großmutter«, flüsterte sie schließlich, während ihre Augen, die sie zu Boden gesenkt hatte, funkelten.
In dieser Nacht schlief ich nicht, ganz und gar nicht. Ich schlich mich eine Klaue voll Malen heimlich zu Prinruts Nische und bat sie, zu mir zurückzukommen, aufzuwachen. Noch vor dem Morgengrauen tat sie es endlich. Sie schnappte einmal nach Luft, wie ein Fisch, der aus dem Wasser genommen wird, ihre Augen traten fast aus ihren Höhlen, sie riss den Mund weit auf und umklammerte dann mit aller Kraft mein Handgelenk.
Sie starrte in meine Augen; die Furcht zeichnete sich so scharf wie ein Messer in ihrem Blick ab. Keuchend bewegte sie die Lippen, als wollte sie sprechen. Dann brach sie ab, biss sich auf die Unterlippe und schloss die Augen. Sie drückte meine Hand noch fester, in den Krallen einer Furcht, die sie nicht mit mir teilen wollte.
»Schlaf jetzt«, murmelte ich und kroch neben sie, schmiegte mich an sie. Sie fühlte sich so kalt an wie vom Regen benetzte Knochen. »Ich bin hier, wir sind zusammen, schlaf.«
Ich umarmte sie, als wäre sie mein Kind, und wiegte uns beide, bis der Schrei eines Dschungelvogels jenseits unserer Gefängnismauern alle in der Viagand weckte. Mit schmalen Lippen und teigigen Gesichtern krochen wir alle, bis auf Kabdekazonvia, aus unseren Steingrotten. Der Morgen war da.
»Du hast gestern Nacht schlecht geschlafen, Najivia«, begann Großmutter und richtete ihre blutunterlaufenen Augen auf mich, sobald ich mich aus meiner knienden Position aufgerichtet hatte. »Ich beanspruche die Pflicht …«
»Ich habe fest geschlafen!«, fuhr ich ihr in die Parade. »Ich bin nur aufgewacht, um deine Pflicht zu tun, Prinrut zu wecken, worum der Eunuch dich gebeten hat. Du hast deine Pflichten vernachlässigt, und das ist ein Fehlverhalten. Ich übernehme die Pflicht, es zu melden.«
Die Frauen der Viagand schwiegen, standen so steif da wie tote Singvögel, die auf Röstspieße gerammt worden waren, und sahen mich mit ihren starren Drachenaugen an.
Schließlich war es Misutvia, die das Wort ergriff. »Sie hat recht, Großmutter. Du hast geschlafen, als du es nicht solltest. Najis Anspruch ist berechtigt.«
»Es ist nicht nötig, mich darüber zu informieren«, flüsterte Großmutter, deren Worte wie ein lauer, schwacher Wind waren. »Ich strebe nach Reinheit.«
»Ja, Großmutter.« Die Bosheit troff förmlich von Misutvias Lippen. »Das tust du. Es ist deine Entscheidung.«