IV
»Nigel, ich hab da etwas, das muss ich dir erzählen.«
»Na, was ist es denn, Pat?« Nigel wühlte hektisch in seiner Kommode. »Wo zum Teufel habe ich nur diese Aufzeichnungen hingetan? Einfach weg. Dabei hatte ich sie doch hier rein gesteckt, dachte ich.«
»Ach, Nigel, wühl nicht so rum! Du bringst alles durcheinander, und ich habe doch gerade erst aufgeräumt.«
»Aber, zum Teufel, ich muss doch meine Aufzeichnungen wiederfinden!«
»Nigel, du musst zuhören!«
»O.k. Pat, guck nicht so verzweifelt. Was ist los?«
»Ich muss dir was beichten.«
»Nicht gerade einen Mord hoffentlich«, sagte Nigel mit seiner üblichen Leichtfertigkeit.
»Nein, natürlich nicht.«
»Gut. Also nur eine lässliche Sünde. Was ist es?«
»Es war an dem Tag, als ich deine Socken gestopft und sie in dein Zimmer gebracht und wieder in deine Schublade gelegt habe…«
»Ja?«
»Da war da diese Flasche mit dem Morphium. Die, von der du mir erzählt hast, die du aus dem Krankenhaus geholt hast.«
»Ja, und wo du einen solchen Aufstand drum gemacht hast!«
»Aber, Nigel, schließlich war die Flasche in deiner Schublade, zwischen deinen Socken, wo jeder sie finden konnte.«
»Na und? Niemand sonst kramt zwischen meinen Socken herum, außer dir.«
»Nun, jedenfalls schien es mir viel zu gefährlich, sie einfach so da zu lassen. Ich weiß, du hattest gesagt, du würdest sie gleich nach der Wette wegtun, aber solange war sie doch immerhin da, wo jeder ran konnte.«
»Natürlich. Ich hatte das dritte Gift ja noch nicht.«
»Ja, aber ich habe gedacht, das ist völlig falsch, und da habe ich die Flasche aus der Schublade genommen und das Gift herausgeschüttet und durch gewöhnliches Natron ersetzt. Es sieht fast genau gleich aus.«
Nigel unterbrach seine Suche nach den verloren gegangenen Aufzeichnungen. »Guter Gott!«, sagte er. »Was hast du getan? Willst du damit sagen, als ich Len und Colin geschworen habe, dass das Zeugs Morphiumsulfat oder Tartrat oder was auch immer sei, da war es in Wirklichkeit nichts weiter als gewöhnliches Natron?«
»Ja, weißt du…«
Nigel unterbrach sie. Er runzelte die Stirn. »Ich weiß jetzt natürlich nicht, ob das nicht die Wette ungültig macht. Einerseits hatte ich natürlich keine Ahnung…«
»Aber Nigel, es war wirklich gefährlich, es da aufzubewahren.«
»Mein Gott, Pat, musst du immer so pingelig sein? Was hast du übrigens mit dem echten Zeug gemacht?«
»Ich habe es in die Natronflasche getan und hinten in meiner Schublade bei den Taschentüchern versteckt.«
Nigel sah sie mit mildem Erstaunen an. »Wirklich, Pat, deine logischen Gedankengänge spotten jeder Beschreibung! Was war der Sinn dieser Aktion?«
»Ich fand, dass es da sicherer war.«
»Mein liebes Mädchen, das Morphium gehört eigentlich hinter Schloss und Riegel. Wenn es das nicht ist, dann macht es keinen Unterschied, ob es in den Socken oder in den Taschentüchern versteckt ist.«
»Doch, das macht schon einen Unterschied. Zum Beispiel habe ich einen Raum für mich allein, während du dein Zimmer mit jemandem teilst.«
»Was, du glaubst doch nicht etwa, dass der arme alte Len mir am Ende das Morphium geklaut hätte?«
»Ich hatte dir ja nie etwas davon erzählen wollen, aber jetzt muss ich das wohl. Es ist nämlich weg, verstehst du?«
»Du meinst, dass die Polizei es kassiert hat?«
»Nein. Es ist schon vorher verschwunden.«
»Willst du damit sagen…?« Nigel starrte sie bestürzt an. »Lass uns das ganz klar stellen. Also, da ist eine Flasche, da steht drauf ›Natron‹, die enthält Morphiumtartrat und liegt hier irgendwo in der Gegend herum, und jeden Augenblick kann irgendjemand einen gehäuften Teelöffel davon einnehmen, weil er gerade Bauchweh hat? Guter Gott, Pat! Da hast du was angerichtet! Warum zum Teufel hast du das Zeug nicht einfach weggeschüttet, wenn du dich schon so darüber aufgeregt hast?«
»Weil ich dachte, dass es wertvoll ist, und dass man es ins Krankenhaus zurückbringen muss, anstatt es einfach nur wegzuwerfen. Sobald du deine Wette gewonnen hattest, wollte ich es Celia geben und sie bitten, es wieder zurückzubringen.«
»Und du bist ganz sicher, dass du das nicht getan hast?«
»Nein, natürlich nicht. Glaubst du etwa, ich habe es ihr gegeben, und sie hat es genommen, und es war Selbstmord, und ich bin daran schuld?«
»Beruhige dich. Wann ist es verschwunden?«
»Ich weiß nicht genau. Ich habe am Tag, bevor Celia gestorben ist, danach geschaut. Da konnte ich es nicht finden, aber ich habe gedacht, ich hätte es nur verlegt.«
»Es war schon weg am Tag, bevor sie gestorben ist?«
Patricia war weiß im Gesicht. »Ich vermute, dass ich ziemlich dumm gewesen bin«, sagte sie.
»Das ist gar kein Ausdruck«, sagte Nigel. »Wie weit können ein verwirrter Geist und ein fehlgeleitetes Gewissen gehen!«
»Nigel. Glaubst du, ich muss das der Polizei sagen?«
»Verdammter Mist!«, sagte Nigel. »Ich denke schon, ja. Und am Ende ist alles meine Schuld.«
»O nein, Nigel, Schatz, ich war das. Ich…«
»Ich bin schließlich derjenige, der das Zeug überhaupt erst geklaut hat«, sagte Nigel. »Damals schien mir das alles wie ein lustiger Trick. Aber jetzt – ich kann schon die ätzenden Bemerkungen des Anklägers hören.«
»Es tut mir Leid. Als ich es genommen habe, da habe ich doch wirklich nur geglaubt, ich…«
»Du hast das Beste gewollt. Ich weiß! Aber mal im Ernst, Pat, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das Zeug verschwunden ist. Vielleicht hast du einfach nur vergessen, wo du es hingetan hast. Man verlegt doch manchmal irgendetwas, weißt du…«
»Ja, aber…« Sie zögerte, und ein Anflug von Zweifel zeigte sich auf ihrem sorgenvollen Gesicht.
Nigel erhob sich brüsk. »Lass uns in dein Zimmer gehen und alles gründlich durchsuchen.«